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Jeanette nicht mit Börnes Augen anzusehen, um diese Worte vortrefflich passend zu finden. Wohl viele jener berühmten Frauen, deren Wirken uns Kultur- und Litteraturgeschichte überliefert, haben geglänzt durch schärferes, originelleres Denfen, durch produktivere Veranlagung: an Herzensgüte und Liebenswürdigkeit ist sie von keiner übertroffen. In ihr dürfen wir erblicken eine Verkörperung jenes Ideales hingebender Weiblichkeit, welches in dem Flusse der socialen Gestaltungen und der ethischen Anschauungen vielleicht nicht immer das Ideal bleiben wird, blei ben kann, auf welches aber auch spätere Zeiten bewundernd werden zurückschauen dürfen. So hat sie stets, und nicht nur auf Börne, eine hervorragende Anziehungskraft ausgeübt und einen auserlesenen Kreis um sich zu versammeln gewußt.* Fremde von Ruf, wie Saphir, führten sich bei ihr ein, der frühentwickelte Ferdinand Hiller produzierte sich in ihrem Hause. Jeanette wußte eine angenehme Stimme verständig zu verwenden; sie spielte Klavier und auch Guitarre, und noch in späteren Jahren pflegte ein solches Instrument, an der Wand hängend, eine Zierde ihrer einfachen Zimmerein richtung zu bilden. Fast scheint es, als ob eine Überfülle von Besuchern Jeanetten, die als übertrieben ängstliche Hausfrau geschildert wird, zuweilen in Verlegenheit gebracht habe. Ich bin vor Freude über Ihr Elend," sagt Börne einmal neckend, „im Zimmer herumgesprungen... Vergessen Sie aber nicht, daß Sie keine Wirthshausgerechtigkeit haben, und daß Sie Händel mit Tivoli, dem Vauxhall und Rosenbacher bekommen können." Jeanette zeigte sich über diese Bemerkungen ein wenig gekränkt, worauf Börne verspricht, fortan gerne zu schwei

e'est cette pitié si tendre à tous les maux d'autrui, c'est cet esprit juste et ce gout exquis, qui tirent leur pûreté de celle de l'âme, ce sont en un mot les charmes des sentiments que j'adore en vous.

* Bei ihr verkehrten Dr. Reinganum, Dr. Stiebel, Aloys Schmitt, Malß der treffliche Lokaldichter und andere.

gen, wenn er nur nicht glauben müsse, daß sie bloß aus Schwäche und Güte ein Übermaß ertrage (1827).

Jeanettens Erscheinung wird übereinstimmend als eine angenehme geschildert, ihr Organ soll von gewinnendem Wohl= laut, ihre Redeweise eine distinguierte gewesen sein. Auch ihre Rechtschreibung, über die Börne gern zu spotten liebt, ist für eine Frau jener Epoche leidlich korrekt. In dem Briefe, welchen er heute erhalten, sagt Börne einmal allerliebst, seien mehr Fehler, als sie selber habe nämlich einer.

Ihre Lektüre wählt Jeanette sowohl um des Stoffes als der Form willen, öfters vielleicht noch wegen des ersteren, wenn sie in ihm Bezüge auf das entdeckt, was Börne bewegt. Die besseren gleichzeitigen Erscheinungen verfolgend und nicht minder gern zu den klassischen Produkten der Vergangenheit greifend, liest sie mit Vorliebe die Werke Jean Pauls, Walter Scotts und Rousseaus, freisinnig geschriebene Geschichtswerke und Biographien edler Persönlichkeiten. In den Zeitungen folgt sie aufmerksam den Begebenheiten des Tages. Nach der Julirevolution war auch sie radikal demokratisch gesinnt. Würde sie dies auch ohne den Einfluß Börnes gewesen sein?

Ich weiß nicht, ob diese Frage unbedingt zu bejahen ist, denn nicht als eine selb ständige Denkerin auf politischem Gebiete erscheint Jeanette. erscheint Jeanette. Sie denkt meist mit

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Börne, zuweilen wider Börne, selten aber ohne ihn. Aber sicher ist, daß eine so humane, gerechte Natur, wie die ihre, auch aus sich allein Feind aller Unterdrückung und Freund aller Verfolgten gewesen wäre. Und hieraus wenn man zugleich die Eigentümlichkeit der weiblichen, zunächst vom Anschaulichen berührten Natur erwägt erklärt es sich auch leicht, daß sie von sich versichern kann, es sei von Kindheit an ihre Schwärmerei gewesen, wenn doch nur alle Güter und alle Lasten gleich verteilt sein könnten; hieraus erklärt es sich auch leicht, daß keine freiheitliche Sache sie je mehr begeisterte als die

polnische, daß kein Leid je lebhaftere Sym- | dem Zuge. „Man meint nicht, daß dies

pathien bei ihr fand als das jener unglücklichen, immer aufs neue von schweren Prüfungen heimgesuchten polnischen Nation. Sie, die Börne angestachelt hatte, in sei nen Pariser Briefen doch über alles mögliche, was ihm beifiele, also auch über das Theater, zu plaudern, sie ruft ihm jezt zu: „Aber begreife ich Sie doch kaum! wo haben Sie denn jezt so viel Raum für Italiener* und ihre Melodien! Die polnischen Sensenträger, die polnische Freiheit daneben klingt jezt gar nichts. Könnte ich nur für diese herrliche große Sache etwas thun. Ich meine, alle Welt müßte zusammentreten, um da zu helfen ...“ (März 1831). Gern möchte sie ihr Wertgerät opfern; mit gleichgesinnten Frauen hält sie Beratungen ab. Sie entrüstet sich über die Frankfurter, daß sie so teilnahmlos blieben; für die Griechenkämpfer hätten sie doch weit mehr Sympathie bezeigt. Nachmals freilich, nach dem Falle Warschaus, giebt sie Börne um so freudiger Kunde von der wackeren Haltung ihrer Mitbürger und von den Zügen von Opferwilligkeit und Begeisterung, die zu verzeichnen waren. Sie berichtet, wie polnische Offiziere von Hanan her zu Wasser ankommen, begeisterte Polenfreunde haben ihnen von dort das Ge- | leite gegeben und lassen Musik und Böller- | schüsse von den Schiffen ertönen. Das Gedränge auf der „Schönen Aussicht“ ist so groß, daß die Meßger die Polen auf den Armen durch die Menge tragen. So oft Züge von Polen durchkämen, entblöße alles ehrerbietig das Haupt. Sie meldet, wie ein Hilfskomitee sich bildet, wie Konzerte veranstaltet werden, zu denen Aloys Schmitt Variationen auf polnische Nationallieder komponiert, wie die Stadt in den Gasthäusern für die Einquartierten zahle. Im Gasthof zum Schwanen stirbt ein verwundeter polnischer Offizier, viele Tausende geben ihm das lehte Geleite; auch das Frankfurter Bürgermilitär folgt

* Börnes Besprechungen der italienischen Oper in Paris sind hier gemeint.

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die nämliche Stadt sei,“ ruft Jeanette begeistert aus (Januar 1832). Ein junger Frankfurter (mit Namen Trier) zieht auf der Landstraße seinen Mantel aus, um ihn einem Polen umzuhängen,* ein Goldarbeiter faßt für einen polnischen Offizier einen Eisensplitter, welcher ihn verwundet hatte, zu einem kleinen Schwerte um und beseßt es mit Brillanten.

Jeanettens Briefe aus den dreißiger Jahren sind übrigens die einzigen, in welchen das politische Element stark in den Vordergrund tritt. Mit ihren ungezwungen und lebendig, zuweilen auch wohl neckisch hingeschriebenen Briefen** hat sie überhaupt litterarische Produkte niemals schaffen wollen; ja, es kann sie förmlich beunruhigen, wenn Börne ihre Schreibweise lobt. „Es bleibt mir ein unerklärliches Räthsel und Wunder," erwidert sie Börne einmal, „wodurch es eigentlich bewirkt worden, daß ich Ihnen so offen und unbefangen schreibe . . . Jezt sagen Sie, daß ich schöne Briefe jchreibe das hat mich seltsam bewegt. Sie haben mich aufmerksam gemacht, daß ich bei unserem Briefwechsel stilistisch profitieren könne, an das alles hatte ich nicht gedacht, denn wie hätte ich es sonst je über mich vermocht, Ihnen zu schreiben ?“ (1821).

In der That, eine ideale Aufrichtigkeit adelt diesen Briefwechsel, kein unwahres Wort, möchte ich sagen, befleckt ihn. Nur einmal täuscht Börne die Freundin er verspricht ihr, nicht nach Deutschland zu kommen, während er bereits das Hambacher Fest zu besuchen sich anschickt. Wohl verzeihlich, wenn man dem ängstlichen Gemüte Jeanettens Rechnung trägt. Zieht sich doch ohnehin durch den ganzen Briefwechsel eine quälende Besorgnis des einen um des anderen Wohlergehen. Welch sehnsüchtiges Harren auf die Briefe, Blätter, wahrlich mit heißestem Verlangen,

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* Börne kommt hierauf in den Pariser Briefen zurück.

** Eine ausführlichere Veröffentlichung bleibt vorbehalten.

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jo erwartet wie empfangen", welch heftige, oft in Verzweiflung übergehende Angst, wenn die ausgerechnete Postzeit verstrichen. Es bleibt dies nun einmal eine fixe Idee und chronische Krankheit,“ schreibt Jeanette,,,denn heute nachmittag mußte ich meine Arbeit unterbrechen und mich aufs Kanapee legen in so unruhiger Bewein so unruhiger Bewegung war ich, als es gegen die Briefzeit ging." Und gar erst Börne! Kaum an einem Orte angekommen, überschickt er der Freundin genaue Instruktionen, wann fie zu schreiben habe, berechnet die Empfangszeit und schafft sich damit seine Sorgenquelle. „Als heute Ihr Brief kam, da weinte ich vor Freude, da weinte ich allen Schmerz aus . . . wir sind beide zu reizbarer Phantasie und sie wird uns quälen bei jedem Anlasse.“ Worauf Jeanette: Was hilft alles Reden! Wir sind unheilbar und unerschöpflich in der Kunst, uns das Leben recht bitter zu machen“ (September 1833).

Und so schrieb sie, als sie bereits in ihrem fünfzigsten Lebensjahre stand, als sie verheiratet war, nicht mit ihrem Freunde, jondern mit einem Manne, dem ihr Herz sich in spät erblühender Neigung zugewandt hatte.

Wie kommt es nun, daß jenes seltene Seelenbündnis, als welches ein edleres uns nicht überliefert ist, nicht zum innig sten Verbande, zur Ehe führte? Eine vollständige und sichere Lösung wird diese Frage, nun alle Beteiligte die Erde deckt, nicht leicht erfahren. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Börne zunächst der Freundin von heftigeren Gefühlen, als denen der Freundschaft beseelt, genaht war, daß er jedoch einer ablehnenden Haltung von seiten Jeanettens begegnete und daß sich ein Gefühl in ihm herausbildete, von dem weder die Bezeichnung Freundschaft, noch die Bezeichnung Liebe eine ganz entsprechende Vorstellung zu geben vermag; von einer Art Anbetung könnte man reden, welche auch die leib liche Erscheinung des angebeteten Gegenstandes so weit umfaßt, als er Spiegel der Seele ist. Auch von den vertrautesten

Stellen in seinem Briefwechsel mit Jeanetten kann man, troß der schwärmerischen Bewunderung für das ganze Wesen der Freundin, das sich in ihnen kundgiebt, nicht sagen, daß sie eine eigentlich erotische Färbung trügen, und unverkennbar ist, daß in den Gefühlen, welche Jeanette für Börne hegte, ein sinnliches Element niemals mitgesprochen hat.

Aber warum soll andererseits eine jo grenzenlose Anhänglichkeit, eine so vollständige Unfähigkeit des einen, ohne den anderen zu leben, nicht Anlaß genug zur Eingehung des festesten Bundes sein? Es scheint fast, als ob Jeanette eine schwer besiegbare Zaghaftigkeit besessen habe an der Natur des Bündnisses, so wie es einmal war, etwas zu ändern, daß auch Börne von einer solchen nicht frei gewesen ist.* Äußere Hindernisse, vorübergehender sowohl wie dauernder Natur, machten sich überdies geltend: Börnes häufige Krankheiten, ferner die Verschiedenheit der Konfession; Jeanettens orthodoxe Mutter** würde sich einem Übertritt ihrer Tochter zum Christentum lebhaft widersezt haben, während der Abschluß einer Mischehe auf große Schwierigkeiten gestoßen sein würde. Hierüber irgendwie hinwegzukommen, ist allerdings im Jahre 1828 Börnes Bestreben gewesen; die Eventualität einer Heirat hat damals näher als je gelegen. Von da ab jedoch fällt kein Wort von Heirat mehr, und Börne sinnt nur noch darauf, die Freundin glücklich zu wissen, sei es auch mit einem anderen Gatten.

Hatte er sie doch schon mehrmals, schon 1821, zu bestimmen gesucht, sich durch die Ehe mit einem Manne, den er achtete, ein sie befriedigendes Heim zu gründen. „Sie wollen mich ruhig, glücklich sehen,“ erwiderte sie damals, „Sie wünschen das mit Wärme, das weiß ich von früher. Ich soll heiraten! ... Kurz und offen! Erinnern Sie sich meiner früheren Erklärung? Sie kann ich nicht heiraten,

*Siehe die weiter unten citierte Stelle. ** Dieselbe starb in hohem Alter am 25. Juni 1839.

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Und doch wurde solch Ja endlich ge= sprochen, und die Parijer Briefe boten. merkwürdigerweise zu Jeanettens Wiederverheiratung den Anlaß.

In dem ihr befreundeten O.schen Hause war Jeanette öfters einem jüngeren Manne, Salomon Straus, begegnet, der als begeisterter Anhänger der Börneschen Ansichten galt der ein solcher auch bis zu seinem Tode geblieben ist. Ich habe Straus (meinen Oheim) kennen gelernt, als er sich 1862 wiederum in Frankfurt

* Auf diese Worte antwortete Börne: ... Sie schreiben: Sie hätten mich zu lieb, um den Dr. Br. zu heiraten. Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. Heißt das, Sie können nicht heiraten, weil Sie Ihrem Manne glauben ein Herz bringen zu müssen, was ich schon besize; oder heißt das, Sie könnten nicht heiraten, weil es mir Schmerz verursachen würde? In beiden Fällen irren Sie, Sie verkennen entweder sich oder mich oder die Pflicht einer Gattin. Die Liebe, die Sie zu mir haben, dürfen Sie mit in Ihre Ehe nehmen und Sie Ihrem Manne gestehen, und dürfen Sie das ley tere nicht, so sehlt es ihm an Verstand oder Herz, und dann würden Sie ihn doch nicht wählen. Was das andere betrifft, so irren Sie auch. Ich bin besser oder stärker, als Sie glauben. Als zuerst der Wunsch und die Vorstellung der Möglichkeit in mir aufkamen, Sie mit Dr. Br. verbunden zu sehen, flossen Thränen des Entzückens aus meinen Augen. Ich schwöre es Ihnen bei dem allmächtigen Gott, daß, so heiß ich auch den Wunsch hegte, Sie zu besigen und so oft ich ihn auch ausgesprochen, habe ich immer mehr dabei an Ihr Glück als an das meinige gedacht. Meine Liebe zu Ihnen macht mich glücklich; was hätte mir die Ehe mehr geben können, da sie jene nicht vermehren konnte? Ja, ich war immer besorgt, wenn ich es Ihnen auch nicht gestand, die Ehe möchte unser schönes Verhältnis herabziehen in das Leben der gemeinen Wirklichkeit. Aber ich dachte mir, was ich noch denke, Sie würden dabei gewinnen und dieses hätte auch mittelbar mein Glück erhöht. Es ist also nichts, was Sie abhalten sollte, eine Verbindung mit einem anderen Manne zu schließen.

Sie und

ich wir verlören nichts dabei. Lassen Sie sich durch eine lebhafte Vorstellung von meinem Schmerze, von meinen Thränen nur nicht irre führen. Das ist das niedere Gewölk der Seele, das sich über mich wie über jeden Menschen lagert, aber die Sonne des Geistes bleibt Siegerin. Ich würde weinen, wie auch ein Vater weint, wenn sein Kind das elterliche Haus verläßt, aber wenn Sie glücklich würden, wäre ich es auch."

niederließ. Er war - seinem kaufmännischen Berufe hatte er mit seiner Verheiratung entsagt ein leidenschaft= licher Kunstfreund, dessen Urteil, namentlich über Malerei, sehr geschäßt wurde. Dabei ein liebenswürdiger Charakter: die oft ausgelassene Heiterkeit kontrastierte merkwürdig mit dem ergrauten Haupte. Als Jeanette diejen Mann, der (geb. am 30. April 1795) damals in seinem fünfunddreißigsten Lebensjahre stand, näher kennen lernte, bewegte der belgische Aufstand die Gemüter. Straus war ein warmer Freund der Aufständischen, die Kreise, in denen er verkehrte, vielfach gut holländisch gesinnt. Er wurde denunziert und zur Polizei gerufen. Was gehen uns die Belgier und die anderen an," meinte der Aktuar Münch, „,. . . wir haben's gut genug in unserem Frankfurt und können's ruhig mit zusehen." Er hatte manch Redescharmützel mit den Financiers, bei denen er aber nicht den kürzeren zog. Der liebenswürdige, charakterfeste Mann gewann so Jeanettens Vertrauen, und da ihm seine Freunde nachrühmten, daß er sehr verschwiegen sei, so nahm Jeanette sein Anerbieten, ihr nach Diktat bei den Auszügen aus den Pariser Briefen zu helfen, bereitwillig an.*

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Das war zu Ende des Jahres 1830. Erst 1832 jedoch scheint man sich ausgesprochen zu haben.,,Dich liebe ich," schreibt sie einmal, „und bin glücklich, das war ich noch nie." Aber dabei war sie doch in ihrem Entschlusse, Börne nie zu verlassen, keinen Augenblick wankend ge worden. Mit erschütternder Gewalt spricht sie dies Straus gegenüber in Worten aus, wie sie ergreifender kein Dichter gefunden:

„Der Doktor hat niemanden auf der

*Daß Straus seit vielen Jahren Börne begleitet habe, wie in der Reinganumschen Biographie (Gej. Werke 12, 397) mitgeteilt wird, ist durchaus irrig. Es scheint vielmehr, daß Straus anfangs 1832 Börne erstmals in Paris aufgesucht hat. Im Juni sagt Jeanette in einem Briefe an Börne: „Es ist merkwürdig mit Eurer grünen Freundschaft, wie schnell die Wurzeln geschlagen und dauernd zu werden. verspricht." Unter der mit S. bezeichneten Person im fünften und sechsten Band der „Nachgelassenen Schriften" ist meist Straus zu verstehen.

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ach, nur zu wenigen Jahre, welche Börne bis zu seinem Tode im Heim der Freunde verlebte,* mögen wohl die behaglichsten und zufriedensten im Leben des Denkers und Kämpfers gewesen sein. Ein erfreuliches Zeugnis dafür, wie furchtloses, charaktervolles Handeln schließlich auch der Menge der Alltagsmenschen Achtung abzuringen. weiß, liegt in dem Umstande, daß selbst Börnes Feinde die Reinheit dieses Verhältnisses nicht anzutasten wagten. Nur Heinrich Heine ließ sich bekanntlich nach Börnes Tod, in gekränkter Eitelkeit, zu Schmähungen hinreißen; er, der früher Frau Wohl bereitwillig seine Verehrung bezeigt (besiße ich doch selbst ein kostbar gebundenes Exemplar seines Buches der Lieder, das mit einer schmeichelhaften eigenhändigen Widmung an „Mad. Wohl“ versehen ist). Daß in der Folge ein Pistolenduell zwischen ihm und Straus, in welchem Heine verwundet wurde, stattfand, und daß nachmals Heine seine Schmähungen bereuend zurücknahm das alles sind bekannte Thatsachen.

Welt als mich, ich bin ihm Freundin, Und ein treues Herz fürwahr brachte Schwester, alles was sich mit diesem Na- | ihm Straus; die men Freundliches, Theilnehmendes, Wohlwollendes im Leben geben, bezeichnen läßt. Wollten Sie ihm das mißgönnen der nichts weiter hat im Leben und sich mit dem Schicksale abgefunden hat ..., ja sich sogar dabei glücklich fühlt? Ich freute mich so damit, der Gedanke machte mich jo glücklich, daß er an Ihnen eine feste Stüße, einen redlichen, offenen, guten Menschen zum Freunde gewinnen solle ich kann mir's nicht anders denken, der Doktor muß bei uns sein können, wann, wo und so oft und für immer, wenn er es will ich kann jezt nicht Sie sagen, das Herz ist mir zu voll kannst Du Dir es anders denken dann ist alles anders, wie ich es mir dachte. Ich! Wir! sollten einen Mann wie den Doktor verlassen können er wäre ein aufgegebener verlorener Mann! Lieber alles verlieren, lieber nicht leben, als das auf mein Gewissen laden, auch könnte ich es nicht, wenn ich auch wollte ... Schon diese wenigen Worte, die ich darüber geschrieben, haben mich zittern und leichen blaß gemacht. Denn nichts kann mich tiefer erschüttern als auch nur der leiseste Gedanke an einen Verrat, nur der leiseste Gedanke der Untreue an der Treue. So lange ich lebe, bis zum lezten Athemzuge werde ich für Börne die Treue, die Liebe und Anhänglichkeit einer Tochter zu ihrem Vater, einer Schwester zu ihrem Bruder, einer Freundin zu ihrem Freunde haben. Wenn Du das Verhältnis nicht auffassest, nicht begreifst, mich nicht genug kennst ... so ist alles aus und Nacht. Ich kann nicht weiter schreiben. Es ist gut. Jezt ist es überstanden."

Und nachmals, da manche glaubten, Börne werde nun die Freundin verlieren, ruft sie aus: „Was verlieren? Kann man die Art der Anhänglichkeit, die ich für den Doktor habe, je verlieren? und gewinnt er nicht Dich treuen, guten Menschen dazu? Warum hast Du denn das eingesehen und warum werden das so viele andere nicht begreifen ?"

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Am 12. Februar 1837 starb Börne den Freunden war er nicht gestorben. In seinem Testament hatte Börne Jeanette Wohl zur Erbin seiner sämtlichen litterarischen Eigentumsrechte eingeseht. Unterstüßt durch ihren Gatten unternahm Jeanette die Herausgabe des Nachlasses; die sechs bei Bassermann erschienenen Bände | sind von ihr und Straus besorgt worden

eine Herausgeberin, wie sie, was den Kern der Sache angeht, verständnisvoller und treuer kein Schriftsteller je gefunden! Nicht philologischer Routine bedurfte sie, um sich zurechtzufinden; kannte sie doch die Geschichte jedes Blättchens, wußte sie doch von jeder Zeile, wie sie verstanden, wie sie gemeint gewesen; war es doch ihr

Im Sommer 1833 lebte Börne fünf Monate mit den Freunden in der Schweiz; von Ende 1833 ab bis zu seinem Tode lebte er mit ihnen im Winter in Paris, im Sommer in Auteuil. Die Heirat Jeanettens hatte am 7. Oftober 1832 in Frankfurt am Main stattgefunden.

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