Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Wer ist der Verfasser von Schiller's Abhandlung:

Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon?

Wenngleich auf den ersten Anblick die hier aufgeworfene Frage höchst sonderbar klingt, und die Antwort darauf wohl von Jedem ganz einfach mit den Worten: Wer sonst als Schiller? gegeben werden möchte, so sind die Schwierigkeiten, die sich beim tieferen Eingehen in die dabei obwaltenden Verhältnisse erheben, doch nicht so leicht zu beseitigen, und wenn es sich gleich um eines der unbedeutenderen Geistesproducte Schiller's handelt, so möchte doch vielleicht das Folgende nicht ohne alles Interesse für die Freunde und Verehrer des grossen Dichters sein, da es je nach der Art der Auffassung wohl geeignet sein dürfte, einige neue Streiflichter auf die seinem grossen Rufe vorangehende Lebensperiode zu werfen. Ob die folgenden Umstände noch unbekannt sind, weiss ich nicht gewiss. So viel aber weiss ich, dass kein Biograph Schiller's, auch Hoffmeister in seinem fünfbändigen Werke, und den würtembergischen Biographen Gustav Schwab, der noch am leichtesten davon Kenntniss haben konnte, mit eingeschlossen, der Sache erwähnt. Auch in keiner andern Schrift über Schiller, welche mir zugänglich war, in keinem ihn betreffenden Briefwechsel, die ich bei dem Interesse, welches ich an dem grossen Dichter Deutschlands nahm, so viel möglich mir zugänglich machte, fand ich irgend eine Andeutung davon. Und doch handelt es sich um einen Umstand, der überhaupt in der literarischen Welt nicht gar häufig vorkommt, bei einem grossen Schriftsteller aber vielleicht einzig in seiner Art ist. Schiller hat nämlich in Betreff der erwähnten Abhandlung einen Rivalen, der ebenfalls das Eigenthumsrecht, wenigstens zur Hälfte, an

spricht, und unter solchen Beziehungen, dass die Entscheidung über die Wahrheit gar nicht leicht gemacht ist.

Schiller's Abhandlung

Vorlesung nennt sie der Herausgeber von Schiller's sämmtlichen Werken ward zuerst in das 11. Heft der Thalia 1790 eingerückt. Auch Hoffmeister sucht die letzte Quelle der Schrift über Lykurg und Solon, so wie der ähnlichen kleineren historischen Schriften Schiller's über die erste Menschengesellschaft und über die Sendung Moses' in den Vorlesungen Schiller's als Professor in Jena. Er sagt darüber (Bd. 2 S. 155): „Auch nachdem Schiller's Professur ein kleiner Gehalt beigelegt war, trug ihm sein Amt nicht so viel ein, als er auch bei sehr mässigen Ansprüchen brauchte. Seine Feder musste ihn also auch fortan grösstentheils erhalten. In seiner Amtsthätigkeit und Geistesrichtung lag es, dass auch sein literarisches Wirken der Geschichte gewidmet war, bis die historischen Arbeiten allmählig immer mehr von philosophischen Beschäftigungen verdrängt wurden."

Und am Schlusse des Capitels, in welchem die drei genannten historischen Aufsätze Schiller's besprochen werden, (ebend. S. 166) fügt Hoffmeister bei: „Uebrigens zeichnen sich die drei besprochenen Aufsätze durch Klarheit und Einfachheit aus. Es findet sich in ihnen keine Spur von Künstelei oder Ueberladung. Man sieht es ihnen an, dass sie Vorträge vor jüngeren Leuten sind, oder dass ihnen solche zu Grunde liegen. Die ursprüngliche Abfassung wirkt auch auf eine spätere Ueberarbeitung nach; und dasjenige, worüber wir uns einmal vor Andern ausgesprochen haben, können wir nachher verständlicher und leichter zu Papier bringen. Was wir uns dagegen im Augenblicke des Niederschreibens erst recht klar machten, fällt uns schwerer und man sieht dem Ausdruck das Ringen und oft die saure Mühe an. Kein Wunder! Die Erzeugung und die Geburt fallen in einen Moment zusammen."

66

In diesen Worten Hoffmeister's liegt eine merkwürdige Ahnung des wahren Sachverhaltes. Wenn Hoffmeister in den drei erwähnten Aufsätzen eine besondere Einfachheit findet, und die Ursache darin sucht, dass sie entweder selbst Vorträge vor jüngeren Leuten seien, oder dass ihnen wenigstens solche zu Grunde liegen, so scheint dies in der That die Wahrheit zu sein, nur mit dem Unterschiede, dass zu diesen jüngeren Leuten Schiller nicht als Lehrer, sondern als Schüler gehörte.

Es weist nämlich der Aufsatz über Lykurg noch auf die Zeit zurück, in welcher Schiller Schüler der Karlsschule war, und der Mitbewerber um das Eigenthumsrecht wenigstens desjenigen Theils unsers Aufsatzes, der sich auf Lykurg bezieht, ist ein Professor der Karlsschule, Nast, dessen Name noch heute in Würtemberg mit grosser Achtung genannt wird.

Joh. Jakob Heinr. Nast, geb. zu Stuttgart 1751, wurde Magister 1770, und Professor der Militärakademie zu Ende des Jahres 1772. Durch eine Ordre des Herzogs Karl vom 28. December 1772 wird nach Prüfung einiger Magister als sechster Professor angestellt Magister Nast mit 350 f.“ Im Jahre 1773 heisst Nast Professor der lateinischen und griechischen Sprache und Literatur; später (1781), als die Schule zu einer Hochschule erhoben worden war, und in Facultäten zerfiel, erscheint Nast als Mitglied der philosophischen Facultät und als Professor der griechischen Sprache und Literatur.

Nast scheint mehrmals Lust gehabt zu haben, sich wegzumelden, 80 1781 bei Erledigung einer Professur am evangelisch-theologischen Seminar Maulbronn. Es liegt eine herzogliche Ordre an den Oberst und Intendanten von Seeger (den unmittelbaren Leiter und Vorstand des Instituts, das alterego des Herzogs, welcher letztere sich als den eigentlichen Rector der Schule betrachtete), vor vom 23. Juli 1781, welche heisst: „Ich habe dessen heutigen Rapport erhalten und Mich über das Gesuch des Professors Nast verwundert. Da ohnehin gewiss nichts daraus wird, so hat ihm der Herr Oberst zu erkennen zu geben, dass er besser thun werde, sich nicht um die Professorstelle zu Maulbronn zu melden, sondern geruhig in der Akademie zu bleiben, und sich gleich seinen Mitbrüdern meiner gnädigsten Vorsorge versichert zu halten.

P. S. Dem Professor Nast hat der Herr Obriste wegen der Folge in glimpflichen Worten recht die Meinung zu sagen."

Chr. H. Pfaff, auch ein berühmter Schüler der Karlsschule, erwähnt Nast's in seinen Lebenserinnerungen (S. 33) mit folgenden Worten:

In der classischen Literatur war mein Hauptlehrer Professor Nast, ein sehr tüchtiger Philolog, von lebhaftem Wesen, und wir handelten nach der Reihe die gewöhnlich gebräuchlichen griechischen als anch lateinischen Autoren ab, so wie auch Nast römische Alterthümer

vortrug und uns in deutschen Aufsätzen, die wir zum Theil declamiren mussten, übte."

Auch Schiller, der in die Schule am 17. Januar 1773 aufgenommen wurde, und sie den 14. December 1780 verliess, um Regimentsarzt zu werden, war wohl wie Pfaff, Nast's Schüler, und nahm ohne Zweifel ebenfalls an den erwähnten Uebungen in deutschen Aufsätzen Theil.

Nast selbst blieb als Lehrer in der Akademie bis zu ihrer Aufhebung 1794, wurde Professor am Obergymnasium in Stuttgart und später Pfarrer zu Plochingen (einem würtembergischen ansehnlichen Dorfe, 5 Stunden von Stuttgart, jetzt einer Hauptstation der würtembergischen Eisenbahn von Stuttgart an den Bodensee, von wo aus sich die Seitenbahn nach Reutlingen und Tübingen abzweigt).

In Wagner's Geschichte der hohen Karlsschule (1. Bd. Würzburg 1856), welche sich durchaus auf archivalische Quellen gründet, steht nun S. 281 (in dem Abschnitte XII. Hof- und Akademiefeste): ,,1792. 26. Februar. Feier der Inauguration des neuen Prorectors, Prof. Dr. Boz, nach zuvor vom Herzog gehaltener Rede über

„Die Wichtigkeit des Protectoratamts" in Anwesenheit der Frau Herzogin u. s. w. Prorector decedens Nast

hielt eine Rede über

„Die Vorzüge und Gebrechen der Lykurgischen Gesetzgebung."

Dabei ist in Betreff der Rede des Herzogs von Wagner eine herzogliche Ordre (dd. Hohenheim, den 27. Februar 1792) abgedruckt, welche lautet:

„Mein lieber Obrist und Intendant von Seeger! Ich lasse dem Herrn Obrist Meine gestern bei dem versammelten akademischen Senat abgehaltene Rede gnädigst zugesagtermassen, in der Anlage zugehen und bin etc."

Die Rede Nast's ist abgedruckt in dessen kleinen Gelegenheitsschriften, 1) und stimmt mit Abzug der auf den besondern Zweck be

1) Der vollständige Titel derselben lautet: Kleine akademische und gymnastische Gelegenheitsschriften, gesammelt und herausgegeben von Joh. Jak. Heinrich Nast, vormals Professor an der hohen Karlsschule und dem Gymnasium zu Stuttgart, nun Pfarrer zu Plochingen. 2 Theile (von denen der erste die deutschen, der zweite die lateinischen Schriften enthält. Tübingen 1820-1821). Da wohl der Inhalt dieser Schriften, wenigstens ausser Wür

züglichen Einleitung und eben so des Schlusses, mit demjenigen Theile des Schiller'schen Aufsatzes, welcher die Lykurgische Gesetzgebung bespricht, nicht bloss dem Inhalte, sondern grossentheils selbst den

temberg nur wenig bekannt sein dürfte, füge ich hier eine Uebersicht desselben bei:

[blocks in formation]

I. Von der Nothwendigkeit öffentlicher wissenschaftlicher Anstalten zur Aufklärung der Staaten. (Rede in der Akademie 1782).

II. Bemerkung über Staats-Revolutionen (zur Gedächtnissfeier der Einweihung der Akademie 1790).

III. Ueber die Manier des Theophrast in der Schilderung sittlicher Charaktere 1791.

IV. Ueber die Nothwendigkeit, den Ehrtrieb des Jünglings zu wecken und durch Belohnungen zu unterhalten (Rede bei der Preisaustheilung 1791).

V. Ueber die Vorzüge und Gebrechen der lykurgischen Gesetzgebung und Staatsverfassung. (Rede bei Niederlegung des Prorectorats 1792).

VI. Von der Aehnlichkeit und Uebereinstimmung der Sprache des Homer mit der allgemeinen Kinder- und Volkssprache. (Glückwünschungsschreiben bei der Amtsjubelfeier seines Vaters 1800).

2. Theil. Lateinische Aufsätze:

I. Commentatio in rem tragicam Graecorum 1778.

II. De virtutibus Historiae Sallustianae 1785.

III. De ratione Veterum in historia tractanda 1786.

IV. De methodo Platonis philosophiam docendi dialogica 1787.

V. De clypeo homerico 1788.

VI. De re foeneraria Romanorum 1789.

VII. Brevis Odysseae et Iliados comparatio ad evincendam Odysseae praestantiam 1792.

1793.

VIII. Analysis logica Dialogi Platonis, qui inscribitur Meno 1792,

IX. De pretio veterum Autorum classicorum ex comparatione cum recentioris aevi Scriptoribus classicis rite aestimando (Oratio) 1793.

X. Programma ad indicenda Ser. Ducis Caroli parentalia 1793.

XI. Laudatio funebris Ser. Ducis Caroli, dicta die 21. Februar. 1794.
XII. Observationes aliquae in veterum Graecorum mythos 1794.
XIII. Observationes in Homeri vɛnvoμavτɛíar 1797.

XIV. Quam modeste de regno s. imperio Unius judicaverint liberi antiquitatis populi 1798.

XV. Quantum floris et praesidii capiant artes et scientiae ex imperio monarchico 1798.

1798.

XVI. Notationes aliquae in Platonis dialogum, qui inscribitur Crito

« ZurückWeiter »