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sich über ihn beugte und ihm die Müze vom Kopfe streifte. Das alles wäre aber noch hingegangen, und Tito hätte es für einen besonders lebhaften Traum halten können, wenn er nur nicht plöglich ganz deutlich gefühlt hätte, daß ihm jemand den zusammengerollten Mantel unter dem Genick wegzerrte, so daß sein Kopf mit einemmal recht unsanft auf den harten Felsboden aufschlug. Dabei hörte denn nun jede Traumwirkung durchaus auf, und Tito fuhr, so rasch und zornig wie es ihm sein Temperament nur irgend gestattete, empor und griff mit den Armen wild um sich, um den Manteldieb festzuhalten.

Als er die Augen aufgerissen und sich an das in der Höhle herrschende Halbdunkel gewöhnt hatte, jah er einen auf fallend großen und starken Mann zu seinen Häupten knien, der eben damit beschäftigt war, sich eines breitkrempigen, bebänderten Hutes und einer kurzen, grauen Jacke zu entledigen, unter der ein breiter, mit Messern und Pistolen beseßter Gurt zum Vorschein kam. Der Mann mit seinem von schwarzem Vollbart umstarrten narbigen und fast braunen Gesicht machte auf den erschrocken um sich blickenden Tito einen nichts weniger als vertrauenerwecken den Eindruck und belehrte ihn durch sein Aussehen, seine Kleidung und Bewaffnung schon in der ersten Minute darüber, daß er ein Brigant jei. Nur hatte Tito nie gehört, daß diese Herren, die ihr Geschäft nur im Großen betrieben, sich an einem einfachen Burschen aus Racalmuto vergriffen und ihm seine wenigen nichts bedeutenden Habseligkeiten wie gewöhnliche Straßenräuber abnahmen. Und doch war kein Zweifel darüber, daß der wüste, bärtige Geselle dort drüben sich bereits in den Besitz von Titos Mühe und Mantel gejezt hatte. Tito war kein Feigling, und da er sich endlich einmal Auge in Auge einem seiner Todfeinde gegenüber jah, wuchs sein Mut noch um ein bedeutendes, und troß der drohend herüberfunkelnden Waffen rief er, vollends munter geworden:

„Heda, was soll das? Was untersteht Ihr Euch ?“

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Der Bärtige sah erst jezt, daß sein Höhlengenosse erwacht war, ließ einen prüfenden Blick über ihn hinschweifen, legte den Finger an den Mund und erwiderte rasch: Sachte, jachte, Signore. Kein unnötiges Aufsehen erregen! Es thut mir leid, daß ich Euch stören mußte, ging aber nicht anders. Und was Eure Sachen da betrifft, die gebt Ihr mir wohl auf Borg, nicht wahr? Habe sie nötig, Signore, und lasse Euch einstweilen die meinigen da in Versaß.“

Ihr wollt mich also bestehlen, he?" fragte Tito höhnisch.

Der Brigant, der sich eben Titos Mantel umgehängt hatte und nun die lange Müße über die Ohren streifte, bliste den Sprecher mit seinen dunklen Feueraugen drohend und gebieterisch zugleich an.,,Hütet Eure Zunge, Herrlein!" sagte er scharf, Ihr wißt nicht, mit wem Jhr's zu thun habt. Daß ehrliche Briganten Euereinen nicht bestehlen, wißt Ihr gerade so gut wie ich. Mein Wams und Hut da sind genau so viel wert wie Euer zerrissener Plunder, und ich sagte es Euch schon, daß ich die Sachen nur in Tausch gebe. Ihr sollt die Eurigen wiederhaben und mir die meinigen zurückgeben. Ich lasse Euch das Nähere schon noch wissen. Wie heißt Jhr?"

,,Tito Nostrella."

,,Aus Racalmuto? Den sie den,faulen Tito" heißen?"

,,Wird schon so sein."

,,Nun, das ist lustig. Euch hätte man Eurem Rufe nach hier auch am wenigsten vermutet. Aber wißt Jhr, Signore, daß Ihr mir geradezu von der Jungfrau Maria hierhergelegt worden seid? Ihr müßt nämlich wissen, daß ich vor den Karabinieri auf der Flucht bin. Der Teufel hatte mich geritten, daß ich mich mutterjeelenallein nach La Grotte herabwagen wollte, um nun, Ihr wit schon: alle Dummheiten, die ein ehrlicher Kerl begeht, begeht er um der Weiber willen. Es lebt da eine, die sich meine

Frau nennt, wenn's auch die wenigsten ahnen. Die verdammten Spürhunde haben mich aber bald genug gewittert und waren ihrer drei hinter mir her durchs Gebirg, die ganze Nacht hindurch. Es war ein Wunder, daß ich ihnen nicht in die Klauen geriet. Freilich: so gut wie unsereiner kennen sie die Schlupfwinkel und Schmugglerstege doch nicht, und so konnt ich ihnen ein Schnippchen schlagen, denn auf Widerstand durfte ich's nicht ankommen lassen. Nun aber haben sie alle Zugänge hier herum versperrt, und ich wette, die Halunken vom Eisenbahnbau drunten leisten ihnen Handlangerdienste. Denen soll's nicht geschenkt bleiben, habe schon lange ein Auge auf sie. Jezt meinen die Spürnasen sicherlich, ich wäre in die Erde versunken, denn den oberen Eingang hier in die Höhle kennt das dumme Volk nicht. Früher oder später hätten sie mich hier jedoch auch ausgewittert, denn heraus kann ich natürlich nicht wieder, würde ja dem Lumpengesindel da unten gerade in die Arme laufen. In dieser Not wie die Maus in der Falle hätte ich gesessen und mich ruhig müssen abschlachten lassen hab ich die Madonna um Hilfe angerufen, und die läßt keinen rechtschaffenen Briganten im Stich. Da liegt Ihr wie vom Himmel herabgeschneit vor mir, und sobald es nur noch dunkler geworden ist, werde ich in Eurem Hut und Mantel ganz gemächlich hier herausstolzieren und an den Spizbuben drunten vorüber auf dem breiten Wege nach Racalmuto wandern, wo ich schon ein Unterkommen für die Nacht finde. Begreift Ihr den Spaß nun, Signorino?"

Der Sprecher hatte sich, während er die einzelnen Säge stoßweise herausbrachte, vollends umgekleidet, sich eng in Titos Mantel gehüllt und endlich die rohleder nen Kniestiefel ausgezogen, an deren Stelle er mit der unverfrorensten Gelassenheit sich des sandalenartigen Schuhwerks bemächtigte, das Tito an den Füßen trug. Tito ließ sich das, ohne einen Finger zu rühren, gefallen, als ob es ihn nichts angehe. Während der Brigant dann seine

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Verkleidung vollendete und ihm die abgelegten Gegenstände zum Gebrauch zu= schob, sagte er phlegmatischen Tones: „Begreifen läßt sich das schon, o ja. Wenn die Karabinieri nun kommen, so lauft Ihr als Tito Nostrella davon, so rasch Eure Füße Euch tragen wollen, und mich schießen sie als Briganten tot oder nehmen mich im besten Falle gefangen. Das ist für Euch ein ganz vorteilhafter Tausch.“ Der Brigant mußte halblaut auflachen. Ihr seid ein prächtiger Bursche, Tito, und gefallt mir über die Maßen. Aber ängstigt Euch nicht zu sehr; so schlimm wird es nicht kommen. Haben die Arbeiter Euch hier hereingehen sehen?“

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Wenn sie nicht gerade blind gewesen. sind, müssen sie mich wohl gesehen haben."

,,Nun, das ist vortrefflich. So kann ich in Eurem Mantel und mit Müge und Schuhen ganz getrost hier herausspazieren. Stellt Euch einmal gerade auf, jeid Ihr so groß wie ich?" Tito stellte sich geduldig Schulter an Schulter mit dem Briganten, und es ergab sich, daß er zwar weniger kräftig und breitschulterig, aber ungefähr von der nämlichen Größe war. ,,Alles vortrefflich," wiederholte der Brigant, „die Madonna hat es gut gemacht, und ich werde ihr's lohnen. Auf ein paar Votivtafeln und ein Dußend geweihter Kerzen soll es mir nicht ankommen. Und was Euch betrifft, Freund Tito, so seid nicht ängstlich. Die Karabinieri könnten Euch im schlimmsten Falle nur gefangen nehmen, denn sie erschießen. keinen, der nicht Widerstand leistet, und dann wird man Euch früher oder später als den faulen Tito von Racalmuto_erkennen und wieder laufen lassen. Vielleicht spüren sie Euch aber auch gar nicht auf, und dann könnt Ihr Euch bei Nacht nach Hause schleichen. Ihr seht, Gefahr ist nicht dabei. Damit Ihr aber wieder zu dem Eurigen kommt, seid pünktlich zur Stelle, wenn ich Euch Botschaft sende. Das wird morgen oder übermorgen geschehen. Und damit schön Dank, Signore, und Gott befohlen!"

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Ihr nicht in Berechnung gezogen habt," | plöglich eine unwiderstehliche Sympathie fiel Tito verdrossen ein, als der andere sich dem Ausgang der Höhle zuwandte. Der Brigant blickte noch einmal über die Schulter zurück. Nun? He?"

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seid das seh ich Euch an und weil ich zweitens Euch, ehe sie mich fingen, mit meinem Revolver doch noch nieder schießen würde. Und wenn ich's nicht mehr könnte, so würde es ein anderer von uns thun; Ihr wißt: für einen Verräter hat es früher oder später immer noch die gebührende Rache gegeben, und selbst die Spürnasen verachten ihn. Nein, Signorino, Ihr seid mir sicher. Also nochmals: die Madonna lohne es Euch, und wenn ich Euch einmal in etwas helfen kann, wendet Euch getrost an mich, ich werde es nicht an mir fehlen lassen. Auf Wiedersehen!"

Er schüttelte dem verdußt und betroffen dreinschauenden Tito herzlich die Hand, nickte ihm zu und verließ nach kurzem Zaudern und raschem Umblick mit hastigen Schritten die Höhle. Eine Minute später war der Klang seiner Tritte im Gestein verhallt. Tito spürte, daß sein Herz angstvoll zu klopfen anfing, aber nicht um jeiner eigenen gefahrvollen Lage willen, sondern allein wegen des kühnen Wagnisses, das der Brigant eben jezt bestand. Wenn sie den Vertrauensseligen dennoch griffen! Wenn in der nächsten Minute schon ein Büchsenschuß ihn niederstreckte! Troh seines Hasses gegen alle Briganten, troß der frechen Manier, in der der Verfolgte mit ihm umgesprungen war und ihn in eine so gefährdete Situation gebracht hatte, empfand der faule Tito doch

mit ihm; die kaltblütige Ruhe, der tod= troßende, fast treuherzige Sinn des Briganten hatte eine gewaltige Wirkung auf ihn ausgeübt. Er wünschte ihm von Herzen, daß seine Flucht gelang; er hätte für ihn gebetet, wenn ihm das nicht bei seinem geschuldeten Respekt der Obrigkeit gegenüber als Sünde erschienen wäre. In jedem Falle dachte er nur noch der Gefahren, denen der andere entgegenging, und hatte die eigenen völlig dabei vergessen. Draußen blieb alles still. Die Dämmerung sank schon, und die Bahnarbeiter mochten Feierabend gemacht haben. So schlich sich Tito bis nahe an die Höhlenöffnung und blickte vorsichtig hinaus.

In demselben Augenblick aber erhob sich drunten ein vielstimmiges Geschrei, und er unterschied die Rufe: „Da ist er ja! Da ist er! Drauf! Drauf!" Und eine Anzahl von Karabinieri, Bahnarbeitern und Inspektoren lief den Berg in die Höhe, Büchsenläufe blißten auf und wilde Drohworte waren vernehmbar. Der faule Tito trat erschrocken zurück. Einen Moment hindurch durchzuckte ihn der Gedanke, ob er sein Schlagmesser, das er in der Tasche trug, herausziehen und sich zur Wehre sehen sollte. Aber ehe er noch zu einem Entschlusse gekommen, war der Eingang zur Höhle bereits von dunklen Gestalten erfüllt, und ein hünenhafter Karabiniere trat vor, die kurze Büchse im Anschlag, und schrie: „Ergieb dich, Hund! Hier ist jeder Widerstand überflüssig. Wir sind unser ein Dußend."

„Kommt nur herein!" erwiderte Tito, der seine volle Fassung schon zurückgewonnen hatte und durch die ganze Komödie beinah belustigt wurde, eine so ernste Wendung sie auch zu nehmen drohte. „Wenn Ihr mich suchen solltet, ich denke gar nicht daran, Widerstand zu leisten."

Der Karabiniere stuzte bei dem Klang dieser Stimme, zog die Büchse herab und trat näher, während die anderen nachdrängten. ,,Santo Diavolone," schrie einer auf, als er Titos ansichtig wurde, der mit gekreuzten Armen so troßig und

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faltblütig dastand, als wollte er's dem im stillen bewunderten Briganten gleichthun, das ist ja der schwarze Bär' nicht! Der Vogel ist auf und davon! Wen haben wir denn da? Laß dich doch einmal näher besehen, mein Junge!"

Ein Paar derbe Fäuste zerrten den faulen Tito zum Höhleneingang hinaus, wo ihn die anderen neugierig umringten. ,,Madre di Dio," sagte einer von den Bahnarbeitern lachend, „das ist ja der faule Tito aus Racalmuto, der vorher bei dem neuen Tunnel stand und Maulaffen feilbot! Ein ergiebiger Fang!"

Auch die anderen lachten. Nur einer von den Gendarmen fiel wütend ein: ,,Der faule Tito? Seid ihr verrückt? Als der vorher mit seinem Mantel und in der roten Müße über den Weg lief, habt ihr geschworen, er wär's, so verdäch tig mir der Kerl vorkam. Der muß nun lange in Racalmuto sein und kann doch nicht in doppelter Gestalt hier herumlaufen."

Die Männer sahen sich verblüfft an und zuckten die Achseln. „Das da ist der faule Tito," sagte der frühere Bahnarbeiter endlich wieder, so viel steht fest. Ich bin selber aus Racalmuto und kenne ihn wie mein Amulett auf der Brust. Übrigens wist Ihr ja auch, daß der schwarze Bär einen dunklen Vollbart trägt."

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,,Weggenommen? Wann? Wer? Was lügt der Kerl da?“ schrie es durcheinander auf Tito ein, der wie ein geduldiges Opferlamm dastand und keine Miene verzog. „Rede!" fuhr ihn der riesige Karabiniere an und schüttelte ihn, „oder es geht dir an den Kragen, Halunke!"

Könntet Ihr nicht eine Kleinigkeit höflicher sein, Signor Karabiniere?" fragte Tito gelassen. „Meines Wissens habe ich Euch bisher noch keinen Anlaß zu den Ehrentiteln gegeben, mit denen Ihr mich so freigebig bedenkt. Übrigens ist die Sache die, daß ein schwarzbärtiger Kerl mir, während ich schlief, meine Sachen. fortnahm und nachher, als ich erwachte, mit einem höflichen Schön Dank“ sich davonmachte. Wenn Ihr sie ihm wieder abjagen und mir zurückbringen wollt, werde ich herzlich froh sein. Er hat mir zwar zum Erjah ein Paar Stiefel und eine schäbige Jacke zurückgelassen, die schon mancherlei Unwetter erlebt zu haben scheint, aber sonderlich erbaut bin ich von dem Tausch nicht."

Der Gendarm hatte Tito bei diesen Eröffnungen losgelassen. Ein paar von den Leuten brachten aus der Höhle die zurückgelassenen Kleidungsstücke des Briganten herbei und alle redeten und lachten durcheinander, während sie die Jacke an den Ärmeln ausgespreizt hochhielten. und die Kniestiefel samt dem Schlapphut in der Luft schwenkten. Tito stand mit den Händen in den Hosentaschen dabei und stierte gleichgültig vor sich hin.

,,Wahrhaftig, das sind die Sachen, die der schwarze Bär zu tragen pflegt,“ rief einer von den Karabinieri; „der abgefeimte Spitzbube ist uns also richtig wieder einmal entwischt und wir haben ihn in den Kleidern dieses Burschen da ganz arglos an uns vorüberspazieren lassen! Daß ihn die Best! Aber ohne Zweifel ist er nach Racalmuto hinunter, und wenn er nicht mit dem Leibhaftigen selber im Bündnis steht, fangen wir ihn dort doch noch ein. Ich denke, wir machen uns ohne viel Besinnen auf und nehmen den Burschen da, der seinen Mantel ja am

besten wiedererkennen wird, mit uns. Was | Ich denke, ich habe ein gutes Recht auf meint Jhr, Wachtmeister?" die Sachen, und bis ich meine eigenen wieder habe, gehören sie mir und keinem anderen."

Der Hüne, an den die lezten Worte gerichtet waren, hatte wütend an seinem langen schwarzen Knebelbart gezerrt. Daß er wieder einmal überlistet worden war, nachdem er die ganze Nacht hindurch hinter dem ausgespürten Briganten hergewesen war und ihm jeden Ausweg verlegt zu haben glaubte, wurmte ihn mehr, als er verraten durfte. Sein Zorn suchte einen Gegenstand, an dem er sich Luft machen konnte, und verfiel naturgemäß auf den faulen Tito, dessen unerschütterliche Gemütsruhe ihn vollends in Raserei brachte. „Höre, du Schlingel," schrie er ihn wieder an und rüttelte ihn an der Schulter, weißt du auch, daß wir dich als Helfershelfer der Räuber mit uns schleppen werden, und daß du in Ketten gelegt und vor die Assisen geführt werden wirst? Du Lump bist allein an allem schuld. Du hast gemeinsames Spiel mit dem Banditen gemacht, hast ihm Vorschub geleistet und hast ihm zur Flucht verholfen. Wer weiß, ob du nicht überhaupt unter einer Decke mit ihm steckt und das Ganze ein abgekartetes Gaunerstückchen zwischen euch beiden war? Nun, das werden die Geschworenen entscheiden. Vorläufig bringen wir dich in sicheres Gewahrjam, das Weitere findet sich dann schon. Nach meiner Ansicht sind dir zehn Jahre schweren Kerkers sicher. Und nun marsch, vorwärts! Da vor uns hergeDa vor uns herge laufen, oder wir bringen dich mit Gewehrkolbenstößen auf den Weg!"

Tito hörte alle diese wenig tröstlichen Aussichten und Aufforderungen mit vor Erstaunen geöffnetem Munde an. Endlich zuckte er mit halbem Lachen die Achjeln. Ich mit den Briganten zusammenhalten, Signor Karabiniere?" sagte er in fast mitleidigem Ton, „ich hasse dies Spizbubengesindel gerade so wie Ihr, und vielleicht noch mehr aus privaten Gründen. Aber ich möchte Euch bitten, mir die eingetauschten Stiefel und die Jacke herzugeben, denn ich bin nicht gewohnt, barfuß zu laufen, und mich friert. Monatshejte, LXII. 367. April 1887.

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Die Herumstehenden lachten. Nur dem Wachtmeister schwoll die Zornader noch höher und er schrie: Treibt ihn mit Kolbenstößen vor euch her, Leute, wenn er nicht gutwillig gehen mag! Ich will ihn lehren, barfuß und ohne Mantel laufen! Vorwärts!“

Die Gendarmen rissen nunmehr Tito in ihre Mitte und zerrten ihn eine Strecke weit vorwärts. Wenn er nicht gehen wollte, schoben sie ihn auf dem Wege bergab vor sich her, wobei es ohne mancherlei Knüffe und Püffe nicht abging. Tito ließ das alles über sich ergehen, ohne nur die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen, aber er fror wirklich, und die spißen Steine, die ihm auf dem abschüssi= gen, geröllbedeckten Wege in die Füße schnitten, regten ihm endlich doch die Galle auf. Signor Karabiniere," sagte er stehenbleibend und wandte sich nach dem ingrimmig hinterdrein schreitenden Wachtmeister um, ich mache Euch für Eure Handlungsweise gegen einen Galantuomo, auf dem auch nicht der Schatten eines Verdachtes ruht, verantwortlich. Jhr werdet Euch für diese Überschreitung Eurer Amtsbefugnisse zu rechtfertigen haben. Ich bin der Sohn eines angesehenen Mannes in Racalmuto und so unbescholten wie Ihr selbst. Es giebt noch Richter in Girgenti!”

Damit wollte er verdrossen weiterschreiten. Auf den hünenhaften Wachtmeister waren diese ruhigen und stolzen Worte aber nicht ohne Eindruck geblieben; er sagte sich, daß er vielleicht wirklich etwas zu weit gehe. „Gebt ihm die Sachen des Briganten!" befahl er, er mag sich darein kleiden. Und dann langsam weiter!"

Der Trupp machte Halt, und der faule Tito fuhr in die riesigen Stiefel, zwängte sich die abgeschabte Jacke des Briganten über den Leib und stülpte den bebänderten Kalabreser auf den Kopf. Die Gen

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