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Der k. k. Feldmarschall

Christoph Hermann von Russworm.

Ein Beitrag zur Kenntniss der Regierungsperiode, Cultur- und Sittengeschichte unter Kaiser Rudolph II.

Nach den Original-Acten des k. k. Haus-, Hof-, Staats- und Kriegs-Archives und weiters angegebenen Quellen,

von

Wilhelm Edlen von Janko.

Motto:

„Ihm gefiel ein ewiges Schwingen und Schweben Auf der steigenden, fallenden Welle des Glücks, Denn der Mensch verkümmert im Frieden,

Müssige Ruh' ist das Grab des Muths."

(Aus Grillparzers Ottokar II.)

Vorwort.

Einer unserer gewiegtesten Schriftsteller, Dr. Karl von Thaler, sagte noch nicht vor Langem in seinem „Literaturbriefe über deutsches Bürgerthum im Mittelalter," dass: die heutigen Historiker noch immer nur über Schlachten, diplomatische Verhandlungen, Friedensschlüsse und Hof-Intriguen schreiben, der Cultur-Geschichte aber in ihren dicken Bänden kaum ein bescheidenes Plätzchen gönnen, dass jedoch gerade sie es ist, welche von Tag zu Tag in den Vordergrund der allgemeinen Bildung tritt, daher ein besonderes Augenmerk erfordere, und dass neben den grossen Zügen in der Culturgeschichte auch kleine, kleinste Einzelheiten sehr nöthig seien. Nun, um eine solche Einzelheit zu liefern, haben wir uns mit der Abfassung dieser Monographie bemüht. Füllen auch viele Blätter derselben abermals die Erzählung kriegerischer Scenen aus, so muss uns dies zu Gute gehalten werden, da der Held derselben eben auch ein solcher des Krieges (sehr oft auch der Würfel, des Weins und der Weiber) war.

Gewiss aber ist es, dass sein Leben, sowie sein tragisches Ende einen nicht unwichtigen und nicht uninteressanten Beitrag zur Cultur- und Sittengeschichte der damaligen Zeit liefern, und daher auch das Anrecht auf eine Bearbeitung haben, durch welche jener dem grösseren Publicum zugänglicher gemacht und bekannter werde.

Russworms Persönlichkeit ist überhaupt eine derjenigen, welche aus dem Rahmen der Geschichte nicht recht heraustreten; das vorhandene Material, um ihr lebendige Individualität zu verleihen, ist ein sehr spärliches, und über des Feld

marschalls Jugendzeit steht dem Biographen nur eine einzige Quelle: die Memoiren des französischen Marschalls Bassompierre, zur Verfügung.

Es hat zwar vor 30 Jahren Barthold in dem Raumer'schen historischen Taschenbuche eine biographische Skizze über Russworm veröffentlicht; demselben standen jedoch unsere Quellen, namentlich die Originalacten der beiden k. k. Archive nicht zur Verfügung, wodurch es uns möglich ward, viel Neues, vor Allem aber Correcteres zu bringen, denn Bartholds Arbeit wimmelt förmlich von unrichtigen Angaben. Wie wenig man sonst an den Helden dieser Arbeit denkt, geht schon daraus hervor, dass sein Name weder im Brockhaus'schen- noch im Pierer'schen oder Mayer'schen Conversations-Lexicon genannt wird, ja selbst nicht in dem allgemeinen Militär-Lexicon Willibald von der Lühes oder injenem Rüstows erscheint.

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Aus welchem Grunde Dr. Gindely in seinem vor 5 Jahren erschienenen Werke: "Rudolf II. und seine Zeit, das durch Intriguen herbeigeführte gewaltsame Ende des FM. nicht nur ganz ignorirte, sondern den Namen dieses ausgezeichneten Heerführers Kaiser Rudolfs gar nicht genannt hat, obschon das erstere Ereigniss kein unbedeutendes Streiflicht auf den Charakter des Fürsten wirft, welchen er zu schildern unternommen, das ist uns unklar · Unbestreitbar aber ist es, dass der Fall, einen Feldmarschall und ausgezeichneten Feldherrn wegen eines einfachen Criminal-Vergehens, dessen Russworm eigentlich gar nicht in dem Masse und Sinne beschuldigt werden kann, wie es geschah, gleich aufs Schaffot zu bringen, ein in der Geschichte seltener und für die Anschauungen der damaligen Zeit sehr bezeichnender ist. Mit allen seinen Anhängseln liefert er ein prächtiges Argument für die Trefflichkeit des constitutionellen Princips, da nur in einem absolutistisch beherrschten Staate derlei Zustände denkbar sind.

Es ist schliesslich unsere Pflicht, Seiner Excellenz dem Herrn ReichsKriegs-Minister Franz Freiherrn von Kuhn, wie dem k. k. Ministerium des Äussern den innigsten Dank für die bereitwilligste Gewähr der Benützung des zu unserer Arbeit nöthigen Materiales auszusprechen. Wir fühlen uns aber auch ebenso gezwungen, das freundliche Entgegenkommen des Herrn k. k. Oberlieutenants im Kriegsarchive, vor Rolanscher, dann des Herrn Directors des k. k. Haus-, Hof- und Staats-Archives, Hofrath von Arneth und des Herrn Regierungs-Rathes Dr. von Meiller dankbarst zu erwähnen. Das Verdienst des Letzteren ist es überhaupt, alles über Russworm Vorhandene mühsam erforscht und dem Historiker zugänglich gemacht zu haben.

Der Autor.

I. Abschnitt.')

Russworms Abstammung. Erste Kriegsdienste unter Christoph v. Bassompierre bei der Ligue in Frankreich. Seine Flucht 1587-1592.

Alles Glück des Menschen steht auf einer gläsernen Kugel; ein Anstoss, und es zerfällt in Trümmer. Tausende und aber Tausende haben, im allzugrossen Vertrauen auf die Unwandelbarkeit des Glückes, auf dem Gipfel ihrer Macht das über ihrem Haupte schwebende Damoklesschwert nicht erblickt und wurden erst durch einen jähen Sturz von der oft mit unsäglichen Mühen und Gefahren erklommenen Höhe aus ihren Träumen geweckt. „Lobe den Tag nicht vor dem Abend!" Dieser von Krösus' Zeiten bis auf unsere Gegenwart so oft zur Wahrheit gewordene Spruch sollte sich auch an einem Manne bewähren, der sowohl durch Verstand wie durch Tapferkeit sich in verschiedenen Kämpfen hervorgethan, der im ehrenhaftesten Dienen sein Leben oft für die Sache dessen eingesetzt, welchem zu dienen er aus der Fremde herbeigezogen, und der binnen Kurzem die höchste militärische Würde und das ganze Vertrauen seines Monarchen zu erringen wusste.

Die Laufbahn dieses Mannes nun, Hermann Christophs von Russworm, später k. k. Feldmarschalls und geheimen Rathes, sein frisches, keckes, vielfach bewegtes, oft sehr von gesetzlosem Übermuth und anderen schlimmen. Ausbrüchen der Krieger jener Zeit erfülltes Leben, sein durch Habsucht, Bosheit und Rachgier herbeigeführtes schmach

1) Quellen

Barthold: „Hermann Chr. v. Russworm." Raumers historisches Taschenbuch. Jahrg. 1838.

Bassompierre: Mémoires (Collection par Petitot).

Gindely: Rudolph II. und seine Zeit.

Schweigerd: Österreichs Helden und Heerführer.

Schels: Militärisch-politische Geschichte der Länder des österreichischen Kaiser

staates.

Vehse: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. 9. Bd.

Hurter: Philipp Lang, Kammerdiener Kaiser Rudolphs II.

Isthuanfy: de rebus ungaricis Libb. XXIV.

Hormayers historisches Taschenbuch.

Erasmus Francisci: Trauersaal steigender und fallender Herren, oder Aufund Untergang der Grossen etc. etc. II. Bd. *)

Ziegler Heinrich Anselm von Kliphausen: Täglicher Schauplatz der Zeit etc. etc.

2) Die beiden letztangeführten alten Quellen verdanken wir der Güte des bekannten Bibliophilen Herrn Haydinger, dem wir überhaupt für die Mühe Dank sagen müssen, mit welcher er sich den Nachforschungen bezüglich des einschlägigen Materials unterzog.

volles Ende soll in den folgenden Blättern, wie das dürftige biographische Material es uns gestaltete, gezeichnet werden.

Russworms Geschlecht stammt aus dem echt deutschen nördlichen Franken und hatte seit dem 14. Jahrhundert seinen Sitz um Hildburghausen und Koburg, wo ein schönes Rittergut, Hellungen, ihm noch drei Jahrhunderte später zu eigen war. Am frühesten wird urkundlich eines Heinrich Ruzuwurm im Jahre 1336 erwähnt, dessen Nachkommen sich abwechselnd Russworm, Russwurm, Rossworm, am gewöhnlichsten Rosswurm schreiben '). Da in Franken und Thüringen die Reformation frühzeitig schon befestigt war, so mochten wohl auch die Russworms sich zur lutherischen Lehre bekannt haben. Geburtsjahr und Jugendverhältnisse unseres Christoph Herrmann sind uns fremd '), und Alles, was wir über ihn bis zum Jahre 1594 wissen, knüpft sich an eine gelegentliche kurze Äusserung des unter seinen Zeitgenossen eigenthümlich berühmten französischen Marschalls François de Bassompierre. Dieser, mit einer bewunderungswürdigen Gedächtnisskraft ausgerüstet, verfasste in den Mauern der Bastille seine Memoiren und erwähnt darin, dass Russworm während der Ligue Lieutenant der Leibwache seines Vaters gewesen sei, welche von einem gewissen Freiherrn Adolf von Schwarzenberg als Hauptmann befehligt wurde.

Als Heinrich von Navarra, der nachmalige König von Frankreich, nach dem Tode Karls des IX. seine von diesem in der Bartholomäusnacht erzwungene Glaubensänderung widerrief und sich abermals an die Spitze der Reformation stellte, zu deren Haupt ihn schon vor dem 24. August der grosse Coligny erklärt, da entbrannte der kaum unterdrückte Bürgerkrieg aufs Neue. Zum Schutze des katholischen Glaubens schlossen nun die eifrigsten Anhänger desselben einen Bund, welchen man die heilige Ligue nannte, und an deren Spitze Herzog Heinrich von Guise stand. Dem früher erwähnten Marschall Bassompierre, welcher, aus dem deutschen Geschlechte der Besteine entstammend, seinen Namen in dieser nicht erklärbaren Weise verwandelt hatte, ward nun als intimem Freunde des Herzogs der Auftrag, deutsche Reiter und Lanzknechte für die Sache der Ligue anzuwerben. Die Kundschaftsreisen Basso mpierres nach tüchtigen deutschen Söldnern blieben nicht ohne Erfolg, denn bald stiess ein Haufe von 1500 derselben zum Heere König Heinrichs III., des Gegners Heinrichs von Navarra.

Unter diesen deutschen Reitern nun, welche das katholische Lothringen

1) Wir hielten uns an des Feldmarschalls eigenhändige Schreibart, der seinen Taufnamen so, wie wir ihn geben, zeichnete, nicht wie Vehse hat: „Bernhard." Seine Schrift ist weit und recht gut zu lesen- der Styl natürlich seiner Zeit entsprechend, wie auch unsere Proben es bestätigen werden. Russworms Siegel war sehr schön gravirt und enthielt einen knienden grauen Mönch im goldenen Felde mit der Umschrift Christoph Hermann Russwvrm“.

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2) Er mochte um die Mitte des 6. Decenniums im 16. Jahrhundert geboren sein und daher wenig über vierzig Jahre gezählt haben, als er starb.

Österr. militär. Zeitschrift 1869. (4. Bd.)

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gegen die Protestanten vertheidigen sollten, befand sich auch der erwähnte Freiherr Adolf von Schwarzenberg, und mit ihm unser lutherischer Russworm, der, weiss der Himmel durch welche Verhältnisse, mit dem fränkischen Landsmanne zusammen kam.

Gemäss der Sitte jener Zeit umgab sich Bassompierre vornehm mit einer eigenen Leibwache, deren Kapitän Schwarzenberg, und dessen Statthalter oder Lieutenant Russworm war. Es scheint jedoch, dass derselbe an den Siegen der Ligue gegen das Heer des Burggrafen von Dohna, welches die Norddeutschen den protestantischen Glaubensbrüdern zu Hilfe gesendet, keinen Antheil gehabt, sondern dass er bei Bassompierre, welchen ein mehrmonatliches Fieber auf das Krankenlager geworfen, zurückgeblieben sei.

Die anfänglichen Erfolge Guises vermochten jedoch seinen eigenen Untergang nicht aufzuhalten, denn es ist bekannt, dass er, gefürchtet von dem letzten Valois, dem Könige Heinrich III., ob seiner zunehmenden Macht, mit seinem Bruder, dem Cardinal von Lothringen, zu Weihnachten 1539 im Schlosse zu Blois ermordet wurde. Bassompierre entging dem gleichen Lose seines Herrn nur durch eilige Flucht. Rasch warb er in Deutschland von Neuem ein ansehnliches Kriegsvolk an, um abermals dem Hause Guise und der katholischen Partei zu dienen. Als sein Leibwachhauptmann erscheint jetzt Russworm, da Schwarzenberg die französischen Dienste mit jenen unter dem Herzoge von Parma vertauscht und diesem ein deutsches Reiterregiment als Oberst zugeführt hatte. Russworm scheint die schlichten deutschen Sitten. den Geradsinn und das wahre Rechtsgefühl des wohl erzogenen Protestanten schon sehr verlernt zu haben, denn es wird von ihm erzählt, dass er in der Aufwallung des Zornes einen wackeren Edelmann, den Lieutenant Petoncourt. erschlagen habe.

Ob Russworm mit Bassompierre in der Schlacht bei Ivry gefochten, deren Ausgang Heinrich von Navarra, jetzt schon König, das Übergewicht über die Ligue verschaffte, ist ungewiss. Nachdem für die guisische Partei alle Aussicht verloren, flüchtete Bassompierre nach Deutschland. An den Hauptmann seiner Leibgarde knüpften sich jedoch eine Reihe abenteuerlicher und für sein Leben höchst bedrohlicher Ereignisse, die uns lehren, wie weit der Leichtsinnige in dem unsittlichen Treiben der Zeit fortgeschritten war.

Bassompierre hatte, als er nach Deutschland entwich, seinem Hauptmanne die Bewachung eines Schlosses, Namens De Blancmenil, anvertraut; in dem dortigen cinsamen Aufenthalte war er in ein Liebesverhältniss zu einem Fräulein getreten, welches mit ihrer Mutter zu ihm Zuflucht genommen. Unter dem Versprechen, sie zu heiraten, entführte er sie, missbrauchte ihre Schwäche, und schickte sie fort, nachdem er, wie der jüngere Bassompierre berichtet, sie auch wohl anderen Kriegsgenossen zur Kurzweil überlassen hatte. Als aber der alte Bassompierre wieder nach Lothringen und Frankreich zurückgekehrt war, erschien auch der Rächer, denn kaum erfuhr der strenge Katholik den unehrbaren Streich seines Burgwächters, so machte er zornig Anstalten, sich des Schänders zu bemächtigen.

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