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Corps die mühsam errungenen Positionen eines Landes, dessen TerrainSchwierigkeiten schwerer als der feindliche Widerstand zu überwinden waren. Die Russen schienen stolz auf die Ausführung ihres Wagestückes zu sein, das nichts Geringeres werden sollte, als den Rest der Schweiz, der sich noch in französischen Händen befand, mit einem Gewaltstreich zu erobern. Sie sahen dieses Land nicht als einen weitläufigen Kriegsschauplatz an, aus welchem der Feind durch ausgedehnte combinirte Bewegungen hinausmanövrirt werden sollte, sondern sie betrachteten die Schweiz als eine grosse Festung, die man im Sturm erobern müsse. Da die russischen Generale von diesem Grundsatze ausgingen, so war es auch natürlich, dass sie alle Dispositionen des Erzherzogs verwarfen und ihren Truppen eine ganz andere als jene Dislocation gaben, welche die abziehenden Österreicher bisher eingenommen hatten.

Für ihren Übermuth und den Charakter Korssakoffs bezeichnend ist ein Vorfall, der bei Gelegenheit der Ablösung der österreichischen Truppen stattgefunden haben soll. Erzherzog Carl wies dem russischen General auf der Karte die Stellungen der österreichischen Truppen und bemerkte, wie stark jeder Posten besetzt werden müsse. So oft nun der Erzherzog die Zahl der Bataillone bezeichnete, zählte Korssakoff für sich eben so viele Compagnien. Der Erzherzog, in der Meinung missverstanden zu sein, corrigirte den General und betonte das Wort Bataillone. „Ja wohl," erwiederte Korssakoff, österreichische Bataillone oder russische Compagnien."

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Die Stellung, welche der Erzherzog in der Schweiz innegehabt hatte, war folgende:

Kloten, als der Mittelpunkt aller Positionen, von welchem aus seine Truppen sich gegen Baden und Utznach wie ein Fächer entfallen konnten, war sein Hauptquartier. Die Hauptreserve der Infanterie lag in der Krümmung bei Kloten in guter Dekung hinter Hügeln und Waldungen. Die Reserve der Feldartillerie stand unmittelbar an der Anhöhe des Züricher Berges, mit einigen Cavallerie-Regimentern, zugleich zu einem Observations-Corps und zur Vereitlung aller feindlichen Unternehmungen auf Zürich, wie auch zur Deckung für den Fall eines Rückzuges bestimmt. Kleinere Reserven waren an der Thur und am Rhein vertheilt.

Korssakoff stiess diese Dispositionen um; er nahm sein Hauptquartier in Zürich und verlegte den grössten und besten Theil seiner aus 26.000 Mann bestehenden Truppen in die Nähe der Stadt.

Ein kleines Lager bei Würen (rechts an der Strasse nach Baden) bildete seinen äusserst schwachen rechten Flügel. Das Ufer der Limmat besetzte er nur schwach durch einige Kosaken-Pikets.

General Hotze deckte mit seinem Corps die Positionen am Züricher See, längs der Lint und der Gebirgskette bis gegen Altdorf. Unter seinen Befehlen bewachte Jellachich die Pässe Graubündtens.

Der Erzherzog hatte dem russischen Feldherrn mit vielem Ruhme, mit vieler Klugheit und vielen Beschwerlichkeiten vorgearbeitet. Er überliess diesem eine zusammenhängende Linie militärischer Positionen vom

Ausfluss der Aar an längs der Limmat, dem Züricher-See, der Lint, und eine sichergestellte Verbindung mit der italienischen Armee.

So kam der längst erwartete Moment heran, in welchem die coalisirten Armeen auf dem Continent auf allen Punkten zugleich angriffsweise gegen den Feind vorrücken sollten. Suworow zog unter fast unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten mit seinem russischen Corps über den St. Gotthard, um alle Theile der russischen Armee unter seinem Commando in der Schweiz zu vereinen; er stand mit einem beträchtlichen Corps nur noch wenige Tagesmärsche von den kleinen Cantonen entfernt. Mittlerweile hatte der Erzherzog die Schweiz gänzlich verlassen und im raschen Siegeslauf Mannheim erstürmt.

Korssakoff fasste nun seine eigenen Plane. Er wollte durchaus Suworows Ankunft nicht abwarten und wünschte, auf die Gefahr gänzlicher Vernichtung hin, vor derselben kriegerische Lorbeeren zu pflücken.

Als er in der Schweiz anlangte, wollte er nicht glauben, dass der AlbisBerg eines jener vielen Hindernisse bilde, das die österreichische Armee seit dem 4. Juni an die nämliche Position bei Zürich gefesselt gehalten. Dieses Gebirge erhebt sich südwestlich von Zürich und steht en front des Sees. zeigt der Stadt seinen höchsten Gipfel, vertieft sich gegen den Süden und ist nur zum Theil fruchtbar und bevölkert. Hier fanden die Franzosen unter ihrem erfahrenen Feldherrn Massena eine treffliche VertheidigungsLinie, eine von der Natur gebaute Bastion, die ihnen mehr als jede Festung nützte. - Korssakoff fasste sogleich bei seiner Ankunft den kühnen Entschluss, den Albis-Berg mit dem Bajonnet zu erstürmen. Das Vertrauen auf die unerschütterliche Kühnheit der russischen Infanterie und der Ruhm, den sich diese bei den Erstürmungen von Ismail und Oczakow erworben hatte, mögen die Verwegenheit dieses Planes einigermassen entschuldigen.

General Hotze, dessen Erfahrungen und topographischen Kenntnisse Vertrauen erwecken konnten, verhehlte dem russischen Feldherrn de Schwierigkeit seines gewagten Unternehmens nicht. Hotze's Meinung war, dass man vorläufig die Vereinigung mit Suworow abwarten und dann zuerst die kleinen Cantone wieder erobern müsse, um der feindlichen Position auf dem AlbisBerg, wenn nicht in den Rücken, doch dort, wo der Abhang des Berges sich verflacht, wenigstens in die Flanke zu kommen. Hotze bat dringend, die Operationen nur noch einige Tage aufzuschieben, dann scheue er sich nicht, vereint mit seinen eigenen und Suworow's Truppen einen glücklichen Erfolg in Aussicht zu stellen.

Die Einwendungen des unter Siegen grau gewordenen Schweizers. fanden aber kein Gehör, denn er war ja ein österreichischer General, und Suworow hatte seine Leute oft genug vor diesen „Zöpfen“ gewarnt! Korssakoff bestimmte, unbekümmert um Hotze und ohne ihm irgend einen gemeinsamen Angriffsplan vorzulegen, den 25. September zur Ausführung seines Planes, den er zwar sein Geheimniss nannte, der jedoch schon acht Tage zuvor von jedem russischen Munde mit Enthusiasmus als unfehlbar ausposaunt

wurde So erfuhr der kriegserfahrene Massena nur zu bald die Absicht der Russen. Er wollte begreiflicher Weise noch weniger als Korssakoff die Ankunft Suworow's erwarten. Ihn schreckte weder die Ausführung eines russischen Plans, noch weniger die berühmte Tapferkeit der ihm noch unbekannten russischen Truppen. Durch einen gleichzeitigen Angriff von allen Punkten seiner Linie kam er der Offensive der Russen, welche diese Entwicklung der Dinge weder erwarteten, noch vorhergesehen hatten, mit einer Gegen-Offensive zuvor. An eben diesem 25. September passirte die letzte österreichische Colonne der Armee des Erzherzogs die Brücke von Schaffhausen, und Massena hatte denselben Tag für seinen Angriff festgesetzt.

Korssakoff hatte den Kern seiner Truppen bei der Stadt Zürich auf dem Sihlfelde, d. i. in der Ebene, welche südwestlich der Stadt Zürich vom Albis-Berg und dem See begrenzt wird, concentrirt. Der linke russische Flügel hatte sich bis Wallishofen links am See ausgedehnt. Um die Aufmerksamkeit der Russen zu fesseln, machten die französischen Generale Mortier und Klein am 25. mit Tagesanbruch einen Scheinangriff auf diesen exponirten Flügel, während die Division des Generals Soult fast gleichzeitig nächst Schäennis die Lint, und General Lorges mit acht Halb-Brigaden (die aber kaum 8000 Mann zählten) unweit Dietikon die Limmat passirten.

Die Truppen des linken russischen Flügels drückten den Feind mit Leichtigkeit bis auf die ersten Anhöhen des Albis - Berges, zwei Stunden von Zürich, zurück, und die Tapferkeit der russischen Grenadiere und Jäger brachte dort den Franzosen empfindliche Verluste bei.

Unterdessen war General Lorges mit seiner Division bis in das russische Lager bei Würen vorgedrungen. Der Scheinangriff eines kleinen VorpostenCorps bei Bruck begünstigte ihn; die russischen Truppen leisteten mehrere Stunden lang den tapfersten Widerstand, wurden aber gegen Mittag bis über den Rhein zurückgedrängt. General Lorges rückte nun mit der stärkeren Hälfte seiner Division gegen Zürich und bedrohte die Stadt von ihrer schwächsten Seite, von Norden.

Bei Dietikon, wo die Franzosen die Limmat passirten, hatte Korssakoff nur ein einziges Bataillon russischer Infanterie postirt; es wehrte sich tapfer, da es aber nur wenige, mangelhaft bespannte Geschütze besass, so wurde das Bataillon sehr bald zum Rückzuge gezwungen und gab jeden ferneren Widerstand an der Limmat auf. Aus Mangel an Localkenntniss geriethen nun die Russen in ein Defilé, wo der Bataillons-Commandant ein Carré bilden liess, das in weniger als einer halben Stunde durch ein furchtbares Kartätschen Kreuzfeuer in einen Leichenhaufen verwandelt wurde.

Um 11 Uhr Vormittags hatte der französische General schon alle Anhöhen längs der Limmat bis nach Wipkingen besetzt.

Diese raschen und ungeahnten Bewegungen zwangen den Fürsten Korssakoff seinen linken Flügel, den er ohne Wahrscheinlichkeit eines reellen

Erfolges zu weit vorgeschoben hatte, in grösster Eile zurückzuziehen, und gegen Mittag zog er sich mit diesem bis an die Thore von Zürich, Schritt für Schritt vom Feinde verfolgt.

Den Franzosen lag nun hauptsächlich daran, den Wipkinger- oder Küfer-Berg zu gewinnen und sich dadurch eines, Stadt und Thal dominirenden festen Punktes zu versichern. In dieser Absicht liess Massena Nachmittags gegen drei Uhr einen lebhaften Angriff auf das russische Centrum im Sihlfelde unternehmen und die Division Lorges bemächtigte sich inzwischen des Wipkinger-Berges. Von hier aus wollte Lorges den rechten Flügel der russischen Armee, welcher mittlerweile einige, in der vorigen Nacht an Hotze detachirte Bataillons wieder eiligst an sich gezogen hatte, auch vom ZürichBerg wegdrängen und in die Stadt zurückwerfen. Dieser Plan misslang ihm. Zwischen dem Wipkinger- und Zürich-Berge liegt eine ungefähr 3000 Schritt lange Hochebene, auf welcher die Russen ihre Übermacht im Bajonnett-Angriff sehr nachdrücklich bewiesen und den Feind gegen den Wipkinger-Berg zurückdrängten. Hätten hier die Russen ihre Artillerie zu benützen verstanden und nur mit einem Bataillon und etlichen Geschützen eine Diversion von dem Amphitheater der oberen Strasse herunter gegen die nördliche Flanke des Wipkinger-Berges unternommen, so hätte der Feind diesen Berg verlassen und ihnen eine Position einräumen müssen, die sowohl für ihren Rückzug, als für die Vertheidigung der Stadt und für die Unterstützung der Operationen auf dem Sihlfelde gleich vortheilhaft geworden wäre.

Auch gegen das Centrum konnten die Franzosen ihren Zweck am ersten Schlachttag noch nicht ganz erreichen. Die Russen fochten mit Standhaftigkeit, und dadurch rettete sich ein Theil des linken Flügels, der noch auf der andern Seite des Sees stand, vor der Gefangenschaft.

Das Terrain vor der Stadt war ganz mit Weinbergen, Land- und Wohnhäusern bedeckt. In diesem Stadttheile fand nun eines der furchtbarsten Blutbäder Statt, welches die Geschichte verzeichnet. Das coupirte Terrain bot zu Plünderungen und Misshandlungen Anlass, die, wie unser Gewährsmann Wessenberg sagt, eine jede Schilderung überboten. Franzosen und Russen wetteiferten dort im Vandalismus. Das unglückliche Zürich bot ein Bild des Schreckens und der Verheerung, und am Ende der Schlacht schien es fast, als ob die Russen und die Franzosen sich nur mehr um den Genuss der Reichthümer jener blühenden Schweizerlandschaft gegenseitig bekämpften.

Während diese Blut- und Raubscenen vor sich gingen, hatte der französische Befehlshaber einen Parlamentär in die Stadt geschickt, um sie zur Übergabe aufzufordern. Dieser wurde von einigen betrunkenen Russen, wahrscheinlich aus Missverständniss, verhaftet, ausgeplündert und tödtlich verwundet. Korssakoff liess diese kriegsrechtswidrige Handlung ungestraft und ohne Entschuldigung.

Eine wolkenumzogene Nacht hemmte den weiteren Verlauf des Kampfes. Um die Stadt herum brannten mehrere Tausend Wachtfeuer, die ihren Schimmer weit in die Fluten des Sees hineinwarfen und ein wunderbares Schau

spiel darboten,

und in der Dunkelheit zogen beide Theile in grösster Stille ihre disponiblen Kräfte auf das rechte Limmat Ufer, während auf dem Sihlfelde nur noch wenige russische Vorposten zurückblieben.

Die russische Vertheidigungs-Linie war nach dem ersten Schlachttag in einer Strecke von einer kleinen halben Stunde auf ein Terrain zusammengedrängt, das ihrer Art Krieg zu führen sehr ungünstig werden musste. Der Feind war schon bis Rapperswyl vorgedrungen; die österreichische Flotille unter Oberst Williams musste den See verlassen, und so war den Russen fast jede Hoffnung geschwunden, sich in der Stadt Zürich zu halten; ja, Korssakoff lief sogar Gefahr, mit dem Rest seiner Armee in eine Stadt eingeschlossen zu werden, die, von den umliegenden, bereits feindlich besetzten Anhöhen vollständig beherrscht, schlechterdings gar nicht zu vertheidigen war. Statt die Dunkelheit der Nacht zum Abzug zu benützen, blieb er aber dabei, die Stadt Zürich zu behaupten. Zu diesen Entschluss bewog ihn hauptsächlich der Besitz des Zürich-Berges, der einzigen Position, die dem Feinde noch Widerstand leisten konnte und noch in russischen Händen war.

Am 26. Morgens gegen 6 Uhr griff die Division des Generals Lorges die Russen mit Heftigkeit an und drang unter einem äusserst hartnäckigen Kampf in einer schiefen Schlachtordnung, deren rechter Flügel sich an die Limmat, und der linke an die Grete des Bergrückens zwischen dem Wipkinger und Zürich-Berge lehnten, gegen Zürich vor. Schritt für Schritt drängten nun die Franzosen die Russen bis an das Niederdorfthor der Stadt zurück. Plötzlich stand die Hauptmacht der Division Lorges oben an der Lehne des ZürichBerges, und während sie bis über das Kronenthor gegen das Dorf Flunteren vorrückte, näherten sich andere französische Colonnen auch von der Wollishofer-Seite, welche die Russen inzwischen verlassen hatten, den Wällen der Stadt.

Die Wälle von Zürich waren mit einer Compagnie trefflicher österreichischer Artilleristen besetzt, die den Feind mehrere Stunden lang aufhielten; allein die Russen dachten nun, da die Gefahr greifbare Formen angenommen hatte, plötzlich an keine Vertheidigung mehr; Korssakoff befahl allgemeinen Rückzug; dieser begann gegen Eglisau in einer beispiellosen, mit Worten gar nicht zu schildernden Unordnung.

Um den Rückzug zu decken, schickte Korssakoff den Schweizer Oberstlieutenant Paravicini zu Lorges und bot diesem Capitulations-Vorschläge und allgemeines Feuereinstellen an; Lorges wies ihn an Massena und nahm es auf sich, das Feuer vorläufig einzustellen. Massena dagegen, über die Behandlung seines am 25. September abgeschickten Parlamentärs erbost, wollte den Russen nur eine Viertelstunde zum Abzug aus der Stadt gestatten, während Korssakoff die Frist bis zum Abend des nämlichen Tages ausgedehnt wissen wollte. Paravicini musste unverrichteter Dinge zurückkehren. Mit dem Parlamentiren war eine kostbare Stunde verstrichen, während welcher die russische Armee, bis auf wenige hundert Mann gegen Eglisau abgerückt war.

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