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Glückswunsch des Sohnes enthält1). — Die Canons, zumeist auf Gedichtfragmente von Schiller componirt, sind als Studien in dieser Form, vielleicht auch für die Kameraden im Convict geschrieben 2). Sie sind fast durchweg dreistimmig und von Männerstimmen vorzutragen. Ein schöner Gesang ist das (nicht canonartige) Terzett: „Todtengräberlied" von Hölth

1) Das Schubertsche Gedicht lautet:
(Andante) Ertöne Leyer

Zur Festesfeier.

Apollo steig hernieder,

Begeistre unsere Lieder.

(Allegretto) Lange lebe unser Vater Franz, Lange währe seiner Tage Chor Und in ewig schönem Flor

Blühe seines Lebens Kranz.

Wonnelachend umschwebe die Freude
Seines zürnenden Glückes Lauf,
Immer getrennt vom trauerndem Leide

Nehm' ihn Elisiums Schatten auf.

Endlos wiedertöne holde Leyer

Bringt des Jahres Raum die Zeit zurück
Sanft und schön an dieses Tages Feier

Ewig währe Vater Franzen's Glück.

Das Antograf des Terzettes mit der Aufschrift: „Auf die Namensfeier meines Vaters, 27. Sept. 1813“, besitzt Dr. Schneider, deßgleichen ein zweites: „Namensfeyer“ betitelt (27. Sept. 1815), bestehend aus einem Gesangsstück: „Du Erhabener“ u. s. w. (Adagio Es-Dur).

2) Die große Anzahl dieser nacheinander entstandenen Canons erinnert au Mozart, der an Einem Tag (2. Sept. 1788) deren zehn niederschrieb. (O. Jahn „Mozart“ III. Bd.) — Das Gedicht von Schiller: Elisium" ist für diese Canons hauptsächlich ausgebeutet, und zwar die 1., 2., 4. und letzte Strophe.

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(für 2 Sop. und 1 Baß). Auch Streichquartette, drei Kyrie, drei Menuette mit Trio's für Orchester, die dritte „Clavierfantasie," eine Fuge für Clavier 1) und ein Octett 2) für Blasinstrumente gehören dieser Zeit an.

Und hier endet bereits die erste Periode von Schubert's eben so kurzer als fruchtbarer Künstlerlaufbahn. Es ist dies eine Zeit rastlosen, fast unbewußten Schaffens, in welcher der kaum noch an das Jünglingsalter herangereifte Knabe, einerseits dem reichen Spiel seiner Fantasie sich überlassend, anderseits immerhin noch an den Formen der vorausgegangenen Meisterwerke festhaltend, in seinen Instrumentalcompositionen vorwiegend Zwittergebilde zu Tage förderte, die allerdings auf eine ungewöhnliche Begabung schließen lassen, während in einigen seiner Lieder die Eigenthümlichkeit seines Genius schon prägnanter zu Tage tritt.

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Die nächstfolgenden Jahre dürfen insoferne mit dem Namen Schuberts Lernjahre" bezeichnet werden, als er bei Salieri sistematischen Unterricht in der Compositionslehre nahm, und sich nebenbei mit gewohnter Rührigkeit in den verschiedensten Musikgattungen als schaffender Künstler versuchte. Diese Lernzeit läßt sich allerdings nicht mit der strengen Zucht vergleichen, unter welcher andere große Meister — wie beispielsweise Mozart und Mendelssohn gestanden und

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') Das Autograf derselben besitzt Herr Josef Hüttenbrenner in Wien.

2) Das Detett mit dem Datum 19. Sept. ist für Clarinette, Fagott, Trompete und Horn geschrieben, und in Ferd. Schubert's Berzeichniß als „Franz Schubert's Leichenfeier“ eingetragen. Vielleicht hatte es einen Bezug zu dem Leichenbegängniß von Schubert's Mutter. Diese Composition ist mir nie zu Gesicht gekommen.

durch eine Reihe von Jahren in stetem methodischem Fortschreiten ihre Geisteskraft harmonisch entwickelt haben; Schubert's wunderbar rasche Entfaltung erinnert vielmehr an das Voranstürmen ihm verwandterer Geister, wie Beethoven und Schumann; anderseits widerlegt aber die rerbürgte Thatsache, daß Schubert damals schon, und nach seinem eigenen Zeugniß auch später in der Instrumentalmusik dem Studium anerkannter Meisterwerke mit allem Eifer obgelegen habe, den vielverbreiteten Glauben, daß er im Grund nie etwas Rechtes gelernt habe und nur als ein höchst genialer Naturalist anzusehen sei. Im Lied trat allerdings in frühester Zeit schon eine so vollendete Meisterschaft und Originalität zu Tage, daß Schubers künstlerische Erscheinung nach dieser Seite hin geradezu ohne Gleichen ist.

II.

(1814.)

Schubert's Aufenthalt im Convict währte vom October 1808 bis zu Ende desselben Monats 1813, mithin volle fünf Jahre. In dem Stimmorgan des nun bald siebenzehnjährigen Jünglings war nämlich um diese Zeit jene Wandelung eingetreten, welche man mit „Mutiren" der Stimme zu bezeichnen pflegt, und er konnte demnach als Sängerknabe nicht mehr verwendet werden. Franz hätte zwar seine Studien daselbst noch über die erste Humanitätsclasse hinaus fortsegen können, denn der Kaiser, welcher von dem Verhalten der Convictszöglinge fortan auf das genaueste unterrichtet war, gestattete sein ferneres Verbleiben darin1); er hatte aber keine Lust noch weiter zu studiren, zumal er sich einer Wieder

1) Dies geschah mit Entschließung vom 21. Oct. 1813 unter der Bedingung, daß er die 2. Fortgangs classe während der Ferialzeit verbessere, daher die Prüfung wiederhole. In diesem Falle sollte ihm ein sogenannter Merveldt'scher Stiftplatz verliehen werden. (Nach einer Mittheilung des Herrn Ferd. Luib.) — Die Behauptung eines nahen Freundes Schubert's, daß dieser aus dem Convict entwichen sei, wird von anderen Zeitgenossen, namentlich auch von A. Stadler als irrig bezeichnet.

v. Kreißle, Franz Schubert.

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holungsprüfung hätte unterziehen müssen, und verließ die Anstalt, um zunächst in das väterliche Haus zurückzukehren 1).

Nach einer Angabe Ferdinand Schubert's 2) war die Aufforderung zum Militärdienst, nach einer anderen Version aber das Bestreben des Vaters, ihn vom Componiren abzuhalten und einer anderen Beschäftigung zuzuführen, die Ursache, daß Franz sich längere Zeit hindurch dem Lehrfach widmen mußte. Während des Schuljahres 1813-1814 studirte er zu diesem Ende bei St. Anna Pädagogik und übernahm sodann in des Vaters Schule das Amt eines Gehülfen in der Vorbereitungsclasse (ABC-Schule), das er nun durch drei Jahre zwar mit innerlichem Widerstreben, aber trotzdem mit Pflichttreue und einem Eifer versah, der sich mitunter, wenn er es mit einem störrigen Kinde zu thun hatte, zu Ungeduld und Jähzorn steigerte 3).

Um so erstaunlicher erscheint seine Productivität, namentlich im Jahr 1815. Schon im Beginn des Pädagogenthums fand er Gelegenheit, sich durch eine Kirchencomposition_hervorzuthun, die seinen Namen in weiteren Kreisen bekannt machte und ihm die Anerkennung seiner musikalischen Freunde, insbesondere seines Lehrers Salieri, in hohem Grad eintrug. Es war dies die Messe in F, welche er zur Feier des hundertjährigen Jubiläums der Lichtenthaler Pfarrkirche schrieb, und deren Aufführung (am ersten Sonntag nach dem There

') Der Tag seines Austrittes liegt zwischen dem 26. October und dem 6. November 1813.

2) In den Aufsätzen: „Aus Franz Sch's Leben“.

*) Seine Schwester Therese theilte mir mit, daß Franz in der Schule strenge und jähzornig gewesen sei, und die Kinder oft in handgreiflicher Weise bestraft habe.

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