Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft: eine sprach-philosophische Untersuchung

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Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1904 - 98 Seiten
 

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 51 - Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Tätigkeit (Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische sein. Sie ist nämlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen.
Seite 65 - Für uns aber ist nicht die Sprache mit ihren Lauten autonom, sondern der Geist, der sie schöpft und formt und bewegt und in all ihren kleinsten Einzelheiten bedingt. Die Aufgabe der Sprachwissenschaft ist darum gar keine andere als die : den Geist als die alleinig wirkende Ursache sämtlicher Sprachformen zu erweisen. Auch nicht die kleinste akustische Nuance, auch nicht die...
Seite 91 - Sprache. Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen! Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr.
Seite 92 - Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache, Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein?
Seite 40 - Eine Sprache als Konvention und Regel betrachten, heißt also, sie unwissenschaftlich betrachten. Ergo ist Syntax überhaupt keine Wissenschaft — so wenig als Flexionslehre und Lautlehre. Dieses ganze Feld grammatischer Disziplinen ist ein von nimmermüden Positivisten angelegter unermeßlicher Kirchhof, wo allerhand tote Sprachteile in Massen- und Einzelgräbern hübsch gebettet liegen, und die Gräber sind mit Aufschriften versehen und numeriert. — Wem hat nicht schon der Modergeruch dieser...
Seite 68 - Es erben sich Gesetz- und Rechte Wie eine ewge Krankheit fort, Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte, Und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh dir, daß du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist leider nie die Frage.
Seite 12 - ... Sprachentwicklung tatsächlich Geltung hat, so müssen sämtliche Erscheinungen, die von den unteren Disziplinen, als da sind: Lautlehre, Flexionslehre, Wortbildung und Syntax, aufgezeichnet und beschrieben werden, ihre letzte, einzige und wahre Erklärung in der obersten Disziplin, dh in der Stilistik, finden. Die sogenannte Grammatik muß in die ästhetische Betrachtung der Sprache ganz und restlos aufgelöst werden*.
Seite 63 - Sprache, und wo immer das unmittelbare Verstehen der Sprache jemandes durch die eigene Sprache wegen abweichenden Klanges der nämlichen Wörter oder wegen verschiedenen Sinnes der Wörter aufhört, liegt gesonderte Sprache oder Mundart vor.
Seite 68 - Und es wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt, Und will sich nimmer erschöpfen und leeren, Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

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