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Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

Ueber die Aussprache des Gothischen. Eine sprachgeschichtliche Abhandlung von Dr. Franz Dietrich, Professor zu Marburg. Marburg 1862.

Vorliegende Abhandlung ist nicht bloss die neueste, sondern auch ohne allen Zweifel die wichtigste der in jüngster Zeit über das gothische Alphabet erschienenen Untersuchungen. Sie ist, wie sich erwarten liess, von dem durch seine Verdienste um deutsche und nordische Literatur rühmlichst bekannten Verfasser mit gewohntem Scharfsinn und Umsicht geführt und ist mehr als jede andere geeignet, das Studium des Gothischen zu fördern und demselben eine sichere Basis zu unterbreiten.

Die Schrift zerfällt in sieben Abschnitte. In dem ersten wird der „Schrift- und Lautstand" untersucht und der Nachweis geliefert, dass Ulfilas seine Sprache durchaus und stetig schrieb, wie er sie sprach; dass also ai und au wirkliche Diphthonge gewesen sind.

Im zweiten Abschnitt wird über die Fremdwörter in Ulfilas Bibelübersetzung gehandelt. Nachdem die Unsicherheit der griechischen Aussprache, die schon im 2. Jahrhundert vor Christus in Syrien und Aegypten stattfand (aus welcher Zeit die Uebersetzung des alten Testaments in's Griechische entstand, woraus Ulfilas übersetzte), als erwiesen zugegeben werden muss, kann als sicherer Maassstab der Aussprache nur die ange nommen werden, die von römischen Kirchenvätern und überhaupt durch die Römer überliefert ist. Dass manche Wörter von der griechischen Aussprache abweichen, ist daraus zu erklären, dass sie schon vor der Uebersetzung von den Gothen aufgenommen und in feststehender Aussprache vorhanden waren.

Nach einer kurzen Uebersicht im dritten Abschnitt über die kleinen sprachlichen Reste des Gothischen aus der Zeit nach Ulfilas werden im vierten Abschnitte die gothischen Namen besprochen. Auch hier wird ganz besonders nachzuweisen versucht, dass die diphthongische Aussprache des Gothischen stattgefunden habe und eben so, wie oben, auf die Aussprache, wie sie durch das Römische vermittelt ist, grosses Gewicht gelegt. Vorzüglich wichtig ist dieser Abschnitt für das richtige Verständniss mancher alten deutschen, nicht bloss gothischen Namen, wie vandalischer, langobardischer, fränkischer, und daher auch für Geschichtsforscher und Lehrer der Geschichte besonders lehrreich.

Der fünfte Abschnitt fasst die Ergebnisse der Untersuchung für die Aussprache zusammen. Die beiden letzten Abschnitte behandeln Lautgeschichtliches: Einflüsse des Hochdeutschen auf gothische Namen und die Lautverhältnisse des Gothischen in Scandinavien.

Es würde zu weit führen, auch nur andeutend die einzelnen Punkte der Forschungen und Resultate dieser Abschnitte wiedergeben zu wollen, und es bedarf wohl nicht erst der Versicherung, dass auch sie, wie die ganze Schrift, schon durch die ganze Art der Untersuchung für die sprachlichen Studien der ältesten deutschen Dialekte eine hervorragende Bedeutung haben.

Drei Register, das erste über gothische Namen, das zweite über fränkische, alamannische und hochdeutsche Namen, das dritte über nordische Personen- und Völkernamen sind eine willkommene Zugabe zu dem werthvollen Buche.

Berlin.

Dr. Sachse.

Grammatik der hochdeutschen Sprache. Zum Verständniss des Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Neuhochdeutschen für die oberen Classen gelehrter Schulen wie für das Privatstudium bearbeitet von Dr. G. Bornhack. Erster Theil: Die Orthoepie und Etymologie. Nordhausen 1862.

Seitdem im Anfange dieses Jahres durch eine Ministerialverfügung in unseren Gymnasien einem wissenschaftlichen Betriebe der deutschen Sprache endlich Thor und Riegel geöffnet sind, ist ein Buch, wie das zur Beurtheilung vorliegende, ein wesentliches Bedürfniss. Die verschiedenen einleitenden Bruchstücke grammatikalischer Dinge, meist nur Paradigmen enthaltend, die von Ziemann bis Simrock und Schade den Universitätslesebüchern vorgedruckt oder als gesonderte Blätter für wenige Groschen zu haben sind, genügen nicht mehr. Sie bieten dem Schüler zu wenig, gewähren für die ganze Lecture zumal ohne gehörig vorbereitete Lehrer wenig sicheren Anhalt, und die Schüler sind so genöthigt, wenn sie nicht vor der Zeit erlahmen, lange umhertappend sich mit vieler Mühe und Arbeit endlich hineinzuarbeiten. Es ist daher nothwendig, dass ausser diesem mageren Schematismus von etlichen Paradigmen noch manches, oder besser gesagt, gar vieles Andere von vornherein dem Schüler mitgetheilt werde, was leicht lernen wird, da nur geringe Anstrengung erforderlich ist, die Verschiedenheit oder Gleichheit der sprachlichen Entwicklungszustände der eigenen Sprache aufzufassen. Herr Bornback hat dies, wie mir scheint, mit richtigem Tact gefühlt und jenem Uebelstande abzuhelfen gesucht. Zwar stellt er nach der Vorrede das grammatische Verständniss der mittelund überhaupt altdeutschen Schriften als Hauptziel des deutschen Unterrichts hin, welches sogar durch ein Examen beim Abgange von der Schule dargethan werden soll, allein, er wird, glaube ich, durch die Praxis selbst allmählich mehr und mehr auf das Verständniss der Schriftsteller selbst hingedrängt werden und alles Sprachliche etwa so behandelt wissen wollen, wie sich darüber jüngst Cauer in der Berliner Zeitschrift für das Gymnasialwesen ausgesprochen hat. Ob der Aufsatz, den er im vorigen Jahre in

er

den Jahn'schen Jahrbüchern veröffentlicht hat, und auf den er sich bezieht, auch jene Ansicht vertritt, ist mir nicht bekannt.

Was nun den Inhalt des Buches betrifft, so giebt dasselbe auf 83 Seiten in einer Einleitung eine kurze Uebersicht über die verschiedenen Dialekte der deutschen Sprache. Der erste Abschnitt behandelt die Orthoepie, der zweite die Etymologie. Aus der Vorrede ersehen wir, dass diesem ersten Theile bald ein zweiter folgen soll mit der Lehre von der Wortbildung und von dem Verse. Mit gutem Fuge dürfte man danach auch noch einen dritten Theil, die Syntaxis umfassend, erwarten, den ich wenigstens als integrirenden Theil des beginnenden Studiums des Deutschen gerade nicht für unwichtig erachten möchte.

Wenn so das Buch mit vollem Recht ein zeitgemässes und nach Anlage und Einrichtung wohlgelungenes genannt werden kann, dürfte doch in der Darstellung manche Aenderung wünschenswerth sein. Ich erlaube mir darüber einige Andeutungen. Um sogleich mit der Einleitung zu beginnen, so wird in der Anm. zu §. 1 J. Grimm allein als der Begründer der neuen Sprachwissenschaft genannt. Es war wohl am Orte, da nicht bloss von der Grammatik, sondern vom Sprachstudium im Allgemeinen die Rede ist, die übrigen Mitbegründer der deutschen Philologie Benecke, Lachmann, Wilh. Grimm, haben, nicht vergessen zu werden, sogleich mit zu nennen. die als Mitforscher gleiche Ansprüche darauf Hagen hat seine Verdienste und konnte auch leicht erwähnt werden. Auch v. d. Die Schlussanmerkung zu §. 2 enthält eine Muthmassung und unerwiesene Behauptung, die im Grunde als müssig und überflüssig bezeichnet werden kann: Wäre es den Römern gelungen, das deutsche Land zur römischen Provinz zu machen und römische Colonisten einzuführen, so würden wir jetzt auch eine Mischsprache haben." Eben so unhaltbar und leicht zu bekämpfen ist der sogleich folgende Satz: „Denn die bei der Einwanderung der Germanen zu Sclaven gemachten Kelten übten nur geringen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache aus, da die Sieger ihre Sprache zu der herrschenden machten."

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Bei der Darstellung der verschiedenen Sprachentwicklungsperioden vermisse ich einmal die Uebergangsperiode vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen, auch scheint mir nicht ganz richtig, die Grenze des Neuhochdeutschen erst mit dem Anfange des 16. Jahrhunderts zu beginnen; sodann hätte nach den neuesten Untersuchungen Pfeiffer's das Mitteldeutsche wohl mit grösserer Präcision hervorgehoben werden müssen.

So sorgfältig im Allgemeinen die Buchstabenlehre behandelt ist, fehlen doch einige Mal die Beispiele. Selbst da, wo auf Stellen verwiesen wird, die Beispiele geben, wäre es der Kürze und Anschaulichkeit wegen wohl besser gewesen, Beispiele beizufügen: Schüler lieben es bekanntlich nicht, Citate aufzusuchen.

In der Anmerkung zur Lautverschiebung §. 15 S. 16: Nur Wörter, die dem Lateinischen oder Griechischen entlehnt sind, unterliegen nicht der Lautverschiebung" ist gar nicht die Zeit der Aufnahme berücksichtigt, was doch für die Sache von grösster Wichtigkeit ist und worüber Wackernagel in seiner schönen Abhandlung „die Umdeutschung fremder Wörter" so genau und ausführlich handelt. Die Bemerkung S. 18, 3: „Auch das Neuhochdeutsche bewahrte diese Regel, wenn auch einige Mundarten (des Neuhochdeutschen?) wie das Niedersächsische davon eine Ausnahme machten" ist weder so allgemein ausgesprochen ganz richtig, noch verständlich genug ausgedrückt.

Bei der Wortbildung vermisse ich ungern einige Bemerkungen über die Veränderung der Wörter im Laufe der Jahrhunderte durch Zusammenschrumpfung aus viersilbigen in zweisilbige, oder aus drei- und zweisilbigen

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