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Nach dem Tode des Hofcapellmeisters Bono1) rückte Salieri auf dessen Posten vor, dem er nun bis an sein Lebensende mit größtem Eifer vorstand. 3m 3. 1789 dispen= sirte ihn Kaiser Leopold II. von der Operndirection, die sofort dem Capellmeister Weigl übertragen wurde. Mit_erneuertem Eifer warf er sich wieder auf die Composition von Opern, Cantaten, Gesangstücken, Kirchenmusik, Sinfonien, Concertstücken u. f. w. Am 16. Juni 1816 feierte er sein 50jähriges Dienstjubiläum, an welchem auch Franz Schubert Antheil nahm und wovon noch ausführlich die Rede sein wird.

Von nun an trat er nicht mehr als schaffender Meister öffentlich auf, da er wohl fühlte, wie weit der Zeitgeschmack von jenem abzuweichen begann, den er für den einzig richtigen gehalten hatte. In seiner Eigenschaft als Vicepräses des Institutes der Tonkünstler 2) (dessen Präses im 3. 1818 Graf Kuefstein, später Graf Moriz Dietrichstein war), dann als Oberleiter der Singschule, womit von der Gesellschaft der Musikfreunde der Grund zur Errichtung des vaterländischen Conservatoriums gelegt wurde, hatte er noch immer ein reiches Feld der Thätigkeit vor sich, und es war ihm in der That eine Art Befriedigung, mehrere Male in der Woche in den Vormittagsstunden jungen Talenten beiderlei Geschlechtes unentgeltlichen Unterricht im Gesang, Generalbaß und in der Composition zu ertheilen.

') Bono, Hofcapellmeister, geboren 1710 zu Wien, gestorben das selbst 1788.

2) Secretär des Institutes war im Jahre 1824 der Vice Hofcapellmeister Eybler, der nach Salieri's Pensionirung Hofcapellmeister wurde.

Seit seinem Eintritt in das siebenzigste Lebensjahr kränklich, bat er im Jahre 1824 um seine Pensionirung und starb am 7. Mai 1825 in Wien, wo er auch begraben liegt.

Salieri galt bei seinen Zeitgenossen nicht nur als ein fleißiger 1), melodienreicher, warm fühlender und tiefdenkender Meister, sondern auch als ein höchst liebenswürdiger Mensch. Freundlich, gefällig, wohlwollend, lebensfroh, wißig, unerschöpflich in Anecdoten und Citaten, ein feincs, niedlich gebautes Männchen, mit feurig blizenden Augen, gebräunter Hautfarbe, immer nett und reinlich, lebhaften Temperamentes, leicht aufbrausend, aber ebenso leicht auch zu versöhnen, so schildert ihn Hofrath Friedrich v. Rochlig2), der im Jahre 1822 mit ihm in Wien zusammenkam. Die deutsche Sprache erlernte er nie; im Feuer der Rede warf er französische und italienische Wörter dazwischen und pflegte sich damit zu entschuldigen, daß er erst seit 50 Jahren sich in Deutschland aufhalte.

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Salieri wohnte im Innern der Stadt, Seilergasse im eigenen Hause. Dahin wanderte nun (in den Jahren 1813 bis 1817) der junge Schubert, die Notenhefte unter dem Arm, um dem Maestro seine Ausarbeitungen vorzulegen und von diesem die Instructionen zu empfangen, wie er es zu machen

1) Er schrieb an 40 Opern, 12 Oratorien, Cantaten, Messen, ein Requiem, 4 Concerte für verschiedene Instrumente, eine Sinfonie (1776), Ouverturen, Serenaden, Ballet-Musik, endlich dramatische Musik in tragischem, tragikomischem, heroischem, heroisch-komischem und „akademischem“ Styl.

2) In dem Buch: „Für Freunde der Tonkunst“, Leipzig 1832, IV. Bd. -Mozart gegenüber, dessen Ueberlegenheit S. instinctartig fühlte, war er übrigens schlau und intriguant genug, um sein Emporkommen im Stillen zu hindern. (O. Jahn „Mozart“ III. Bd., S. 61 u. f. f.)

habe, wenn er ein guter Componist werden wolle 1). Salieri war mit Schuberts Compositionsweise und namentlich mit den dichterischen Vorwürfen, die dieser sich wählte, um sie in Musik zu setzen, nicht ganz einverstanden; er verlangte, daß Franz von seinen Versuchen, Göthe'sche und Schiller'sche Verse zu componiren, ablasse, mit seinen Melodien haushalte, bis er reifer sein werde, und sich dafür an italienischen Stanzen übe 2); er anerkannte aber das außerordentliche Talent seines Schülers, und als ihn dieser wieder einmal mit verschiedenen Compositionen überrascht hatte 3), rief er aus: „Der kann doch alles; er ist ein Genie! Er componirt Lieder, Messen, Opern, Streichquartette, kurz Alles, was man will." Welch freudigen Stolz er über Schubert's erste Messe (in F) empfunden, wird zur Stelle erwähnt werden.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Schubert aus Salieri's Unterricht jenen Nutzen gezogen hat, welchen jeder hochbegabte Schüler aus den praktischen Andeutungen eines in der musikalischen Kunst seit einem halben Jahrhundert

1) Damals schon konnte man, wenn Salieri's Unterricht vor abgelaufener Stunde beendet war, den genialen einen „guten Tropfen“ liebenden Schüler in eine, der Behausung des Hofcapellmeisters ganz nahe gelegene Weinhandlung hineinschlüpfen sehen, wo er in Gesellschaft eines ehemaligen Gespielen Franz Doppler (der mir dies mittheilte) manch Stündchen vertrank und verplauderte.

2) Die Composition einer solchen Stanze besißt A. Stadler in Wien. Sie trägt das Datum 1813.

*) Als Curiosum dieser Art theilte mir Herr Josef Hüttenbrenner mit, daß Schubert, nachdem ihm Salieri gesagt hatte, er könne nun schon eine Oper schreiben, von dem Unterricht mehrere Wochen weggeblieben sei, und sodann dem überraschten Meister die fertige Partitur von „des Teufels Lustschloßz“ (1813–1814) zur Durchsicht vorgelegt habe.

herangebildeten und selbstschaffenden Meisters immerdar schöpfen wird. Aber die Geistes- und Geschmacksrichtung des durch und durch an den Traditionen der alt-italienischen Schule festhaltenden Lehrers unt jene seines Schülers, der, von dem Schwung seiner Phantasie hingerissen, bereits anfing, das beflügelte Rößlein im Land der Romantik zu tummeln, war eine so total verschiedene, daß an ein längeres Zusammengehen Beider nicht zu denken war. Schubert vertraute schon der eigenen Kraft; ihm lag der Weg klar vor Augen, den er zu wandeln hatte, um seine Mission zu erfüllen, und von Salieri hatte er eben so wenig mehr zu lernen, als vor ihm Beethoven, der ja auch einige Zeit dahin in die Schule gegangen war, um dramatische Musik zu studiren 1). Es ist daher ganz gleichgültig, aus welchem der verschiedenen Anlässe, die von Zeitgenossen angegeben werden, Schubert sich von dem alten Maestro plößlich losgesagt hat2); der Bruch war unvermeidlich und die ganz natürliche Folge von Schubert's in den riesigsten Sätzen fortstürmender musikalischer

1) Bekanntlich sagten Albrechtsberger, bei welchem Beethoven Generalbaß, und Salieri, bei dem er das Opernfach studirt hatte, von ihrem Zögling, er werde zu seinem Schaden später lernen, was er sich geweigert, auf ihr Wort zu glauben.

2) So führt z. B. Herr Doppler (Geschäftsführer der MusikalienVerlags-Handlung Spina) als Hauptmotiv von Schubert's Bruch mit Salieri das Factum an, daß letzterer in der Schubert'schen B-Messe alle Stellen durchstrich und corrigirte, die an Haydn oder Mozart erinnerten. Schubert sei mit der corrigirten Messe zu ihm (Doppler) gekommen, habe sie zornig auf den Tisch geworfen und erklärt, er wolle nun von Salieri nichts mehr wissen. Andere meinen wieder, die Anforderung an Sch, italienische Stanzen zu componiren, habe diesen aus S's. Nähe vertrieben.

Entwicklung. Des Schülers dankbares Gemüth hielt übrigens das Andenken des Lehrers bis an sein Lebensende hoch in Ehren, was auch einige Aufzeichnungen in dem Tagebuch und das zu Ehren der Jubelfeier, von Schubert selbst verfaßte Festgedicht bezeugen.

Was Schubert's musikalische Thätigkeit anbelangt, so fallen in das Jahr 1813 die Anfänge einer Oper, eine Sinfonie, eine Cantate, wenige Lieder und eine unverhältnißmäßig große Anzahl mehrstimmiger canonartiger Gesänge.

Die Sinfonie in D, die erste der von Schubert ganz oder zum Theil vollendeten acht Sinfonien 1), sollte die Namens- oder Geburtstagsfeier des Convicts-Directors Innocenz Lang verherrlichen, und wurde von Zöglingen der Anstalt aufgeführt. Sie besteht aus vier Säßen 2) und ist noch unverkennbar im Stil der älteren Meister gehalten. Die Cantate enthält nur ein Terzett (für 2 Tenore und 1 Baß) „Zur Namensfeier des Vaters, die Worte gedichtet und mit Guitarrebegleitung componirt von F. Schubert am 27. September 1813". Das Terzett, ein einfach melodiöser Gesang, beginnt mit einem kurzen Andante (A-dur 12) und schließt bewegter mit einem Allegretto (g), das den eigentlichen

') Ferdinand Schubert erwähnt auch der Skizze einer neunten, die er 1846 an Mendelssohn übergeben haben will.

2) Einleitung (Adagio) und Allegro vivace, Andante G-Dur g, Menuett und Trio (Allegro D-Dur), Finale (Allegro vivace D-Dur ;). Das Manuscript mit dem Datum 28. Oct. 1813 befißt Dr. Schneider in Wien. Am Schluß der Partitur stehen die Worte: Finis et fine.

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