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nur ein Recht des himmlischen Vaters, und wenn er in dir deiner Mutter Opfer annehmen, wenn er in dir einen Priester haben will, dann weiß er dich zu finden und zu fassen, wo und wie du auch seist. Mir als einem Diener der Kirche kann es ja nur eine Freude sein, wenn ein Jüngling mit reinem Herzen, mit auferwecktem Geiste und voll von Kennt nissen sich deren Dienste weiht, aber das göttliche Recht der Bestimmung über ein Menschenleben steht mir nicht zu selbst der Überredung will ich mich enthalten. Ich wollte dich nur zum Mitwisser des inneren Geheimnisses deiner Mutter ma= chen, dich zu recht ernster gewissenhafter Prüfung deiner selbst, deiner Pläne und deines Lebenszieles veranlassen und mahnen, nicht zu vergessen, was du deiner Mutter schuldig bist, die, eine arme Witwe, dich mit bangendem Herzen und so treuen Händen durch das Leben bisher geleitet hat, und die mit Angst und Pein eines so heiß liebenden Mutterherzens aus ihrer treuen Hut dich nun entlassen muß. Es ist zwischen mir und ihr ausgemacht wor den, daß du, wenn du nun heimkommst, nicht mehr mit ihr über diese Angelegen heit sprechen sollst. Es erleichtert dir und ihr den Abschied. Du hast noch ein halbes Jahr wir wollen sagen, ein ganzes vor dir, in dem du die volle akademische Freiheit genießen, dich in allen Zweigen menschlichen Wissens umsehen und vervollkommnen und den Zustand deines Herzens und Geistes daran messen kannst. Genieße sie, genieße alles, was dir deine Mittel, deine Jugend und dein Gewissen erlauben! Und wenn du nach einem halben Jahre in die ersten Ferien wiederkommst, dann sollst du mir eine Antwort auf alles das geben, was ich jezt an dich gebracht habe. Dein ernster Sinn ist mir ein Bürge für die Gewissenhaftigkeit deiner Selbstschäßung. Und dann — welches auch dein Entschluß sei

wollen wir weiter sehen. Aber laß das alles heute deine Seele nicht trüben. Sei nur recht gut, wie du immer warst, zu deiner Mutter!“

Heimgekommen, bemühte sich Franz, dieser Mahnung nachzukommen, so schwer auch sein Herz belastet war. Aber es ging. Von der beregten Sache ward zwischen Mutter und Sohn nicht gesprochen.

In damaliger Zeit hatte man von der Stadt, die hier in Rede kam, bis zur nächsten Eisenbahnstation noch etwa einen Weg von sechs Stunden. Omnibusfahrten. waren zur Beförderung der Reisenden eingerichtet. Es war um Ostern und die Abende und Morgen noch sehr kühl. Als Franz, zur Abreise gerüstet, in der Morgenfrühe aus dem Hause trat, um in den Wagen zu steigen, wurde ihm von einem Manne ein Paket übergeben. Die Frau Kreissekretärin, die den Sohn bis zum Wagen geleitete, erkannte den Überbringer als den, der ihrem Sohne stets die Kleider gemacht hatte. Als der Mann sein Paket enthüllte, nahm er einen langen, weiten neuen Überzieher von Doublestoff heraus. Den habe er dem Herrn Studiojus" hier abzugeben. In wessen Auftrage das geschehe, dürfe er nicht sagen. „Vom Herrn Stadtpfarrer!" rief die Mutter. Das sieht ihm ähnlich!" Der Beauftragte jagte nichts dagegen und verschwand im Dämmer des Morgens. Von wem das Geschenk kam, darüber sollte der Reisende nicht mehr lange in Zweifel sein. Als er das Kleidungsstück angezogen und sich's im Wagen bequem gemacht hatte, fühlte er in der rechten Seitentasche einen harten Gegenstand. Er 'machte sich an die Untersuchung, entfernte die Papierhülle, und in dem heller gewordenen Tageslichte schaute ihn das liebe Gesichtchen seiner Fränz an. Die gemeinschaftliche Freundin Bertha hatte das Bildchen gezeichnet und die Fränz von ihrem Spargelde in dem Überzieher den Einschlag dazu besorgt.

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Franz muß in dieser Zeit des ersten Semesters schwere Seelenkämpfe durchgemacht haben. Weder seiner Mutter noch der Fränz hat er darüber etwas vertraut; ob seinem älteren geistlichen Freunde, das weiß man nicht. Aber es schien nicht so. Die Freundin Bertha

glaubte aus Äußerungen des Dechanten in späterer Zeit sogar ganz sichere Beweise für das Gegenteil zu haben. „Mein Herz hab ich für mich,“ war eines der Worte des Geliebten gewesen, das der Fränz gar wohl gefallen hatte und das sie sich oftmals wiederholte. Nein weder der Dechant noch die Mutter wußten etwas davon, wie weit die beiden mit ihrem Herzen sich zueinander geschickt hatten.

Denn sonst hätte es jenen offenbar werden müssen, als die Geschichte mit dem Abschiedsgeschenke, dem Düffelrocke, zur Sprache kam. Das erste, was die Mutter am Tage nach der Abreise des Sohnes unternahm, war gewesen, daß sie in den Pfarrhof ging, um dem Herrn Dechanten für seine große Güte und Liebe zu danken. „Da die Sache auch mir eine Herzens- und Gewissenssache war," bemerkte dieser, „so hab ich sie auch dem Franz kräftig ans Herz gelegt. übrige freilich müssen wir ihm und Gott | allein überlassen." Der Mutter kamen die Thränen. „Ach, und so hübsch warm, Herr Dechant!" Jawohl wurde mir „Jawohl wurde mir dabei warm ums Herz, wie ich so den lebensfrischen Menschen mir anjah."

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ter mit dem Geheimnis ab, und die beiden losen Mädchen hatten ihre stille Freude daran, um so mehr, als die Mama eher an einen Engel vom Himmel geglaubt hätte, der dem Meister Auftrag gegeben und sogar die Rechnung bezahlt, als an die Fränz und die Bertha. Jedenfalls war die Mutter nicht sehr weitsichtig, denn sonst hätte ihr doch ein Gedanke darüber kommen müssen, warum Fräulein Bertha sich nunmehr öfter als sonst bei ihr einfand, auch wenn kein Kleid anzuprobieren war, nur damit Frau W. jemand hätte, mit dem sie von ihrem Franz reden könne. Daß etwas anderes damit im Spiel sein könne, etwa gar eine heimliche Neigung Berthas zu dem Studenten, das war vornweg ausgeschlossen, da bereits Berthas späterer Gatte sich schon zu dieser Zeit um sie bewarb. Aber der Mutter that der Anteil der Nachbarstochter wohl, und sie wurde auch nicht müde, immer von Franz zu erzählen, wie er lebe, welchen Eindruck die neuen Verhältnisse auf ihn gemacht. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Dies Wort muß zuerst von einer Mutter ge= braucht worden sein. Die Mutter trug kein Bedenken, der teilnehmenden Freundin aus der Nachbarschaft Einsicht in die Briefe des Sohnes zu geben, und wenn Bertha diese mit denen zusammenhielt, welche Franz an die Geliebte schrieb, so mußte sie gewahr werden, daß in jenen ein abgedämpfter Ton zum Ausdruck kam, eine Resignation auf die Freuden und Genüsse dieser Welt, in diesen die Zärtlichkeit des Herzens oft einen leidenschaftlichen Anflug nahm, so daß sie sich der Empfindung nicht erwehren konnte, es spreche hier einer, der sein höchstes Gut, seine Liebe zu verlieren fürchte. Zwischen diesem gesteigerten Ausdruck des Gefühles kam es wie ein Laut siegreicher Überwindung nach einem Kampfe durch, oft aber auch wie ein Schmerzensschrei. Aber Bertha behielt diese Wahrnehmungen für sich, denn die Fränz ward nicht davon berührt. Diese ließ sich an den Ver

Natürlich klärte sich das Mißverständnis auf, aber für beide blieb es ein ungelöstes Rätsel, wer der Gutthäter an dem reisenden Studiosus war. Bertha war es gewesen, welche die Sache bei dem Meister besorgt hatte, und dieser hielt auch das gegebene Wort, keine Christenseele davon etwas wissen zu lassen, in Treue, obwohl es ihm schwer ward, denn die Mutter sezte ihm hart zu, steckte sich auch hinter die Frau Meisterin; aber diese war vorher von ihrem Manne in weiser Voraussicht verständigt, mit Entziehung der ehelichen Liebe bedroht worden, wenn sie ,,auch nur einen Schnaufer thun“ würde. Und so quälte sich denn Franzens Mut- | sicherungen genügen, daß Franz sie sort

dauernd liebe und daß sie felsenfest darauf bauen könne. Nach Verlauf einiger Zeit es ging schon gegen den Herbst und die Ferien waren im Nahen kam ein Brief, der das arme Mädchen zur Verzweiflung brachte. Er war die Antwort auf den, welchen sie ihrem Franz zuleht geschrieben. Darin war eine Mitteilung enthalten, die ihr ganz unverfänglich erschien und von der sie nie geglaubt hätte, daß fie irgendwie den Eindruck auf Franz machen würde, der sich in Wirklichkeit in einem so erregten Tone kundgab, daß daran leidenschaftliche Gereiztheit den meisten Anteil zu haben schien. Die Sache war diese.

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Herr Florentin war seit einiger Zeit wieder in der Stadt. Seine Mutter vermochte in ihrem Stolze nicht alle die Schulen herzuzählen, auf denen er überall gewesen, während anderer Leute Kinder doch immer nur eine besuchten aller= dings halten sie diese durch, müssen wir hinzufügen, während das Söhnchen Plenkners es auf keiner lange aushielt. Er ist eben zu klug," meinte die Mutter, „die Lehrer können ihn nichts mehr lehren, und darüber erbosen sie sich und juchen den armen Jungen unter allerlei Vorwänden wegzubeißen; aber die Wahrheit ist, der Junge ist zu helle und macht ihnen zu viel Mühe." Lezteres allerdings war richtig: es gab keinen Schüler, der anschlägiger zu allen nichtsnußigen Strei chen gewesen wäre als Florentin. Seine lezte Station war eine Handelsschule. Seine zärtliche Mama deutete den Grund seines Weggehens von dieser dahin, daß er dem weiblichen Geschlechte der Stadt zu gefährlich geworden sei. Allerdings mit dem Dienstmädchen des Pedells hatte er ein zärtliches Verhältnis eingegangen, und als er die unliebsame Entdeckung machen mußte, daß ein anderer Mitschüler, der allerdings schöner denn er und auch liebenswürdiger zu ihr, sich mehrerer Gunst von ihr zu rühmen hatte, stach er diesem mit dem Federmesser die rechte Hand durch und durch. Um einen jungen Mann gut zu erziehen, meinten

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darauf die Eltern, sei doch Deutschland nicht der geeignete Ort, namentlich für einen angehenden Großkaufmann, wie Florentin einer werden sollte, dafür sei nur England die hohe Schule. Dort hielt der treffliche Florentin wirklich volle zwei Jahre aus. Die Eltern glaubten ihn in einem Bankhause im lebhaften Verkehr mit der City und mit allen Geheimnissen des Welthandels vertraut, damit er in dem Hause, wo der Grünkram des Vaters begonnen hatte, ein großes überseeisches Produktenhaus gründe; aber näher als die Produkte fremder Welten lagen ihm die Produktionen in der Alhambra. Dort am Leicestersquare lernte er eine französische Trapezkünstlerin kennen, diese begleitete er anderthalb Jahre auf ihrer Kunstreise, und die sechs Monate, die von diesen zwei Jahren noch übrig waren, saß er im Schuldgefängnis zu Edinburg, bis ihn Papa Plenkner daraus erlöste.

Nun war Florentin wieder in der Stadt, ließ sich Mister Plenkner nennen, trug karierte Kleider, einen englischen Hut und Backenbart und antwortete yes oder no, denn viel anderes wußte er nicht zu sagen. Aber er war der Sohn des reichen Plenkner und darum von mancher Mutter mit nicht allzu scheelem Auge angesehen. Den jungen Mädchen war er ein Greuel, nicht sowohl wegen seiner Häßlichkeit als seiner Ungeschlachtheit; beim Tanze drängten sie sich wie furchtsame Rehe vor feindlicher Annäherung zusammen, wenn er mit Engagementsabsichten auf ihren Kreis zukam, denn die Unglückliche, die ihm zu folgen verurteilt war, spürte noch vierzehn Tage danach, daß er mit seinen großen Füßen auf den ihrigen herumgetrampelt war. Eines schönen Tages wurden die Eltern der Fränz durch den Besuch der Frau Plenkner mehr überrascht als erfreut, da sie sonst nicht auf solchem Fuße zu dem Ehepaare standen. Obwohl das Gerücht von dem durch Plenkner sen. begangenen Diebstahle sich im Laufe der Jahre ver flüchtigt hatte, so war die Familie des Produktenhändlers dadurch doch nicht im

Ansehen gehoben. Man ging allen dieses Namens gern aus dem Wege. In nicht geringe Verlegenheit wurden aber der Glockengießer und seine Frau verjeßt, als Frau Plenkner mit dem Zwecke ihres Besuches herausrückte und jenen dahin formulierte, daß Jungfer Fränz damals nannte man ein Bürgermädchen noch nicht Fräulein - ihrem Florentin vor allen anderen Mädchen der Stadt außerordent lich gefalle und sie als Mutter es für angemessen halte, mit der Frage zu kommen, ob es den Eltern angenehm sein würde, wenn sich ihr Sohn dem lieben Mädchen" nähern dürfte. Denn nun müßte sie doch daran denken, ihren einzigen Sprößling zu verheiraten; bei ihrem Manne zeige sich schon ein bedenkliches Asthma, er könne nicht mehr wie sonst dem Geschäfte vorstehen, das solle Florentin übernehmen, der sich in der Welt tüchtig umgesehen und draußen sehr viel gelernt habe. Allerdings hatte die Fränz die Annäherungsversuche des Betreffenden schon längst mit Schrecken bemerkt, an Franz aber doch nichts davon geschrieben; nun die Sache jedoch in so offener Form vor sich ging, betrachtete sie es als ihre Pflicht, den Geliebten davon in Kenntnis zu sehen. Aber fast bereute sie es, denn auf einen so leidenschaftlichen Ausbruch, wie sie in der Antwort des Geliebten ihn lesen mußte, war sie nicht vorbereitet. Wußte sie doch nichts von dem Kampfe zwischen dem, was sich ihm als Pflicht aufdrängte, und den dadurch gesteigerten heißen Empfindungen des Herzens. Zu nicht geringerer Reizung hatte ihn noch der Gedanke gebracht, daß dieser einstige Spielgenosse immer noch der schadenfrohe Dämon sein sollte, der Weg und Ziel seines Lebens zu kreuzen sich unterfangen durfte.

den sollte. Obwohl die Fränz wenig Lust zeigte, daran teilzunehmen, so wurde sie doch durch Bertha dazu veranlaßt; deren Bräutigam in spe wünschte es, und so gab sie denn als treue Freundin und Kameradin deren Bitten nach. Allerdings war die Furcht vor Florentin an dem Entschlusse, nicht von der Partie zu sein, mitthätig gewesen, aber Bertha war es gelungen, ihr diese zu benehmen. Sie und ihr Bräutigam würden schon Mittel finden, den zudringlichen Patron von ihr fern zu halten. Natürlich war Florentin da, im allerneuesten Sommeranzuge, mit glänzenden Lackstiefeln an den großen Füßen und orangegelben Handschuhen an den zehn ausgestreckten Fingern. Es hatte geregnet, und so sah man sich veranlaßt, das Tanzvergnügen eher, als beabsichtigt worden, im Saale zu beginnen. Auf dem Orchester wurden nur erst die Instrumente gestimmt, als auch schon Mister Plenkner jun. seine Richtung nach dem Plaze der Fränz nahm. Nichts half es, daß Bertha und ihr Geliebter sich schüßend vor sie stellten, er drang durch und forderte sie zum Eröffnungswalzer auf. Aber zum Tanzen kam er nicht. Wie aus der Erde hervorgewachsen stand Franz vor der Geliebten. Ein Aufschrei der Freude von ihr - einige hastige Worte der Begrüßung von seiner Seite, dann nahm er sie um die Taille. Florentin brüllte durch den Saal, welches Recht er sich anmaße, seine Tänzerin wegzunehmen. Alle Welt ward aufmerksam und alle Welt hörte, wie der Studiosus mit fester Stimme und wie absichtlich laut ihm antwortete: „Mit welchem Rechte? Weil ich mich als der Verlobte der Dame betrachte!" Dann begann er mit ihr den Reigen.

Es kam die Zeit der Ferien heran. Franz hatte nicht geschrieben, wann er eintreffen würde, auch Bertha es nicht von der Mutter erfahren können. Um diese Zeit hatte die gesellschaftliche Vereinigung der angesehenen Bürgerfamilien der Stadt eine Landpartie arrangiert, die mit einem kleinen Balle beschlossen wer

Es hätte sich keine bessere Gelegenheit finden können, das Geheimnis der beiden Herzen zu dem der Stadt zu machen, zur Öffentlichkeit zu bringen, als diese. An demselben Abend und in den nächsten Tagen war von nichts anderem die Rede als vom Franz und der Fränz. Der ältere bedächtigere Teil der Gesellschaft schüttelte die Häupter und meinte, die

ab als draußen. Es gab Scenen bis in die Nacht hinein, aber das Endresultat war, daß man die Sache nun schon bei dem Geschehenen lassen müsse, da am Verlobten von seiten der Eltern sonst nichts auszusehen war. Am späten Abend noch läutete Franz im Pfarrhof. „Welch eine freudige Überraschung für mich, mein lieber Franz!" rief der würdige Dechant beim Anblicke des jungen Maunes aus, auf dessen Besuch er nicht vorberei tet war. Als er ihn verabschiedete, war allerdings nichts mehr von Freude an ihm zu spüren. Franz hatte ihm die Vorfälle des Abends mitgeteilt. „Mein erster Gang wäre ohnehin zu Ihnen gewesen, Herr Dechant, um Ihnen ein offe nes Bekenntnis abzulegen. Ich habe ein sehr trauriges Semester verlebt. Es war ein beständiges Ringen und Kämpfen in und mit mir. Aber ich kann ich kann es nicht, was meine Mutter von mir verlangt! Und wenn ich auch aus Liebe ihr das Opfer hätte bringen wollen ich konnte ich durfte es um der Fränz willen nicht! Ich wußte, daß ich ihr das Herz gebrochen hätte."

Sache hätte sich auch auf andere Art | allerdings ging die Sache nicht so glatt machen lassen als in dieser übereilten, gewaltsamen Weise. Die jüngere Welt, namentlich der weibliche Teil, gab jedoch ihren vollen Beifall mit dem stillen Wunsche, daß im gegebenen Falle ihr eine gleiche Überraschung von seiten des Geliebten werden möchte. Am meisten er staunt waren wohl die Betreffenden selbst. Franz hatte im ersten vollen Impuls einer eifersüchtigen Regung gehandelt. Er war an demselben Nachmittag in der Stadt angelangt, mit der Absicht, die Fränz am Abend mit seinem Besuche zu überraschen, das heißt, sie wissen zu lassen, daß sie sich bei Bertha treffen wollten. Da vernahm er von seiner Mutter, daß die Gesellschaft ein Sommerfest veranstal❘ tet habe und die beiden Freundinnen auch dort seien; denn Bertha hatte sich noch ein Kleid neu garnieren lassen. Die Erzählungen der Mutter von den Bewerbungen Florentins thaten das übrige, um ihn zu bestimmen, den Freundinnen zu folgen. Er betrat eben den Saal, um Florentin auf die Fränz lossteuern zu sehen, und so war er, dessen Absicht erratend, zwischen beide getreten. Das übrige braucht nicht mehr gesagt zu werden. Vielleicht hätte er in anderer Stimmung anders gehandelt, aber es war geschehen und der Fränz auch nun gerade recht, da sie sich von dem aufdringlichen Freier erlöst sah. Es war, wie man in höheren Kreisen sagen würde ein vollständiger Eclat, und zu diesem konnten die Eltern der Fränz, in diesen Dingen von strenger Gesinnung und korrekter Hal tung, nicht sehr freundlich sehen. Vater wie Mutter thaten vor der Gesellschaft nicht dergleichen, als ob die Sache ihnen so überraschend und namentlich gegen ihren Willen gekommen wäre, als es in der That der Fall war. Sie nahmen, um den Fall abzuschwächen, sogar die Glückwünsche an, nur zogen sie sich mit ihrer Tochter eher, als beabsichtigt gewesen, zurück, luden sogar, um alles Aufsehen zu vermeiden, den neuen Bräutigam zu ihrer Begleitung ein. Zu Hause

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Die beiden Männer sprachen noch lange in die Nacht hinein, und im Fortspinnen der Reden gestand der Dechant dem Studenten, wie schwer es ihm damals geworden sei, im Auftrage der Mutter ihm die Eröffnung zu machen. Als ich in dein jugendfrisches Gesicht sah und in deine neunzehn Jahre mich hineinverseßte, da dachte ich an mich und meine Jugend zurück. Es war ein ganz ähnlicher Fall, und mein Herz zuckt noch krampfhaft zusammen in der Erinnerung an den Moment, als ich mein jugendliches Haupt beugen mußte, um die Tonsur an mir vollziehen zu lassen. Jeder von uns Priestern, mein lieber Franz, bringt sein Herz zum ersten heiligen Meßopfer dar, und wer das nicht gethan, der bleibe lieber fern vom Altar, der ist kein wahrer Priester; denn dieses heißt Mensch sein und alles Menschliche zu verstehen, um durch die Beichte und Absolution beladene Her

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