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fort: Du weißt, daß mein einziger Bruder unter die Briganten ging, Tito

Jawohl," warf er verdrossen ein und pflückte gelbe Kaktusblüten ab, die er langsam zwischen den Fingern zerrupfte, „er mußte ja wohl; denn er hatte seinem Brotherrn Don Clemente einen so wohlgezielten Messerstich zwischen die Rippen gegeben, daß der nicht lange nachher das Zeitliche seguete. Nun hieß es ja zwar, das jei nur im Zorn geschehen und Don Clemente habe deinen Bruder Santi in der That bis aufs Blut gequält und gereizt, und so schlimm habe der es mit seinem Stoß gar nicht gemeint und was so nicht dergleichen mehr ist; aber lebenslang in Ketten geschlossen hätten sie ihn doch, und weil er davor Angst hatte, lief er davon in die Berge und schloß sich der Bande des Lupo rosso' an. Und mit dem zusammen ist er dann da oben bei den Colli neri von den Gendarmen im Gefecht erschossen worden. Ja, das weiß ich, und jedes Kind in Racalmuto weiß es. Daß du aber deshalb einen Briganten heiraten. willst, den sie über kurz oder lang natürlich auch totschießen werden, das begreife ich deshalb doch noch nicht und halte es für Raserei. Und außerdem hast du wohl vergessen, daß die Obrigkeit jezt hinter den Helfershelfern der Briganten am allermeisten her ist und daß sie dich ohne Gnade zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilen, wenn sie dich fassen. Falls es dich danach also gelüftet und wenn du das lieber willst als meine Frau werden —“

Er warf die ganze Hand voll zerzupfter Blütenblätter in den Wind. Gioconda sah ihm zu, und sein verhaltener Zorn berührte sie wohlthuend. Er ist doch ein redlicher Bursche, dachte sie, und man müßte ihn nur aufrütteln, und ich brächte es auch fertig, wenn Laut aber sagte sie: Das ist alles wahr und gut, Tito, und ich danke dir dafür, daß du mich warnst. Aber ändern kann ich's deshalb doch nicht, ich müßte denn überhaupt unverehelicht bleiben, und wenn du mich nur wolltest ausreden lassen, würdest du's begreifen -"

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,,Nun, so rede nur!" rief er ärgerlich.

„Mein Vater hat meines Bruders Tod schwer getragen, Tito; es war sein einziger und er hatte seinen ganzen Stolz auf ihn gesezt. Er hielt es seitdem auch ganz und gar mit den Briganten, von denen er zuvor nicht viel hatte wissen wollen, und hätte am liebsten noch selber die Flinte auf den Rücken genommen, um in die Berge zu laufen. Dazu war er nun freilich zu gebrechlich, seit ihm einmal beim Steinesprengen ein Felsstück den halben Arm zerquetscht hatte, aber Vorschub geleistet hat er den Räubern überall, und wenn er den Karabinieri einen Schaden anthun konnte, so geschah's. Und als es mit ihm zum leßten ging du weißt, er hatte die Malaria und wollte kein Arzneimittel einnehmen, weil er glaubte, sie gäben ihm Gift -, da ließ er sich von mir in die Hand versprechen, und beim Heiligenbilde, das über seinem Bett hing, hab ich's bekräftigt, daß ich nur einen Briganten heiraten würde. Es war ihm ein Trost im Sterben, zu denken, daß ich's zeitlebens mit den Brigan ten halten würde und daß mein Mann einmal gegen die verhaßten Gendarmen kämpfen solle, denen er allen den Tod geschworen hatte und an denen er gar zu gern seines Sohnes Tod gerächt hätte. Nun, ich hab's ihm zugeschworen, Tito, und konnte nicht anders. Und jetzt siehst du wohl, daß ich dich doch im ganzen Leben nicht heiraten könnte, wenn ich dich auch noch so lieb hätte und wenn du auch der fleißigste und kräftigste Bursche in ganz Racalmuto wärest. Und deshalb —“

Tito hatte der Sprecherin mit wachsender Aufmerksamkeit zugehört, um endlich schwermütig den Kopf auf die Brust sinken zu lassen und ihr ins Wort zu fallen:

Höre, Gioconda, von solchem nichtswürdigen Gelübde kann dich unser Don Amilcare befreien, meine ich. Solch ein Gelübde braucht man nicht zu halten.“

Da krauste das Mädchen aber unmutig ihre Stiru. „Versündige dich nicht, Tito!“ rief sie strenge zu ihm herüber, „oder mit unjerer Freundschaft ist's aus, noch ehe

sie begann. Du weißt ebensogut wie ich selber, daß von solchem Gelöbnis einem Sterbenden gegenüber nicht Don Amil care und kein anderer uns erlösen kann, nicht einmal der heilige Vater in Rom selbst. Zum Überfluß hat mir's Don Amilcare noch ausdrücklich gesagt."

„Es wäre dir also doch wohl lieb ge= wesen, wenn es hätte sein können?" fragte er lauernd, mit einem verschmißten Augenblinzeln.

in Wangen und Stirn hinauf und lähmte ihre Muskelstärke. „Laß los!“ feuchte sie mit schwer arbeitender Brust, „es ist erbärmlich von dir, mich so zwingen zu wollen, und ehe ich nachgebe, magst du mir getrost die Knochen zerbrechen; reden werde ich doch nicht, wie du's verlangst. Befehlen laß ich mir nicht jezt nicht und nie -"

Sie machte eine leßte, verzweifelte Anstrengung, sich von ihm zu befreien, ihre

„Wie du fragst. An dich hätte ich zu Zähne knirschten dabei aufeinander und allerlegt gedacht!“

ihre Augen sprühten. Tito aber hielt

„Nun, so versprich mir, daß du gar unerschütterlich fest; er sagte nichts mehr, feinen heiraten willst, Gioconda!"

,,Du bist toll, Tito —"

sondern hatte die Lippen dicht aufeinandergepreßt, doch auch seine Brust ging schwer auf und nieder, und die Nasenflügel zitterten ihm in wilder Erregung. Dann, im Augenblick, wo ihre Kräfte nachließen und ihr Widerstand gebrochen war, gab er sie plößlich frei. „Du hast

Sie wollte ärgerlich aufstehen und ihr Bündel wieder auf den Kopf heben, aber er trat mit ein paar raschen Schritten vor sie hin und ergriff sie an beiden Händen. „Gioconda,“ sagte er, „ich liebe dich bis zur Tollheit ja, es ist wahr.recht," stieß er heraus, „es war erbärmLieber, als dich einem anderen gönnen, möchte ich dich da tot vor mir liegen sehen. Die heilige Jungfrau möge mir die Sünde verzeihen! Ich kann nicht Ich kann nicht anders. Wenn du mich denn nie, wirklich nie erhören willst und kannst, so versprich mir, daß du auch keinen anderen erhören wirst —"

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„Erst versprich's!" knirschte er in hal ber Raserei, sie nur fester umschließend.

Daß ich eine Närrin wäre! Nie! Meinst du denn, ich beugte mich vor dir?"

Sie rang in wildem Troß gegen ihn an, sich loszumachen, und weil sie es nicht vermochte, wurde sie zu immer heißerem Jähzorn angestachelt. Aber es zeigte sich, daß der faule Tito ungeahnte Kräfte besaß und daß er von einem Weibe nicht zu bezwingen war, auch nicht, wenn dies Weib Gioconda Delverde hieß. Er hielt wie mit Eisenklammern fest, und ihr trieb die Scham und Entrüstung darüber, von dem faulen Tito besiegt zu werden, das Blut

lich, dich zwingen zu wollen. Es ist kein Kunststück, daß ein Bursch stärker ist als eine Dirne. Aber versprich mir's nun aus freien Stücken, Conda, ich bitte dich drum -"

Da traf ihn nur noch ein Blick voll jähen Hasses aus ihren Augen. Ihre Lippen blieben geschlossen, aber ihr wogender Busen und ihre rotflammende Stirn redeten deutlich genug davon, wie die Beschämung darüber, daß sie von dem faulen Tito solchen Zwang hatte erdulden müssen und ihr Widerstand fruchtlos gewesen war, ihren Stolz empört und ihr troßiges Herz wider ihn aufgestachelt hatte. Schweigend nahm sie ihr Bündel wieder auf, gönnte ihm weder Blick noch Wort mehr, sondern schritt, mühsam ihre Aufregung niederkämpfend, den Weg weiter fort und dem Gehöft ihres Brotherrn zu.

Tito war in der nächsten Minute wieder an ihrer Seite. Nun habe ich's wohl ganz mit dir verdorben?" fragte er in gutmütig - einschmeichelndem Ton und ging, wie gebeugt unter der Last dessen, was er gethan, neben ihr her. Verzeih mir's, ich habe mich hinreißen lassen; ich

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hörst du? Sag mir, daß du mir gram bist, aber bald einmal wieder gut werden wirst! Conda, so höre doch! Sacro Dio, Gioconda, antworte mir oder ich weiß nicht mehr, was ich thue!"

Aber all sein Flehen, Schmeicheln und Drohen blieb nacheinander wirkungslos. Völlig ungerührt, als ob sie niemanden neben sich gewahre oder nichts von dem vernähme, was er sprach, verfolgte Gioconda ihren Weg, blickte geradeaus vor sich hin und bewegte die Lippen nicht. So trat sie auch, ohne ihm nur einen Abschiedsgruß zuzunicken, durch das Thor in den Hof und ließ ihn draußen stehen, bis er, leise vor sich hinfluchend, seiner Wege ging.

Von diesem Tage an haßte und verabscheute der faule Tito die Briganten und die ganze sicilianische Briganten wirtschaft. Wenn es seine Trägheit ihm gestattet hätte, wäre er am liebsten als Spion oder Helfershelfer der im Volke ebenso gefürchteten als verhaßten Karabinieri thätig gewesen, um nur seinem Groll und seiner Wut Luft zu machen. Das aber durfte er schon um seines Vaters willen nicht thun, wenn ihm auch an seinem eigenen Leben nichts lag, denn die Rache der Briganten war grausam und richtete sich nicht nur gegen den Verräter, sondern auch gegen dessen Angehörige, so unschuldig sie sein mochten, und gegen alles, was ihr eigen war. Die Ermordung des alten Sandro Nostrella und die Verwüstung seiner Gärten, Felder und Weinberge, vielleicht sogar die Einäsche rung seines Hauses wäre ihre Antwort gewesen, wenn Tito auch nur den kleinen

Finger gegen sie hätte rühren wollen. Zudem würde er die ganze Bewohnerschaft der Stadt gegen sich gehabt haben, und seinem einzigen Lebenswunsche kam er um keinen Schritt breit näher, wenn er seinen blinden Rachedurst zu kühlen versuchte. So blieb es dabei, daß er die Briganten innerlich verwünschte und den ganzen Tag hindurch wechselnde Pläne zu ihrem Verderben schmiedete, bei deren Ausmalung er eine geheime Genugthuung empfand, deren Ausführung aber unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnete.

Zeit genug zu solcher unfruchtbaren Thätigkeit hatte er ja. Denn wenn er auch nach wie vor in der Nähe Giocondas zu weilen versuchte, so oft dieselbe außerhalb des Gehöfts arbeitete, und seine Verliebtheit immer nur zunahm, so gelang es ihm doch durch keinerlei Künste der Überredung, durch keine bittenden Blicke und flehentlichen Seufzer, das Mädchen zum Sprechen zu bewegen. Ja, Gioconda fuhr sogar damit fort, ihn vollständig zu übersehen, erwiderte seinen Gruß nicht einmal, nahm keinerlei Notiz von ihm und gebärdete sich, als sei er überhaupt nicht für sie vorhanden. Dagegen ließ sie es sich angelegen sein, anderen Burschen gegenüber eine bis dahin ihr fremd gewesene Vertraulichkeit an den Tag zu legen und so den faulen Tito, um seine Strafe zu erhöhen, allen Qualen einer brennenden Eifersucht preiszugeben. Denn in solchen Fällen war es kein Trost für ihn, zu denken, daß Gioconda ja doch nur einen Briganten heiraten dürfe; wer bürgte ihm dafür, daß von den Burschen, die heute noch auf den Sumachfeldern, in den Schwefelminen oder gar beim Eisenbahnbau arbeiteten, nicht morgen schon einer, um seiner Bestrafung wegen Insubordination oder Gewaltthätigkeit zu entgehen, schnurstracks in die Berge zu den Räubern lief und so die eigenartige Vorbedingung zu einer Heirat mit Gioconda Delverde, der Schwester des erschossenen Banditen, erfüllte? Dergleichen kam ja alle Tage vor, und ehe sich einer von diesen troßigen Bur

jchen, die immer gleich mit dem Messer
bei der Hand waren und mit der Flinte
über der Schulter auf die Feldarbeit aus-
zogen, entschloß, eine auch nur gering
fügige, wohlverdiente Freiheitsstrafe auf
jich zu nehmen, liefen sie in ihrem wilden
Unabhängigkeitsbedürfnis lieber in die
Berge und machten sich für ihr ganzes
Leben unglücklich. Wie leicht konnte da
eines schönen Tages Gioconda in ihrem
verbissenen Jähzorn mit einem von ihnen
mitlaufen, und dann war's zu Ende mit
allem Hoffen und Sehnen. Es war gar
nichts so Unerhörtes, daß auch Weiber
sich zu den Briganten flüchteten, und nicht
wenige waren von ihnen regelrecht ver-
heiratet, hatten ihre Frauen entweder bei
sich in den Lagerpläßen oder ließen sie,
zumal wenn Kinder vorhanden waren,
ruhig weiter in den Städten wohnen, um
sie hin und wieder in Verkleidungen, dicht
unter den Augen der wachsamen Polizei-
mannschaften, zu besuchen, ja, manchmal |
wochenlang, während der für das Bri-
gantenhandwerk ungünstigen winterlichen
Jahreszeit bei ihnen zu verweilen. Wenn
es auch mit Gioconda so wurde! Und
er, der faule Tito, konnte es nicht hin-
dern, konnte nichts thun, als mit zusam-
mengebissenen Zähnen dabeistehen und es
mit ansehen. Und er liebte sie; wie
er sie liebte!

gen der anderen Burschen hatte er Freude. Und was ihn einzig beschäftigte, lockte und beglückte: der Gedanke an Gioconda, war ihm nun auch vergällt. Wozu sollte das zwecklose Sehnen und Schmachten und Liebesgirren führen, da sie ihn doch haßte und verachtete, und da er jede Hoffnung auf ihren Besiz aufgeben mußte, selbst dann hätte aufgeben müssen, wenn sie ihn geliebt hätte?

Es war ein trüber, windiger Tag um die Zeit der Jahreswende, als Tito Nostrella unter solchen Gedanken wieder einmal mit schwermütig gesenktem Kopfe planlos und ziellos landeinwärts strich. Er hatte die kahlen Felder hinter sich gelassen und schritt gleichmäßig fort, auf die Berge zu, um deren nackte Kuppen die Wolkenfeßen wie zerrissene, vom Winde hin- und hergejagte Schleier wallten. Es war ein winterlicher Atem, der durch die ganze Natur ging. Auf der weiten Hochfläche, die sich zwischen Racalmuto und Canicatti breitet, fuhr der Sturm mit brausendem Fittich hin und wirbelte haushohe weißgraue Staubwolken empor, die sich, einer mißfarbigen Hülle gleich, über die langgedehnten Opuntienhecken legten, die unter dem rauhen Anhauch erzitterten. Kahle Bäume hoben sich, wie hilfeflehend, in die graue Luft am Straßensaum herauf, und wer des Weges daherkam, trug den landesüblichen Schafpelz, der zugleich in Winters- und Sommerszeit wirksamen Schuß gegen die Malaria bieten soll, hatte die Pelzmüße bis tief über die Ohren und den Kragen bis zum Kinn heraufgezogen, um in den darüber gewickelten Wollenshawl allerlei unfreundliche Worte über das Wetter zu murmeln. Zweiräderige Karren mit schellenbehangenem, bunt aufgepußtem Pferde rasselten die weiße Fahrstraße entlang, und schwer bepackte Lastwagen, deren Lenker lang ausgestreckt über den Warenballen oder auf Säcken über den Steinladungen dalagen und mit unaufhörlichem Lippenschnalzen und lautem Zuruf die überbürdeten Pferde antrieben, knarrten vorüber.

Unter solchen Umständen ertrug er es jest manchmal nicht mehr, unthätig am Feldrand oder auf der Mauer zu liegen und das schöne, stolze Weib zu betrachten, das ihn nicht einmal mehr kennen wollte, jondern, recht ihm zum Tort, mit anderen schön that und ihre weißen Zähne beim Lachen zeigte und ihre vollen Arme aus den aufgestreiften Kleidärmeln hervortre ten ließ, als wollte sie ihn reizen. Dann trieb es ihn auf und jagte ihn weiter umher, als müsse er vor dem verführerischen Anblick fliehen, und er ging, ohne auf seinen Weg zu achten, fort und fort, und es wäre ihm recht gewesen, wenn er so bis ans Ende der Welt gelangt wäre. Was lag ihm auch noch am Leben? Weder an der Arbeit noch an den Vergnügun= | Alle diese Gefährte kamen von den Eisen

bahnbauten oberhalb der Straße oder schlugen ihren Weg dorthin ein; ein reger Verkehr hatte sich hier in der Gegend seit der Weiterführung der schwierigen Strecke entwickelt.

Tito sah dem allen gedankenlos und teilnahmlos zu. Er zog sich die rote phrygische Müße, die ihm vornüber in die Stirn hing, weiter über die Ohren herab, die ihm der scharfe Wind fast zerschnitt, und hüllte sich fröstelnd enger in seinen Mantel. Früher hatte er dem Bahnbau und allem, was damit zusammenhing, mit scheelen Blicken zugesehen, gerade so wie die meisten anderen im Ort, die dadurch eine Verminderung ihrer Einnahmen als Frachtfuhrleute vorausjahen; jezt, da er nichts auf der weiten Welt so haßte wie die Briganten und wohl wußte, daß diese in dem wachsen den Schienennet die wachsende Civilisation des Landinneren fürchteten und in der pfeifenden Lokomotive einen Todfeind sahen, begann er plößlich die Arbeiten der Ingenieure mit freundlichen Augen zu betrachten und die lebhafteste Sympathie für die Vollendung der schwierigen Strecke zu empfinden. So ließ er sich von dem nächsten bergan rollenden Lastfuhrwerk mitnehmen

denn instinktiv

wählte er die bequemere Gelegenheit, vorwärts zu kommen, so wenig er sonst heute noch seiner Faulheit nachgegeben - sah sah es nach Landesart gleichmütig mit an, wie die einzeln voreinander gespannten vier Pferde mühsam unter dauernden Peitschenhieben die ausgefahrene Straße hinankeuchten, und mischte sich droben, die Hände in den Hosentaschen, träge umher schlendernd unter die Arbeiterhaufen, schaute den beschwerlichen Bohrungen zu, ließ sich den Zweck der Felssprengung erklären und staunte hundert nie gesehene, nie gefannte Geräte und Vorrichtungen an, die ihm von der Mühseligkeit und Kunstfertigkeit der hier veranstalteten Arbeiten eine hohe Meinung beibrachten. Ja, wenn er auch das wenigste von allem begriff und eigentlich nicht recht einjah, wie man sich um dieser Eisenbahn willen so plagen und

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schinden konnte, wie es die Arbeiter hier unzweifelhaft thaten, so empfand er dem Ganzen gegenüber doch einen mächtigen. Respekt, und der Gedanke, daß hier Menschenhände den von der Natur gelegten Hindernissen troßten und sie in rastloser, zäher Thätigkeit überwanden, blieb keineswegs ohne nachhaltigen Einfluß auf ihn.

Nur machte ihn der Anblick all dieser wunderbaren Dinge und das Anhören all der rätselhaften Geräusche sehr müde, und er sehnte sich endlich nach einem stillen Fleckchen, wo er Brot und Früchte, die er bei sich trug, in Ruhe verzehren und danach eine Weile schlafen konnte, um endlich wieder den Heimweg anzutreten. Und als er sich nach solch einem Ort, abseits von dem Gewimmel der bei den Bahnarbeiten Beschäftigten umsah, gewahrte er einen Büchsenschuß weiter oben eine kleine Höhle im Felsen, wo er vor dem Winde geschüßt sein mußte, das fatale Kreischen, Ächzen und Stöhnen der Steinsägen und Bohrmaschinen nicht mehr vernahm und sich ungestört seinem üblichen Dämmerzustand zwischen Wachen und Träumen hingeben konnte. Dorthin kletterte er denn also mit einer lezten Anspannung seiner heute auf ungewöhnlich harte Proben gestellten Kräfte, fand die Höhle ganz nach seinem Geschmack, legte sich seinen Mantel zusammengerollt unter den Kopf und hatte kaum Zeit, ein paar Bissen Brot und ein paar getrocknete Feigen zu sich zu nehmen, als er auch schon einnickte und die bleischweren Lider ihm zufielen.

Und der faule Tito, auf den heute gar vieles eingestürmt war, träumte ganz | wider seine Gewohnheit von allerlei merkwürdigen und närrischen Dingen, wälzte sich im Schlummer unruhig hin und her und hatte mehrmals die Empfindung, als werde er von der riesigen Steinsäge mitten entzwei geschnitten. Das Seltsamste jedoch war, daß er einmal, halb wach emporfahrend, zu sehen glaubte, wie ein Mann von oben durch ein Loch der Höhle zu ihm hereinstieg und daß er gleich danach meinte, denselben zu gewahren, wie er

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