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dann zum Unglück ausschlugen, weil sie | Unbegreiflichen zu resignieren, weil es zusammenhanglos waren. So ist z. B. ein Notwendiges ist und sich, wenn die Jury ohne Preßfreiheit ein Unglück, es nicht weiter geht, ins Schwert zu stürund Preßfreiheit ohne Jury ebenso. Es zen! Selbst die Alten gönnten sich in hat Leute gegeben, die bei einer Revolution richtiger Erkenntnis der menschlichen Natur alle Hypothekenbücher verbrennen wollten. und Schwachheit die Vorstellung, daß LieDas wäre auch so eine von den halben | bende sich wiederfänden, wenn der Tod Maßregeln gewesen, bei denen nur die sie getrennt. Es ist nicht jedem gegeben, kleinen Besizer zu kurz kämen, während wie Goethe zu sagen: „Wer nicht verdie Rothschilde sich aller Wahrscheinlich zweifeln kann, der muß nicht leben!"" feit nach in Sicherheit bringen würden. Ach nein!“ fuhr er fort, „das sind Kindereien; die Welt bedarf einer ganz anderen Radikalkur, einer Radikalumwälzung, eben einer ganz neuen Weltanschauung. Aber wie wird die sein? Was wird sie der Welt bringen? Wann wird sie kommen?" „Wenn das Christentum sich überlebt und ausgelebt haben wird!" fiel ich ein. Stahr dagegen schüttelte das Haupt. „Nehmen Sie das Wort von Fanny," | jagte er, nicht so ernsthaft, als es flingen könnte. Sie verfällt im mündlichen Verkehr gelegentlich auch in die Weise der Frauen, eine Sache ohne Überlegung rajch abzuthun, ohne sich klar zu machen, was sie damit gethan und damit zu vertreten hat, obschon sie es im Grunde besser weiß!" Und er wiederholte danach seine Ansicht von der welthistorischen Bedeutung des Christentums, wie er sie im dritten Bande seines Jahres in Italien“ auseinandergesezt hat.

Das Christentum wird ohne alle Frage," sagte Stahr, „der Kern sein und bleiben müssen, auf welchem die Zukunft mit ihren Neugestaltungen fortzuarbeiten haben wird, denn es stellt im idealften Sinne die Lehre von der Gleichheit und von der Nächstenliebe auf. Es hat kein Levitentum, es kennt keine Feinde in denen, die sich nicht zu ihm bekennen, und es bietet denen, die sich nicht zu bescheiden vermögen vor dem Wunder des Seins, des Werdens, des Vergehens, eine tröstliche Vorstellung, welche sie hoffen macht, was sie wünschen. Die Menschheit besteht nun einmal nicht aus lauter starken, in sich beruhenden Geistern. Es ist nicht jeder dazu gemacht, sich vor dem

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Es war eigentlich das erste Mal, daß Stahr sich in solcher Weise in Heines Beisein aussprach, und gleichsam sich entschuldigend, sezte er hinzu: „Man soll in Ehren halten, was sich durch nahezu zweitausend Jahre für die Menschheit heilsam bewährt hat, besonders solange man der Allgemeinheit nichts Besseres zu bieten vermag. Was werden kann oder wird, das wird sich ebenso wie das Christentum allmählich vorbereiten und in sich herausbilden und vielleicht findet sich dann auch wieder einmal der Mann, der es gestaltet und durch die Gewalt seiner Überzeugung auch die Maffen für die neue Form gewinnt! Aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, ist freilich nicht geraten! Am wenigsten hier auf diesem Boden, auf dem, wie wir erlebt, man Gott und Religion von Amts wegen ab und wieder eingesezt hat, um dann aufs neue in den Hafen des bigottesten Katholicismus einzulaufen."

,,Sie haben vollkommen recht!" fiel Heine ein, als Stahr geendet hatte, und es blieb noch eine Weile die Rede von dem Ursprung, der Vergangenheit und der Zukunft des Christentums.

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ist ein Bild darin, welches allein eine Reise verlohnte und das ich mir, als ich dort war, gar zu gern hätte kopieren lassen. Ach, es war eigentlich die glücklichste und ruhigste Zeit meines Lebens, als ich damals in die Provence ging. Ich hatte eben einen Teil meiner Arbeiten abgeschlossen, ich besaß für einen Schriftsteller ein namhaftes Vermögen, das ich nachher in der lezten Revolution fast ganz eingebüßt habe, und ging sehr heiter mit meiner Frau auf die Reise. Kaum nach Paris zurückgekehrt, lese ich in allen Zeitungen: ich sei vor Straus geflohen, der mich geohrfeigt habe, und was der Verlogenheiten mehr waren. So hatte ich gleich Ärger die Hülle und Fülle nach der kurzen Freude. Es ist mir doch überhaupt auch viel Unrecht geschehen in meinem Leben."

machte es durch allerhand kleine Kunst | Museum dort nicht gesehen haben. Es griffe möglich, daß ich schon mit vierzehn Jahren seine philosophischen Stunden mit besuchte, und ich verstand auch alle seine Sachen ganz gut. Er war wirklich frei= sinnig; troßdem las er doch, wenn er tags zuvor die freiesten Dinge gelehrt hatte, am Tage darauf im Ornate Messe wie die anderen. Und weil ich so von Jugend auf gewohnt war, Freisinnigkeit und Katholicismus vereint zu sehen, sind mir die katholischen Riten immer nur als etwas Schönes, als eine liebliche Jugenderinnerung entgegengetreten, und niemals als etwas erschienen, das dem Gedanken der Menschheitsentwickelung schädlich sei. Ich weiß nicht, ob Sie so recht verstehen mögen, wie ich das meine, aber es ist für mich ein unabweisbares, ganz individuelles Empfinden. Zudem knüpft sich auch noch eine andere Jugenderinnerung daran. Als meine Eltern das kleine Haus verließen, in welchem wir zuerst gewohnt hatten, kaufte mein Vater eines der stattlichsten Häuser in Düsseldorf, welches das Onus hatte, bei den Prozessionen einen Altar zu errichten, und er seßte eine Ehre darein, diesen Altar so schön und reich als möglich auszustatten. Das waren denn immer Feiertage und große Vergnügungen für mich, diese Ausstaffierungen des Prozessionsaltars. Es dauerte aber nur, bis die Preußen nach Düsseldorf kamen, da nahm man uns das Recht.“

Einmal ging Stahr in der Zeit allein zu Heine, und ich gebe diesen Bericht nach seinem Buche. Heine empfing ihn mit den Worten: „Sie haben mich ganz unruhig gemacht, Stahr!",,Wie das?"

„Ich lasse mir Ihr Italien vorlesen, und bin zwar erst bis Marseille gekommen, aber gerade die Gegend von Arles, wo Sie die allerliebste Episode erleben, kenne ich sehr genau und habe große Sehnsucht danach empfunden. Jene einfache Episode und die ganze Beschreibung haben mich förmlich gerührt. Schade, daß Sie das

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Um ihn von diesen peinlichen Erinnerungen abzubringen, fragte ihn Stahr nach dem erwähnten Bilde von Arles.

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Bei dieser Gelegenheit," bemerkte Heine, fällt mir eine Geschichte von einem anderen Bilde ein, welche mir in München passiert ist mit einer Dame, die für mein Gedicht von dem Fichtenbaum auf kahler Höhe' schwärmte. Ich besuchte einmal mit ihr zusammen die Galerie, in der uns ein kleines Bild auffiel. Es stellte ein Mädchen vor, das über dem Lesen eines Buches, das sie auf den Knien hält, eingeschlafen ist und dem ein junger Bursche mit einer Kornähre leise unter die Nase fährt, um es aufzuwecken. Dies Bild ließ ich der Freundin von einem jungen Maler kopieren, und um sie mit ihrer überschwenglichen Begeisterung zu necken, schrieb ich auf das offene Blatt des Buches mit ganz seiner Schrift jenes Gedicht vom Fichtenbaum.“

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Gustav zu Putliz, der damals sich auch in Paris aufhielt, hatte den Auftrag erhalten, bei Heine anzufragen, ob er nicht der Witwe Immermanns seinen

Briefwechsel mit dem Verstorbenen ausliefern wolle. Als wir wieder einmal beide zu Heine gingen, sprach Stahr ihm von diesem Wunsche.

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„Ich habe keine Zeile mehr davon," sagte Heine. Alle meine Korresponden zen, die bei meiner Mutter aufbewahrt waren, sowie ein Teil meiner Memoiren und das beste Bild von mir, sind in Hamburg verbrannt. Es ist im Grunde auch nicht viel an solchen Verlusten gelegen. Von Immermanns Briefen habe ich nur einen übrig behalten, den ich Laube als Autograph geschenkt habe. Und doch war das eine Korrespondenz, in die wir beide als Strebende viel hineingelegt hatten, denn wir übten damals gegenseitig einen wesentlichen Einfluß aufeinander aus. Merkwürdig hat man unser Verhältnis in den Immermannschen Biographien fast gänzlich ignoriert.“ Stahr, der selbst ein Lebensbild von Immermann geschrieben, mit dem er auch persönlich bekannt gewesen war und für dessen Düsseldorfer Theaterführung er sich sehr interessiert, mußte Heine bekennen, daß auch er in den gleichen Fehler verfallen sei, weil er Immermanns Verhältnis zu Heine nicht genug gekannt. Heine fragte darauf, ob Stahr seine Kritik von Immer manns Schrift über den rasenden Ajax des Sophokles gelesen, die in den ehemaligen Berliner Jahrbüchern gestanden. Das bejahte Stahr, und Heine sagte: Ich war, wie mir Immermann schrieb, der einzige, der auf die Bedeutung dieser vortrefflichen Schrift aufmerksam machte, während die klassischen Schriftgelehrten, die Altertumsprofessionisten, hochmütig daran vorbeigegangen sind."

Das Gespräch wendete sich dann auf Persönlichkeiten der französischen und deutschen Litteratur. Heine sprach mit großer Vorliebe von Alexander Dumas' vortrefflichem Charakter und pries mit Wärme dessen Herzensgüte. Die Franzosen," „Die Franzosen,“ sagte er, haben das mit den Juden gemein, daß sie ganz vorzügliche, daß sie erhabene Menschen sind, treue Freunde, aufopferungsfähig, sogar Principienreiter

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bis zur äußersten Konsequenz, wie z. B. der wackere und höchst ehrenwerte Gustav Planche, wenn sie gut sind; aber im entgegengeseßten Falle! Wehe! Sie sehen, ich bin aufrichtig machen Sie sich den Schluß auf mich selber!" seßte er lächelnd hinzu, wollte sich aufrichten, konnte es nicht, und der Schmerz erpreßte ihm einen Seufzer. Wir wollten ihm in die Höhe helfen, er lehnte es ab.

„Das Wehe! kann ich jezt besser über mich selber ausrufen. Ich kann nur angefaßt werden von einem, der es ausgeprobt hat! Aber ich bin doch noch immer besser daran als der arme Thierry, der völlig blind ist, ebenso sest liegt wie ich und auch nicht einmal mehr die Hände rühren kann. Daß ich dies kann, das hält mich aufrecht, denn es sichert mir meinen freien Willen. Was ich leide, erdulde ich, weil ich's noch ertragen kann - und weil ich meine Schmerzen enden kann, sobald ich will. kann, sobald ich will. Sehen Sie, mit der Hand kann ich auf dem Tische eine Dosis Opium erreichen, nach der ich nicht wieder aufwachen würde, und daneben liegt ein Dolch, den ich noch Kraft genug habe zu brauchen, wenn meine Schmerzen unaushaltbar werden. Daß ich diese lezte Freiheit habe, giebt mir Mut und macht. mich gewissermaßen heiter. Aber, wir haben vorhin von Immermann gesprochen; haben Sie die Gräfin Ahlefeld gefannt ?"

Wir bejahten das beide. Stahr hatte sie noch in Düsseldorf kennen lernen und berichtete von guten Stunden, die er eben dort mit der trefflichen Frau und Immermann und, wenn ich nicht irre, auch in Bremen verlebt. Ich erzählte ihm, wie ich ein Bild der Gräfin, das von ihr gemacht worden war, als sie noch als Generalin v. Lühow in Königsberg gelebt, in einer befreundeten Familie schon in | meiner frühesten Kindheit gesehen und oft vor Augen gehabt hätte, und daß ich, seit ich in Berlin lebe, mich ihres nahen Umgangs zu erfreuen hätte.

Und wie spricht sie von Immermann?"
Ich habe sie seiner nie mit einer Silbe

erwähnen hören!" entgegnete ich; füge jezt aber hinzu, daß sich dies in späterer Zeit geändert hat.

„Wir haben neulich von der Polizeiehe gesprochen," hub Heine an, nach seiner Weise auf frühere Gespräche gern zurückkommend, und da ist es mir nachträglich an mir selber aufgefallen, daß ich Hippels Schrift über die Ehe nie gelesen habe." Stahr berichtete ihm davon, und beide wunderten sich, daß mein Vater sie mir frühe in die Hand gegeben so frühe, so frühe, daß ich eigentlich nichts davon gehabt hatte

ebenso wie von einem Werke Kants, in welchem auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander behandelt worden

war.

Heine gedachte darauf der „Königs- | berger", nannte Kant, Hamann, Herder, Hippel, Zacharias Werner, August Lewald, von dem er diesmal mit Liebe und Anerkennung redete, und bezeichnete sie als eine Specialität wie die Pariser", weit wuchtiger als alles, was das sandige Berlin erzeugt. Seine mir unerklärliche Abneigung gegen Berlin kam wieder zum Vorschein, aber alles, was er sagte, war flüchtig, unruhig. Er kam mir nervenerregter vor als sonst, ich sah auch, daß es Stahr zu beklommen wurde in dem festverschlossenen Raume, und wollte aufbrechen. Aber Heine hielt Stahr bei der Hand fest.

,,Nein!" rief er, bleiben Sie noch, Stahr! und erklären Sie mir den jeßigen Königsberger par excellence, Johann Jacoby. Wie kommt es, daß er weder das Gepräge seiner Vaterstadt noch das des Juden hat, da er, wie man mir sagt, sich mit seiner Abstammung von dem gottge liebten Volke etwas weiß und seine Vater stadt wenig verlassen hat.“

Stahr gab ihm zur Antwort: Weil er ein Mensch ist, der im Allgemeinen auf geht, ein durchaus antiker Charakter, und sicher der selbstloseste Mensch, der mir vorgekommen ist." Wir sprachen darauf von ihm mit aller Liebe und Verehrung, die wir für ihn hegten.

„Welche Gegensäße erzeugt diese Rasse!“

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unterbrach uns Heine.,,Dereinst den Judas dicht neben einem Christus! und neben dem Jacoby, den Sie als die höchste Selbstlosigkeit nennen, einen Ferdinand Lassalle, die inkarnierte Selbstsucht bei eminentester Begabung. Von dem spreche ich Ihnen ein andermal. Aber noch eins von Immermann und der Gräfin! Haben Sie wohl darüber nachgedacht, welch eine geheime Macht den Dichtern die Liebe bedeutender Frauen zuwendet? jene Liebe, welche der Sanktion von außen, von Kirche und Staat nicht bedarf, weil sie ja an sich von Gottes Gnaden ist?" Er nannte Goethe, Tiedge, sprach von der Fürstin Gallizin, Charlotte v. Kalb, kam auf Theresens Verbindung mit Guzkow zurück und schloß mit der Bemerkung, daß er es nicht recht begreifen könne, wie Immermann nach der langen Verbindung mit der Gräfin sich habe zu der Ehe mit einer so viel jüngeren Frau, überhaupt zu einer Ehe entschließen können.

Und Sie? wollte ich eben fragen, in dem Gedanken an sein großes, freies, ideales Liebesglück", von dem er einst zu mir und Therese und ebenso jezt zu Stahr und mir gesprochen. Da trat, wie durch eine Fügung, Madame Mathilde herein und hinderte mich das Wort auszusprechen, und ich war des froh. Denn der Gattin Immermanns neben Mathilde Heine vergleichend zu gedenken, würde ich mir nicht vergeben haben.

Wir gingen endlich von dannen. Heine reichte uns die Hände. Sie werden immer mehr in das Pariser Leben hineinkommen,“ sagte er, „und dann werden Sie mich eine Weile vergessen, und wenn Sie sich dann auf mich besinnen und kommen, so werde ich begraben sein. Thun Sie das nicht, sondern kommen Sie bald wieder!"

Im Fortgehen sagte ich zu Stahr, was mir eben bei dem Eintritt von Heines Frau durch den Sinn gegangen war und wie ich mir innerlich selbst das Wort von Scribe zugerufen: Il y a pour les sots des hazards qui ont de l'esprit !

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wahrscheinlich auf deine Liebe für mich gemünzt; er traute sich nur nicht damit heraus." Ich hatte die gleiche Empfindung gehabt, und Stahr sagte: „Wir haben übrigens beide ihm für seine Art sich uns zu geben nur zu danken; aber was er von den beiden Extremen im Charakter der Juden und der Franzosen sagt, trifft auch ihn selber in gewissem Sinne in seiner Doppelnatur. Wenn er ernst und wahrhaft ist, kommt die Wahrheit oft mit schlagender Gewalt zum Durchbruch. Dann überwältigt er, daß man sich ihm gern hingiebt und die Geistesgröße, mit der er seine Leiden trägt, ist bewundernswert."

Er hatte uns beiden tiefe Teilnahme für sich eingeflößt, und ich wurde die Empfindung nie los, daß es ihm an der rechten Liebe und Pflege gebreche, deren er so dringend nötig hatte. Ich will gern glauben, daß Frau Heine gethan hat, was sie konnte, und ihren Mann geliebt hat, so gut sie es konnte; aber in ihr irgend etwas mehr zu sehen als die leerste Außerlichkeit, dazu habe ich es bei gutem. Willen niemals bringen können; und ich habe Mädchen aus dem Pariser Volk gekannt, die ihr an Herzensbildung, an Feinheit des Empfindens, an guten Manieren unverhältnismäßig überlegen gewesen sind. Es war ein guter, edler Zug in Heine, daß er seine Frau in den Augen der anderen zu heben suchte, denn er muß sehr viel entbehrt haben neben ihr, wenn mein Empfinden mich nicht getäuscht hat, was ich nicht glaube.

Das nächste Mal war Stahr allein bei Heine. Ich gebe seine Erinnerung auch hier wieder in Stahrs Worten nach dem gedruckten Buch:

Heine lag, mit einem schwarzseidenen Mantel bedeckt, auf einer Couchette und flagte, daß er in den lezten Nächten jast gar nicht geschlafen habe vor großen Schmerzen. Dabei entfuhr ihm zum erstenmal der klagende Ausruf: „Ach,

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warum muß eine Menschenkreatur so viel leiden!" Auch schien ihm das Sprechen beschwerlicher als sonst zu sein, und er sprach manche Buchstaben undeutlich aus. Aber selbst in diesem Zustande drang er darauf, daß ich wenigstens eine kleine Weile bei ihm bliebe. Seine Frau kam herein. Sie war zum Ausgehen ange| kleidet und hatte noch etwas zu fragen. Als sie fortgegangen war, sagte er: „Sie ist das beste Weib von der Welt" (er sprach überhaupt gern und lobend von ihr und ihrer treuen Pflege), „aber es ist doch gar keine Autorität im Hause, seit ich krank bin. Diese französischen Dienstleute sind alle gleich. Jeder will für möglichst wenige Arbeit möglichst viel Geld erhalten. Überhaupt haben die Franzosen alle gar keinen Begriff von Pflichten, nur von Rechten; man wird sehen, wie weit sie damit kommen!" Als ihn bald darauf die von mir auf seinen Wunsch herbeigerufene Wärterin wieder in sein Bett brachte, wobei die kleine Person den einst so stattlichen Mann wie ein achtjähriges Kind auf den flachen Armen vor sich hintrug, sagte er, ohne Zweifel meine Empfindungen bei diesem Anblicke ahnend, obschon er mich nicht sehen konnte, halb komisch, halb seufzend vor sich hin: „Sic transit gloria mundi.“ Mir standen die Thränen in den Augen.

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Bei unserem folgenden gemeinsamen Besuche fanden wir Heine bedeutend wohler. Er hatte gut geschlafen, sein VorLeser war bei ihm, er hatte Stahrs „Jahr in Italien" in der Hand.

Ich lasse mir täglich ein paar Kapitel daraus vorlesen, denn es ist auch persönlich sehr interessant. lich sehr interessant. Man hat immer den gebildeten, wohl vorbereiteten Norddeutschen vor sich und freut sich seiner freudigen Verwunderung über die südliche Natur. Die Griechen aber haben Sie doch zuweilen überschäßt, ich habe es auch gethan, sie waren doch im Grunde herzlos, wie Goethe auch, der ja nur zu

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