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Erläuterungen über das Erhabene von Ja mes Beattie, aus dessen neusten mora- lischen und kritischen Abhandlungen.

'ongin, der Sekretair der Zenobia, Königin von Palmyra, die der Kaiser Aurelius um die Mitte des 3ten Jahrhunderts besiegte, schrieb verschiedene philosophische und kritische Bücher; unter andern auch eine Abhandlung über das Erhabene, die allein bis auf unsere Zeit erhalten worden. Er zeichnet sich hierinne weniger durch eine große Ge nauigkeit in seinem Urtheile, als durch seinen kråf. tigen Styl und durch die Kühnheit und Erhabens heit seiner Gedanken aus, und die Gelehrten haben unter einander gewetteifert, das Werk zu preisen und zu erläutern; und in der That ist es auch eine der besten Proben der alten Kritik und verdient mit Recht die Aufmerksamkeit jedes Gelehrten,

Er hat sich aber des Worts ¿Los in einem alls gemeinen Sinne bedient; da man gemeiniglich das Erhabene dadurch versteht, und mithin dieses nicht von dem Geschmackvollen und Schönen abge fondert hat. Indessen sollte gleichwohl dieser Unterschied gemacht werden. Beides gewährt zwar Bergnügen; doch die angenehme Empfindung, die

uns von dem einen zufließt, ist von derjenigen vers fchieden, die das andere begleitet. Es ist ange

nehm, ein schönes Gesicht, oder ein Zimmer ge schmackvoll verziert und Hon einem genauen Ver hältnisse zu sehen: eben so angenehm ist es auch einen rauhen Felsen, eine große Kathedralkirche, oder einen prächtigen Palast zu betrachten; aber ganz gewiß ist das Vergnügen eben so verschieden, als das Wohlgefallen von der Bewunderung, oder die fanfte Melodie einer Flöte von den gewaltigen Tönen einer vollen Orgel abweicht.

Die Grammatiker stimmen über die Etymolo gie des Worts Sublim nicht überein. Die wahrscheinlichste Ableitung ist die von fupra und limus und würde also buchstäblich über den Schlam dië*fer Welt bedeuten. Doch daran liegt nichts, gëz nug, es bedeutet im Lateinischen, aus dem es die andern Sprachen genommen, durchgängig, Er habenheit, Größe. Und da das, was sehr er haben ist, als ein hohes Gebäude, ein hoher Berg, in dem Beschauenden eine Art von füßem Erstaunen erreget: so hat man diejenigen Dinge, die Kunst und Natur hervorgebracht und die dieselbe Wirkung auf die Seele haben, in Rücksicht auf diese mit gleichem Namen benennt. Eben so wird auch eine große Tiefe, da es mit der großen Höhe eine glei che Beziehung hat und in der That darinne liegt, (denn was hoch von unten auf ist, ist tief von oben herab,) und weil sie ebenfalls die Einbildungskraft in Erstaunen seht und ihr gefällt, als Erhaben ange fehen. Denn, wenn wir selbst sicher find, fö

müssen

müssen wir bemerkt haben, daß es angenehm ist, von einem Berge auf die Ebne, oder von dem Gipfel eines hohen Gebäudes auf die darunter liegenden Gegenstände herab zu sehen. Cotton sagt, mie der Kraft und dem Enthusiasmus eines Dryden:

Dihr geliebten Felsen, die ihr euch erhebt,

Der Erde Ehrfurcht einzuprågen, und den Wolken
Zu trogen! o wie gern seh ich

Von einem hoch aufsteigenden Gebürgé

Von Freude schwindelnd in die Tiefe nieder,
Und aus den Thälern wieder,

Empor zu jenen edlen Höhen über mir! *)

„Es ist süß," sagt Lufrez vom Lande die Mühe "seligkeiten des Seemanns auf einem stürmischen „Meere zu sehen; doch nichts ist entzückender, „als von den Höhen der Wissenschaften auf die hers „ab zu sehen, welche in Labyrinthen des Irrthums „umher schweifen: nicht, weil uns eines andern Kummer Freude macht; sondern weil es ein Ver"gnügen ist, Uebel zu sehen, von denen wir selbst „frey sind. « Die Sache verhält sich wirklich so: doch mißkennt der Dichter die Ursache. Es ist lieblich, die See im Sturme zu sehen, wegeu sei. ner erstaunenden Größe und Gewalt: und es ist lieb. lich von einer großen Höhe herab zu schauen, weil sichh auch hier Größe und angenehmes Erstaunen findet. Aber andere in Gefahr zu sehen, oder unglücklich in ihrer Unwissenheit, das muß einer nachdenken.

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*) S. Weltons Angler. Ch. 2,

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den Seele allezeit peinlich seyn, so sicher man in Ansehung seiner selbst, und seiner Klugheit ist. Ues ber eine solche Gesinnung dürfen wir uns freylich nicht bey einem Epikuräischen Dichter wundern : da alle Absichten feines Lehrers sich in ihm selbst endis gen. Doch ist es etwas feltfam, wenn Creech, (der englische Ueberseßer und Herausgeber des luTres) in einer Anmerkung über die Stelle den Dich ter folgendermaßen entschuldiget: Id afferit poeta, quod omnes fentiunt; qui dolore aut morbo laborantem videt, protinus, O me felicem! Jede edle Seele fühlt die Unrichtigkeit dieser Lehre. Es war übrigens Swifts Lieblingsmeynung, wie man aus den Verfen auf seinen eignen Tod sehen kann, in denen er eine wunderlis che und zweydeutige Marime des Rochefaucault*)

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*) Die Maxime ist: Dans l'adverfité de nos meil. leurs amis nous trouvons toûjours quelque cho fe, qui ne nous déplaît pas. Dieß kann so viel heißen, entweder, daß wann unsre besten Freunde in Unglück sind, wir immer dabey noch ein Vergnü gen finden, oder, daß das Unglück unserer besten Freunde für uns eine Quelle von irgend einigem Vergnügen ist. Die erste Bemerkung ist wahr: denn so lange unser Freund, oder wir selbst in Unruhe find, so dürfen wir nicht zweifeln, daß wir effen können, wann uns hungert, trinkenkön, ́nen", wann uns durftet, uns niederlegen können, -wann wir müde find: der höhern Freuden, die Wissensch aft und Tugend gewähren, nicht zu gedenken.

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denken. Doch dieß ist eine kindische Bemerkung, und hat keine besondere Beziehung auf Rochefaus caults System.Nach meiner Meynung will er al so so viel sagen, daß die Ungemächlichkeiten unserer. Freunde einen gewiffen Grad von Vergnügen für uns haben: und ob dieß nun zwar wohl keine kin dische Bemerkung ist, so wird sie doch Jedermann, der nicht außerst selbstsüchtig ist, für ganz falsch halten. Natürlicher Weise wünschet man sich das, was Vergnügen mit sich führet. Was müßte aber # das für ein Mensch seyn; der zu feiner eignen Bes pk friedigung seinen besten Freunden Uebels wünschen fönnte?

Zu diesem merkwürdigen Aphorism macht Swift durch seine Paraphrase einen kleinen Zusaß: Betrifft ein Unglücksfall den oder jenen Freund, so fragen wir zuerst, ob er uns nützlich scheint, u. f. w. Was soll das heißen? Ein Kind, das mir in der Nähe› spielt, thut einen gefährlichen Fall: ein mit mir reutender Freund stürzt vom Pferde und bricht den Schenkel. So denke ich vor allen Dingen zuerst nach, sagt Swift, (denn was kann er sonst imeynen?) ehe ich ihm zu Hülfe Meile, oder ihn bedaure; ja ich denke zuèrft nach, ob ich aus diesem Zufalle irgend einen Vortheil ziehen könnte. Was ben einer solchen Gelegenheit in Swifts Seele vorgehen mag, weiß ich nicht, aber soviel weiß ich gewiß, daß in der Meinigen, und in anderer Wesen vön menschlicher Gestalt ih

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