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zu können glaubt, 1) so übernahmen es die Stolberge, die zu ihrer Mutter nach Altona gereist waren, dem Sänger des Meffias eine Schilderung von dem Bunde zu machen; auch war ein Buch voll Gedichte mitgesandt worden, damit Klopstock urtheile, wer von den Bundesgliedern Genie habe, und wer nicht.2) Klopstock, damals mit der Herausgabe der Gelehrtenrepublik beschäftigt, bei welcher er auf die Theilnahme und Begeisterung der deutschen Jugend rechnete, war erfreut über die Annäherung des Bundes: „er hat, wie Voß an Brückner schreibt, 3) seinem Buchhändler geschrieben, uns die Bogen seiner neuen Gefänge des Messias gleich nach dem Drucke zu schicken, die denn der Deutscheste zuerst lesen soll. Da wirds aber Streit geben!

Als Voß den Messias gelesen hatte, war seine Begeisterung für Klopstock nur noch erhöht, und er schrieb an Brückner: 4) „O welch' ein Mann ist Klopstock! ein Prophet, ein Engel Gottes kann nicht mehr die Seelen durchbohren, als unser Klopstock! Von Erstaunen zu Erstaunen reißt der sechszehnte Gesang, und der nächste zerschmelzt in himmlisches Entzücken!“ Diese Begeisterung Vossens und des Bundes für Klopstock sollte in der Feier seines Geburtstages am lautesten an den Tag gelegt werden; die Bundesglie

1) Briefe 1, 148. 2) Briefe 1, 136. 3) Briefe 1, 124. 4) Briefe 1, 133.

der wollten, wie Voß an Ernestine Boie schreibt, 1) dem großen Sänger des Messias und Deutschlands ein Jubelfest feiern, und Boß fordert seine Freundin auf, an diesem Tage an den unsterblichen Mann zu denken, der ihre Anbetung verdiente, wenn sie nicht Christen wären. So wurde denn von dem Bunde der Geburtstag Klopstocks herrlich gefeiert. Gleich nach Mittag kamen sie auf Hahns Stube, die die größte war, zusammen. „Eine lange Tafel,“ schreibt Voß, war gedeckt, und mit Blumen geschmückt. Oben stand ein Lehnstuhl ledig für Klopstock, mit Rosen und Levkojen bestreut, und auf ihm Klopstocks fämmtliche Werke. Unter dem Stuhl lag Wielands Idris zerrissen. Jezt las Cramer aus den Triumphgefängen, und Hahn etliche sich auf Deutschland be ziehende Oden von Klopstock vor. Und darauf tran= ken wir Kaffee; die Fidibus waren aus Wielands Schriften gemacht. Boie, der nicht raucht, mußte doch auch einen anzünden und auf den zerrissenen Joris stampfen. Hernach tranken wir in Rheinwein Klopstocks Gesundheit, Luthers Andenken, Hermanns Andenken, des Bunds Gesundheit, dann Eberts, Göthens, Herders u. s. w. Klopstocks Ode „der Rheinwein" ward vorgelesen; und noch einige andere. Nun war das Gespräch warm. Wir sprachen von Freiheit, die Hüte auf dem Kopf, von Deutschland, von Tu

1) Briefe 1, 143.

gendgesang, und du kannst denken, wie. Dann aßen wir, punschten und zulezt verbrannten wir Wielands, Idris und Bildniß. Klopstock, er mags gehört oder› vermuthet haben, hat geschrieben, wir sollten ihm eine Beschreibung des Tags schicken.“ 1)

Wenn die jungen Dichter neben Klopstocks Gesundheit auch auf Hermanns Andenken tranken, so. stammt die Begeisterung für denselben erst aus der

*) Voß hat diesen Tag noch einmal geschildert und zwar dreißig Jahre später in dem Leben Höltys S. XXXII.: „Im Sommer 1773 feierte man Klopstocks Geburtstag. Alle, selbst unser Hölty in Feierkleidern, sezten sich des Nachmittags auf Hahns Zimmer um einen Tisch, der mit Flaschen voll Rheinwein blinkte; am obern Ende stand ein Lehnstuhl, worauf Klopstocks Werke lagen. Aus den Oden ward vorgelesen. Vater Klopstock und Vater Rhein machten die Unterhaltung warm; man schwebte in Höhen der Begeisterung; man blickte mit edlem Unwillen auf den Leichtsinn, der damals Ernst und Gefühl für Großes hinwegtändelte. Der verständige Voie suchte Entschuldigung; man ward heftger. Einer trug die komischen Erzählungen herbei. Verbrennt! rief es umber und sogleich loderte die Flamme auf. Hier anch, rief ein Anderer, das Fraßengesicht aus dem Taschenbuch! Ein Jubel entstand, da dreimal das arme Bild von der Hize wieder auffuhr. Der plögliche Vorfall, der nichts als ein jugendlicher Muthwille gegen den Mißkenner des Desipere in loco war, endigte damit, daß Boie lächelnd die Unbändigkeit verwies. Durch un-vorsichtige Mittheilungen, man weiß nicht von wem, entspann sich der sinnreiche Bardenmythos, woran die gelehrten Herren den Wiß übten; indeß die Jünglinge dem damals lärmenden Bardengetön durch Spottgedichte entgegenstrebten.“

Liebe zu Klopstock; auch die Art wie Voß seine Be geisterung für Deutschland in dieser Zeit in seinen Gedichten äußert, lehnt sich durchaus an Klopstock an und sein Deutschthum war, wie Bruß richtig be merkt, mehr provinziell und niederfächsisch als wirklich deutsch. Denn wie Klopstock in der Ode „Kaiser Heinrich seinen Haß gegen Karl den Großen ausgedrückt hatte:

„Bist Du, der Erste, nicht der Eroberer

Am leichenvollen Strom? und der Dichter Freund? Ja, Du bist Karl! Verschwind', o Schatten, Welcher uns mordend zu Christen machte;

so richtete auch Voß in seiner Ode an Stolberg seinen Zorn gegen Karl:

„Der Sclavenkette Geraffel .

Der Franke (Fluch dir o Mönch, der ihn
Den Großen pries!) um unsere Nacken

Schlang, als mit triefendem Stahl der Wüthrich

In unsre Heimath stürzte, die Druden vor
Der Irmensäule würget', und Wittekind,
Statt Wodan! seinen Wurmstichbildern
Rüche der Opfer und Gold zu weihn zwang.
Verderben brütend laurte schon dazumal
Roms Gößenpriester! Ha, der Bezwinger kroch
Zu deinem Stuhl und schenkt', o Hermann!
Deinen Cherusker dem Welttyrannen!“

Der Musenalmanach, welchen Boie damals herausgab, bot den jungen Dichtern die Gelegenheit dar, ihre Oden und Lieder gleich gedruckt zu sehen; was Voß betrifft, so wurde an dem Minneliede „der Holdseligen fonder Wank“ W. S. 153) von der allgemeinen deutschen Bibliothek ein gewiffer Neologismus in scheinbar ächter altdeutscher Manier getadelt. Voß war zu demselben, wie er an Brückner schreibt, 1) durch Walther von der Vogelweide und Ulrich von Lichtenstein entzündet, gesteht aber zu wissen, daß er eigentlich kein Liederdichter werden könne. In Boies Almanach von 1773 hatte ferner von Voß ein Gedicht der Winter" gestanden, an welchem in Wielands Merkur Schwulst, eine Menge Beiwörter und die ohne Absicht lange Beschreibung des Winters getadelt wurde, eine Recension, die Voß selbst2) vernünftig nennt, und hinzufügt, daß die zu sclavische Nachahmung des Horaz fich für keinen Deutschen schicke.

Die jungen Dichter fanden im weiten Umkreise des Vaterlands eine Anerkennung und Theilnahme, welche ihnen in Göttingen selbst verweigert wurde. Man denke an die Beschaffenheit der göttinger Universität, welche zum Nüßen der historischen Wissenschaften gegründet war, welche nicht allein die Philosophie von sich ausschloß und noch gegenwärtig ausschließt, sondern auch die sogenannten schönen

1) Briefe 1, 137. 2) Br. 1, 137.

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