Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Es ist ein beachtenswerther Zug zur Charakteristik jener unseligen Bürger- und Religionskriege, dass neben allgemein verbreiteter Frivolität und Ausschweifung eine rücksichtslos strafende Moral sich geltend machte. Hatte doch vor der Schlacht von Kutras Heinrich von Navarra im Angesicht seines Gefolges, auf die Mahnung eines eifrigen Geistlichen, seine Versündigung an der Tochter eines Officiers in Rochelle reumüthig auf den Knien bekannt und die verunehrte Familie zu entschädigen gelobt. So wissen wir auch von Carl von Mansfeld, dass er einen spanischen Hauptmann wegen gleicher leichtfertiger That hinrichten liess. Russworm, welcher wusste, dass der alte Liguistenhäuptling nicht zu scherzen verstand, begab sich daher, ehe er ereilt werden konnte, mit einem Dutzend Reiter ins Weite, und lebte mittelalterlich unabhängig auf eigene Faust. Wie ihn sein Stern in die Nähe von Amiens führte, schlug er seine Nachtherberge in einem Landhause des Maire unweit der Stadt auf, ganz nach der Weise, wie der Simplicissimus die Merodebrüder, und später Moscherosch in seinem „Traumgesichten Philanders von Sittewald" das Soldatenleben seiner Zeit schildert. Aber als die wilden Gäste unbesorgt kochten und brieten, ergriff eine Feuersbrunst das Gehöfte und lockte zum Löschen die Wachen der Stadt und einen Haufen Bürger heraus. Sie bemächtigten sich der Eingelagerten als Brandstifter, und Bassompierre, benachrichtigt von dem Fange, übergab Russworm dem Profossen um ihm, seiner Jugend und kriegerischen Tüchtigkeit ungeachtet, den Kopf abschlagen zu lassen. Doch fand der Bedrohte einen Retter an dem Commandanten der leichten Reiterei, einem gewissen Herrn Louis de l'Hôpital-Vitry, dem er früher Dienste erwiesen hatte, und welcher jetzt zur Vergeltung dem Freunde Gelegenheit zur Flucht verschaffte. Dass ein so tüchtiger und angesehener Mann den Fremdling vom Galgen rettete, gilt uns als Beweis, dass Russworm kein gewöhnlicher Kriegsgeselle gewesen sein müsse.

Da nun des Generals Vitry Name nur vom August 1589 bis zum Ende des Jahres 1593 in den Reihen der Ligue erscheint, Schwarzenberg ferners seit 1590 im spanischen Heere diente, und Bassompierre bei den Unfällen der Ligue schon vor Ende des Jahres 1592 nach Lothringen zurückgekehrt war, so kann man die erwähnten Erlebnisse Russworms zwischen die Jahre 1590 und 1592 setzen.

[blocks in formation]

Russworm, der einem schmählichen Tode entronnen war, flüchtete sich von Frankreichs unsicherem Boden nach den Niederlanden, wo er seinen Freund Adolf von Schwarzenberg als Befehlshaber eines Reiterregimentes

wusste. Dieser mochte seinen einstigen Lieutenant auch gewiss mit offenen Armen empfangen haben, denn zu Anfang des Jahres 1593 erscheint Russworm als Oberstlieutenant Schwarzenbergs, und ist also auch anzunehmen, dass er an dessen kriegerischer Thätigkeit einen lebhaften Antheil genommen habe. Für einen aufmerksamen jungen Kriegsmann, welcher sein Glück durch das Schwert machen wollte, war auf dem niederländischen Kriegsschauplatze viel zu lernen. Es hatte zwar die Grossartigkeit des Krieges nach dem Tode des berühmten Alexander Farnese aufgehört, aber dafür entwickelte sich rasch das bewunderungswürdige Feldherrntalent des jungen Moriz von Oranien-Nassau.

Ohne bedeutende Schlachten und Belagerungen übten sich beide Heere im kleinen Kriege, in unzähligen Anschlägen, Überfällen und Listen, dadurch eine neue Strategie und Taktik; in Nachahmung und Wetteifer ausbildend, Künste, welche bald durch ehrbegierige Lehrlinge gegen den Erbfeind der Christenheit mit Erfolg versucht wurden. Ins spanischniederländische, sowie ins nassauische Lager strömten von allen Enden Europas militärische Abenteurer, und unter ihnen ward Russworm bald mit Männern bekannt, welche seinem Geschick eine grossartige, schliesslich aber sehr tragische Wendung gaben. So befanden sich hier Carl von Mansfeld und sein Bastardbruder, der nachmals im dreissigjährigen Kriege so berühmte Condottiere; Georg Basta, hervorragend durch militärische Talente; Tilly, jetzt als Wallonenoberst, später siegreicher Feldherr der Liga, und der Graf Barbiano von Belgiojoso. Mit bildsamem Sinne wusste sich Russworm das Neue, Fremde anzueignen, aber Zucht und Sittenstrenge herrschte nicht überall, wie in der Umgebung Carls von Mansfeld. Meuterei, Aufstände und trotzige Selbsthilfe waren im spanischen Heere, namentlich unter dem schlechten Regimente des Erzherzogs Ernst, an der Tagesordnung, und im bunten Wechsel des Soldatengeschickes lernten die Jüngeren den Augenblick schätzen, wildes Behagen bei Wein, Weibern und Karten den gefährlichsten Umständen abgewinnen.

Als die Fackel des Bürger- und Religionskrieges in Frankreich allmälig niederbrannte, nur noch des gemordeten Guise Bruder und seine Vettern den Friedensanträgen und dem Waffenglück Heinrichs widerstanden, als der spanisch-niederländische Kampf eine zwar kunstgerechtere, aber ermüdendere Bahn verfolgte, ging an der Ostgrenze Österreichs ein gefährliches Feuer auf, welches die Schüler Parma's, Nassau's und Guise's zu einem Christenblut versöhnenden, würdigeren Streite rief.

Kaiser Rudolph II. sah sich in die Nothwendigkeit versetzt, einen Türkenkrieg mit dem Aufgebot aller seiner Streitkräfte aufzunehmen, da selbst ein jährlich der Pforte dargebrachtes, den Kaisertitel verunehrendes „Geschenk" der Frechheit und den steten Streifereien der Parteigänger an der ungarisch türkischen Grenze keinen Einhalt zu thun vermochte. Der Krieg hatte schon 1591 begonnen und ward Anfangs in den kleineren Kämpfen für Österreich glücklich geführt. Diese Erfolge aber reizten den Sultan Mu

rad III., der nun ein Heer unter dem Gross-Vezier Sinan ausrüsten liess, wie seit Suleiman keines im Felde gesehen worden.

Rudolf erbat sich jetzt von Philipp II. den berühmten Carl von Mansfeld zum Befehlshaber seines Heeres, der auch um so williger den ehrenvollen Antrag des Kaisers annahm, als er, des blutigen Krieges gegen Mitchristen überdrüssig, sein in der Jugend durch manch rasche blutige That beschwertes Gewissen im Kampfe gegen die Ungläubigen versöhnen wollte. Mansfeld war auch von Rudolph erniächtigt, tüchtige Befehlshaber und Kriegsleute aus den Niederlanden mitzubringen. An der Spitze von zweitausend solcher Reiter, die er für seinen neuen Herrn angeworben, befand sich Adolf von Schwarzenberg, und als dessen Oberstlieutenant unser Russworm. Beide betraten den deutschen Boden, um zu grossem Ruhm wie Ehren zu gelangen, und Beide sollten hier einen gewaltsamen Tod, jener den ehrenvollen vor dem Feinde, dieser leider auf dem Schaffote finden 1). Gewiss ist, dass Russworm schon drei seines Geschlechtes in den Diensten des Kaisers fand, als er selbst in dieselben eintrat. So war ein Hans Claus in den Jahren 1593 und 1594 Befehlshaber sächsischer Reiter in Ungarn; ferner erscheinen auch ein Johann Philipp Burkhard Hironymus und Homert von Russworm, die alle ihren Platz ehrenhaft ausfüllten.

[ocr errors]

Die Leitung der gesammten Kriegsmacht in Ungarn im Jahre 1594 war dein Erzherzog Mathias übertragen worden; unter seinem Befehle standen elwa 50000 Mann; Mansfeld ward zu seinem Oberstlieutenant" ernannt. Der Erzherzog eröffnete den Feldzug mit der Belagerung von Nowigrad, das sich am 12. März ergab. Die strenge Witterung und die schlechte Beschaffenheit der Strassen veranlassten jedoch Mathias, die Truppen, welche bereits gegen Gran in Marsch gesetzt worden, nach Comorn zurückzurufen und in Quartiere zu verlegen. Für den April wurde Raab zum Sammelplatz des Heeres bestimmt. Anfangs Mai wurden die Operationen, und zwar mit der Belagerung von Gran fortgesetzt. Feldmarschall Teuffenbach hatte den Auftrag erhalten, mit 20000 Mann Hatvan zu nehmen, zu dessen Entsatze der Bassa von Ofen und Hassan Beglerbeg von Griechenland mit 15000 Türken herbeieilten; aber Teuffenbach ging ihnen mit einem Theile seiner Truppen entgegen, schlug und verfolgte sie bis Pest.

Erzherzog Mathias war im Juni durch das Herannahen des Grossveziers, der die ansehnliche Macht von 100.000 Mann herbeiführte, genöthigt, die Belagerung von Gran aufzuheben und eine Stellung hinter der Donau zwischen Raab und Comorn einzunehmen. Der Grossvezier wendete sich zuerst gegen Totis, nahm Ende Juli diesen Platz und belagerte hierauf Raab. Auch Teuffenbach hatte sich, nachdem er einen zweiten Entsatz zwar zurückge

') Barthold lässt Schwarzenberg 1595 statt 1594 nach Österreich gelangen, was unrichtig ist; doch nimmt Schwarzenberg im letzteren Jahre noch keinen Antheil am Kampfe. Im letzteren Jahre schon am 28. Juni, wird Russworm das Antrittsgeld bewilligt. Gedb. d. Hofk. und die biographischen Skizzen über das Haus Schwarzenberg von Adolf Berger, im 4. Bde. der „österr. Militär. Zeitschrift" 1863.

wiesen, dagegen bei einem Hauptsturm grosse Verluste erlitten und nicht durchdrang, beim Herannahen des Grossveziers nach Kaschau zurückziehen müssen. Sinan Bassa erzwang sich im Monate September den lang verwehrten Übergang der Donau, worauf der Erzherzog gegen Altenburg zurückwich. Raab und Papa fielen in die Hände der Muselmänner. Der Vezier beschloss auch Comorn zu nehmen; als ihm aber Mathias mit einem durch die Truppen der ungarischen Insurrection und eine vom böhmischen Landtage bewilligte Türkenhilfe" verstärkten Heere entgegenrückte, zog Sinan Bassa ab und führte bei der vorgerückten Jahreszeit den grösseren Theil seiner Armee nach Constantinopel. Der Erzherzog konnte ihn nicht verfolgen, da ein Theil seines Heeres, besonders das ungarische Aufgebot, bald darauf eigenmächtig nach Hause ging, die deutschen Truppen aber wegen Geldmangels abgedankt werden mussten.

[ocr errors]

Welchen Antheil nun unser Russworm an den in Kürze erzählten Vorfällen dieses Feldzuges gehabt, lässt sich bei den gänzlichen Mangel an Nachrichten über ihn nicht constatiren. Da aber Adolf Schwarzenberg bei dem Heere des Erzherzog Mathias anwesend war, so kann wohl angenommen werden, dass Russworm, als dessen Oberstlieutenant, ebenfalls ein Augenzeuge erwähnter Ereignisse gewesen sei.

Im neuen Feldzugsjahre 1595 finden wir zwei Armeen in Ungarn aufgestellt, deren eine die Hauptmacht dem Namen nach vom Erzherzog Mathias, in Wirklichkeit aber vom Fürsten Carl von Mansfeld, die andere vom Erzherzog Maximilian, dem Teuffenbach zur Seite stand, befehligt wurde. Nachdem die Truppen aus den böhmischen und österreichischen Ländern, aus den Niederlanden, Italien und dem deutschen Reiche eingetroffen waren, belief sich das ganze Heer auf mehr als 65.000 Mann, darunter 14.000 Reiter. Im Jänner schon langte auch die Nachricht an, dass Sultan Murad III. gestorben, und ihm sein Sohn Mohammed III. 1) in der Regierung gefolgt sei.

---

Ungesäumt trat Mansfeld, dem der Ruf langjähriger Kriegserfahrung und was in damaliger Zeit besonders Noth that die Handhabung unerbittlicher Kriegszucht voranging, sein Amt an. Zur Seite standen ihm namhafte Führer aus aller Herren Ländern, unter welchen sich auch Adolf Schwarzenberg befand, dessen Bestallung als „Feldmarschall" sich schon in den Kriegs-Acten für dieses Jahr vorfindet.

Nach einer den Römern entlehnten Kunst liess Mansfeld bei Wieselburg ein festes Lager abstecken und mit Wällen und Gräben in fast unabsehbarer Ausdehnung umgeben; sein Beispiel, indem er selbst zu Pferde Faschinen herbeitrug, wirkte so mächtig auf das Heer, dass die vornehmsten Herren, wie der Markgraf Carl von Burgau bekanntlich ein Sohn Erzherzog Ferdinands von Tyrol und der schönen „Welserin“ — den Spaten rüstig handhabten, und selbst 600 Weiber des Lagers, unter ihnen manche

1) Nicht der II., wie bei Barthold.

[merged small][ocr errors]

Edeldame, emsig mitarbeiteten. Freilich hatte der Feldherr Eine, die sich weigerte, mit gebundenen Händen bis zur Hälfte eingraben, und einen ungarischen Reiter, der solcher Arbeit, die ihm die eines Bauern dünkte, sich schämte und das Reisbündel fortgeworfen hatte, auf der Stelle an den nächsten Baum hängen lassen. So entstand in wenigen Tagen ein einer festen Stadt ähnliches Lager für 80.000 Mann, in welchem Mansfeld die Ankunft der Hilfstruppen erwartete. Welche Ordnung in diesem Lager der Feldherr aufrecht zu erhalten verstand, mag man daraus entnehmen, dass die gemähten Garben des Aussenfeldes unberührt blieben, und die Landleute wie Krämer furchtlos ihre Waaren und Lebensmittel auf dem Lagermarkte gegen baares Geld feil boten. Um den Muth der neuen Kriegsleute zu erproben, liess Mansfeld von verkleideten Türken Scheinangriffe auf Feldwachen und Schanzen machen und bestrafte diejenigen, welche sich hierbei zaghaft bewiesen.

Auf diese Art bereitete er, als das Heer endlich vereinigt, Mansfeld zu Anfang Juni über die Donau gesetzt und weiter gegen Comorn gerückt war, in geheimnissvoller Stille seinen Anschlag auf die damalige Hauptlestung Gran vor, zu deren Erstürmung er nicht nur eine ansehnliche Macht, sondern auch alles nöthige Belagerungsgeräth in Bereitschaft hielt. Durch eine kleinere Abtheilung ward das befestigte Barban den Türken entrissen, und am 21. Juni stand das kaiserliche Heer vor Gran. Täglich flogen 16 bis 1800 Kugeln in die hartbedrängte Stadt, deren Vertheidiger jedoch beinahe einen ganzen Monat hartnäckigen Widerstand. leisteten. Plötzlich rückte ein etwa 16000 starkes Entsatzheer, geführt von Mustafa Pascha, Sohn des Grossveziers Sinan, heran, unter welchen sich auch 10000 Reiter, befehligt von den Beglerbegs von Ofen, Temesvar und Haleb befanden. Mansfeld war rasch entschlossen; er sass gerade bei der Mittagstafel in seinem Zelte es war der 4. August - als ihm das Andringen der Türken gemeldet wurde: augenblicklich sprang er auf mit den Worten:,,Wenn nicht hier, so werde ich im Lager der Feinde speisen." Der Geschichtschreiber dieses Feldzuges, Nikolaus Gabelmann, ein Augenzeuge desselben, ward ungesäumt an Adolf Schwarzenberg entsendet, der mit seinen Reitern seitwärts vom anrückenden Türkenheere zwischen dem Strazsaberg und dem Georgenfelde lag, um ihm den Befehl zum raschen Angriff zu überbringen. So wurde Mustafa Pascha von zwei Seiten furchtbar bedrängt und erlitt eine vollständige Niederlage. 4000 Türken deckten die Wahlstatt; 27 Kanonen, 20 Fahnen und 1500 Zelte fielen den Siegern in die Hände. Doch ungeachtet dieses Sieges und der daraus erwachsenen Vortheile, trotz zweier hierauf erfolgten Stürme ergab sich die Festung nicht. Erst nachdem die Wasserstadt mühsam erobert, bei welcher Gelegenheit Russworm verwundet wurde 1), und in der Festung so schreckliche Noth, namentlich an Wasser

1) Der Markgraf Carl v. Burgau meldete dem Kaiser diese Verwundung und schreibt dem Amtslieutenant Russworm den entschiedensten Antheil an der Erstürmung der Wasserstadt zu.

erhalten, was falsch ist.)

(Barthold lässt Russworm die Verwundung vor Papa

« ZurückWeiter »