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der kleiner Badeort, lustiges Treiben belebt den Strand, die originellen Badekarren stehen bereit, die Schwimmer und Badenden hinauszutragen in die Wellen, ein kleiner Pier, Kurhaus mit Bibliothek und Lesezimmer vervollständigen die Annehmlichkeiten der Gäste. Der Sommer gewährt hier einen erfrischenden Aufenthalt, verbunden mit dem Vorzug, die schönsten, reizvollsten Punkte von Wight gewissermaßen in greifbarer Nähe zu haben; unter diese Rubrik gehören vornehmlich Alum-Bay und fernerhin die Needles. Den nördlichsten Punkt AlumBays bildet Headon-Hill; von dieser vier hundert Fuß hohen, mit einer Batterie gekrönten Klippe aus schweist das ent zückte Auge über die mannigfaltige Abwechselung der bezaubernden Scenerien, über das wogende Grün des Eilandes nach den verschleierten Küsten Old-Eng lands und hinab zu Füßen nach Harmouth und dem Hain von Freshwater,

im Rücken gedeckt durch die aufgetürmten Kreidedünen der Südküste. Einem scharfen Auge wird eine reizende Villa versteckt zwischen Baum und Strauch in der Nähe von Freshwatergate nicht entgehen, es ist dies der einstige Musensiz des beliebten Dichters Alfred Tennyson, den leider die Zudringlichkeit des Publikums von seiner Lieblingsstätte vertrieb. Von Headon-Hill bis tief in die Alum-Bay zieht sich eine schroff aufsteigende Felswand, fortgesezt bis zu den Needles durch ebenso jähe Kreideklippen. Das Bild dieser Bucht in tiefem, tiefem Blau ist für den, der es einmal gesehen, unvergeßlich. Es ist, als habe die Natur sich hier während einer üppigen Laune ein verschwenderisch ausgestattetes Gedenkblatt geschaffen. Gleich einem mächtigen Vorhang in köstlich farbenschillernder Seide strahlt die Felswand hinab in die Fluten, in tausendfältigen Reflexen ihr eigen Spiegelbild änlächelnd. Tief blutrote Streifen und dämmeriges

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det, um fern über den Wolken zu schlummern, bis die Stunde erschienen, die sie der Erde wieder zuführt und ihren Triumphen. In melancholischem Widerspruch zu diesem strahlenden Bild stehen am Südende der Bucht, den westlichsten Punkt von Wight markierend, die „Needles“. Losgelöst von der Mutterklippe des Eilandes, machen diese drei von der See umtosten, isolierten, keilförmig zugeschnittenen Felsen den Eindruck, als hätten sie dem Locken und Schmeicheln der kosenden Flut❘ nicht widerstehen können, als hätten sie die Erde und das goldene Land ihrer Kindheit verlassen, um in der Brandung der Wogen die Sehnsucht zu stillen, die bei Tag und Nacht die schmeichelnden Lieder der Wassernigen entfacht sie sind ihnen gefolgt ... und haben den Weg verloren, der sie wieder heimführen sollte; nun stehen sie da, verbannt in die ewige Einsamkeit; die falschen Meerweiber aber sind verschwunden, und im erstarrenden Gram sehen die ergranten Felsenhäupter hinab in die schaudervollen Tiefen des Weltmeeres und sehen dort all den Jammer und all die Verzweiflung von vielen Jahrhunderten, sehen die stolzesten Hoffnungen zerschellt an jenen Riffen, sehen die stumme Qual von ach so vie len Trennungen, denen die verzehrendste | Sehnsucht nicht mehr zur Brücke der Vereinigung werden kann. Mit einem Trauerflor sind nur die Untiefen der trügerischen Wellen umhüllt, ein ungeheures Grab! und mit Entseßen und Grauen strecken die einsamen Felsgestalten die Hände gen Himmel, um Erbarmen flehend für die Grausamkeit, die sie geschaut. Golden flutet die Sonne hernieder, der Möwen ungezählte Scharen umschwirren in Übermut die trauernden Wächter der See, in deren Klüften und Rißen sich einnistend, um von dort aus ihre Glückseligkeit in das Weltall zu schmettern; die Luft trägt die jauchzenden Stimmen heiterer Ausgelassenheit herüber, und über den Rücken der tückischen blauen Fläche ziehen die weißen Segel, fröhliche Menschenkinder in ihrem Schatten bergend! Nein, hier, in den sich

immer gleichmäßig fortbewegenden Natur-
gesehen ist kein Erbarmen die Sonne
strahlt, in Lust und Jubel zittert die Luft,
und der Jammer
und der Jammer? geht dicht neben-
her, weil das Unglück eben der Schatten
ist des Glückes, weil an der Hand des
Glückseligen der Unselige das Lächeln
wieder lernen muß.

Hoch oben auf äußerster Spitze der
ersten der Needles stand einst ein Leucht-
turm, doch erwies sich bei dem geringsten
Nebel sein Zweck als verfehlt, der allzu-
großen Höhe wegen, und es wurde der
Felsen infolgedessen dem Wasser gleich
gemacht und auf diesem Grund ein neuer
| Leuchtturm etwa hundert Fuß hoch er-
richtet, der sein Licht über zehn Meilen
(engl.) in die See hinaussendet. - Die
Needles verlassend und nach der Südküste
von Wight schwenkend, gewahrt man mit
nicht geringem Erstaunen in Scratshells-
Bay, mit welcher Macht die Wasser hier
ihr Wesen getrieben. Die Klippen sind
vom Grund auf dergestalt unterwaschen
und ausgehöhlt, daß sie im prachtvollen
Bogen über den unten frei gewordenen
Raum und weit über den Strand hängen,
den darunter Wandelnden mit dem Gefühl
einer ungekannten Scheu erfüllend vor
der wildromantischen Majestät der Natur.
Von hier aus folgt eine Reihe von tiefen
Höhlen in den Klippen, die der Volks-
mund mit humoristischen Namen bezeich=
net: da sind die zweihundert Fuß tiefen
Neptunshöhlen; die Franzosenhöhle, so
benannt, weil ein flüchtiger Franzose dort
verborgen den schrecklichen Hungertod ge-
storben sein soll; Lord Holmes' Parlour,
dem Andenken des Gouverneurs von Wight
gewidmet, welcher dort seine Freunde em=
pfangen haben soll; Lord Holmes' Cellar,
vielleicht weil der edle Herr dort seine
Weine zu kühlen pflegte? und the old
Pepper Rock, eine drollige Felspartie
losgetrennt von der großen Kette. Den
ganzen Sommer sind diese Höhlen und
zerklüfteten Klippen der Schlupfwinkel
und Wohnort von vielen Tausend See-
vögeln, wie Möwen, Wasserhühner, Tauch-
enten, Wasserraben und noch vielen an-

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deren, die mit wildem Geschrei auffliegen und die Luft verdunkeln, wenn in ihrer Nähe ein Schuß fällt. Ihre Eier und Federn sind die Beute der Jnsulaner, die oft mit Lebensgefahr vermittels Seilen von den Dünen aus an den schroffen Felsabhängen sich bis zu den Nestern her unterlassen. Bis nach Freshwatergate tragen die Klippen denselben Charakter: überall von der See ausgespülte Kavernen. Schräg laufende Straten von Feuersteinformation in dunkler Tönung erhöhen den eigenartigen Anblick der Kreideklippen. Eine plötzliche tiefe Bucht in diesem See wall ist Watcombe-Bay und tiefer hinein liegt Freshwatergate, so genannt, weil hier der einzige Durchbruch der Kreidedünen nach dem Inlande von den Needles an bis zu Brighstone-Bay sich zeigt. Vor einigen Jahren noch aus wenigen Häusern bestehend, ist heute Freshwatergate ein blühender und malerisch gelegener Badeort mit einer phantastischen Rück

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erinnerung an das alte Schmugglerleben. Vor mehr als hundert Jahren weilte der bekannte englische Maler Morland hier; in einer kleinen Herberge, the Cabin", hatte er sein Quartier aufgeschlagen, und mit lebhafter Charakteristik und Vorliebe skizzierte er die rauhen verwitterten Seebären und listigen Schmugglerphysiognomien. Bei Gelegenheit eines Ausflugs mit zwei Freunden nach Yarmouth, wo dieselben mit Lust und Behagen ihre Skizzenbücher füllen wollten, wurden sie als Spione festgenommen und hatten sich in Newport vor dem Magistrat zu verantworten ein Abenteuer, das der geniale Mann später oft mit jugendlichem Feuer zu erzählen pflegte.

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Nach dem Inland zu liegen an dem Ufer des Yar das Ufer des Yar das hübsche Dörfchen Freshwater, nach Westen hin die bereits erwähnte lauschig versteckte Villa Alfred Tennysons. In vielen seiner Schöpfungen flingen die empfangenen Eindrücke

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seines entzückenden Inselheims melodisch hindurch, und es ist als traurige Wahrheit zu beklagen, daß die Zudringlichkeit des Publikums ihn die Flucht ergreifen ließ, nachdem er so manches Jahr hier im Verein mit seiner Familie und geschäßten Freunden gelebt. Selbst die Königin Biktoria erwies dem gefeierten Poeten ihres Volkes den Tribut ihrer Huld und Gnade: bei Gelegenheit ihres Besuches in Faring ford-House pflanzte sie eine Wellingtonia als Erinnerungszeichen dieser Stunde; nach nicht allzu langer Zeit war auch nicht mehr ein Ästchen davon zu sehen, denn jeder, der dem Baum nahe kommen konnte, suchte sich eines Zweigleins zu bemächtigen, um es als Reliquie zu bewahren.

Von Freshwatergate ist es ein Genuß, auf dem schönen weichen Sande entlang zu wandern, und gelangt man rasch genug vor Compton Chine an, einer tiefen Schlucht in den eisenhaltigen Sandschichten, ausgehöhlt von einem Quell, der auf den Höhen der Kreidedünen entspringt. Viele schöne Fossilen, unter anderem auch ver

steinerte Haselnüsse, von den Bewohnern Noahsnüsse getauft, erwecken das Interesse eines Sammlers. Der östlichste Punkt von Compton-Bay ist Brook Ledge mit einem gefährlichen, weit in die See hinausgezogenen Felsriff, bei Ebbe dem Beschauer die früheren Dimensionen der südlichen Küste Wights zeigend, sowie deren Gefahren in den trostlosen, häufig hier angespülten Wracks. Besonders interessant für den Geologen ist der Anblick mächtiger Überreste einer merkwürdigen Versteinerung von Ästen und Stämmen gefällter Fichten, wahrscheinlich vor undenkbarer Zeit zu einem Floß verarbeitet, das einst ein jezt vom Sand und Schlamm des Deltas verschlungener Fluß in dieje Gegend hinausgetragen haben mag; Kno-' chen von Reptilien, Muscheln und sonstige fremde Körper finden sich in seinem Bette. Der Strand besteht zum größten Teil aus abgerundeten Feuer- und Kieselsteinen, der eifrig Suchende findet hier die reizenden versteinerten See - Anemonen, Moosachate (durchsichtige Quarzformationen) und auch versteinerte Knochen

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