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Privatcirkeln, bis er endlich im Jahre 1821 bei Gelegenheit einer im Operntheater veranstalteten Akademie den „Erlkönig“ in die Deffentlichkeit einführte 1).

1) Nach dem Erscheinen des „Erlkönig“ im Stich wurde die Composition in verschiedener Weise ausgenützt. So schrieb Anselm Hüttenbrenner Erlkönig-Walzer", über welche Profanirung Schubert etwas ungehalten war, und die in der Musikzeitung des bekannten Tondichters und Schriftstellers Friedrich August Kanne darüber erschienenen Disticha sich herausschrieb, um sie Herrn Jos. Hüttenbrenner, wahrscheinlich zur weiteren Mittheilung an Anselm, zu übergeben. Die Disticha lauteten:

1. Das Gefühl.
(Frage.)

Sag mir, strömt das Gefühl der jeßigen Welt nur dem Bein zu?

Antwort:

Seit sich die Menschen geschnürt, sanken die Herzen hinab.

2. Köder.
(Frage.)

Sage mir, lieblicher Kauz, was siehst in den Werken des Goethe ?

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Sprich, wie tanzt man den deutsch der Geisterwelt furchbare Schauder? Antwort:

Kann man nicht jegliches Lied tanzen der heutigen Welt?

An Bearbeitungen der Schubertschen Ballade in Cantatenform, für Orchester und an mannigfachen Transcriptionen fehlt es nicht. Auch über den Werth des Liedes wurde gestritten, und während es die einen zum Himmel erhoben, meinte ein Kritiker in der allgem. musik. Leipziger Zeitung, alies was der König sage, sei unwahr, da an diesen schmeichelnden Melodien vielleicht ein weibliche Tugend, nimmermehr aber ein Kind vor Grausen in den schüßenden Armen des Vaters sterben werde.

Von mehrstimmigen Gesängen sind „Der Morgenstern“, „Jägerlied“ und „Lützow's wilde Jagd" (von Th. Körner) sowie zwei Mailieder von Hölth, als solche zu erwähnen, welche für zwei Singstimmen oder zwei Waldhörner componirt sind. Auch dreistimmige Gesänge finden sich vor, wogegen das Vocalquartett beinahe gar nicht vertreten ist. Von den Liedern aus diesem Jahr ist beiläufig ein halbes Hundert unveröffentlicht und unbekannt; die bedeutendsten unter diesen sind jedenfalls die früher erwähnten Balladen.

Welche erstaunlichen Fortschritte Schubert's musikalische Entwicklung schon um diese Zeit gemacht hatte, bezeugen einige Lieder (Ossian's Gefänge, Mignonlieder), die den Stempel der Meisterschaft an sich tragen, vor allem aber die Messe in G, von ihm im März 1815 für den Lichtenthaler Pfarrchor, und „insonderheit für jene seiner musikalischen Jugendfreunde geschrieben, die ebenfalls Schüler des regens chori Holzer gewesen waren“). „Es ist diese Messe eines der gediegensten Kirchenwerke und namentlich das Kyrie, Credo und Agnus Dei von tiefer Conception. Im großen Ganzen wurde sie selbst von den später entstandenen Kirchencompositionen Schubert's nicht mehr übertroffen. Und dieses Meisterwerk ist die Arbeit eines achtzehnjährigen Jünglings der freilich ein Genie war. Eine zweite Messe (in B) 2), das erste Stabat mater (in B) 3), ein großes Magnificat

') Nach einer Mittheilung des Herrn Doppler.

2) Sie ist als op. 141 bei Haslinger im Stich erschienen, und wird in Wien öfter als andere Messen Sch's. aufgeführt.

Für gemischten Chor mit Begleitung von Streich- und BlasinArumenten und Orgel.

und ein Paar kleinere kirchliche Musikstücke1) gehören ebenfalls dieser Zeit an. Im Gebiet der Kammermusik schrieb er für die „Hausmusikanten“ ein Streichquartett in G-moll, von welchem der erste und der letzte Saz sowie der erste Theil des Scherzo reizend, stellenweise bedeutend gehalten, die Schubert'sche Eigenart unverkennbar zur Anschauung bringen, während der zweite Saß und das Trio des dritten sich noch in den von Haydn beliebten Formen bewegen 2).

Die Claviermusik repräsentiren unter anderer 1 3) auch zwei Sonaten (in C und F), wie es scheint, die ersten größeren Versuche in dieser Musikgattung, welchen ber nach einer kurzen Spanne Zeit eine Reihe schöner gediegener Compositionen folgte, als sprechende Zeugen der Energie und hohen Begabung, mit welcher Schubert auch auf diesem Feld voranschreiten sollte.

Damit war aber die Thätigkeit des rastlos schaffenden Tondichters noch nicht abgeschlossen. Auch die Orchestermusik und die Oper wollten ihren Theil abbekommen, und Schubert fand noch Muße, in diesem Jahr zwei Sinfonien und sechs

1) Es sind dies ein Salve regina, ein Offertorium und das zweite Dona nobis zu der F-Messe (1814). - Das Autograf des erstgenannten (mit dem Datum 5. Juli) besitzt Dr. Schneider in Wien.

2) Das Scherzo erinnert in Gestalt und Ausdruck an den energisch gehaltenen ersten Theil des Scherzo der G-Moll Sinfonie von Mozart, für welche Sch. große Vorliebe hegte. Das Manuscript des Quartettes besißt der Musikverein in Wien. es im Jahre 1863 aufgeführt.

Herr Josef Hellmesberger hat

3) 12 Deutsche mit Coda, 10 Variationen und Ecossaisen (Frl. Maria Spaun gewidmet).

Singspiele, darunter eines in drei und eines in zwei Acten, zu vollenden.

Die Sinfonien sind jene in B und D'). Die erstere scheint niemals zu öffentlicher Aufführung gelangt zu sein; von jener in D wurde der lezte Satz in einem Gesellschaftsconcert in Wien (am 2. Dec. 1860) als „sinfonisches Fragment“ zuerst aufgeführt und erfreute in hohem Grade durch seine Originalität, Frische und Formvollendung 2).

Die Opern und Singspiele sind der Zeit der Entstehung näich folgende: „Der vierjährige Posten“ (Mai), „Fernando“ (Juli), „Claudine von Villabella (Juli und August) und „Die beiden Freunde von Sala= manka (November und December). Auch „Der Spiegelritter", „Der Minnesänger") und „Adrast“

1) Die Sinfonie in B wurde, wie auf dem, in Händen des Herrn Dr. Schneider befindlichen Manuscript zu ersehen ist, am 10. December 1814 begonnen und am 24. März 1815 beendet. Sie besteht aus vier Säßen: Einem Largo, als Einleitung zu einem Allegro vivace, einem Andante in Es, einem Menuet mit Trio in Es und dem Finale: Presto vivace in B-Dur ; die Sinfonie in D (mit dem Datum 24. Mai 1815 auf der Original - Partitur) hat ebenfalls vier Säße ein Adagio maestoso, ein Allegro con brio übergehend, ein Allegretto, einen Menuet mit Trio (Allegro vivace D-Dur ) und das Finale (Presto vivace D-Dur ).

2) Die übrigen Fragmente bildeten: der erste und zweite Satz der tragischen Sinfonie in C-Moll (1816) und das Scherzo der sechsten in C (comp. 1818).

3) In C. M. v. Webers Biografie (von Max Weber) wird einer Operette gleichen Namens erwähnt.

(welche beide letteren sich aber bis jezt nicht vorgefunden haben) dürften in eben diese Periode fallen.

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Der vierjährige Posten", Operette in einem Act von Theodor Körner, wurde am 13. Mai beendet 1). Der Inhalt des Stückes ist folgender: Duval war als Feind mit seinem Regimente in ein deutsches Grenzdorf gekommen und hatte auf einem nahen Hügel die Wache bezogen. Als das Regiment weiter marschirte, vergaß man ihn abzulösen. Müde vom langen Wachstehen, steigt er Abends in das Dorf herab und vernimmt, daß seine Cameraden bereits fortgezogen seien. Er beschließt im Dorfe zu bleiben, lernt Käthchen, die Tochter des Dorfrichters Walther, kennen und heirathet sie. Der Zufall will, daß dasselbe Regiment nach vier Jahren wieder durch das Dorf marschirt - und damit beginnt das Stück. Duval befürchtend, daß er als Ausreißer vor ein Kriegsgericht gestellt werden könnte, ersinnt folgende List: Er stellt sich in seiner Uniform wieder auf jenen Posten, von welchem er nicht abgelöst worden war, und da der Hauptmann, der ihn erkennt, den Soldaten befiehlt, ihn als Deserteur gefangen zu nehmen, droht Duval, sich auf das Recht der Wache stügend, jeden, der ihm nahe kommen würde, zu erschießen.

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') Die Original-Partitur ist im Besitz des Herrn Dr. Schneider. Auf dem Titelblatt des Körner'schen Singspieles findet sich folgende Bemerkung: Die Absicht des Dichters war, daß dieses Singspiel durchgängig wie ein Finale componirt werden sollte. Auf diese Art ist es von Steinaker in Musik gesetzt und im Theater an der Wien aufgeführt worden." Steinaker (Carl), 1785 in Leipzig geboren, studirte in Wien und schrieb mehrere Operetten, darunter „Die Vedette". Er machte, wie Körner, den Befreiungskrieg mit und starb 1815.

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