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Briefe an Voß (Wöllmershausen 31. März 1778) nur „mit dem eisernen Zepter der Nothdurft, das

Stückle mir gerade so unrecht nicht zu sein scheint, nicht länger zurückhalten. Das englische Stückchen Come live with me and be my love pp. wornach sie gemacht ist, wird Ihnen nicht unbekannt sein. Mir deucht, Miller hat auch eine Nachahmung oder Ueberseßung versucht, die in Ursinus Balladensammlung steht. Die hab' ich jezt nicht bei der Hand, daher ich denn auch nicht weiß, ob Millers Arbeit der meinigen nicht lieber zu Hause zu bleiben räth. Sie müssen das beurtheilen. Noch werden Sie wohl das Lied an die Nymphe des Regenbogens von mir revidirt zum Alm. erhalten. Ich warte aber erst auf ein Exemplar von Boien, weil meine Kladde so confus ist, daß ich das Ding nicht zusammenbringen kann.

Ihre Kyklopen, oder wie ich immer lieber nach der nun schon seit tausend Jahren bis zur Gewohnheit und andern Natur gestimmten alter Leier sage, Ihre Cyklopengeschichte aus der Odysse scheint mir vortrefflich zu schein. Aber mit dem Original habe ich sie leider! noch nicht vergleichen können. Ich habe meinen schönen kleinen niedlichen Taschen - Homer auf einem Spaziergange verloren und zwar nach 14 Tagen wiedergefunden, aber von Wind und Wetter durchaus verhunzt. Darüber hab' ich nun alleweile unter meinen Büchern überall keine Odyssee. Billig hätten die Elemente, wie das Feuer vor Johann Arends Paradiesgärtlein oder Müllers himmlischem Liebeskuß, auch hievor Respect haben sollen. Lassen Sie ja den Gedanken, die Odyssee zu verteutschen, zum unumstößlichen Vorsaß werden. Wenn alle Biedermänner sich so nach meiner Ilias sehnen, wie ich mich nach Ihrer Odyssee, so bin ich geborgen.

Wer hat Ihnen weiß gemacht, daß ich Verfasser der Dido sei? können Sie denn nicht lesen? Es steht ja Bamberg

seinen Nacken darnieder beuge," entschuldigen. Bürger gab diesen Almanach bis zu seinem Tode (1794) heraus und nach demselben seßte ihn Karl von Reinhard, der Freund Bürgers und Herausgeber seiner Werke, noch bis 1804 fort, wo er einging. Voßens Almanach dauerte bis 1800.

Da Voß die Einnahme des Musenalmanachs, wie er an seine Braut schreibt, für gewisser hielt als alle Professionen und manche Aemter, so war er entschlossen zu heirathen, da ihm Stolberg die Uebersehung der Ilias geschenkt hatte, und er mit deren Ertrag die erste Einrichtung der Wirthschaft zu machen hoffte. Indessen fand sein Plan keine Zustimmung bei der Mutter seiner Braut, welche eine unüberwindliche Abneigung zeigte, ihre Tochter einem Manne zu geben, der kein Amt habe, und Ernestinens

darunter! Wie kämen denn ich und Bamberg zusammen? ergo! øder ergel! um mit dem Todtengräber im Hamlet zu reden.

Umarmen Sie Claudius für mich. Ich Armer hab' ihn auch bei seiner zweiten Durchreise durch Göttingen nicht von Angesicht zu Angesicht kennen lernen. Mein Schwiegerwater war damals kaum verschieden; lag auf der Streu, und ich wußte nicht, wo mir Kopf oder Füße saßen.

Ihr junges Weibchen das versteht sich, daß Sie das so lange in meinem Namen küssen, bis ich einst so glücklich werde, dies in eigner Person, ohne Anwald, thun zu können. Daß dies noch einmal auf der Oberwelt geschehen werde, hoffet Ihr

treuer Bürger.

Schwager, der Buchhändler Jeffen trug viel zu der Abneigung der Mutter bei, indem er erklärte, einem Manne, der Verse mache, könne man so wenig gründ liche Kenntnisse, die zu einem Amte berechtigten, als beständige Neigung zutrauen. Im Frühling des Jahres 1777 kam indessen Voß nach Flensburg mit dem Entschlusse ohne Ernestine nicht zurückzukehren, ein Entschluß, der dadurch noch fester wurde, daß er seine Braut sehr angegriffen fand. Diese hatte durch die Abneigung, welche ihre Mutter vor der Heirath mit einem amtlosen Manne zeigte, um so mehr ge= litten, je mehr Voß die Verbindung wünschte; in ihrer Unruhe hatte sie Klopstocks Nath über die Heirath erbeten, welcher schrieb, daß Voßens Zustand, so lange er vom Musenalmanach und einigen kleinen Nebenverdiensten lebe, sicherer sei, als gewöhnlich der Zustand der Kaufleute.1) Die Schwierigkeiten, welche die Mutter machte, wurden endlich überwunden, die Ausstattung vorbereitet, und Voß sezte sich ebenfalls in Thätigkeit, indem er rüstig an der Ueberseßung der Odyssee arbeitete. „Da fing unser schönes Leben,“ er= zählt Ernestine Voß in der Beschreibung dieser Zeit, „zuerst an, wo ich Theil nehmen durfte an seiner Arbeit, und wo ich Sig und Stimme erhielt, indem er meinte, es würde ihm leichter bei einer Schwierigkeit, wenn er sich aussprechen könne.“ Dies

1) Der Brief ist abgedruckt in Voßens Briefen 1, 329.

Leben dauerte 8–9 Wochen. Im Juni war die Hochzeit. Die jungen Eheleute traten die Reise nach Wandsbeck an und reisten über Kiel, weil Voß an Ort und Stelle zu beurtheilen wünschte, ob er die ihm von mehreren Seiten gemachte Hoffnung, dort eine Anstellung bei der Academie zu bekommen, noch unterhalten dürfe. Er sah die Sache bald als abge= schnitten an.

In Wandsbeck führten die jungen Eheleute ein beschränktes aber glückliches Leben; da Jessen, der die Stolbergsche Ilias für 400 Thaler in Verlag genommen, kein pünktlicher Bezahler war, blieben ihnen für ihre erste Einrichtung nur 100 Thaler. Besuche von Hensler, der damals Physikus in Altona war, und von Klopstock und Claudius waren erheiternd. Ein seltsamer Gast kam aus der Schweiz. „Zu dieser Zeit,“ erzählt Erneftine Voß, 1) traf der Schweizer Kaufmann ein, von dem Lavater in seiner Physiognomik so großes Wesen gemacht, und ihm, ich meine, den ersten Plaz nach Christus gegeben hat. Es war ein schöner, sehr kräftiger Mann, der alles, was er redete in dunkle oft derbe Worte hüllte und doch Alle einzunehmen wußte. Aus seinen Reden follte man den Schluß ziehen, daß er, troß seinem jugendlichen Ansehn, schon mit einem Menschenalter vor uns in Berührung gestanden und bestimmt sei,

1) Briefe 2, S. 21.

noch lange nach dem jezigen Geschlecht fortzuwirken. Er behauptete, fast gar keinen Schlaf zu bedürfen, aß nichts als Vegetabilien und trank nur Milch und Wasser. Er hatte einen jungen Mann bei sich, der in seiner Gegenwart nicht reden durfte und den ganzen Tag schreiben mußte, weil sich bei Kaufmann die Gedanken so drängten, daß er nur dictiren konnte. Eine Menge Briefe hatte der Bote jeden Tag nach Hamburg zu bringen und zu holen. Auch Arzt be= hauptete er zu sein, dem kein Kranker, der Zutraun hätte, stürbe, und wirklich machte er einige Kuren, die in Verwunderung seßten. Von seinen Heldenthaten in Persien erzählte er gern; daß er auch in Weimar Beifall gefunden, konnte ein ihm vom Herzoge geschenkter Wagen beweisen. Wir glaubten dies und manches andere, was wir späterhin zu glauben aufhören mußten. Merkwürdig war es mit anzuhören, wie Voß und Claudius fich allerlei Zweifel über diesen Wundermann mittheilten und wie doch jeder beslissen war, ihn gegen den andern in Schuß zu nehmen."

Daß Kaufmann auch in Weimar war, erzählt auch Wachsmuth in seinem Buche: „der Weimarer Musenhof." Göthe nannte ihn einen Lump. Er erinnerte lebhaft an eine Zeit des vorigen Jahrhunderts, wo Teufelsbanner, Alchymisten, Wasserbeschauer und Wunderthäter an der Tagesordnung waren, wo Gaßner und Schröpfer Zauberkunst übten, und

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