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Dolus wird aber das Bewußtsein des Handelnden von den äußeren zum Thatbestand gehörigen Umständen und Verhältnissen erfordert. Zu diesen äußeren Umständen gehört im vorliegenden Fall die Thatsache, daß die zuständige Behörde das in Rede stehende Verbot er lassen habe. Zum Thatbestande des vorliegenden Vergehens war die Feststellung der vom Angeklagten be strittenen Kenntniß von jenem Verbot, welche mit der Kenntniß des die Zuwiderhandlung betreffenden Strafgeseges nicht zu verwechseln ist, erforderlich.

Anmeldung der

der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen ein Unzuständigkeits-Urtheil und Fristenlauf. Str. Pr. D. $$ 47, 48.*)

cf. Oppenhoff, Rechtsspr. Bd. 11, S. 206. Beschluß des Ober- Appellationsgerichts vom 30. März 1870 gegen Niessen.

Die Straffammer, vor welche N. unter der An klage des Betrugsversuchs gestellt worden war, hatte sich durch Urtheil unzuständig erklärt, weil sie an= nahm, daß der Thatbestand der Urkundenfälschung vor

liege und die Sache somit vor den Schwurgerichtshof gehöre. Frriger Weise theilte aber das Gericht diesen Beschluß nicht dem Ober- Staatsanwalt, sondern dem bei ihm selbst fungirenden Staatsanwalt mit. Erft durch diesen gelangten die Acten an den Ober-Staatsanwalt, welcher darauf bei dem betreffenden Kreisgerichte die Nichtigkeitsbeschwerde anmeldete und zu gleich rechtfertigte. Nach erfolgter Instruction des Rechtsmittels erfolgte sodann die Einsendung der Acten an den General-Staatsanwalt, welcher sie dem OberAppellationsgerichte vorlegte. Hier kam es zur Sprache, ob nicht das Rechtsmittel bei dem Gerichte der ersten Instanz, sondern unmittelbar beim Ober-Appellationsgerichte anzumelden gewesen sei, (vgl. Nd. D. Tr. 9

*) cf. Anz. pro 1871, S. 14.

S. 462) und ob nicht die für dasselbe gewährte Präclusivfrist vor dem Eingange der Acten bei dem leßteren abgelaufen gewesen sei. - Das Ober- Appellationsgericht hat die erste Frage bejaht, die zweite aber verneint und zugleich angeordnet, daß das Gericht erster Instanz das Incomptenzurtheil und die Verhandlungen ordnungsmäßig dem betreffenden Ober-Staatsanwalt mittheilen solle. Erwogen wurde:

daß nach § 48 der Str. Pr. D. das in Gemäßheit des § 47 ergangene Urtheil hinsichtlich seiner Wirkungen so angesehen wird, wie ein das Hauptverfahren vor dem darin bezeichneten Richter eröffnender Verweisungsbeschluß der zuständigen Raths- oder Anklagekammer, gegen solche Beschlüsse aber nach § 407 Absag 2 der Str. Pr. D. die Beschwerde nebst deren Rechtfertigung durch eine bei dem Gerichte, welches darüber zu entscheiden hat, einzureichende Beschwerde= schrift erfolgen muß, dasselbe demnach auch bei den Urtheilen in Gemäßheit der §§ 47, 48 der Str. Pr. D. in gleicher Weise gilt; für die Einreichung aber für diesen Fall in § 407 Absag 2 der Str. Pr. D. zufolge § 48 der betreffenden Staatsanwaltschaft vom eine Präclusivfrist von 10 Tagen bestimmt ist, die Tage der Mittheilung des Urtheils und der Verhand

lungen läuft, welche durch das erkennende Gericht unmittelbar nach der Verkündigung des Urtheils von

Amtswegen geschehen soll; hiernach aber die durch das Gericht erfolgende Mittheilung an die Staatsanwalt= fchaft als eine den Fristenlauf ordnende, wesentliche Förmlichkeit und zwar um so mehr anzusehen ist, als mit Rücksicht auf die Bestimmungen in §§ 408 und 409 der Str. Pr. D. hierdurch Verzögerungen der Entscheidung und unerforderliche Abrufung der Acten von dem untern Gerichte verhindert werden sollen; diesen Vorschriften jedoch eine zufällige Kenntniß des urtheils oder eine auf andere als die geseßlich vorgeschriebene Art erfolgte Uebermittelung der Acten nicht gleichgestellt werden kann und nicht geeignet ist, die Präclufivfrist in Lauf zu sehen; wonach denn in vorliegender Sache den erwähnten Vorschriften nicht genügt wurde.

Allerhöchst privilegirte

Schleswig-Holsteinische Anzeigen.

Redigirt von den Mitgliedern des Königl. Appellationsgerichts in Kiel Lucht, Eckermann und von Zülow.

Gedruckt bei Augustin in Glückstadt.

10. Stück.

Civilrecht und Proceß.

Entschädigungsanspruch der Privaten,

welche durch eine von einer öffentlichen Behörde im Interesse des Allgemeinen getroffene Einrichtung an ihrem Eigenthum beschädigt worden sind.

Der Kaufmann Thun in Lauenburg hat seine gegen den dortigen Magistrat vor dem vormaligen Hofgericht für das Herzogthum Lauenburg erhobene, auf Wieder herstellung des früheren Zustandes der von dem Magiftrat erhöhten Elbstraße event. Schadensersatz ge= richtete Klage darauf gestüßt, sein an dieser Straße belegenes Haus habe eine solche Lage gehabt, daß jede, wenn auch noch so geringe Erhöhung der Straße das selbe hinsichtlich des Wasserlaufs aus dem Hofe und der Küche, hinsichtlich des Oeffnens der Holzstallthür und hinsichtlich des Licht- und Luftzutritts zu dem Keller habe beeinträchtigen und seinen Werth vermindern müssen. Desungeachtet und troß seiner Gegen vorstellungen aber habe der verklagte Magistrat die Elbstraße in einem Maaße erhöht, daß dadurch für das Haus des Klägers und zwar mit wesentlicher Einwirkung, sowohl auf die Gesundheit seiner Bewohner wie namentlich auch auf den seit ungefähr 300 Jahren darin geübten kaufmännischen Betrieb die größten Un annehmlichkeiten entstanden und dadurch der Werth salva taxat. um 500 Thlr. vermindert sei. Insbe

Den 4. März 1872.

sondere sei vor seiner Holzstallthür in dem Umfang, daß die Thür geöffnet werden könne, eine Vertiefung von 8 Zoll Höhe 42 Zoll Breite und 30 Zoll Länge aufgemauert worden, in Folge dessen sein Holzstall schon bei gewöhnlichem Regen überschwemmt werde, ferner sei der Kanal für den Abfluß aus Hof und Küche dergestalt vermauert, daß weniger als der vierte Theil noch sichtbar, das davor wegen Reinigung zum Aufklappen eingerichtete eiserne Rost nicht mehr zu benußen und der Abfluß so beschränkt sei, daß dadurch in der Küche sich gesundheitsschädliche Dünste ent= wickelten; endlich seien die Fensterlöcher in dem Waarenfeller des Klägers soweit verbaut, daß dem Keller das durchaus nothwendige Licht und die durchaus nothwendige Luft nicht mehr zugänglich und Kläger daher in der Aufbewahrung vieler für seinen Handel nothwendiger Waaren behindert sei.

Durch die erwähnte Straßenänderung und mehr noch durch die damit verbundene Einwirkung auf sein Eigenthum habe der verklagte Magistrat ein ihm zustehendes Recht verlegt, mit deffen Geltendmachung der Kläger von der Regierung des Herzogthums Lauenburg auf den Rechtsweg verwiesen worden sei; es stehe ihm daher gegen den Verklagten die actio damni infecti, das interd. ne quid in loco publ. fiat, ferner sowohl ein Prohibitonsrecht und Klage auf Restitution, wie auch eine actio leg. Aquil. zu, da nach heutigem Recht neben dem öffentlichen Gebrauch auch feste Rechte für Private an dem Eigenthum der Stadtcommünen, zu welchen die Straßen gehörten, nicht nur durch ausdrückliche Verleihung, sondern auch durch concludente Handlungen und insbesondere durch Verjährung, na

mentlich aber, wie hier, durch unvordenkliche Verjäh- schehen wäre, würde es auch da unzulässig sein, wenn rung begründet werden könnten.

Der verklagte Magistrat hat in seiner Vernehm lassung die nach der Behauptung der Klage durch die geschehene Erhöhung der Elbstraße eingetretenen Nach theile für das Haus des Klägers bestritten, er hat insbesondere hervorgehoben, daß die Stallthür ganz in ihrem bisherigen Zustand gelassen worden, indem ein sog. Schling hergestellt sei, wodurch das bisherige Niveau, soweit die fragliche Stallthür gereicht habe, beibehalten worden. Dann ist behauptet, daß der tech nische Consulent des Magistrats, dem die möglichste Berücksichtigung der klägerischen Wünsche anempfohlen worden, dem Kläger alle möglichen Offerten gemacht habe, wie seinen vermeintlichen Beschwerden abgeholfen werden könnte, z. B. durch Erweiterung der Kellerlöcher, durch Höherlegung des eisernen Rostes u. f. w., Kläger aber alle Offerten von sich gewiesen habe.

Endlich ist deducirt, daß dem Kläger jeder Rechtsgrund für die erhobenen Ansprüche fehle.

In der Replik hat der Kläger seine Klagbehaup= tungen aufrecht erhalten und namentlich bemerkt:

Die Kellerlöcher seien jezt ungefähr um die Hälfte verkleinert. Der Eingang zu dem Holzstall sei durch eine vorgebrachte Grube, sog. Schlingel, erschwert, deffen Steine mit Mörtel etwas verschmiert seien, und sobald dieser sich lockere, sickere das Wasser des vorbeiflie ßenden Rinnsteins natürlich durch und in den Holzstall des Klägers hinein, der jezt zur Straße zu tief liege (wie denn am 28. Juli 1868 das Wasser in den Holzstall hineingeströmt sei); der Hof- und Küchenabfluß sei fast ganz vermauert resp. verschüttet, so daß er sich schon über ein halb Dugend Male verstopft habe und dadurch ebenso oft die Küche mit Jauche überschwemmt worden sei; der Keller sei nicht mehr hell und luftig genug, resp. dunkler und dumpfer, als früher, und zwar in sehr erheblichem Maaße. Auch liege die Wahrscheinlichkeit vor, daß durch die Anschüte tung und das Höherlegen der Straße der Schwamm über kurz oder lang in dem Hause des Klägers entstehen werde. Dann hat der Kläger noch in Abrede gestellt, daß der Straßenbau lediglich auf communalem Grund und Boden stattgehabt habe, selbiger gehe unter den Tropfenfall des Klägers und sogar hart an sein Gemäuer also auf und an sein Eigenthum, aber wenn auch das Bauen mitten auf der Straße allein ge

die Folgen desselben auf das Eigenthum des Klägers förperlich einwirkten, wenn also beispielsweise das aufgesogene Wasser nach dem Gefeße der Schwere und der Capillarität die Wände des Klägers mehr als sonst beschädigte, wenn der historisch berechtigte Wasserabfluß seines Hauses gehemmt, das historisch ihm zukömmliche Licht ihm abgeschnitten, die Luft ihm benommen wäre. Der Kläger hat geleugnet, daß ihm von dem Magistrat eine annehmbare Offerte zur Beseitigung seiner Beschwerden gemacht sei.

In der Duplik ist bemerkt:

Der um den Schling gezogene Sockel befreie des Klägers Kellerloch jezt mehr vom Andrange des Wassers, als vorher. Allerdings sei zu der in der Replik angegebenen Zeit etwas Wasser durch die Fugen des Sockels gelaufen, aber nur deshalb, weil die mit Kalk gefüllten Fugen locker geworden, zur Beseitigung dieses Ueberstandes sei sofort die Ausfugung mit Cement veranlaßt worden.

Was die Verstopfung des Küchenabfluffes betreffe, der nach Klägers eigenen Angaben nicht vermauert und verschüttet sein könne, da er für gewöhnlich nicht verstopft sei, so sei es des Klägers Schuldigkeit, den Abfluß in die Straßenrinnen nicht mit solchen Abfällen zu hemmen, welche seinen Küchenabfluß nicht pafsiren könnten; es werde in Abrede gestellt, daß die Reinigung des Rinnsteins dem Kläger erschwert sei.

Was die Befürchtung des Klägers, daß einmal Schwamm in seinem Hause entstehen könne, betreffe, so sei nur am Mauerwerk seines Hauses die möglichst geringe Anschüttung erfolgt, und wenn durch seinen. bisherigen Küchenabfluß kein Schwamm veranlaßt worden, könne ein solcher noch weniger durch die Anschüttung entstehen. Gegen die Meinung des Klägers, daß das Straßenpflaster ihm bis zum Tropfen= fall gehöre, spreche die Eigenschaft der Straße als res publica, die früheren Pflasterungen und die jeßige Seitens der Communalbehörde und der Umstand, daß das Traufrecht kein Eigenthum gewähre. Daß dem Kläger irgend ein Schaden durch die Erhöhung und Umpflasterung der Straße erwachsen sei, werde wiederholt in Abrede gestellt.

In dem am 25. Juni 1870 vor dem Razeburger Kreisgericht, an welches die Sache in Folge der neuen Justizorganisation übergegangen ist, stattgehabten Ver=

handlungstermin haben beide Parteien Beweismittel für ihre Behauptungen angegeben, es hat namentlich der Kläger auf einen unter Zuziehung von Sachver ständigen einzunehmenden richterlichen Augenschein provocirt.

Das Kreisgericht hat darauf am 3. September 1870 erkannt:

daß Kläger unter Verurtheilung in die Proceßkosten, soweit nicht über diese bereits erkannt ist, mit seiner Klage abzuweisen.

Gegen dies Erkenntniß hat der Kläger appellirt und sich über die erkannte Abweisung seiner Klage beschwert, wobei er um Reformation der sent. a qua dahin gebeten hat, daß sein Gesuch auf Entschädigung oder Restitution, wiewohl natürlich nur auf eins von beiden, begründet und deshalb auch seine Verurtheilung in die Kosten unbegründet sei, unter Verurtheilung der Gegenpartei in die Kosten dieser Instanz.

Das Appellationsgericht hat zunächst eine Beweiserhebung verfügt, dann schließlich in nachstehender Weise erkannt.

Im Namen des Königs!

In Sachen des Kaufmanns Thun in Lauenburg, Klägers und Appellanten,

wider

den Magistrat der Stadt Lauenburg, Verklagten und Appellaten,

wegen durch Straßenbau beeinträchtigter Privatrechte, jezt Appellation gegen das Erkenntniß des Königlichen Herzoglichen Kreisgerichts zu Razeburg vom 3. September 1870,

hat der Civilsenat des Königlichen Appellationsgerichts zu Kiel in seiner Sigung am 5. Mai 1871 2c. für Recht erkannt:

als dazu geeignet angesehen worden sind, einen genügenden Abfluß für den Hof und die Küche des Klägers herzustellen,

in welchem Fall jedoch der Verklagte schuldig ist, dem Kläger den bisher ihm vers ursachten Schaden binnen 6 Wochen bei Vermeidung der Execution mit 10 Thlen., wie auch den noch fernerhin bis zur Herstellung eines genügenden Abflusses erwachsenden Schaden, die Liquidation desselben vorbehalten, zu erseßen, auch demselben die Kosten der Unterinstanz zu erstatten.

Die gerichtlichen Kosten dieser Instanz sind von beiden Parteien zur Hälfte zu tragen, die außergerichtlichen zu vergleichen. V. R. W.

Gründe.

Der Antrag des Klägers auf Wiederherstellung des durch die Erhöhung der Elbstraße veränderten Zustandes seines Hauses ist mit Recht zurückgewiesen worden. Es liegt hier eine von der competenten Communalbehörde im öffentlichen Interesse und zwar auf Grund und Boden der Stadt (da der Versuch des Klägers durch Hinweisung auf den ihm angeblich zustehenden Tropfenfall einen geschehenen Eingriff in seine Eigenthumssphäre zu deduciren, jeglicher Begründung entbehrt) vorgenommene Maaßregel vor; und eine solche Maaßregel kann nicht durch den Widerspruch des Einzelnen gehindert oder beseitigt werden.

Für das Römische Recht verfügt nämlich die L. 15 § 10, D. de damn. inf. (39. 2.)

Si publicus locus publice reficiatur, rectissime Labeo scribit. eoque jure utimur, de damno infecto non esse cavendum,

daß das angefochtene Erkenntniß dahin abzu- wie denn auch das interd. ne quid in loco publ. fiat ändern ist:

daß der verklagte Magistrat schuldig, dem Kläger binnen 6 Wochen, bei Vermeidung der Execution, 500 Thlr. Pr. Cour. zu be= zahlen, ihm auch die Kosten der Unterinstanz zu erstatten,

sofern Verklagter es nicht vorzieht, binnen gleicher Frist vermittelst der Einrichtungen, welche von den beiderseitigen Sachverständigen in dem Termin vom 28. Februar 1871

sich nur auf die von Privaten auf öffentlichen Grunde vorgenommenen Einrichtungen bezieht,

cfr. Zimmermann, Zeitschrift für Civilrecht
und Proceß, Bd. 12, S. 97;

Schäffer, Archiv f. pract. R. W., Bd. 2,
S. 304, Anm. 3,

und noch entschiedener darf der fragliche Sag für das heutige Recht aufgestellt werden, da nach den modernen Grundsägen der Expropriation der Einzelne sogar sein Eigenthum dem öffentlichen Interesse opfern muß, um

so mehr also geringere Nachtheile wird dulden müssen, die er im öffentlichen Interesse erleidet.

In wie weit ein specieller Rechtstitel hier würde schüßen können, mag dahin gestellt bleiben. Denn daß ein solcher jedenfalls nicht durch Verjährung, auf welche der Kläger sich beiläufig berufen hat, geschaffen werden kann, ergiebt sich aus der Unstatthaftigkeit eines Erwerbs durch Verjährung an einer dem allgemeinen Gebrauch gewidmeten Sache.

L. 9. D. de usurp. et usucap. (41. 3.). Andererseits aber ist ein Entschädigungsanspruch des Privaten für begründet zu erachten, wenn er durch eine von der öffentlichen Behörde im Interesse des Allgemeinen getroffene Einrichtung an seinem Eigen thum beschädigt worden ist.

Es mag freilich zweifelhaft sein, wie dieser Sag theoretisch zu begründen sei, ob durch Hinweisung auf die Grundsäße der erweiterten Aquilischen Klage oder durch Berufung darauf, daß der Anspruch auf eine cautio damn. inf. auch dem Deffentlichen gegenüber zu gestatten sei, indem die ihn ausschließenden Bestimmungen des Römischen Rechts, als dem öffentlichen Recht angehörig, nicht mehr anwendbar seien und nach heutiger Rechtsanschauung die Staatsgewalt wie auch die Communalgewalt, in vermögensrechtlicher Bezie hung vor den Gerichten Recht zu nehmen habe, und daß es nach heutigem Recht nicht mehr darauf an= komme, ob eine Caution wirklich bestellt sei, sondern überall, wo eine solche hätte gefordert werden können, unmittelbar eine Klage auf Erfaß des eingetretenen Schadens gegeben sei.

cfr. 3immermann a. a. D.

Bülow und Hagemann, pract. Erörte= rungen, Theil 6, S. 85. Jedenfalls aber ist in der Praxis der fragliche Ent. schädigungsanspruch anerkannt,

cfr. Jhering, Jahrb. f. Dogm., Bd. 6, S. 102; Schl. Holst. Anzeigen 1847, S. 248; Seuffert's Archiv, Bd. 7, Nr. 184, für dessen Zulassung auch schon die Analogie der bei der Expropriation Plaz greifenden Entschädigungspflicht spricht.

Ist nun hiernach davon auszugehen, daß dem Kläger ein Anspruch auf Ersaß des seinem Hause durch die geschehene Erhöhung der Elbstraße zuge= fügten Schadens zusteht, welcher Schaden, in so fern

er auf dauernden Verhältnissen beruht, durch eine Werthverminderung des Hauses dargestellt wird, so handelt es sich weiter um eine Prüfung der einzelnen Entschädigungstitel.

Hier kann nun auf die angebliche Verbauung der Kellerlöcher des Klägers, durch welche seinem Keller Luft und Licht entzogen sei, kein Gewicht gelegt wer= den. Die L. 9 D. de S. P. U. bestimmt:

Cum eo, qui tollendo obscurat vicini aedes, quibus non serviat nulla competit actio, und diesen Grundsaß wird man auch analog auf die Luftentziehung anwenden dürfen, da es sich in beiden Fällen um die Entziehung eines dem allgemeinen Gebrauch dienenden Objetes handelt, auf dessen Fortgenuß in der bisherigen Weise der Grundeigenthümer in Ermangelung einer desfälligen Servitut kein Recht hat. Ob der Keller dadurch dumpfer und feuchter wird, kann nicht releviren, es ist dies ein Schaden, den der Kläger nach dem bestehenden Nachbarverhältniß tragen muß; und ebensowenig kann die von ihm angedeutete ent= fernte Möglichkeit in Betracht kommen, daß in seiner Wohnung in Folge des Anschüttens von Erde an dieselbe, der Schwamm sich einstelle.

Dagegen ist es allerdings eine zur Entschädigung verpflichtende positive Einwirkung auf die Substanz der Sachen, wenn die Erhöhung der Straße zur Folge gehabt hat, daß Wasser in den Stall des Klägers hineinfließt,

arg. L. 8, § 5 D. si serv. vind. (8, 5) in suo hactenus facere licet, quatenus nihil in alienum immittat,

und ebenso ist es eine ihm den Anspruch auf Ersat gewährende Beschädigung seines Hauses, wenn der Hof- und Küchenabfluß, welcher bis dahin unbestrittener Maaßen auf Straßengrund fortgeleitet worden, in der von ihm behaupteten Weise gehemmt worden ist.

Es ist daher eine Beweiserhebung über Existenz und Größe des in den gedachten beiden Beziehungen dem Kläger erwachsenen Schadens mittelst Einnahme des richterlichen Augenscheins und Vernehmung der benannten Zengen und Sachverständigen (von denen der vom Kläger vorgeschlagene Maurermeister Bardowieck aus Mölln vom Verklagten ohne Grund als Auswärtiger beanstandet worden ist, da es bei der Abgebung des Gutachtens nicht wesentlich auf eine

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