Schumann fich darüber ausspricht wenn sie auch eine wenig geübte Hand verrathen, immerhin von poetischem Geschick und jener vorherrschenden Gemüthsstimmung zeugen, welche Näherstehende an Schubert bemerkt haben. Dieselben lauten: Mein Gebet. Tiefer Sehnsucht heil'ges Bangen Großer Bater! reich' dem Sohne, Sieh, vernichtet liegt im Staube, Tödt' es und mich selber tödte, Und ein reines kräft'ges Sein Lass', o Großer! dann gedeih'n. Schließlich folgt noch die Erzählung eines Traumes, dessen Auslegung billig dem Leser überlassen bleibt. Mein Traum. Den 3. Juli 1822. „Ich war ein Bruder vieler Brüder und Schwestern. Unser Vater, unsere Mutter waren gut. Ich war allen mit tiefer Liebe zugethan. Einstmals führte uns der Vater zu einem Lustgelage. Da wurden die Brüder sehr fröhlich. Ich aber war traurig. Da trat mein Vater zu mir und befahl mir, die köstlichen Speisen zu genießen. Ich aber konnte nicht, worüber mein Vater zürnend mich aus seinem Angesichte verbannte. Ich wandte meine Schritte und mit einem Herzen voll unendlicher Liebe für die, welche sie verschmähten, wanderte ich in ferne Gegend. Jahre lang fühlte ich den größten Schmerz und die größte Liebe mich zertheilen. Da kam mir Kunde von meiner Mutter Tode. Ich eilte sie zu sehen, und mein Vater, von Trauer erweicht, hinderte meinen Eintritt nicht. Da sah ich ihre Leiche. Thränen entflossen meinen Augen. Wie die gute alte Vergangenheit, in der wir uns nach der Verstorbenen Meinung auch bewegen sollten, wie sie sich einst, sah ich sie liegen. Und wir folgten ihrer Leiche in Trauer und die Bahre versank. - Von dieser Zeit an blieb ich wieder zu Hause. Da führte mich mein Vater wieder einstmals in seinen Lieblingsgarten: er fragte mich, ob er mir gefiele. Doch mir war der Garten ganz widrig und ich getraute mir nichts zu sagen. Da fragte er mich zum zweiten Male erglühend: ob mir der Garten gefiele? Ich verneinte es zitternd. Da schlug mich mein Vater und ich entfloh. Und zum zweiten Male wandte ich meine Schritte und mit einem Herzen roll unendlicher Liebe für die, welche sie verschmähten, wanderte ich abermals in ferne Gegend. Lieder sang ich nun lange, lange Jahre. Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward er mir zur Liebe. So zertheilte mich die Liebe und der Schmerz. Und einst bekam ich Kunde von einer frommen Jungfrau, die einst ge= storben war. Und ein Kreis sich um ihr Grabmal zog, in dem viele Jünglinge und Greise auf ewig wie in Seligkeiten wandelten. Sie sprachen leise, die Jungfrau nicht zu wecken. Himmlische Gedanken schienen immerwährend aus der Jungfrau Grabmal auf die Jünglinge wie leichte Funken zu sprühen, welche fanftes Geräusch erregten. Da scheute ich mich sehr auch da zu wandeln. Doch nur ein Wunder, sagten die Leute, führt in diesen Kreis. Ich aber trat langsamen Schrittes, immer Andacht und fester Glaube, mit gesenktem Blicke auf das Grabmal zu, und eh' ich es wähnte, war ich in dem Kreise, der einen wunderlieblichen Ton von sich gab; und ich fühlte die ewige Seligkeit wie in einen Augenblick zufammengedrängt. Auch meinen Vater sah ich versöhnt und liebend. Er schloß mich in seine Arme und weinte. Noch mehr aber ich." XIII. (1825.) Nachdem unser Tondichter schon während seines früheren Aufenthaltes in Steyr einen Vorgeschmack von der Schönheit des Landes empfangen hatte, regte sich nun in ihm abermals die Sehnsucht nach den Bergen und blauen Seeen Oberösterreichs. Noch vor dem Beginn der Sommerszeit begab er sich auf die Wanderung", welche sich diesmal bis Salzburg, Gastein und den Tirolerbergen zu ausdehnen sollte. In Oberösterreich traf er verabredeter Maßen mit Vogl zusammen, der bereits am 31. März nach Stadt Stehr vorausgeeilt war 1). 1) Aus einem, von dem Grafen Johann Mailath im Jahre 1832 herausgegebenen Tagebuch der berühmten Hofschauspielerin Sofie Müller (welche im Jahre 1824 von Mannheim nach Wien gekommen war, und im Jahre 1830 in Hietzing gestorben ist) geht hervor, daß Jenger, Vogl und Schubert in den ersten Monaten des Jahres 1825 mehrere Male bei ihr zu Besuch und zu Tische waren, und daß fie selbst Schubert'sche Lieder, besonders eben neuentstandene, gerne sang, oder Vogl's Vortrag mit Begeisterung zuhörte. Als solche neue Lieder sind erwähnt: „Die junge Nonne", jene aus dem „Pirat“, das Fragment aus Aeschilus“, „Ihr Grab", „Der Einsame“ und „Drang Der Sänger hauste sich, wie gewöhnlich, bei Paum= gartner ein; Schubert nahm abwechselnd bei Koller und Schellmanns1) sein Absteigequartier. in die Ferne." Der „alte" Lange (Hofschauspieler, Pianist, Maler und Operncompositeur, geft. 1827 in Wien) wohnte diesen Productionen zuweilen bei. Am 30. März, dem Tag vor Vogl's Abreise, waren sie zum letzten Mal bei ihr versammelt; Schubert's wird in dem Tagebuch noch im April und December erwähnt. Er spielte da mit Jenger die Ouverture seiner Oper“ und producirte die Lieder aus „Fräulein am See". Die Müller brachte den Sommer in Graß zu, wo sie mit Pachler's bekannt wurde, welcher Familie wir im Jahre 1827 begegnen werden. — Jenger (Johann Baptist), 1797 im Breisgauischen geboren, war ein intimer Freund Schubert's und vortrefflicher Begleiter seiner Lieder auf dem Clavier. Er accompagnirke hauptsächlich B. Schönstein. Jenger starb 1855 als Hoftriegsrath-Beamter in Wien. ') Aus den letzten Tagen vor Schubert's Abreise datirt auch das hier folgende Briefchen sammt Gedicht des jüngeren Schellmann, der sich damals zur Ablegung der Rigorosen in Wien aufhielt. Der kurze Inhalt des in meinem Besitz befindlichen Schreibens ist folgender: „Lieber Schubert! Sie noch zu grüßen, meine bei Ihnen vergessenen Handschuhe und das geliehene Buch zu holen, das sind die Zwecke, weßhalb ich hier bin und die alle, bis auf das Buch, wovon ich die Hälfte fand, scheiterten. Leben Sie wohl, grüßen Sie mir alle Steyrer, meine Eltern, Vogl, die Pepi und besonders meinen Schatz, den sie leicht auskundschaften. Nehmen Sie dieses Blatt mit — es wird Sie an ein Versprechen erinnern. V. S. Das Sternchen. 1. Ein Sterchen möcht' ich sein Mit hellem, goldnem Schein, |