Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

einem Schlafenden ähnlich, zwei liebliche | Engelsgestalten ihm zur Seite lüften den Vorhang, in den oberen Nischen thront rechts die Madonna, von Engeln umgeben, indes auf der Linken der betende Papst kniet.

Malerischer aber als alle Bauten Perugias liegt außerhalb der Porta Romana, neben den immer grünenden Anlagen der Passegiata pubblica und mit der herrlichen Aussicht gegen Foligno, die weithin sichtbare Basilica S. Pietro fuori di Mura, ein Kloster aus dem Anfange des elften Jahrhunderts, das in den folgen den fünfhundert Jahren manchen Zuund Umbau erfuhr, aber durch jeden an Schönheit gewonnen hat. Fünf der anmutigsten Heiligengestalten Peruginos finden sich in der Sakristei der Kirche; sie gehörten einst einem größeren Bilde an, welches die Franzosen nach Paris entführten und das bedeutend genug war, um heute vier Galerien zu nähren, denn der Hauptteil (die Himmelfahrt) ist im Museum zu Lyon, die Lünetten in St. Germain l'Auxerrois, die Predelle in Rouen und drei Heilige in der Galerie des Vatikans. Auch Bonifazios köstliche Heilige Familie mit der lieblichsten Madonna und eine dem Raphael zugeschriebene Freske: „Christus und Johannes, spielend und kosend", dürfen nicht unerwähnt bleiben. Der größte Schmuck des Klosters aber ist das prächtige Stuhlwerk im Chore, das troß der Vortrefflichkeit derartiger Arbeiten zu Venedig, Florenz und Siena alles, was im Cinquecento und vorher und nachher in Deutschland und Italien in Holz geschnigt worden ist, an Zeichnung und Ausführung weit übertrifft. Stefano Zambelli da Bergamo hat es um 1553 entworfen, und unter seiner Leitung ward es ausgeführt. Mit Recht staunte man die Phantasie des Meisters an, der das ersonnen, und lange Zeit wollte man das Wunderwerk nur Raphael zuschreiben. Man fand in demselben manches Motiv aus den Loggien und sah mit Staunen, daß die in Holz gemeißelten Crnamente nicht minder an

|

mutig wirkten als die farbenprächtigen Dekorationen des Urbinus. Schnißwerk und Intarsien wechseln miteinander ab. Die Armlehnen der Stühle sind mit allerlei Tiergestalten, die Rückenlehnen mit Ranken und eingelegten Bildern geziert. Über den Sißen längs der Wand erheben sich schlanke korinthische Säulen, auf deren reich dekoriertem Gesims mächtige Adler thronen; Intarsien aus hellgelbem Holze füllen die dunkelbraunen Flächen zwischen den Säulen. Das ganze Werk wirkte früher wohl noch klarer und prächtiger, da die geschnitten Reliefs vergoldet

waren.

Wir haben bisher versucht, eine Skizze des schönen Perugia zu geben: manches ward fortgelassen, manches Detail nicht ausgeführt, damit das Gesamtbild nicht durch das Verweilen beim Einzelnen sich trübe. Und doch darf auch dieses nicht ganz übergangen werden. Perugias dauernde Führerstellung in der stets eigenartigen Kulturentwickelung Umbriens drängt uns gebieterisch zum Besuch zweier Sammlungen von Einzelwerken, die von dem selbständigen Kunstleben Perugias beredtes Zeugnis geben: des etruskischen Museums in der neuen Universität und der Gemäldegalerie (Pinakothek) im alten Rathaus. Die rings in der Umgebung der Stadt aufgefundenen Etruskergräber lieferten dem ersten ihre plastischen Denkmale aus oft noch prähistorischer Zeit; die säkularisierten Klöster und die von den verarmten Enkeln verkauften Palazzi der Reichen füllten leztere mit den Werken der umbrischen Malerschule des Mittelalters.

Von der verhältnismäßig hohen Civilisation der alten Etrusker geben ihre Grabstätten beredte Kunde, ein ganzer Friedhof, eine echte Totenstadt (Nekropolis), wie es die Alten nannten, lag am Fuße des Hügels von Perugia, und eine interessante Familiengruft, die Grotta dei Volumni, lehrt uns, wie der Mensch zu allen Zeiten, einst wie jezt, seine Väter auch noch im Tode verehrt. Die altetruskijche Grotte ist in Tuffstein gehauen,

eine lange Treppe führt in die Gruft hin- | Umbriens kaum nennt und deren Anmut unter, eine Hauptkammer mit symmetrisch abgezweigten Seitenräumen bildet das von einem gewölbten Dache bedeckte Innere. Hier war die Stätte für die Aschenkisten mit den darauf liegenden Figuren der Toten aus der Familie Velimna, die sich in den Tagen der römischen Herrschaft in die Volumni romanisierten. An den Wänden sind allerlei symbolische Bilder: der Kopf des Sonnengottes, die Drachen mit der metallenen Zunge und die Delphine (die Zeichen des Lichtes, der Finsternis und der Unsterblichkeit); auf den Aschenkisten sieht man Abbildungen des Alters, die Bahre der Verstorbenen, die ja auch heute noch als die plastischen Motive der Grabsteine gelten. Eine ganze Reihe der besten etruskischen Funde ward im Museum der Universität übersichtlich aufgestellt: hier erkennt man deutlich, wie diese alte Plastik erst dem ägyptischen, dann dem griechischen und zuleßt dem römischen Einfluß unterthan war; auch ist es technisch interessant, diese erst mit großer Naturwahrheit gebildeten Leiber zu betrachten, an die man abgesondert ge= meißelte Köpfe wie freie unzusammen hängende Körperteile nachträglich anfügte und mittels eines Stiftes befestigte.

Wie dieses Museum für die Plastik des Altertums, so ist die Pinakothek für die Malerei des Mittelalters von hoher Bedeutung und überdies durch ihre Kunstschäze seltenster Art von besonderem Wert. Nirgends wie hier hat man Gelegenheit, die Schule zu studieren, die Perugino bildete und der Raphael denn doch ein gut Stück seiner Größe verdankt. Man sieht hier Werke, deren Meister man außerhalb

doch unnennbar, wie die Bilder Peruginos in seiner besten Zeit. Wer entzöge sich dem Zauber, den Eusebio di S. Giorgio über seine heiligen drei Könige ergossen, wer freute sich nicht an den schönen Zügen, die Lo Spagna seiner Madonna lieh, wer bewunderte nicht Bonfiglis „Lucas Evangelista", der das Faktum der Verkündigung mit verklärtem Angesicht niederschreibt, wer endlich ginge an Lucca Signorelli vorbei und lauschte nicht seinen Legenden von S. Franzisko und S. Lcrenzo, die er in lebendigen Farben (auf einer schmalen Predella) erzählt? Hier wie nirgends kann man die Eigenart einzelner Maler kennen lernen, denn die Umbrier, die Erfinder der Miniaturen, liebten mehr als die anderen Schulen das Detail, das selbst bei Perugino in seinen späteren Werken zur typischen Manier ward. Da ist z. B. Bonfigli mit seinen stets gleichmäßig mit Rosen bekränzten Engeln, Firenzo di Lorenzo mit den eigentümlich gefalteten Händen und den abstehenden Ohren seiner Heiligen und Linimbaldo Jbi mit der stereotypen Haartracht seiner Madonnen. Hier begreift man es, wie einer der größten Kunstkenner (Morelli-Lermolieno) auf den Gedanken verfiel, bei der Bestimmung unbekannter Bilder oft größeres Gewicht auf die Ausführung der Hände, Ohren und sonstigen Details als auf die häufig von der Zeitrichtung und Schule bedingte Auffassung und Darstellung des Ganzen zu legen. Hier wie in wenig Galerien sind wir uns bald bewußt, daß wir auf Schritt und Tritt Angenehmes und Nüßliches, Genuß und Kenntnis gleicherweise ernten.

[ocr errors]
[graphic][merged small][merged small][merged small]
[merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors]

Warum soll man ihr die Sorge um mich machen?"

Ich fragte ihn, ob er auch früher seine Arbeiten diktiert habe? „Niemals!" bedeutetete er mich. Ich schrieb immer alles selbst, und ich glaube, daß es im Deutschen, namentlich mit dem Diktieren von Prosa, ein mißlich Ding ist. Unsere Sprache ist für das Auge mitberechnet. Sie ist plastisch, und im Reime unterscheidet nicht nur der Klang, sondern auch die Schreibart. Sonderbar genug drückt sich der Unterschied, der darin zwischen dem Deutschen und Französischen herrscht, sogar in der wörtlichen Bezeichnung der Sprache aus. Der Deutsche nennt sein Verständnis,Einsicht', der Franzose,entendement'. Der Deutsche muß nach meiner Meinung sehen und es plastisch vor sich haben, was er sprachlich schafft. Verse, die man im Kopfe fertig macht, kann man noch eher diktieren als Prosa; und ich könnte auch das nicht, ich würde es auch so noch oft ändern. Ich bin wirklich sehr gewissenhaft im Arbeiten gewesen; ich habe gearbeitet, ordentlich gearbeitet an meinen Versen. [Ich hatte das an dem kleinen Gedichte gesehen, das August Lewald mir in meiner Jugend in Heines Handschrift geschenkt.] Jezt schreibe ich alles, was ich noch selbst schreibe, mit Bleifeder, und ich weiß oft nicht, wie ich selbst die Sachen zusammenfinden soll. Versemachen ist eine meiner besten Zer

streuungen in schlaflosen Nächten.“ Nach | Heineschen Schriften erwähnte, die im

einer Pause fuhr er fort: „Ich lasse mir jezt Knebels Briefwechsel vorlesen. Da hat mich eine Stelle als sehr komisch frappiert. Es ist ein Brief Ramlers, worin der Gute angiebt, wie er es beim

|

einzelnen anzuschaffen ein kleines Kapital erfordern, fragte er ihn zugleich, weshalb noch keine wohlfeile Ausgabe derselben erschienen sei.

[ocr errors]

Das liegt darin,“ versezte Heine, „daß Dichten macht, wie er sich erst den Ge- | ich Campe alle meine Schriften für eine | Jahresrente in Bausch und Bogen verkauft habe, und daß er wohl eine solche Gesamtausgabe erst nach meinem Tode veranstalten wird. Er kann darüber ad libitum schalten. Denken Sie sich, daß ich vor zwei Jahren bei ihm um Dinge angefragt habe, die mir wichtig sind, und daß ich noch heute keine Antwort darauf habe."

"

danken schriftlich exponiert, gleichsam sce-
niert, und dann das alles gehörig in Verse
und Reime bringt. Es ist mir sehr ko-
misch vorgekommen, diese poetische Recep-
tierkunst unserer Väter. Langen Sie doch
einmal das Buch herunter" - er gab
genau an, wo es liegen müsse unter den
Bücherstößen, welche Schrank und Tische
bedeckten ,,und lesen Sie es selbst
vor." Es geschah, und während er mit
uns darüber von neuem lachte, fügte er
hinzu: Und doch haben die Leute ein
großes Verdienst gehabt: sie haben ihre
Verse ordentlich gearbeitet, sie haben ein
Studium aus ihrer Arbeit und aus dem
Verse gemacht. Die Romantiker hingegen,
bei denen alles aus der Urkraft ursprüng-
lich wachsen sollte, nun! bei denen haben
wir auch gesehen, was da gewachsen ist.
Als Schlegel dann behauptete: man könne | gemacht:
die wundervoll gearbeiteten Elfenchöre in
Byrons Manfred nicht überseßen, da habe
ich immer Opposition gemacht. Es ist
mit Schlegel und den Romantikern eigen.
Man kann sie nicht mehr lesen. Ich wollte
mir neulich die ,Lucinde' lesen lassen, ich
konnte es nicht mehr überwinden."

Dann kam er wieder auf seine metri= schen und rhythmischen Studien zurück und meinte: Einer der Neueren hat es ehrlich mit dem Verse gemeint." Stahr fragte, ob er an Platen denke? Nein!" sagte er, ich meine nach Platen, den Freiligrath; und auch Herwegh hat schöne reine Verse gemacht."

"

Wir schickten uns zum Gehen an. „Nein," jagte er, ich habe mir es überlegt. Klingeln Sie einmal. Ich werde den Sekretär fortschicken und der Mutter abends schreiben, dann kann ich Sie bei mir behalten, bis mein Bad kommt." Wir gaben ihm bereitwillig nach.

Ich erzählte ihm, wie ich in meiner frühen Jugend unter Schwierigkeiten an seine Gedichte herangekommen, wie mich die Farbe und der Zauber seiner Sprache entzückt und wie ich dann oft erschreckt worden sei, wenn er Gedichte, die ich für den Ausdruck tiefster Empfindung gehalten, mit einem Spott geschlossen hätte. Ich könne es nie vergessen, welchen Eindruck mir zum Beispiel die Schlußworte

Und sinken vor dir aufs Knie,
Und sterbend zu dir sprechen:
Madame! ich liebe Sie!

„Das waren keine Grillen oder Launen," versicherte Heine. Ich habe alle solche grelle Dissonanzen mit entschiedenem oppositionellem Bewußtsein gegen die weichliche Gefühlsseligkeit der Schwaben und Konsorten gemacht."

Stahr sagte: „All diese Gedichte werden vergessen werden, weil sie einer bestimmten Zeit und einer bestimmten, ganz individuellen Geistesrichtung angehören. Was von Ihren Gedichten bleiben und unsterblich sein wird, das sind die rein lyrischen Sachen, die schon jetzt eigentliche Volkslieder geworden sind, wie das Lied von der Lorelei, und Du bist wie eine Blume" und viele andere, die man durch ganz Deutschland auf allen Heerstraßen und ebenso in den Gesellschaftsjälen singen hört von jung und alt, von hoch und

Als Stahr des teuren Preises der gering."

[ocr errors]

Heine zeigte sich davon ebenso gerührt als erfreut. „Davon weiß ich kein Wort!" rief er, kein Wort!"

Wir sprachen ihm von Mendelssohns, Triests, Schuberts und Löwes Kompositionen. Er kannte nur das wenigste davon, sagte, daß ihm die Löweschen die liebsten seien, daß ihn diese ganz entzückt hätten und daß er gern ein Instrument haben, bei dem Spiel und Gesang dieser Melodien seiner Lieder sterben möchte. Die vielgesungene Lorelei-Melodie war ihm fremd. Stahr dachte daran, der jungen und großen Sängerin Emmy La Grua, | die damals in Paris war und mit der wir viel verkehrten, den Vorschlag zu machen, daß sie einmal mit uns kommen und sie ihm singen solle; wir standen jedoch davon ab, weil wir die Wirkung fürchteten, die es auf den Kranken machen könnte.

Als ich einzelner Gedichte von Heine erwähnt, jagte Stahr, das Gedicht: „Entslich mit mir und sei mein Weib!" sei wundervoll und habe ihn immer mächtig ergriffen.

„Es ist aber keine Originalerfindung," bemerkte Heine, „und ich habe das auch ausdrücklich dabei gesagt. Ich bin in solchen Dingen immer von der peinlichsten litterarischen Ehrlichkeit gewesen. Andere, selbst Goethe, haben sich weit mehr Benuzung des Vorhandenen erlaubt, und sie haben recht daran gethan. Ich bereue es oft, daß ich es nicht ebenso gemacht habe, denn ich hätte manches Schöne, Volkstümliche dadurch schaffen können."

Von den Mendelssohnschen Kompositionen kamen wir auf den verstorbenen Künstler selbst, auf die kunstbegabte Beersche Familie und auf Berlin zu sprechen. Er erzählte von ihnen und von anderen Berliner Persönlichkeiten mit großer Lebhaftigkeit und schonungsloser Spottlust, die oft unberechtigt war; aber die Laune und die Ausdrucksweise, mit denen er erzählte, waren bestrickend, wenn schon sein Spotten über alles und jeden demjenigen, zu dem er sprach, die freie Zuversicht des Verkehrs benehmen mußte, weil man sich

des Gleichen doch zu versehen hatte. Gegen Berlin gab er eine tiefe Abneigung kund. ,,Berlin ist mir immer sehr zuwider gewesen; es ist eine so trockene Lüge!"

Es waren ihm Besuche Empfohlener aus Deutschland angekündigt. Er wollte sie nicht empfangen und bat uns, dahin zu wirken, daß man ihn „in Ruhe ließe“. „Ich mag eigentlich keine Deutsche sehen, so gern ich selber in Deutschland wäre, denn sie haben mir immer Verdruß gemacht. Darin haben meine Freunde überhaupt immer etwas geleistet. Erst jest wieder die Belgiojoso. Schreibt die Frau in ihren Reisebriefen im National, die reizend sind, daß meine Familie, namentlich mein Vetter Karl, nichts für mich thäte was nicht wahr ist und be= denkt nicht, daß mir solche Unwahrheiten verdrießlich und nachteilig sind. Karl Heine ist großmütig gegen mich, und es ist nicht seine Schuld, wenn seine Großmut zuweilen kaum an die Waden meiner Bedürfnisse reicht, da mein Zustand und die dadurch bedingte Haushaltung ungeheuer viel Geld kosten.“

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Wir erwähnten des Ball Mabille und des peinlichen und traurigen Eindrucks, den der Anblick dieser Depravation der Schönheit auf uns gemacht habe. Heine meinte Sie haben ganz recht. Die Schönheit ist da nur die grüne Decke über einem abgrundtiefen Sumpfe der Civilisation. Es hat mir," fuhr er fort, immer leid gethan, wenn die Häßlichkeit lasterhaft wurde, aber wenn die Schönheit sich ruinierte, that es mir weh. Es ist dies ein Ausschlag des christlichen Spiritualismus. Das Geschlechtsverhält= nis ist dadurch unheilbar korrumpiert. Wir haben bis jezt nur auf der einen Seite den ganz unerträglichen Zwang der Polizeiehe des Christentums, und auf der anderen die Depravation, der das Konkubinat anheimfällt, weil es außer dem Gesez ist und unnatürlich genug für eine Schande gilt. Das alles muß geändert werden. Es ist nur schlimm, daß wir bis jezt nach allen Seiten hin nur lauter vereinzelte Änderungen erlebt haben, die

« ZurückWeiter »