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VII.

(1819.)

Schon zu jener Zeit, als Schubert sich mit der Composition von Singspielen und kleineren Opern befaßte, war das glänzende Gestirn Rossini's am theatralischen Himmel aufgegangen. Wie epochemachend dieser geniale Mann plößlich in den Vordergrund des italienischen Opernwesens trat, welche Triumfe seine einschmeichelnde Muse allenthalben feierte, nachdem sie sich im Sturmlauf sämmtlicher größerer Bühnen bemächtigt hatte, und wie es gerade das sinnlich leicht erregbare Wien war, wo zu Ehren des „Reformators" ein geradezu bedenklicher Cultus getrieben wurde, lebt noch frisch in dem Gedächtniß jener Theaterfreunde, welche die damalige Zeit miterlebt und jenen Verein von Gesangskünstlern geschaut haben, welchem seither kein zweiter, gleich trefflicher mehr gefolgt ist, und dessen eminente Leistungen zu gutem Theil die Suprematie Rossinischer Opernmusik für längere Zeit begründen halfen. Der nach dieser Richtung hin gedrängte einseitige Geschmack des großen Publikums und die zunehmende Verwälschung der Oper in Wien, welche unter Barbajas und Duport's Regiment, besonders aber, als 1822 Rossini selbst seine Sängergesellschaft in die Residenz geleitete, ihren Höhe

punct erreichte1), wurde in der Folge auch Schubert's dem Theater zugewendeten Bestrebungen wenigstens mittelbar verderblich und vereitelte schließlich die von ihm fortan genährte Hoffnung, endlich eine seiner zwei großen Opern (von welcher Fierrabras" bereits für die Aufführung censurirt war) auf der Bühne dargestellt zu sehen 2). Ungeachtet dieser peinlichen Wahrnehmungen säumte der neidlose, die wirklichen Verdienste Anderer mit vollster Unbefangenheit würdigende Schubert keinen Augenblick, der glänzenden Begabung des Pesaresen volle Anerkennung zu zollen; ja er geberdete sich als ein aufrichtiger Bewunderer des melodieenreichen Maestro, besuchte häufig die wälsche Oper und machte kein Hehl daraus, daß er dem leichtbeschwingten Rossini in der Kunst zu instrumentiren so manchen feinen Zug abgelauscht

') Die italienische Oper begann am 13. April 1822 mit Rossini's „Zelmira“, und schloß im Juli mit „Corradino“. ,,Von Vorstellung zu Vorstellung steigerte sich der ungezügelte Enthusiasmus, bis er in einen entschiedenen Sinnentaumel ausartete, der seinen Stachel lediglich in der Virtuosität der Sänger fand, ohne auf den Werth oder Unwerth des vorgetragenen Musikstückes Rücksicht zu nehmen. In der letzten Vorstellung schien es, als ob die ganze Versammlung von einer Tarantel gestochen wäre; das Jauchzen Evviva- und Fora-Brüllen nahm kein Ende. Das Jahr 1823 sah den Taumel in Fanatismus übergehen. Der kleine Rest von Achtung für deutsche Gesangskunst war ganz geschwunden, und aus diesem Jahr datiren die jammervollen Zustände in aller und jeder Musik, die sich Jahrzehende hindurch über die österreichische Hauptstadt verbreitet haben.“ (So A. Schindler: Beethoven II Theil S. 57-59.)

2) In Briefen von und an Schubert aus den Jahren 1822-1825 wird wiederholt der Ungunst der Zeiten bezüglich der Aufführung seiner Opern erwähnt.

habe. Folgerecht verwarf er auch die Ansicht jener Excentriker, die in dem italienischen Componisten ausschließlich nur den Geschmackverderber sehen zu müssen glaubten 1).

Ein Schreiben Schuberts 2) an Anselm Hüttenbrenner in Graz (datirt vom 19. Mai 1819) enthält eine Andeutung über des Ersteren Verhältniß zur italienischen Oper, insbesondere zu Rossini's Musik und außerdem auch über die gegen die Aufführung seiner eigenen musikalisch-dramatischen Werke bestehenden Kabalen3), wobei der sonst so geduldige Schubert seinem Unmuth in unzweideutigen Ausdrücken Luft macht. Der Brief lautet:

Ein Schelm bist Du, das ist richtig. Ein Jahrzehend verfließt schon, ehe Du Wien wieder siehst. Bald sigt ihm das, bald jenes Mädchen im Kopf. Ei so hol' der Teufel alle Mädchen, wenn Du Dich gar so von ihnen besiegen läßt. Heirate in Gottes Namen, so hat die Geschichte ein Ende. Freilich kannst Du auch sagen wie Cäsar: Lieber in Graz der erste, als in Wien der zweite. Nun, dem sei wie immer, ich bin fuchsteufelswild, daß Du nicht da bist. Cornet*) erfährt obiges Sprichwort noch mehr. Gott ge= segne ihm's. Ich werde zuletzt auch nach Graz kommen und

1) Sch's. Sympathie für Nossinische Musik wurde mir von allen Personen, welche ich darüber befragt habe, bestätigt.

2) Herr Josef Hüttenbrenner in Wien besitzt es in Abschrift. 3) Die Operette,,Die Zwillingsbrüder" gelangte übrigens im darauffolgenden Jahre zur Aufführung im Operntheater.

4) Cornet, Tenorsänger im Theater an der Wien, hatte eben ein Engagement an der Prager Bühne angenommen.

mit Dir rivalisiren. Neues gibt's hier weniges; wenn man was Gutes hört, so sind es immer alte Sachen.

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Legthin wurde bei uns Othello" von Rossini gegeben. Von unserm Radichi1) wurde alles recht gut exequirt. Diese Oper ist bei weitem besser, d. h. charakteristischer, als Tancred. Außerordentliches Genie kann man ihm nicht absprechen. Die Instrumentation ist manchmal höchst originell, und der Gesang ist es manchmal, und außer den gewöhnlichen italienischen Gallopaden und mehreren Reminiscenzen aus Tancred läßt sich der Musik nichts vorwerfen.

Trotz eines Vogl's ist es schwer, wieder die Canaille von Weigl, Treitschke 2c. zu manövriren. Darum gibt man statt meiner Operette andere Luder, wo einem die Haar zu Berg stehen 2). „Semiramis“ von Catél wird nächstens gege=

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1) „Othello“ wurde im Kärnthnerthor-Theater von den deutschen Sängern in der ersten Hälfte Mai dargestellt. Frau Grünbaum gab die Desdemona, Forti den Othello, Vogl den Dogen und Nadichi den Rodrigo. Julius Radichi, der 1814 den „Florestan“ sang, starb Im April 1819 war „Othello“ im Theater an der Wien gegeben

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1846. worden.

2) Diese Bemerkung Schubert's konnte nur Bezug haben auf einige werthlose Operetten und Zauberpossen, welche in den Jahren 1818 und 1819 im Theater an der Wien gegeben wurden, da das Repertoir des Kärnthnerthortheaters vorwiegend classische Opern enthielt. Im Theater an der Wien gelangten im Jahr 1818 folgende musikalische Dramen zur Aufführung: „Aschenbrödel“ von Rossini, „Zelmire und Azor“ von Gretry, Lorenz als Räuberhauptmann“, Posse mit Musik von Kinsky, Vicehofcapellmeister am Kärnthnerthortheater, „die Vermählung auf der Zauberinsel", Quodlibet,,,Ser Marc Antonio" von Pavesi, „Odins Schwert", mit Chören, Musik von Seyfried (ohne Erfolg), „La Dama Soldato", mit (schlechter) Musik von Orlandi, „Graf Armand“ von

ben werden mit einer unendlich herrlichen Musik 1). Herr Stamm, Tenorist von Berlin, welcher schon in mehreren Opern sang, wird auch hier debutiren. Seine Stimme ist ziemlich schwach, keine Tiefe, beständige Falset - Höhe. Nun weiß ich nichts mehr. Componire fleißig und lass' uns was zu Theil werden.

Lebe recht wohl.

Dein wahrer Freund
Franz Sch.“ 2).

Cherubini, das Melodram „Samson“, Musik von Tuczek, „Richard Löwenherz" von Gretry, „Euterpens Opfer“, ein Quodlibet (fiel durch), „Das Rosenmädchen“, Oper von Lindpaintner, „Faust“ von Spohr, „die Thronfolge" Schauspiel mit Chören von Seyfried, „die Zauberflöte“, „Elisabeth" von Rossini, „das unterbrochene Opferfest" von Winter, „die Proberollen“, eine unbedeutende Operette, „der blöde Nitter“, Pantomine mit Musik von Seyfried, „der neue Don Juan“, Potpourri, „Salmonäa und ihre Söhne“, Melodram mit Musik von Seyfried, „das Schloß Theben", Zauberoper mit Musik von Kanne (gefiel nicht), „Sultan Wampun“, Quodlibet (gefiel nicht), und „die diebische Elfter“ von Rossini; — im Kärnthnerthortheater hingegen: „Johann von Paris“, „Medea“, „Talente durch Zufall“ von Catél, „Liebe und Ruhm“ von Herold und Boildien, „Tancred“, „das Rothkäppchen“ von Boildieu, „Josef und seine Brüder“, „Iphigenie auf Tauris“, „die Vestalin“, „Cyrus“ von Mosel (gefiel), „Ein Tag voll Abenteuer“ von Mehul, „Sargines“, „Fidelio“, mehrere Opern von Mozart, Spontini's,,Cortez“ und „Semiramis" von Catél. Treitschke hatte einen Theil dieser Opern ins Deutsche übersetzt und Weigl dirigirte die Aufführung.

1) Diese Oper war schon im October 1818 als „nachstudirt“ aufgeführt worden.

2) Auf der Rückseite dieses Briefes befinden sich einige Zeilen an Heinrich Hüttenbrenner in Graz, welche Josef H. auf den Wunsch Schubert's beifügte, und worin er Heinrich ersucht, für Sch. ein Opernbuch zu schreiben. Sags dem Schröfinger", ruft der immer in

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