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L'homme d'âme et de sentiment dans Frédéric le Grand. Abhandlung des

Conrector Balsam

365

Miscellen.

Ueber Schiller's Räuber,*)

mit besonderer Rücksicht auf Dr. Eckardt's Auffassung im Archiv XVI. und in seinem Werk über Schiller's Jugenddramen.

Eckardt hat auf meine Abhandlung über Schiller's „Räuber“ in Nro. 39 der Blätter für literarische Unterhaltung unlängst in dieselben Blätter eine Entgegnung einrücken lassen, die aus Entstellungen, Missverständnissen und Selbstwidersprüchen zusammengesetzt ist. Er sagt, im Verlauf seiner Schrift liege die Antwort auf jede meiner Bemerkungen entweder als Entgegnung oder als ergänzende Erwähnung; Blatt für Blatt halte er seine Darstellung mir gegenüber aufrecht. Dagegen bemerke ich sogleich, dass ich Eckardt auf S. 95 und S. 100 seiner Schrift einen auffallenden Widerspruch nachgewiesen habe, bei dem alle Ergänzungs- und Ueberbrückungsversuche scheitern. Nach S. 95 nämlich ist Franz der Herrscher des 18. Jahrhunderts, in dem unsere Dichtung spielt, der Repräsentant der

*) Vorstehender Aufsatz ist ursprünglich eine Antwort auf die „Erwiderung," , die Dr. Eckardt auf meine Abhandlung über Schiller's Räuber (in den Blättern für literarische Unterhaltung 1862, Nro. 39) in Nro. 45 der gedachten Zeitschrift einrücken liess. Um die vom Plan der Blätter ausgeschlossene Polemik nicht weitergreifen zu lassen, wies die Redaction meine Antwort zurück. Dieselbe folgt nun hier und ist für die Leser des Archivs, auch wenn ihnen die Blätter für literarische Unterhaltung nicht zur Hand sind, um so mehr verständlich, da Eckardt schon im Archiv XVI, 241 seine von mir bestrittene Auffassung der Räuber weitläufig entwickelt hat und überdies in dieser Antwort die allermeisten Punkte meiner ersten Abhandlung wiederholt und genauer begründet werden.

Archiv f. n. Sprachen. XXXIII.

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damaligen selbstsüchtigen Gewalthaber; ihre Vorfahren haben, wie auch der Vater Moor noch ein patriarchalisches Verhältniss zu ihren Unterthanen gehabt. S. 100 dagegen presst Eckardt eine andere Stelle, wo der alte Moor sagt, die Sünden von Karl's Vätern werden heimgesucht im dritten und vierten Glied; ob auch die Ahnen gut gewesen seien, dies sei eine andere Frage, als die, ob der alte Moor gut war; er (dies ist unrichtig; Franz Moor sagt dies I, 1) nenne sein Geschlecht zwar ein seit 7 Jahrhunderten unbeflecktes, er spreche aber auch von den Sünden der Väter und namentlich von den Geistern seiner Ahnen, die nach dem Volksglauben in den Ruinen spuken, eine Stelle, deren mehr als zweifelhafte Beweiskraft ich hinlänglich dargethan habe. Nun ist doch klar, dass die Ahnen nicht patriarchalisch und tyrannisch zugleich gewesen sein können. Oder ist in unsern Tagen das Geheimniss gefunden worden, Grossmuth und Arglist zu verbinden? Wenn nach S. 100 der Fluch des Volks auf den Ahnen lag, so kann ihr Geschlecht nicht unbefleckt gewesen sein und können sie nicht patriarchalisch regiert haben. Ja Eckardt widerspricht sich auf S. 100 selbst. Denn wenn, wie er hier sagt, der alte Moor eine kranke und in Verfall gerathene Zeit vertritt, so muss diese Zeit früher, d. h. unter seinen Vorfahren gesund und stark gewesen sein, was doch Eckardt auf derselben Seite wegen der Schlossgespenster leugnet. Und wenn nach S. 95 Franz Moor das 18. Jahrhundert vertritt, so werden wohl seine Vorfahren das 17. Jahrhundert vertreten sollen? War nach Eckardt das 18. Jahrhundert das traurigste seit den Zeiten der letzten römischen Kaiser, so muss das 17. glücklicher gewesen sein. Wo bleibt aber dann die Tyrannei und der Fluch des Volks, der nach Eckardt auf den Ahnen ruht? Wenn Eckardt mich beschuldigt, ich übersehe die Zeit, die Karl Moor gebar, und doch sei gerade der Charakter dieser Zeit, in welchem auch die Erziehungsfehler des alten Moor wurzeln, die Hauptsache, so thut er mir Unrecht, S. 713, 1 unten gehe ich sehr bestimmt auf den Charakter jener Zeit ein und weise Eckardt's Beweisführung als abstract, erkünstelt und geschichtlich unwahr nach. Eckardt stellt nun gutes Muths die für die Ahnen der gräflichen Familie günstige Stelle und die zwei für dieselben ungünstigen

Stellen zusammen, und gibt dann ohne nähere Gründe den zwei letzten Stellen den Vorzug, womit er, wie bemerkt, der Auffassung auf S. 95 schnurstracks widerspricht. Ein besonnener Kritiker hatte hier nun zwischen zwei Ausnahmen die Wahl: Entweder hat Schiller im Charakter der Vorfahren sich gänzlich widersprochen oder ihre Charakterzeichnung stimmt in sich selbst überein. Da man nach einem bekannten Rechtsgrundsatz von Jedermann so lange Gutes annehmen muss, als es nur immer möglich ist, habe ich Schillern nicht einen so grossen Widerspruch mit sich selbst aufbürden mögen und deswegen gesagt, wie man die zwei Stellen von den Sünden der Väter und den Gespenstern ganz ungezwungen so erklären kann, dass keine specielle, auffallende, fluchartig sich forterbende Verschuldung angenommen werden muss. Ich habe namentlich die erste aus der Gemüthsstimmung des etwas schwachen alten Grafen erklärt, während Franz sein Wort über das unbefleckte Geschlecht seiner Väter mit seiner gewöhnlichen Kälte ausspricht und diese Aeusserung gar nicht anders genommen werden kann, als sie buchstäblich lautet. Gewiss habe ich also Recht, wenn ich sage, Schiller habe nicht an eine greuelvolle Vorgeschichte des Hauses Moor gedacht. Später dachte er allerdings an eine solche, vergl. Eckardt S. 84. „Einige Mal, erzählt Frau von Wolzogen, gedachte er auch seines früheren Planes, einen zweiten Theil der Räuber zu geben. Man müsse eine tragische Familie erfinden, fiel ihm einmal ein, ähnlich der des Atreus und Laius, durch die sich eine Verkettung von Unglück fortzöge. Am Rhein, wo die Revolution so viele edle Geschlechter vom Gipfel des Glücks herabgestürzt und wo in schwankenden Verhältnissen der Doppelsinn des Lebens die ebene Bahn leicht verwirren könne, sei der passendste Platz für ein solches Gemälde des Menschengeschicks in seiner Allgemeinheit." Das hätte allerdings eine Vorgeschichte gegeben, ähnlich derjenigen in Göthe's Iphigenie. Aber in unseren Räubern findet sich eine solche Vorgeschichte nicht, weswegen Schiller eben an einen zweiten Theil der Räuber dachte. Wenn Eckardt das 18. Jahrhundert so schroff beurtheilt, so geht er zu weit. So sehr Schiller's Zeit aus den Fugen, ungesund und unterwühlt war, so sehr man das ferne Rollen des Donners

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der Revolution in den Räubern" hört, so darf man doch auch die Lichtseiten nicht übersehen. Dieses Jahrhundert hatte viel Schatten, aber auch viel Licht und ist in mancher Hinsicht der Stolz unsers Volks durch seine leuchtenden Sterne in Kunst und Wissenschaft und durch Regenten wie Friedrich der Grosse, Karl August, Karl Friedrich, Maria Theresia und Joseph, lauter Zeitgenossen des jugendlichen Schillers. Herzog Karl selbst befand sich, als die Räuber geschrieben wurden, in seiner für Würtemberg verhältnissmässig glücklichen zweiten Periode. Das 17. Jahrhundert verdient ohne Frage in jeder Hinsicht das Prädicat, das Eckardt dem 18. gibt. Schiller hielt sich natürlich an die so stark hervortretende Schattenseite jener Zeit und malte die Zustände so grell als möglich, und zwar, weil er nach seinem eigenen Geständniss Welt und Menschen noch nicht kannte. Wenn Eckardt sagt, ich verlange, dass man sich für die Worte des alten Moor: „Mein ist alle Schuld" das Ohr verschliesse, so sagt er die Unwahrheit. Ich gebe eine freilich sehr relative Schuld des Grafen zu, spreche von seiner schwachen Gutmüthigkeit und suche jene Worte aus seiner Stimmung zu erklären. Will Eckardt diese Worte wörtlich nehmen und ,,das ganze, sage das ganze Gewicht der Schuld, die die Söhne verfolgt, auf des alten Moor Haupt fallen lassen," so muss er nothwendig die Vorfahren ihrer Schuld entladen, sonst hat der alte Moor nicht mehr alle Schuld. Damit aber kommt Eckardt in einen neuen Widerspruch mit seiner Auffassung der Schuld der Ahnen S. 100. Betrachtet man jene Worte des Vaters genauer, so gehen sie überdies mehr auf die Zukunft, als auf die Vergangenheit. Franz, der schon lange nach dem Herzen seines Vaters gezielt hat, verlangt zuletzt, dass er sich seines Sohnes entäussere. „O dass Ihr begreifen lerntet, dass Euch die Schuppen fielen vom Auge! aber Eure Nachsicht muss ihn in seinen Liederlichkeiten befestigen, Euer Vorschub ihnen Rechtmässigkeit geben. Ihr werdet freilich den Fluch von seinem Haupte laden, auf Euch, Vater, auf Euch wird der Fluch der Verdammniss fallen." Der alte Moor. „Gerecht, sehr gerecht! Mein, mein ist alle Schuld!" —— insbesondere, ist der Sinn, wenn ich jetzt nicht einen Schritt gegen Karl thue. Wie kann Eckardt diesen Schmerzensschrei eines alten,

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