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und Holz. Brook Chine passierend, vorbei an den gefährlichen Riffen, ist man bald in Brixton- oder richtiger Brighstone-Bay angelangt; die Klippen steigen hier von achtzig bis zu dreihundert Fuß senkrecht empor und sind über und über zerrissen durch Spalten und Schluchten (Chines) von größerem oder geringerem Interesse, bis zu der bekannten Chale Chine, einer düsteren, mächtig gähnenden Höhle mit beinahe senkrechten Felswänden. Kein Baum oder Strauch weit und breit, rings umher nackte Felsen, und der Blick in die unheimlich dunkle Schlucht mit ihrem gelben und dämmerigen, rot geflammten Gestein erinnert lebhaft an einen verglühenden Schmelzofen in Riesengestalt.

Großartig in jeder Beziehung, das Ziel aller Besucher der Insel ist die berühmte Blackgang Chine am westlichen Abhang von St. Catherines Hill (769 Fuß hoch). Von der See aus gesehen, hat man die volle Übersicht des wildromantischen Bildes. Die Chine ist gebildet von zwei Flüssen, die sich oberhalb der jähen Felsen vereinigen und mit verdoppelter Macht ihren Lauf durch eine kanalartige Höhlung nehmen bis zu der senkrecht abstürzenden Felswand, von wo aus sie als Kaskade hinunterstäuben in den Strand. Coulissenartig schieben sich die eisengrauen Klippen und Felsen ineinander, dazwischen die unregelmäßig hinlaufenden Konturen der bleichen kahlen Dünen; wie Chale Chine ohne jegliche Vegetation, vollkommen bar allen Laubschmuckes einzig die schäumenden Wellen, die mit Wucht an die Gestade schlagen, ein dumpfes, melancholisches Echo in der tiefen Schlucht weckend. Von den Ufern führt eine steile Flucht von unregelmäßig in die Erde gerammten Holzstufen zu den oberen Felspartien, auf deren Höhe ein reizender, wohl ausstaffierter Bazar den Empor flimmenden überrascht; diese verzeihliche fleine Spekulation auf die Gutmütigkeit der Reisenden ist hier eingerichtet, um von dem Ertrag der Einnahme die Kosten zur Erhaltung der Wege in der Chine, welche Privateigentum ist, zu ermöglichen.

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In einem dem Bazar angeschlossenen gro ßen Gebäude ist das Skelett eines zweiundachtzig Fuß langen Walfisches zu sehen, den ein unbekanntes Geschick im Jahre 1842 in Gurnards-Bay ans Land spülte. Auf den Klippen ist ein Hotel und sonstige gute Verpflegung für Fremde zu finden, und mag der Aufenthalt hier oben von ganz besonderem Reiz umgeben sein. sein. St. Catherines Hill, der höchste Punkt der Insel (775 Fuß), ist für seinen ausgedehnten Blick in die Ferne viel besucht; an einem ruhigen klaren Tag reicht zuweilen das Auge bis zu den Küsten von Cherbourg, doch ist dies als ein ausnahmsweise günstiger Fall zu betrachten. Zu Füßen des Beschauers liegt die Insel wie eine großmächtige Karte ausgebreitet mit ihren nackten Hügeln, den langgestreckten dämmerigen Thälern, umzogen von dichtem Busch- und Laubwerk; den kleinen Dörfern und Städten, erkenntlich an dem bläulichen Duft und Rauch, der über sie hinzieht; mit den munter sich schlängelnden Flüßchen, die in Seen sich ausbreiten, je näher sie dem Meere zuströmen ; mit dem silbernen Band, der Fassung dieses Edelsteins: der See und ihren stolzen hochmastigen Schiffen und unzähligen kleinen Segeln, soweit das Auge reicht; und endlich jener Grenze, dem fernen, mit Meer und fremden Küsten verschleierten Horizont. Zurückgekehrt von diesem Abstecher, wendet sich wohl der Wanderer, nachdem er den südlichsten Punkt der Insel, St. Catherines Point, mit dem bekannten Leuchtturm besichtigt hat, den Strand entlang nach Ventnor. Von Blackgang bis Dunnose erstreckt sich der so viel besungene und mit Recht bewunderte Landstrich the Undercliff". In Gestalt einer Plattform. oder auch der Terrasse eines üppigen Gartens vergleichbar, lehnt sich die Undercliff in halber Höhe vertraulich an die senkrecht aufsteigenden grauen Felsen, im Süden von den Buchten und Vorsprüngen der Ufer begrenzt. Zwischen dem wild durcheinander gestürzten Felsgeröll, der zerrissenen Erde und losgelösten ungeheuren Steinmassen dieses breiten Land

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jedes für Schönheit und Liebreiz empfäng-| Pilze aus der Erde schießen, so sind die

liche Herz erfüllt beim Durchwandern dieser Gegend, ist unmöglich, ebensowenig wie man die Empfindung zu schildern vermag, die ein Traum ausübt.

Die Wirklichkeit führt uns nun am Ufer entlang weiter, vorüber an einer Reihe herrlicher Privatbesiße, nach Mount-Bay | und dem dem Inneren von Wight zugekehrten St. Lawrence, berühmt wegen sei- | ner winzigen kleinen Kirche, und alsbald gelangen wir vor Steephill-Castle, ein entzückendes modernes Schloß in wunderbar ster Lage, welches, besonders wirksam in einiger Entfernung durch seine Zinnen und Türme und kriegerischen Schießscharten, aus dem üppigen Laubwald hervorlugt. Die Gartenanlagen sind von seltenem Geschmack und wundervoller Harmonie; zwischen den einheimischen Bäumen und Sträuchern wechseln die prächtigsten Feigenbäume ab mit den seltensten exotischen Pflanzen, die im Freien blühen und gedeihen. Aus dem Grünen heraustretend, liegt vor unseren Blicken Ventnor; vor nicht allzu langer Zeit ein bescheidenes kleines Fischerdörschen, das wie ein Nest an dem Felsen hing und umgeben war von den unregelmäßig zerrissenen Terrassen der Dünen. Ventnor teilt das köstliche milde Klima und die krystallklare Luft der Undercliff und hat hauptsächlich hierdurch zu Anfang die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich gezogen. Aus kleinen Fischerhütten wurden große Hotels und Pensionen, Badehäuser und Läden, jeder Plaz wurde ausgenutzt, und die großen Gebäude reihten sich bald genug zu Straßen aneinander. Sonnige vor Ost- und Nordwind geschüßte Spaziergänge, kräftigende Seebäder, ein Winter ohne Schnee und Kälte all

diese Vorzüge haben rasch dazu beigetragen, das Städtchen zur Stadt werden zu lassen, und so bildet es jezt Winter und Sommer den Zufluchtsort vieler Leidenden, welche es segnen, weil sie sich hier wohl fühlen.

Der Charakter der Stadt ist originell und willkürlich bis ins Unglaubliche; regel los, ohne Stil oder Geschmack, so wie die

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Gebäude hingesezt, Straßen im Zickzack, Ecken und Abhänge. Dazwischen schieben sich die Häuser, die einen über die anderen herüberschauend und sogar oft dem Beschauer die Täuschung aufdringend, als stünden sie aufeinander. Inmitten dieses Chaos blühende Gärten voller Heliotrop und Myrten, hochstämmiger Fuchsienund Geranienbäume. Troß seiner architektonischen Mängel - vielleicht gerade deswegen? - wird Ventnor immer einer der berühmtesten Badeorte im Süden Englands bleiben. Auf dem neuen, aus schlankem Eisenwerk erbauten Pier spielt an drei Abenden in der Woche die Stadtkapelle, und westwärts nach Steephill-Road zu liegen die öffentlichen Gärten und Anlagen, halbwegs angewiesen von der dort gerade besonders reichen, schönen Natur. Obwohl die Eisenbahn ihre Kopfstation hier hat, ist die Stadt ausgerüstet mit Verkehrsmitteln jeder Art. Täglich gehen die bekannten Coaches entlang der Undercliff nach Blackgang, im Sommer mit verdoppelten Kräften durch die Chars-à banes und sechsspännige Coaches, die noch weiter bis Alum-Bay oder Carisbrooke führen. Im Westen, nicht zu fernab der Stadt, ist das segensreiche Hospital für Lungenkranke, dessen Grundstein die Prinzessin Luise 1868 legte.

Mit Ventnor im Osten verbunden durch eine Reihe geschmackvoller Villen, liegt Bonchurch, eines der ältesten Dörfer auf Wight, im Volksmund mit dem heiligen Bonifacius durch manche Sage in engen Zusammenhang gebracht. Der Eingang zum Dorf ist mit das Lieblichste, was man sich denken kann; entlang der Straße bilden die überhängenden Äste hoher Ulmen einen Bogengang, unter dessen schimmerndem Grün sich ein durchsichtiger Teich hinzieht; auf seiner silbernen Fläche schlummern und träumen die breiten Blätter und die schneeigen Blüten der Wasserrose; das sanft hingleitende Wasser ist oft unterbrochen in seinen graziösen Windungen durch jäh vorspringende Felszacken, bedeckt von stroßenden Farnen und Epheu. Zur

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