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Wird aber einmal die mögliche Wirksamkeit der technischen Truppen vollkommen verstanden und ernstlich geprüft, dann wird sie auch zur Geltung kommen.

Dann wird nicht blos, wer im frischen Kampfe mit dem Feinde ringt, auch der weit ruhmlosere Arbeiter, der den Kämpfenden erhöhte Sicherheit schenkt, sein Vordringen erleichtert, seine Eroberung sichert, seinen Rückzug deckt, mit Vortheil schaffen und seinen Theil zur Ehre und dem Ruhme des Ganzen beitragen.

Dann wird die Armee, bisher allzu frisch und allzu wacker auf ihren stürmischen Angriff bauend, den vorsichtigen und unermüdlichen Befestiger schätzen lernen, der ihrem Stosse einen sichern Rückhalt schafft und dadurch ihre Kraft erhöht.

Hochgeehrte Versammlung! Es ist unbezweifelt, dass die Technik im. alltäglichen Leben den namhaftesten Kraftzuwachs gewährt.

Möchte es mir gelungen sein, Sie zu überzeugen, dass sie für die Kriegführung dasselbe zu leisten im Stande ist.

Möge in einem künftigen Kriege uns auch dieser Kraftfactor zur Seite stehen, und wir Sorge getragen haben, das Haus für alle Fälle zu bestellen.

Korssakoff und die Betheiligung der Russen an der Schlacht bei Zürich. 25. und 26. September 1799.1)

Hochansehnliche, hochgeehrte Versammlung!

Das löbl. Comité hat mir die Ehre erwiesen mich aufzufordern, die Serie der Winter-Vorträge in unserem wissenschaftlichen Verein zu eröffnen. Indem ich dieser Aufforderung nachkomme, kann ich mir nicht verhehlen, wie vieler Nachsicht ich von Seite eines so ausgezeichneten Auditoriums bedarf. Die freundliche Aufnahme, die einer meiner Vorträge in diesen Räumen gefunden hat, lässt mich hoffen, dass mir diese wohlwollende Gesinnung auch heute zu Theil wird, und ich gehe deshalb sofort zu meinem Gegenstande über. Als ich an dieser Stelle gelegenheitlich meines letzten Vortrages die Ehre hatte, Sie, meine Herren, in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückzuführen, geschah dies mit der ausgesprochenen Absicht, Sie das Gefühl der Befriedigung mitempfinden zu lassen, das in meiner Brust wach wird, wenn ich jener grossen und gewaltigen Zeit gedenke, in welcher ich auf den österreichischen Fahnen die Worte „Standhaftigkeit und Beharrlichkeit im Erreichen grosser Ziele" lese. Was mich betrifft, so habe ich auch immer in der Geschichte der 90er Jahre den heilkräftigen Talisman gegen die in unserer Gegenwart unserem Vaterlande geschlagenen Wunden gefunden, und wer in den Geist dieser 90er Jahre eindringt, wird gleich mir in ihnen, nach den tiefsten Erschütterungen unglückschwangerer Zeiten, eine unversiegbare Quelle lebendiger Hoffnung für Österreichs Zukunft entdecken.

Im April dieses Jahres habe ich Ihnen, meine verehrten Herren, eine Parallele zwischen zwei österreichischen Feldherren vorgeführt, die lebhaft an den Ausspruch des alten Römers erinnert:

Haec est bellorum pessima conditio: prospera omnes sibi vindicant; adversa uni

soli imputantur !

Das ist das Schlimmste bei der Kriegführung: Den Erfolg schreiben sich Alle selbst zu, das Unglück wird einem Einzelnen aufgebürdet."

1) Vorgetragen im militärwissenschaftlichen Vereine des k. k. Casino's in Wien am 15. October 1869, von Alfred Ritter von Vivenot, k. k. Hauptmann. Österr. militär. Zeitschrift 1869. (4. Bd.)

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In diesem Satz liegt eine Wahrheit, welche von der Geschichte durchwegs bestätigt wird. Was ich Ihnen damals vorzutragen die Ehre hatte, schien mir ein erhebenderer Stoff, als mein heutiger Vortrag. Es war eine Tragödie, reich an glücklichen und unglücklichen Episoden! Die Erstürmung der Mainzer Contravallationslinien und der Fall von Mantua! Es waren die glücklichen Jahre 1795 und 1796, deren Früchte im Jahre 1797 bei Leoben und Campo Formio verloren gehen sollten. Aber nach dem tiefen Sturz, welchen unsere militärische Grösse bei Arcole und Rivoli erlitt, erhebt uns schon nach wenigen Jahren wieder ein mächtiger, wunderbarer Aufschwung! Magnano, Stockach, Ostrach! Nach entsetzlichen Niederlagen die ruhmwürdigsten Siege! Unsere, zur Zeit von Campo Formio verhöhnten Adler werden neuerdings im Siegeslauf des unvergesslichen Erzherzogs an den Rhein und in die Schweiz getragen, und in Italien theilt der stürmische Suworow uud ein Häuflein Russen die Lorbeeren, die sich unsere Armeen unter Kray und Melas zu erringen wussten!

Indem ich mir für eine andere Gelegenheit die Schilderung der österreichischen Heereszüge von 1799 und 1800 vorbehalte, gehe ich nach dieser kurzen Einleitung, die ich dem angeregten Stoff zu Gute zu halten bitte, auf unsere russischen Freunde von 1799 über. Denn eine Episode aus dieser russischen Bundesgenossenschaft ist eigentlich das Thema meines heutigen Vortrages. Dieses Thema wäre neu und unerschöpflich, wollte man z. B. untersuchen, wieviel uns der Russe Suworow als österreichischer Marschall geschadet hat, wie wenig Nutzen die österreichische Regierung von diesem begabten, aber höchst perfiden Freund ziehen konnte; endlich wie wenig Suworow überhaupt den Nimbus verdient, den man ihm zumeist auf Kosten der österreichischen Generale und der österreichischen Waffenehre bisher zuerkennt. Ferne sei es von mir, an wahrer Grösse zu rütteln! Suworow war einer der bedeutendsten Feldherrn Russlands, und es ist nur billig, wenn ihm die Russen Monumente setzen. Für Österreich aber, meine Herren, war dieser russische Feldherr ein grosses Unglück, und von uns Österreichern hat er keinen Dank verdient. Wer diesen Ausspruch nach den glorreichen Siegen in Italien, die von österreichischen Truppen unter Suworow's Commando geschlagen wurden, paradox findet, den verweise ich einfach auf die einseitige Darstellung des russischen Obersten Miliutin, nach dessen fünfbändigem Werke über den Feldzug von 1799 es für denjenigen, der Urkunden zu lesen versteht, gar keinem Zweifel unterliegt, dass die Russen nach Deutschland und Italien zogen, nicht um uns als treue Alliirte zu helfen, sondern um uns in ihrer beispiellosen Verblendung und in ihrem verderblichen Neid gegen das Anwachsen und die Präponderanz der österreichischen Macht in Europa, um die blutigen Früchte aller unserer eigenen Anstrengungen zu bringen. Das gefeierte Werk Miliutins, meine Herren, ist in einer Weise gegen das verbündete Österreich voreingenommen, dass Sie mit mir darüber wie billig erstaunen werden, dass es so lange von österreichischer Seite ohne Widerlegung blieb, da doch Jedem bei der allerflüchtigsten Lectüre zwei

Dinge auffallen müssen: 1. die grosse Unkenntniss der Zielpunkte der österreichischen Politik, 2. die perfide Verkennung und Verunstaltung der einfachsten Thatsachen, sobald sie auf Österreich ein günstiges Streiflicht werfen könnten. Ich glaube hier eine Frage von nicht ganz ungewöhn licher Bedeutung angeregt zu haben, denn das glänzende Auditorium, welches ich heute hier versammelt sehe, wird sicherlich mit mir darin einverstanden sein, dass wir Österreicher es durchaus nicht mehr nöthig haben, unsere Geschichte von allen Seiten verlästern zu lassen, am allerwenigsten aber von den Russen des Jahres 1799, da doch sie es waren und nicht wir, die, mit Ausnahme - doch nein- ohne Ausnahme und selbst mit ihrem bedeutenden Feldherrn Suworow, in diesem Feldzuge die traurigste Rolle gespielt haben.

Und was war das für ein Feldzug, meine Herren? Es war der furchtbarste, der merkwürdigste Krieg, von dem die Geschichte zu erzählen weiss, ein Krieg, der durch die blutigen Tage von Magnano, Stockach, Ostrach, Zürich, Piacenza, Novi, Marengo und Hohenlinden für die Nachwelt unvergesslich geworden ist! Von der Küste Bataviens, vom deutschen Meer bis an den Golf von Neapel brandeten die Fluten dieses gewaltigen Kampfes; an den tosenden Strömen der lombardischen Gefilde wurde noch einmal um den Besitz Italiens blutig gestritten; in den Alpenschluchten der Schweiz, auf Gletschern und in Gebirgspässen, in welchen sonst nur Gemsen und Adler zu hausen pflegen, sehen wir Armeen lagern-Schlachten liefern! Das fallende deutsche Kaiserthum in Österreich, gross und mächtig gehoben vom Geiste eines seiner bedeutendsten Staatsmänner: der letzte deutsche Kaiser, vom Freiherrn von Thugut treu und gut berathen, erschloss nocn Einmal alle Hilfsquellen seiner getreuen Erblande, um mit österreichischem Blut das deutsche Reich vor seinem gänzlichen Untergang zu bewahren, seinen Thron und seinen Reichen die Unabhängigkeit und Freiheit zu behaupten und die Krone Karls des Grossen aber dem Hause Habsburg so zu bewahren, wie sie ihm die Vorsehung anvertraut hatte!

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Niemals noch hatte Österreich eine so zahlreiche Armee aufgestellt, niemals seit dem Beginn der Revolutionskriege wurden so glorreiche Feldherrn-Namen an die Spitze unserer Armeen berufen, niemals begrüsste die österreichische Politik mit aufrichtigeren und uneigennützigeren Wünschen für Europa's Wohl die Namen fremder Feldherrn, wie jene Suworow's und Korssakoff's! Endlich sollten in Wirklichkeit die russischen Truppen vereint mit denen Österreichs kämpfen. Die Hilfe Russlands, von der grossen Katharina in bindenden Verträgen seit 7 Jahren versprochen, die russische Waffenhilfe, die von 1792 bis 1799 nur eine Lockspeise schien, um unter dem Deckmantel trügerischer Versprechen dem deutschen Reich und der österreichischen Monarchie ein moskowitisches Grabgeläute zu geben, sie wurde endlich unter ihrem Nachfolger Paul I im Jahre 1799 durch den Anmarsch der gewaltigen russischen Heeressäulen zur vollendeten Thatsache. Allein, nie sind leider schönere und berechtigtere Hoff

nungen, schmählicher getäuscht worden als die Hoffnungen, die Österreich auf diese Hilfe zu bauen berechtigt schien.

Allerdings, wenn wir dem russischen Obersten Miliutin glauben sollen, rührt Alles Gute, was im Feldzuge 1799 geschehen ist, von den Russen her, und Alles Schlechte von den Österreichern. Vor dieser Auffassung und vor Miliutin, nach dem in unseren Kriegsschulen docirt wird, nachdrücklichst zu warnen, ist Zweck und Ziel meines heutigen Vortrages. Vielleicht wird es mir selbst einmal vergönnt werden, das Gegentheil nach urkundlichem Material zu beweisen und den russischen Urkunden österreichische Urkunden entgegenzustellen. Um Ihnen aber, meine Herren, heute schon einen Begriff davon zu geben, wie diese russische Hilfe eigentlich beschaffen war, greife ich auf eine Episode dieses grossen Kampfes, und zwar nur auf eine einzige Schlacht zurück, in welcher die Russen sich selbst überlassen waren, und in welcher es selbst für Miliutin schwer wird einen Grund zu finden, um das vollendete Missgeschick den unglücklichen Dispositionen des Hofkriegsrathes, oder der österreichischen Missgunst, oder endlich dem Zerwürfniss der Cabinete zuzuschreiben. Es ist dies die zweite Schlacht von Zürich, welche am 25. und 26. September des Jahres 1799 geschlagen wurde. Bei der Analyse derselben werde ich mich jedes eigenen Urtheils möglichst enthalten. Es ist mir nicht darum zu thun, über das Unglück des Verbündeten schadenfrohen Bericht zu erstatten, sondern einfach um die Beantwortung der Frage: Was war für Österreich und das deutsche Reich im Allgemeinen, und für die Coalition in ihrer Gesammtheit, von Truppen und Feldherrn zu erwarten, die so verkehrt beschaffen waren wie diese Russen? Denn Korssakoff und sein Corps repräsentirten einen ansehnlichen Theil, von dem man auf das Ganze schliessen kann; nach Miliutin bestand gerade dieses Corps aus der Blüte der russischen Armee; der Commandant desselben, Fürst RimskiKorssakoff, galt nach dem russischen Autor für einen der erfahrensten Generale seines Landes, für einen Mann von hoher Bildung und grosser Charakterstärke.

Nur auf die Erzählung von Thatsachen beschränke ich also meine heutige Studie, die ich zum Theil actenmässigen Aufzeichnungen eines begabten Zeitgenossen verdanke, der im Jahre 1799 der Korssakoff'schen Armee als österreichischer Diplomat zugetheilt war und erst im Jahre 1848 als österreichischer Minister des Äussern seine amtliche Carrière schloss des Freiherrn von Wessenberg.

Ende August hatte der Erzherzog Karl seinen Gegner Massena auf allen Punkten zurückgedrängt und überliess dem Fürsten Korssakoff die Kriegsoperationen in der Schweiz. Die Österreicher übergaben am 28. die Früchte ihrer Siege, das Resultat einer fünfmonatlichen Anstrengung, russischen Händen. Nur General Hotze blieb in den kleinen Ur-Cantonen und bewachte mit einem aus Österreichern und Schweizern zusammengesetzten

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