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räumlich von ihm geschieden, stand er mit dem wunderbar fortschreitenden Tondichter fortan in lebhaftem Verkehr und bewahrte ihm seine aufrichtige Neigung und Verehrung bis an dessen Lebensende. Schubert war diesem Mann - und es liegen viele Beweise dafür vor auf das herzlichste zugethan 1).

Albert Stadler 2) (geb. 1794 in Steyr, derzeit f. k. Statthaltercirath in Pension in Wien) trat im Jahre 1812 aus dem Stifte Kremsmünster in das Stadtconvict über, wo er bis 1815 blieb, und absolvirte 1817 die juridischen Studien. Er hatte Neigung zur Musik und Dichtkunst 3), spielte Clavier, componirte auch, und war Zeuge des Entstehens und Vortrages fast aller in der damaligen Zeit von Schubert aufgeschriebenen Compositionen, die er sich auch so schnell als möglich in Abschrift anzueignen wußte. Nach vollendeten Studien prakticirte Stadler bei dem Kreisamt in Steyr und kam um Ostern 1821 als Beamter zu der Landesregierung in Linz. Als Schubert in den Jahren 1819 und 1825 Oberösterreich besuchte, fanden sich die beiden Jugendfreunde in Stehr und Steyeregg zusammen, wo sie, insbesondere in dem Koller'schen und Paumgartner'schen Hause sowie auf dem gräflich Weißenwolf'schen Schloß in Steyeregg (bei Linz) genußreiche Stunden verlebten.

Anton Holzapfel befand sich bereits im Convict, als Stadler in dasselbe eintrat, und, absolvirte mit letterem zu

1) Er dedicirte ihm die Sonate op. 78 und mehrere Lieder.
2) Ich verdanke ihm die hier folgenden Mittheilungen.

*) Von Stadler's Gedichten componirte Schubert das Singspiel „Fernando“ (1815), das Lied: „Lieb Minna“ (1816), ein zweites Lied für Josefine Koller (1820) und eine Cantate zu Ehren Vogl's (1819).

gleich die juridischen Studien. Er hatte, sowie auch Schubert, ursprünglich einen Stiftplaß im Stadtconvict aus der sogenannten Ferdinandeischen Sängerknaben-Stiftung „am Hof." Holzapfel durfte sich rühmen, der älteste Jugendfreund Schuberts zu sein, und er war es, der sich schon der Erstlinge von dessen Liedern, als diese über die Schwelle des Convicts noch nicht hinausgedrungen waren, mit jugendlicher Begeisterung bemächtigte. Er galt als ein durchgebildeter Musiker, war im Besitz einer hübschen Tenorstimme, spielte auch das Cello und blieb Schubert fortan in treuester Anhänglichkeit ergeben ').

Johann Michael Senn (geb. am 1. April 1795 zu Pfunds in Tirol), befand sich gleich anderen Söhnen von Tiroler Führern des Jahres 1809 gleichzeitig mit Schubert im Convict. Er war ein begabter feuriger Jüngling 2), verlor aber um das Jahr 1814 oder 1815 seinen Stiftplay, weil er an einer Emeute der Zöglinge, welche aus Anlaß einer über einen Kameraden verhängten Carcerstrafe ausbrach, in hervorragender Weise theilgenommen hatte. Ueberzeugt von der Ungerechtigkeit der Strafe, und unbeugsamen Sinnes, zog er es vor, aus der Anstalt entlassen zu werden, als wegen seines Vergehens Abbitte zu leisten. Senn widmete sich um das Jahr 1823 dem Wehrstand und wurde Offizier bei dem

') Nach absolvirten Studien begann er seine ämtliche Laufbahn bei den Landrechten in Wien (seiner Vaterstadt), wurde später Magistratsrath und lebt nun seit vielen Jahren als Pensionist in dem, nahe bei Wels gelegenen Schloß Aistersheim.

2) Die von L. Kupelwieser entworfene Porträtzeichnung Senn's zeigt einen schönen interessanten Kopf mit seinen Gesichtszügen. — Senn war einige Zeit hindurch Lehrer des Eduard von Sonnleithner, und auch Instructor im Dr. Gredler'schen Hause in Wien.

Regiment „Tiroler Kaiserjäger“. Sein Leben gestaltete sich in späteren Jahren zu einem düsteren Nachtstück. Im Kampf mit den Verhältnissen, seiner Umgebung und der Censur, verbittert und menschenschen geworden, ohne Freunde und Stüße, ergab er sich zulezt dem Trunk und starb 1857 einsam und verlassen im Militär-Spital zu Innsbruck. Von seinen Gedichten (die im Jahre 1838 daselbst bei Wagner erschienen) componirte Schubert das Schwanenlied". Senn widmete dem Freunde das Gedicht: „An S., den Tondichter“, und dem Dichter J. Mayerhofer, dessen Verhältniß zu Schubert noch zur Sprache kommen wird, zwei Sonette mit der Ueberschrift: Andenken an M., den Dichter". Es scheint übrigens, daß Senn nicht schon im Convict, sondern erst später bei Spaun oder Schober Schuberts nähere Bekanntschaft gemacht hat.

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Das musikalische Treiben im Convict gestaltete sich da= mals zu einem ungewöhnlich belebten.

Dr. Josef Hauer (Fabriksarzt in der Ded“), der im Jahre 1816 in dasselbe eintrat, spricht sich darüber folgendermaßen aus: 1)

„Mir war Schubert, mit dem ich aber erst um das Jahr 1825 persönlich bekannt wurde, sehr zugethan. Ich weiß nicht, ob diese Geneigtheit meiner musikalischen Befähigung oder vielmehr dem Umstande zuzuschreiben war, daß ich auch im Stadtconvict als Sängerknabe meine Bildung erhielt. Denn hier war die praktische Schule für Schubert. Tagtäglich wurden da des Abends Sinfonien, Quartette und Gesangsstücke aufgeführt. Dazu kam noch die Mitwirkung in der classischen Kirchenmusik. Ich erinnere mich, daß ich daselbst

') In einem an mich gerichteten Schreiben. v. Kreisle, Franz Schubert.

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noch Ouverturen und Sinfonieen von Schubert vorfand, die wir aufzuführen versuchten, wobei mir einzelne Stimmen als Schuberts Handschrift vorgewiesen wurden. Ich selbst schrieb mir einen Band seiner Lieder ab, unter denen einige waren, die ich in späteren Jahren weder gestochen noch geschrieben wieder vorfand. Leider ist dieß alles verloren."

In einem Aufsatz Kenners 1) findet sich ebenfalls eine darauf Bezug habende Stelle. Da heißt es: „In dem Clavierzimmer übten sich nach dem Mittagessen in freier Zeit Albert Stadler, selbst Componist, und Anton Holzapfel, sein Classengenosse, im Vortrag Beethoven'scher und Zumstegscher Compositionen, wobei ich das ganze Publicum vorstellte, denn das Locale war nicht geheizt und daher schauerlich kalt. Dann und wann kam auch Spaun, und nach seinem Austritt aus dem Convict auch Schubert dazu. Stadler schlug das Clavier, Holzapfel sang, hie und da sezte sich Schubert an den Flügel." Leopold Ebner lernte den Componisten erst kennen, nachdem dieser das Convict schon verlassen hatte; denn Schubert kam noch ein Paar Jahre hindurch von Zeit zu Zeit in die Anstalt, um seine Freunde zu besuchen und mit ihnen neue Lieder, Clavierstücke u. s. w. durchzumachen.“ Holzapfel und Stadler wirkten auch häufig in Vater Schuberts Hausmusiken“ mit. Im Convictsorchester spielte Holzapfel das Cello, Kleindl und Spaun die Violine; Senn blies das Horn und Randhartinger bearbeitete die Pauke.

Daß Franz während der Convictszeit, wenigstens was die materiellen Bedürfnisse anbelangt, nicht auf Rosen gebettet war, ergibt sich aus dem folgenden, vom 24. November

') Wurde mir von Herrn Stadler mitgetheilt.

1812 datirten, an einen seinen Brüder (wahrscheinlich an Ferdinand) gerichteten Schreiben 1), welches durch seinen gemüthlich derben Inhalt zur Charakteristik des damals in das 16. Lebensjahr eingetretenen Jünglings immerhin Einiges beiträgt. Die Herzensergießung des armen Convictszöglings läuft in die folgende Bitte aus:

Gleich heraus damit, was mir am Herzen liegt, und so komme ich eher zu meinem Zwecke, und Du wirst nicht durch liebe Umschweife lang aufgehalten. Schon lange habe ich über meine Lage nachgedacht und gefunden, daß sie im Ganzen genommen zwar gut sei, aber noch hie und da verbessert werden könnte; Du weißt aus Erfahrung, daß man doch manchmal eine Semmel und ein Paar Aepfel essen möchte, umsomehr, wenn man nach einem mittelmäßigen Mittagsmahle nach 81⁄2 Stunden erst ein armseliges Nachtmahl erwarten darf. Dieser schon oft sich aufgedrungene Wunsch stellt sich nun immer mehr ein, und ich mußte nolens volens endlich eine Abänderung treffen. Die paar Groschen, die ich vom Herrn Vater bekomme, sind in den ersten Tagen beim T—, was soll ich dann die übrige Zeit thun?

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Was wär's

Die auf dich hoffen, werden nicht zu Schanden werden. Matthäus Cap. 2, V. 4." So dachte auch ich. denn auch, wenn Du mir monatlich ein paar Kreuzer zukommen ließest. Du würdest es nicht einmal spüren, indem ich mich in meiner Klause für glücklich hielte und zufrieden sein würde. Wie gesagt, ich stüße mich auf die Worte Apostels Matthäus, der da spricht: „Wer zwei Röcke hat, der gebe

1) Abgedruckt in Ferdinand Schubert's Aufsätzen: „Reliquien“. (Neue Zeitschrift für Musik Jahrg. 1839.)

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