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rechtigkeit sich selbst anzuklagen, das Verbrechen durch die Strafe zu sühnen, dazu hat er nicht den Mut. Wer kennte nicht die Feigheit des Menschenherzens, wollen wir sagen den Trieb der Selbsterhaltung! Aber die Furien des Lebens! Dort ist eine Kirchenthür offen, in der Kirche steht ein Beichtstuhl, darin sigt ein Priester, dem ein ewiges Schweigen auferlegt ist, jolange er seine priesterliche Funktion an diesem heiligen Orte übt. Vor ihm kann er die Sündenschuld bekennen dessen Chr ist offendessen Mund verschlossen dessen Mund verschlossen wie das Grab. Dorthin, dorthin! Er kniet nieder, er beichtet es ist her aus das Bekenntnis. Der Mann da drinnen schweigt, ja, muß schweigen. Und er, der Verbrecher, geht dahin, vielleicht im Augenblicke mehr entlastet als der Priester. Auf diesen hat sich die ganze Last abgewälzt, in großer Angst der Seele, ob Gott die Seele des Missethäters so zu erleuchten für gut befinden würde, daß dieser endlich doch das priesterliche Gebot der Sühnung erfülle. Viel Blutschuld fann der Unselige noch auf sich laden, um jein beladenes Gewissen zu übertäuben, und er, der Priester, muß ihn frei davongehen lassen, er kann ihn nicht der weltlichen Gerechtigkeit überliefern, da er hier in priesterlicher Funktion ist. Glauben Sie nur, in den Beichtstuhl begleiten den Priester die schwersten Pflichten! Der Menschheit ganzer Jammer faßt ihn hier an! Hier naht ihm alles Menschliche, hier muß er alle Sünden hören und lösen. Im Beichtstuhl erhält ein Priester seine höchste Weihe!"

Meine Freundin hatte sich so in die Situation hineingedacht und hineinge sprochen, daß ich, als sie schwieg, mir die Bemerkung nicht versagen konnte, ihre Schilderung sei so lebendig, so anschaulich, aus der Wirklichkeit genommen gewesen, & ich mir nur erklären könnte, sie hätte auf ein wirklich Geschehenes sich bezogen. Überrascht blickte sie mich an und sagte dann langsam: „Vielleicht!"

Weiter berührte sie die Sache nicht wieder, und ich vermied es gleichfalls,

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darauf zurückzukommen. Aber nicht leugnen kann ich: der Eindruck blieb doch noch länger in meiner Seele zurück, weit hinaus über die Tage dieses Zusammenseins. Auch sie gingen zu Ende, und beim Abschied sagte mir Frau Sonnreder:

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Wir waren hier oben recht gute Menschenkameraden zusammen. Halten Sie es für keine Redensart, wenn ich Ihnen sage, welche Freude Sie mir und - ich spreche auch für meine Familie uns allen machen würden, wollten Sie einmal Einkehr in unser Häuschen am Rhein nehmen. Außer uns finden Sie auch einen guten Tropfen, und dann auch Feder und Tinte, wenn Sie etwas schreiben wollen. Aber vergessen Sie es nicht."

Die Gelegenheit fand sich gar bald. Von Frankfurt a. M. aus kündigte ich meinen Besuch an — am Landungsplaye des Dampfschiffes erwartete mich die ganze Familie und geleitete in eigener Equipage mich nach dem auf der Höhe gelegenen Besißtum. Das im Äußeren etwas unscheinbare Haus war im Inneren mit englischem Komfort eingerichtet, Teppiche auch selbst auf den Korridoren und Treppen, überall Heizvorrichtungen, und aus allen Fenstern die Aussicht hinüber auf die Gelände, wo das beste Tröpfchen wächst, vom Markobrunner Revier an bis hinab gegen den Johannisberg und Rothenberg bei Geisenheim. Unten um das Haus legte sich ein weiter Garten mit mächtigen alten Nußbäumen und weiter herum das Weingut. Von allen Seiten traf man auf Wohnlichkeit und Behaglich= keit, aus allem sprach ein einfacher, auf die wirklichen Grundlagen des Lebens gerichteter Sinn. Zwei Töchter waren ausgeheiratet, die eine davon befand sich zum Besuche, die dritte, noch unverheiratet, war im Hause geblieben; ein Sohn stand der Landwirtschaft vor, die beiden anderen befanden sich auswärts. Meine Freundin war dieselbe hier wie damals auf der ... alp, immer von derselben Frische des Sinnes und Gemütes, von derselben Eigenart des Geistes und demselben tiefen Einblick in alle Lebensver

hältnisse auf Grund reicher Lebenserfahrungen. In ähnlicher Weise, nur ins Männliche übersezt, gab sich der Gatte, nur daß seine geistige Komplexion sich in einer Dosis von gesundem Humor kundgab. Und wenn ich noch hinzufüge, daß die Küche sich in gleich guter Verfassung befand wie die Menschen, so braucht es wohl nicht erst langer Worte, um anzu deuten, wie wohl und behaglich ich mich hier befand.

Eines Morgens, als ich zum Frühstück in den Garten kam, war Frau Sonnreder allein am Kaffeetisch unter dem Nußbaum; sie hatte einen Brief in der Hand und sagte mir:

,,Heute werden Sie eine interessante Bekanntschaft machen. Der Bischof von *** hat sich zu Tisch angesagt. Er kommt von einer Firmelungsreise und ist genötigt, ein Bad zu gebrauchen. Sein Weg führt ihn hier vorbei, und da wollte er doch nicht vorbeifahren, ohne bei uns das Tischgebet gesagt zu haben."

Sie kennen den hochwürdigen Herrn also so genau?"

,Denken Sie, ich habe noch mit ihm getanzt!"

„Ach, wie ist das möglich! Ich glaube, nicht viele von den deutschen Frauen können sich rühmen, mit einem Bischof getanzt zu haben," war meine Bemerkung, „wenigstens in unseren Tagen nicht. Vor zwei Jahrhunderten ja, da weiß man selbst von Kardinälen. Andere Zeiten, andere Sitten!"

„Es war auch nur, als er noch Gymnasiast war," erklärte Frau Sonnreder weiter. ,,Wir waren Nachbarskinder. Sein Vater war Kreissekretär ein kleiner Beamter; seine Mutter die geschickteste Kleidermacherin in meiner Vaterstadt. Sie hat mir noch mein weißes Kommunionkleid gemacht, mit hohen Puff ärmeln, von Battist war's, und ich weiß noch, als es auprobiert wurde, schielte ich nach dem Franz hinüber, nach dem Sohne, eben dem Bischof, ob der auch sähe, wie hübsch ich mich darin ausnehme. Der merkte jedoch gar nicht auf mich, schien

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mehr in seine Bücher vertieft; aber in die Tanzstunde sind wir beide gegangen. | Meine jüngste Schwester war seine Braut| jungfer bei der Feier seines ersten Meßopfers."

Herr Sonnreder kam dann dazu und machte einige humoristische Bemerkungen darüber, daß er dieses Verhältnis erst jezt erfahre. Früher habe seine Gattin nie etwas davon vermerken lassen. Hätte er aber gewußt, daß sie solche Beziehungen zu einem Bischof gehabt, dann würde er sich wohl gehütet haben, sie zur Frau zu nehmen.

,,Du, du, umgekehrt hätte es wohl sein können. Ja, ich sage es, der Franz hat mir gar nicht so übel gefallen; er war hochgewachsen, hatte jo frische Backen und helle braune Augen und solches dichtes Lockenhaar, und hätte ich nicht bald später gewahr werden müssen, warum er kein Auge auf mich haben konnte ,,Was denn, Bertha?" frug Herr Sonnreder.

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„Ah, man muß nicht alles sagen. Aber beruhige dich, es war nur vorübergehend bei mir wenigstens nicht so bei den beiden anderen.“

Des weiteren schwieg sich Frau Bertha aus, machte sich mit dem Frühstück zu thun. Die Rede fam wieder auf den Bischof zurück, auf seinen Lebensgang, auf seine verhältnismäßig rasche Carriere, da er noch ein ziemlich junger Mann sei. So alt wie ich," jchaltete Frau Bertha ein.

,,Womit ich nicht gesagt haben will, daß du auch eine junge Frau seiest," wandte sich lachend Herr Sonnreder zu seiner Frau. Die aber lachte wieder über „ihren Hausverstand", wie sie ihren EheHerrn nannte. Und dieser bemerkte, daß besonders ein Vorfall im Leben des Kirchenfürsten die Aufmerksamkeit der Staatsbehörden auf den damaligen Pfarrer gelenkt hätte und so der Grund zu dessen raschem Vorwärtskommen in der Hierarchie gewesen sei.

Dabei machte aber Frau Bertha ihrem Manne ein Zeichen, wie von gebotener

Diskretion, und Herr Sonnreder sprach | jenes dozierenden Tones, den Geistliche gene oft dierenveen te überlegenseit gar annehmen in der

Dont be an über seine Cigarren, uropean

wurde viel über die Weinsorte beratschlagt, die dem hohen Herrn vorgesezt werden sollte. Frau Bertha meinte, man müsse nur dafür sorgen, daß die Magd sie immer frisch vom Hofe holte Brunnen.

vom

des Bewußtseins, als wären ihre Worte Aussprüche einer höheren Offenbarung. Er sprach frei, natürlich, sogar mit epi- . grammatischen Wendungen wie ein vollendeter Weltmann. Und dabei trat ein Zug thatkräftiger Initiative in ihm zu

Im Laufe des Vormittags sagte sie Tage, ein frischer Mut und eine Geistesnoch zu mir:

Erinnern Sie sich, was ich Ihnen da droben auf der Alp über das schwere Pflichttum der Beichte sagte, das einem Geistlichen unseres Bekenntnisses auferlegt ist? Das ist eine Reminiscenz, ein Ausspruch vom Bischof."

Im Laufe des Vormittags kam dieser mit dem Dampfschiffe an. Bei ihm be- | fand sich noch ein jüngerer Priester, der aber vom Bischof die Weisung erhielt, ihn am Abend an der nächsten Station zu erwarten. Jedenfalls wollte er mit der Familie allein sein. Den Wagen lehnte er ab; er zog es vor, den Weg nach dem Landhause zu Fuß zu machen. Ich wurde ihm erst im Salon vorgestellt, sah einen Mann im reiseren Mannesalter vor mir, hoch gewachsen, von kräftiger Muskulatur, mit etwas nach vorn übergebeugter Haltung. Das braune Haar war freilich gebleicht, aber die Überbleibsel desselben legten sich mit einem gewissen jugendlichen Schwunge um das Haupt, dessen Stirn wie von Elfenbein glänzte. Unter dieser schauten mich ein Paar helle, milde, dunkelbraune Augen an, und diesem Ausdruck entsprach ein gar einnehmender Zug um den feinen Mund, der die Annehmlichkeit der sonoren und doch so weichen Stimme vorher zu verkündigen schien. Als er weiter sprach, begriff ich die Macht, welche er auf seine Zuhörer ausübte, wenn er den Predigtstuhl in seiner Domkirche bestiegen hatte, was er häufiger denn ein anderer hoher Würdenträger der Kirche that. Wie seine Gestalt frei in Bewegung und Haltung, entfernt von aller Unbeholfenheit oder verlegenem Wesen war, das gemeiniglich den Cölibatären anzuhaften pflegt, so entbehrte seine Rede

Monatshefte, LXII. 367. April 1887.

gegenwart, die sich hier zwar nur in der Rede und Gegenrede kundgab, von der man aber den Eindruck bekam, daß sie sich ebensogut in die That übersehen konnte. Der Mann hatte in kurzem meine ganze Sympathie. Wie zu erwarten war, bildeten Jugenderinnerungen einen Hauptteil der Unterhaltung bei Tische. Es war das erste Mal, daß er als Bischof in das Haus gekommen, und es ist üblich, daß bei solcher Erhöhung vertraute Freunde, auch selbst Verwandte den vertraulichen Umgangston der Anrede mit du in ein ceremonielles Sie verwandeln. Dieses hatte auch Frau Sonnreder versucht, als sie ihn beim Aussteigen aus dem Schiffe begrüßt hatte, er aber war ihr mit einer entschiedenen Ablehnung begegnet.

„Wir sind und bleiben alte Duzfreunde," hatte er gesagt.

In diesem Tone verlief auch das ganze Zusammensein, das von einem Hauche unbefangener Heiterkeit belebt war. Alte Jugendgeschichten kamen wieder aufs Tapet, gemeinsame Erinnerungen zogen herauf, und dabei glaubte ich in seinen Mienen ein wehmütiges Empfinden aufzucken zu sehen, wie die Erinnerung an ein vergangenes, vielleicht verlorenes Glück das bringt. Dann wollte ich auch bemerken, daß unter den dunklen Brauen hervor sein Blick nach der Wand ging, wo eine tiefer gefärbte Stelle anzeigte, daß da ein kleines Bild gehangen hatte, aber die Stelle war leer. Wollte es Frau Sonnreder nicht bemerken oder aber war es ihr in der That entgangen? Sie spann den Faden der Konversation immer lustig und kräftig fort, dabei schenkte sie dem geistlichen Herrn Wein ein.

„Weiß wohl, Franz, daß es bei dir

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nur Wein giebt, wenn du deine Domherren oder Landpfarrer zu Tische hast; aber heute kannst schon eine Ausnahme machen. Auf der Reise ist einem geist lichen Herrn ja auch mehr erlaubt als daheim."

„Und einen Tobak wird der liebe Gott seinem frommen Knechte auch nicht übel nehmen," ergänzte Herr Sonnreder, indem er ihm die Cigarre reichte.

,,Der liebe Gott nicht," sagte der Priester lachend, indem er die Gabe annahm, | „aber meine Diöcesanen oder vielmehr eine Partei, die mir bei meiner Erhebung nicht besonders freundlich gesinnt war; die nahmen mir die Cigarre übel, welche ich auf meinen Spaziergängen im Freien zu rauchen gewohnt war."

„Geraucht hast du ja immer gern. Weißt du noch, wie wir Mädchen einmal zu Weihnachten unsere paar Sparheller zusammengelegt und dir heimlich, anonym eine schöne Pfeife mit langen Quasten zugeschickt hatten, wie die Studenten sie hatten, wenn sie in die Ferien heimfamen?"

„Ich war zu arm dazu, mir eine zu kaufen," bemerkte der Tischg ist mit wehmütigem Lächeln. Ich habe sie noch, Bertha, sie hängt bei meinen Studentenmüßen. Wenn ich überhaupt an dein Elternhaus zurückdenke wie viel Gutes. wie viel Gutes wurde mir daraus! Ich weiß noch, bei euch aß ich den ersten Spargel, denn bei meiner Mutter gab es solche Köstlichkeiten nicht; und wenn der Keller deines seligen Vaters nicht gewesen wäre, ich säße heute | nicht mitten unter euch."

„Ja, damals warst du dem Tode näher als einer," sagte Frau Sonnreder ernst, ,,und der alte Doktor Rottmann sagte eines Tages deiner armen Mutter, sie möge dir nur den Sarg anmessen lassen. Und wir Mädchen, wir weinten uns alle Röte aus dem Gesicht, und hinter deinem Sarge wären wir alle gegangen, wie die Jungfrauen von Mainz hinter Meister Frauenlob. Weißt du, daß wir schon zusammengespart hatten, damit du die lezte Ruhestatt an ihrer Seite bekämest?"

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Wie ein Trauerflor flog es über das Gesicht des Bischofs. Frau Sonnreder bemerkte wohl die plößlich veränderte Stimmung und den tiefen Eindruck, den ihre Worte hervorgebracht. Sie suchte allsogleich einen heiteren Ton anzuschlagen, indem sie bemerkte, es sei doch besser, daß sie jezt noch mit ihm zusammensäßen, alle freudig im Gemüt zueinander und sich sonnend im irdischen Glücke.

Und in heiligen Erinnerungen an unsere Kindheit mit Danken und Loben zu Gott für die Gnade, die er uns allen hat zu teil werden lassen!" schloß der Bischof und knüpfte daran das Tischgebet.

Als man von Tische aufgestanden war, um aus dem Eßzimmer zu gehen, nahm er mit Frau Sonnreder einen Vorwand, um zurückzubleiben. Ich sah, wie er nach der leeren Stelle an der Wand deutete und zu Frau Sonnreder sich wandte.

,,Die Stelle, an der das Bild sonst hing, ist leer. Warum denn, Bertha?” Diese gab darauf Bescheid dahin, die Wand sei feucht geworden, darum habe sie das Bild in dem nebengelegenen Salon untergebracht. Sie führte ihn dahin. Ich sah, wie er vor einem kleinen Bilde stehen blieb und es eine Zeit lang still betrach tete. Dann begab er sich wieder zu der Familie. Aber doch wollte es mich bedünken, daß er ernster und wehmütiger denn zuvor gestimmt war. Als er dann etwa zwei Stunden darauf sich verabschiedet hatte und von der Familie nach dem Landungsplaße zurückgeleitet worden war, machte ich nach deren Rückkehr zu Frau Sonnreder eine darauf hinzielende Bemerkung.

„Hören Sie, vor Ihnen muß man sich eigentlich in acht nehmen! Sie bemerken ja alles! Und doch haben Sie richtig gesehen.“

Ich erinnerte mich des kleinen Bildes, einer Kreidezeichnung in schwarz poliertem Rahmen. Sie stellte ein Mädchen im Alter von etwa siebzehn Jahren dar, ein gar unschuldsvolles Gesicht mit langen Wimpern über den träumerischen Augen, das wie mit angstvoller Miene aus dem

Rahmen in die Welt schaute. Ich sagte auch | Frau Sonnreder vorfand. Den Juhalt

so etwas Ähnliches zu meiner Freundin.

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„Ich selbst habe es in meiner Jugend gezeichnet," erklärte Frau Sonnreder. Sie sehen mir wohl jezt nicht mehr an, daß ich einmal ganz forsch mit der schwarzen Kreide war. Ach, hätte ich damals gewußt, was dem Franz und der armen Fränz bevorstand! Haben Sie die Rose | bemerkt, mit welcher der Bischof über Tisch in seiner Hand spielte? Die können Sie jezt an dem Bildchen sehen. Vielleicht erzähle ich Ihnen mal den ganzen Vorfall. Heute kann ich es nicht; ob ich es können werde, solange Sie uns hier noch die Freude machen, weiß ich nicht; aber erfahren sollen Sie es mal. Wenn Sie mit hinunter nach dem Schiff gegangen wären, hätten Sie hören können, wie mir der Bischof eine Mitteilung machte, die, aus neuester Zeit stammend, noch mit dem Erlebnis in Verbindung steht. Ohne dieses hätte er vielleicht auch nicht die geistlichen Weihen empfangen."

Die Person des Bischofs, zusammen gehalten mit den Andeutungen meiner Freundin, war in hohem Grade dazu angethan, das Feuer meines Interesses zu schüren, um die Dinge zu erfahren, die bei dem geistlichen Herrn und seiner Jugendfreundin wie in einem Archiv ihrer Lebensschidsale ruhten, vielleicht für immer be graben lagen. Wenigstens wollte mir das so scheinen; denn weder deutlich geäußerte Wünsche, die Dinge zu wissen, noch meine oftmals darauf hindeutenden Erinnerungen waren vermögend, fürs erste zu einem Resultat zu kommen. Frau Sonnreder winkte immer ab, deutlicher oder verdeckter, und so gab ich denn die Hoffnung auf. Bald nach dem Besuche am Rhein ging ich für mehrere Monate

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bildeten eine Anzahl von Briefblättern und dazu einige Zeilen von der Hand meiner Freundin, also lautend:

„Man hört gar nichts mehr von Ihnen. Sollte unsere Freundschaft schon tot sein? Um sie wieder zu erwecken und da kleine Geschenke diese unterhalten, so sende ich Ihnen hier, was ich von meiner Jugend an Erinnerungen in meinem Gedächtnis zusammengeklaubt habe. Die Katastrophe selbst gebe ich Ihnen so, wie sie mir von dem Betreffenden vor Jahren erzählt worden ist und ich sie gleich danach zu Papier gebracht habe. Als ob ich damals eine Ahnung gehabt hätte, daß ich einmal mit so einem Schreibemann, wie Sie es sind, zusammentreffen und von diesem darum gequält würde. Aber als eine diskrete Seele und noch mehr als ein fürsichtiges Weib hätte ich Ihnen diese Blätter doch nicht geschickt ohne Zustimmung dessen, welcher der Held der nachfolgenden Geschichte, die Sie notabene erst zu einer solchen machen sollen. Und er sagte nicht nein. Denn was menschlich ist,' schrieb er mir, ist unser aller Teil, und es kann weder einem Priester schaden, daß man von ihm liest: er war auch den Regungen der Jugend und des Herzens unterworfen noch dem Publikum, zu erfahren, wie ein Priester seine Pflichten auffaßt und ausübt.' Als eine besondere Freundlichkeit würde ich es aber erachten, wenn Sie mir Ihre Arbeit, ehe Sie diese hinausgeben, mitteilen wollten, da ich nicht möchte, es sei nur ein Jota darin, was nicht mit der Wahrheit der Dinge übereinstimmte. Und wenn Sie es recht gut machen, so sollen Sie auch ein Paar so hübsche seidene Strümpfe bekommen, wie ich sie auf der Alp droben für meinen Ältesten gestrickt habe. Ach, manchmal kommt

in das Ausland, unser brieflicher Verkehr | mir's in Erinnerung, als ob ich den Windwar unterbrochen. Ich hörte monatelang hauch spürte, der über die blumigen Wienichts mehr aus dem Hause im Rhein- sen der Alp dahingeht!" gau. Zudem hatten auch andere Dinge mein Interesse in Anspruch genommen. Um so überraschter war ich, als ich, heimgekehrt, einen eingeschriebenen Brief von

Nach Empfang dieser Sendung lagen vor mir ein paar ruhige Wochen, nach deren Verlauf eine Sendung nach dem Weinberge im Rheingau abging etwa

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