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VII. Abschnitt.

Das Feldzugsjahr 1601. Russworm Feldmarschall. Eroberung und Schlacht von Stuhlweissenburg, Russworms Antheil. - Belagerung von Kanizsa. Russworm führt Verstärkungen dahin.

Die Friedensunterhandlungen, welche die Türken wie im verflossenen Jahre, um Zeit zu gewinnen, zu Anfang 1601 anknüpften, hatten sich endlich zerschlagen. Am kaiserlichen Hofe ward beschlossen, den Feldzug mit den Belagerungen von Kanizsa und Stuhlweissenburg zu eröffnen.

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Dasjenige Heer, bei welchem sich unser Held, der Feldmarschall Christoph Russworm, befand'), und welches der Herzog Mercoeur befehligte, sammelte sich bis zum Monate September zwischen Raab, Comorn und Gran hinter der Donau. Am 9. des genannten Monates wurde Stuhlweissenburg eingeschlossen, und die Laufgräben noch in derselben Nacht eröffnet. Am folgenden Tage recognoscirte der Herzog die mit einem tiefen Wassergraben mit mehreren Schanzen umgebenen Vorstädte und ordnete für die nächste Nacht einen allgemeinen Sturm an. Um 2 Uhr nach Mitternacht begannen laut der Relation der Feldmarschall Russworm und der Oberst Althan auf einer Seite den Angriff, setzten über den Graben und drangen in die Vorstadt ein. Sie gaben nun mit Trommeln und Trompeten das verabredete Zeichen, worauf die übrigen Oberste mit ihren bereit gehaltenen Regimentern stürmten und die andern Vorstädte ohne grossen Verlust einnahmen. Die Türken wichen nun in die Festung zurück, welcher der Pascha' von Ofen einen Entsatz zuzuführen versuchte. Ehe dieser jedoch ankam' liess Mercoeur die Feste stürmen und eroberte sie auch nach hartnäckiger Gegenwehr der Besatzung. Abermals hatte hierbei Russworm Talent und unerschrockenen Muth bewiesen.

Dem Erzherzog Ferdinand (dem nachmaligen Kaiser Ferdinand II.), welcher mittlerweile vergebens Kanizsa belagert hatte, sollte nun die Hauptarmee zu Hilfe eilen; schon war der Befehl zum Aufbruch gegeben, als die Nachricht eintraf, dass eine starke türkische Armee zur Wiedereroberung Stuhlweissenburgs im Anzuge sei.

Den ersten Stoss der Feinde hielt Russworm aus, denn er schlug sich am 9. October wacker mit der Vorhut der Türken herum.

Tags darauf rückte diese gegen das kaiserliche Heer an, welches seine Stellung südlich von Stuhlweissenburg genommen und wohl verschanzt hatte, wurden jedoch anfänglich von Russworm, welcher ihnen mit 2000 Reitern entgegenzog, zurückgeschlagen.

Da er aber zu schwach war, um dem Andrange der immer zahlreicher

1) Die Ereignisse der Feldzüge 1601 und 1602 sind ganz nach den Originalacten des k. k. Kriegsarchives geschildert; bei den vorhergehenden und jenen des Jahres 1603 mussten wir aber aus gedruckten Quellen,. die wir nach Möglichkeit richtig zu stellen versuchten, schöpfen, da in den Original-Berichten Russworms Persönlichkeit sehr unbestimmt hervortritt, für das Jahr 1603 aber alle Acten zu einer Darstellung der Campagne fehlen.

werdenden Türken zu widerstehen, eilte ihm der Oberstlieutenant Kolonitsch zu Hilfe. Beide vereint fielen nun den Feind entschlossen an und warfen ihn neuerdings zurück. Hingerissen von einem ungestümen Muthe, verfolge diese von Fussvolk ganz entblösste Reiterei die Türken, bis sie auf einen Hinterhalt von Janitscharen mit Geschützen gerieth und zum Weichen gezwungen wurde. Durch diese Bewegung und den ausserordentlichen Verlust geriethen sie in Verwirrung und waren auf dem Punkt, von dem durch stets neue Truppen verstärkten Feinde umringt zu werden, als Mercoeur seinem Feldmarschall zu Hilfe eilte und die Osmanen entscheidend schlug. Trotz dieser Niederlage versuchten dieselben drei Tage später abermals einen Angriff auf das kaiserliche Heer, und nur den vereinten äussersten Anstrengungen sämmtlicher Commandirenden, sowie der hartnäckigen tapfersten Wehr ihrer Truppen verdankte der Erzherzog Mathias den errungenen Sieg. Namentlich hatte sich in dem blutigen Gefechte Russworm der den rechten Flügel befehligte durch besondere Entschlossenheit hervorgethan.

Mathias sah ein, dass er in der bisherigen Stellung vor Stuhlweissenburg sich nicht länger mehr halten könne, ohne die ohnedies schon sehr zusammengeschmolzene Armee einem sicheren Untergange auszusetzen. Man beschloss daher dieselbe in eine neue Position zu führen, welche in einem günstigeren Terrain, aber immer noch so nahe der Festung gelegen sei, dass selbe unterstützt werden könnte. Den 15. October wurde dieser Beschluss auch ausgeführt. Die Türken, welche den Zug des kaiserlichen Heeres wohl beobachteten, liessen sich eine Gelegenheit, die ihnen gestattete, eine in der Bewegung begriffene Colonne anzugreifen, nicht entgehen. Russworm und Mercoeur stellten sich ihnen mit einzelnen Detachements entgegen und wiesen alle Angriffe ab; ihrer Einsicht verdankte der Erzherzog die Durchführung des im Kriegsrathe gefassten Planes. Das Heer bezog mit Anbruch der Nacht den mit Blut errungenen Lagerplatz, dessen natürliche Stärke sogleich durch Verschanzungen vermehrt wurde.

Im Lager der Türken war plötzlich eine Verwirrung und Muthlosigkeit eingerissen, die noch dadurch erhöht wurde, dass die Janitscharen den Gehorsam aufkündeten und in förmliche Empörung geriethen, so dass dem Grossvezier trotz aller Versprechungen kein anderer Ausweg, als Abzug blieb.

Nachdem die Kunde hiervon auch dem Erzherzog Mathias zugekommen, versammelte er am 24. wieder einen Kriegsrath, um zu berathschlagen, auf welche Art dem Feinde bei seinem Abzuge der grösstmögliche Schaden zugefügt werden könnte. Der Herzog Mercoeur erbot sich, mit 2000 Reitern dem Feinde auf seinem Rückzug zu folgen und ihn bei jeder sich darbietenden Gelegenheit zu beunruhigen. Russworm dagegen machte den kühnen Vorschlag, das türkische Feldlager auf drei Seiten anzugreifen, um des Feindes Abzug zu beschleunigen. Allein die Meinungen dieser zwei tüchtigen Generale wurden von den übrigen heftig bestritten und von der Mehrheit entschieden: des Feindes Abmarsch ruhig abzuwarten und die mit

Anstrengung und Glück errungenen Vortheile nicht dem Ungefähr Preis zu geben. Ein abermaliger Beweis, dass ein Kriegsrath blos berathend, nicht. aber durch Stimmenmehrheit entscheidend und für den obersten Feldherrn bindend sein soll, da Furcht vor Verantwortung, die im letzten Falle jeden einzelnen Beisitzer trifft, kühnen und kräftigen Entschlüssen im Wege steht. Am 25. October nach Mitternacht brach der Feind in grösster Stille aus seinem Lager auf, steckte es in Brand und zog gegen Adony. An einem Defilé, nicht weit vom kaiserlichen Lager blieb die türkische Nachhut stehen, um den Rückzug zu decken. Russworm und Kolonits eilten auf Befehl Mathias, sogleich mit Cavallerie nach und stiessen auch bald auf einen Haufen von 400 Mann. Man erwartete ein Gefecht. Doch statt dessen begehrten die Türken auf Treu und Glauben eine Unterredung mit dem Commandirenden der Deutschen. Sie wurde zugestanden, und es erschienen hierauf mehrere Türken vor Russworm und baten ihn: „allen Haupt- und Rittersleuten, die sich im christlichen Heere befänden, von ihnen auszurichten, dass sie (die Türken) ihnen viel Glück wünschten und hofften, inan würde ihnen auch nicht weniger wünschen. Die kaiserlichen Kriegsleute hätten sich diesmal so wohl und ritterlich gehalten, als die Türken vorher noch niemals erfahren. Sie ihrerseits hätten sich auch gut gehalten, dennoch aber grossen Verlust erlitten, die Schlacht verloren, wie dies den Deutschen ohnedem wohl bewusst wäre, indem sie ihnen Stuhlweissenburg und das Schlachtfeld frei lassen und abziehen müssten. Man sollte sich aber auf den künftigen Frühling gefasst machen; denn sie wollten entweder wieder Stuhlweissenburg erobern, oder die Christen müssten ihnen Ofen wegnehmen." Hierauf wünschten sie dem christlichen Heere nochmals Glück und zogen von dannen.

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Diese rührende, selbst dem stolzen Feinde abgedrungene Anerkennung der deutschen Tapferkeit ist wohl das schmeichelhafteste Lob, welches den Anführern und Kriegern jenes Feldzuges gezollt werden konnte, und macht. beiden Theilen gleich viel Ehre.

Nach dem Abzuge der Türken blieb Erzherzog Mathias noch einige Tage in seinem Lager stehen und verstärkte die Besatzung von Stuhlweissenburg; gleichzeitig langten Abgeordnete des Erzherzogs Ferdinand aus dem Lager von Kanizsa an, welche dringend um Verstärkung ersuchten.

Auf diese Bitte ward Russworm mit etwa 4000 Mann Fussvolk und 2000 Reitern dahin abgeschickt, wo er am 14. November eintraf. Erfreut empfingen die Belagerer die Verstärkung, deren Commandant bei der ersten Recognoscirung bemerkte, wie mangelhaft und ungeschickt die bisherigen Massregeln des italienischen Generalstabs, welchen der Erzherzog um sich hatte, waren. Nichts destoweniger zeigte Russworm den Muth, die Belagerung fortzusetzen. In dem ersten gehaltenen Kriegsrathe mussten die Fremden, unter den Vorwürfen des übrigens selbst unerfahrenen Erzherzogs, voll Beschämung ihre geringen und erfolglosen Anstrengungen eingestehen. Russworm, um seine Meinung befragt, erklärte sich in einer wohl ausge

nenen Rede, welche der Livius der Magyaren, Niclas Isthvanfy, bei seiner

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sonstigen Wahrhaftigkeit nur einem gebildeten und beredsamen Manne in den Mund legen konnte, bereit das Äusserste zu wagen, Er tadelte freimüthig die saumseligen Anstalten der Welschen, welchen jetzt der Grimm des Winters über den Hals gekommen sei, und geloble, wenn man mit Verwerfung aller bisher in Scene gesetzten Anstalten nach seiner Weise die Belagerung fortsetzen wolle, sein und der Seinen Leib und Leben daran zu setzen, um der von ihm gehegten Erwartung zu entsprechen. Aber die bequemen Welschen hatten keine Lust zu thun, was der kühne Deutsche wollte, und da sie sich nach Ruhe sehnten, so wussten sie auch wie immer die Oberhand zu erringen und es durchzusetzen, dass man die Belagerung aufhob. Es geschah dies mit solcher Eile, dass bei einem plötzlich hereinbrechenden Unwetter mehr als tausend Reiter umkamen. Russworm, welcher, um rasch zur Unterstützung des Erzherzogs zur Hand zu sein, bei seinem Marsche von Stuhlweissenburg die Zelte und sonstigen Lagerbequemlichkeiten zurückgelassen hatte, beschloss mit seinem Obersten Herberstein die eigenen Pferde herzugeben, um nur gewiss die Geschütze mitschleppen zu können, welche die schelmischen Italiener stehen lassen wollten. Da sie aber Zugseile, Ketten und Stricke verborgen hatten, so blieben zur Schande der Kaiserlichen nicht nur Kanonen, sondern auch Gezelte, Lagergeräth, Kutschen, ja selbst das Silbergeschirr und der rothsammtne Thron des Erzherzogs zurück. Lächerlich verlangten die feigen Welschen beim Rückzuge die Ehre der Avantgarde, um nur ja schnell vom Schauplatz des Verderbens, wo Omer Aga, der Commandant von Kanizsa, jeden Christenschädel mit Gold und Silber bezahlte, zu entkommen, während es sich Russworm zur Ehre rechnete, mit seinen deutschen Kriegsknechten die Arirregarde zu bilden. Der Rückzug der Kaiserlichen von Kanizsa im Jahre 1601 liefert ein kleines Seitenstück zu jenem der Franzosen im Jahre 1742 und 1812. Tausende von Kranken, Ermatteten. Ertrierenden wurden auf der Strasse dem nachfolgenden Feinde überlassen, Brücken, Eisdecken und Sümpfe brachen ein, jedes Gefühl der Menschlichkeit erstarrte in der Brust der Überlebenden. So schleppte sich der ordnungslose, stündlich verminderte Haufe unter wachsender Noth bis Pettau und Gratz, von wo die Welschen in ihre Heimath, Russworm sich nach Wien begab. Der Erzherzog dagegen eilte in seine Burg, wo er sich gegen das selbstverschuldete Missgeschick zu beruhigen versuchte, während seine durch die Gegenreformation zur Verzweiflung gebrachten Unterthanen in ihm die Hand Gottes mahnend erkannten. Denn Ferdinand ist derselbe Fürst, welcher als Kaiser den Ausspruch gethan: „Besser eine Wüste, als ein Land voll Ketzer," es war dies sein Wahlspruch fürs ganze Leben, das Motto, nach welchem er beinahe 40 Jahre regierte 1).

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1) Vehse: „Geschichte des österreichischen Hofes und Adels und der österreichischen Diplomatie. III. Bd., p. 129.

(Schluss folgt.)

Die Geschichte des Pferdes.

Eine kulturhistorische Studie von F. Ps.

(Fortsetzung.)

Das französische Pferd.

Die Nachrichten über die gallischen und germanischen Völker, welche Strabo, Dionysius und Andere mit dem Namen Kelten bezeichnen, so wie über die Britannier sind weit jünger als die über die meisten andern Völker; das aber, was wir von ihren Pferden wissen, reicht nur in eine noch viel jüngere Zeit herauf. Unter Tarquinius Priscus kamen die Kelten zuerst über die Alpen, später wurden sie von Camillus und P. Decius geschlagen und bei Dionysius und Hannibal finden wir gallische Hilfsvölker.

In Bezug auf ihre Pferde erfahren wir von Pytheas von Massilia, welcher zur Zeit Alexanders des Grossen gelebt hat und auf seinen Reisen bis zu ihnen vorgedrungen sein soll, leider gar Nichts.

Plutarch erzählt von der Wagenburg der Germanen, die von den Weibern mit verzweifeltem Widerstande gegen die Römer vertheidigt wurde, von den Thierköpfen, die sie auf dem Haupte trugen; und Florius. erwähnt, dass Teutobochus, König der Teutonen, über vier und sogar über sechs Pferde hinweg springen konnte. Cäsar und mehrere Schriftsteller nach ihm geben genauere Nachrichten auch über ihre Pferde, Wagen und ihre Reiterei. Da aber eben Cäsar auch erwähnt, dass die Gallier den Mercur wahrscheinlich Wodan für den Erfinder aller Dinge hielten, so ist vorauszusetzen, dass sie auch die Erfindung des Reitens und Fahrens auf ihn zurückführten und schon seit vielen Jahrhunderten das Pferd gezähmt und zum Gebrauch für den Menschen abgerichtet hatten.

Viele Völkerschaften in Gallien und Germanien wie z. B. die Tencterer zeichneten sich durch eine gute Reiterei aus, und erbte bei diesen nicht der älteste Sohn, sondern der kriegstüchtigste die Pferde des Vaters. Die Helvetier und Britannier führten Streit- und Sichelwagen, lenkten sie sehr gut, und ihre kleinen unansehnlichen Pferde ertrugen anstandslos die Strapatzen.

Die deutschen Pferde waren nach römischen Begriffen unschön und klein, aber besonders bei den Chauken in Menge vorhanden; sie waren jedoch nicht alle so, und es gab auch einen grösseren und wahrscheinlich edleren Schlag. Sie mussten dreist und gelehrig sein, denn sie waren abge

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