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Cagliostro als Betrüger in der Welt umherzog.

In Gesellschaft mit Kaufmann traten Voßens in diesem Jahre noch eine Reise nach Mecklenburg an, um die Eltern und den befreundeten Brückner zu besuchen. Für Voß war es ein großes Vergnügen, das Ernestine mit ihm theilte, alle die Gegenstände wieder zu sehn, die ihm durch Geschichten seiner Jugend merkwürdig geworden waren. Die Eltern waren unbeschreiblich glücklich über das Glück ihrer Kinder, für Voß war es indessen betrübend, seines Vaters Kräfte sehr im Abnehmen zu sehen, und da er überzeugt war, daß der Vater bei mehr körperlicher Pflege und Entfernung von anstrengender Arbeit sich bald wieder erholen würde, so verabredete er mit seiner Mutter, vierteljährlich einen Louisd'or zu senden, den sie immer von ihm erhalten sollte, bis er in die Lage käme, mehr zu geben. Zugleich erklärte er, er wolle ihr eine rechtsgültige Schrift zurücklassen, worin er nach des Vaters Tode alle seine Ansprüche auf den Nachlaß an seine Mutter und Schwester abträte.

Gegen Ende des October kehrte Voß mit seiner Gattin nach Wandsbeck zurück. Sie richteten eine eigene Wirthschaft ein, und lebten fleißig und glücklich. Die Familie Mumfen in Hamburg, Voßens Rathgeber und Aushelfer in jeder Verlegenheit, und Claudius waren gesellige Freunde, Klopstock war mehrmals bei ihnen, einmal mit Schönborn, einmal

allein, „wo er dann unbeschreiblich liebenswürdig sein konnte;" auch Campe, welcher Dessau verlassen, und sich in Hamburg in der Vorstadt St. Georgen eine kleine Wohnung gemiethet hatte, kam einmal mit seiner dreijährigen Tochter zu Fuß nach Wandsbeck. Da die beiden Eheleute ihrer ganzen Naturanlage nach das höchste Glück im eignen Hause bei ftiller Thätigkeit fanden, so dehnten sie ihre geselligen Beziehungen nicht zu weit aus. Doch waren sie einmal der Woche in Hamburg; unvergeßlich war der Abend, wo sie den Hamlet von Brockmann sahen, den Geißt von Schröder, die Ophelia von der Ackermann.

Der Verlust des Vaters, welcher im Juni 1778 starb, war für Voß sehr schmerzlich, und es wurde ihm schwer, sich zur Heiterkeit wieder zu erheben, da ihm die Sorge nun oblag, für seine Mutter das Nothwendigste herbeizuschaffen zu einer Zeit, wo der Hausstand sich vergrößerte. Diese Sorge wurde ihm für den Augenblick erleichtert durch einen Brief von Gleim, dem ein Doppellouisd'or inlag. Ernestine gebar um diese Zeit einen Knaben, der am 15. Juli getauft und nach Stolberg Friedrich Leopold genannt wurde.

Schon seit längerer Zeit wußte Voß, daß man ihn in Otterndorf zum Rector wünschte. Am Kirchgangstage seiner Frau hatte er einen Schreck, als ihm der Besuch des Bürgermeisters aus Otterndorf ge=

meldet wurde. Eine starke Figur mit einem sehr lebhaften Gesicht trat in's Zimmer, nahm mit vieler Beredtsamkeit das Wort, wie er seinem Lande Glück wünsche, einen so kenntnißreichen Mann bald den feinigen nennen zu können. Er fing ein förmliches Eramen an in einem sehr hohen Ton, den er, wenn die Antworten etwas schneidend ausfielen, geschickt durch Bescheidenheit zu mildern wußte. Als die Rede auf Chrestomathie kam, erklärte Voß, daß er seine Schüler stets aus den Autoren selbst unterrichten würde. Auch die Basedowschen würden sie nicht brauchen?"- „Die am allerwenigsten" war die Antwort. Da sprang der dicke Herr auf und rief mit Heftigkeit aus: „Dann soll der Teufel Sie holen, denn ich selbst bin Basedow." Dabei umarmte er Voß herzlich, und versicherte diese Erklärung durch seinen Vorwiz verdient zu haben. Basedow ließ nicht ab, die anwesenden Herren, Claudius, Campe, Milow mußten mit Voß und ihm in den Gasthof gehen, wo er einen Schmaus bestellt hatte.

Voß wurde bald nachher zum Rector in Otterndorf gewählt. Da er bei dieser Stelle alle seine Lieblingsbeschäftigungen als Nebenzweck in den Hintergrund zu stellen hatte, um täglich sechs Stunden Schulunterricht zu ertheilen, so wurde ihm der Entschluß schwer. Dagegen bestimmte ihn die Pflicht, als Familienvater einen schweren Anfang nicht zu

scheuen. Noch wenige Wochen waren ihm in Wandsbeck vergönnt; am leßten Tage, als man mit Einpacken beschäftigt war, fuhr eine Kutsche vor, aus welcher Lessing, Campe und Claudius stiegen. Da Voß Lessing früher einmal gesehen und oft den Wunsch ausgesprochen hatte, sich länger mit ihm zu unterhalten so ließ er sich überreden, die Fahrt mit den Herren nach Hamburg zu machen. „Eines vorzüglich angenehmen Abends bei Büsch, erzählt Ernestine Voß, 1) erinnere ich mich noch, wo Lessing in einer nicht kleinen Gesellschaft durch seine lebhafte Unterhaltung die Aufmerksamkeit Aller auf sich zog. Er war damals schon kränklich und mitten im Gespräch überfiel ihn ein unwiderstehlicher Schlaf. Seine Stieftochter gab nicht zu, daß das Gespräch unterbrochen wurde, da ein solches Aufmerken auf ihn ihn immer verstimmte. Er hatte den Kopf auf den Tisch gelegt; als er erwachte, war er verlegen, seine schönen hellen Augen hatten allen Glanz verloren, und er redete wehmüthig mit Klopstock, der neben ihm saß, über diese Schwäche, von der er durch die Reise Heilung gehofft hatte.“

Ueberblicken wir an dieser Stelle, wo wir Voß in einen praktischen Beruf übergehen sehen, seinen Bildungsgang. Er ging in seiner poetischen Bildung von Klopstock aus, an den der ganze Bund sich an

1) Briefe 2, S. 44.

lehnte, und läßt nicht undeutlich die Absicht merken, fich, wie er an Brückner schreibt, zwischen Klopstock und Ramler als lyrischen Dichter einzuschieben. 1) Daher tragen die ersten lyrischen Dichtungen Voßens ein Klopstock'sches Gepräge der Form wie dem Inhalte nach. Klopstock hatte seine poetischen Formen den Alten entlehnt, durch sie hatte er den Reim verachten gelernt, den er mit großer Uebertreibung ein plumpes Wörtergepolter, einen schmetternden Trommelschlag, ein lärmendes Gewirbel nennt. 2) An ihn lehnte sich Voß in seinen ersten Dichtungen an. „Dank unsern Dichtern,“ ruft Klopstock in der genannten Ode an Voß aus;“ da sich des Krittlers Ohr, fern von des Urtheils Stolze verhörte, verließen sie mich nicht, und fangen ohne den Lärm, im Ton des Griechen.“ Klopstocks Herz schlug für die deutsche Freiheit, die er in seinen Oden besang, er weissagte, daß nach einem Jahrhundert Deutschland frei sein und Vernunftrecht vor dem Schwertrecht gelten werde, er möchte dem Vaterlande sein Leben opfern, und wünscht desselben werth zu sein. Diesen Inhalt finden wir auch vielfältig bei Voß, was statt vieler andern die Oden „An Teuthart“ und „mein Vaterland" beweisen.

Da nun Klopstock in seinem ganzen Wesen und

1) Briefe 1, 88. 2) Ode an Voß; Klopstocks Werke Leipz. 1798. 2, S. 77.

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