Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

haben. Die spätere Geschichtsschreibung hat einzelne Übertreibungen der Historia Augusta beseitigt, aber doch im wesentlichen daran festgehalten, daß sein Name unbedingt verknüpft ist mit der Auflösung des Reiches, die aufzuhalten seine Unzulänglichkeit nicht imstande war, und daß die spätere Besserung der Verhältnisse dem Verdienst seiner tüchtigeren Nachfolger zuzuschreiben ist. Demgegenüber ist in neuester Zeit mit steigender Energie darauf hingewiesen worden, daß Gallienus zwar schwer leiden mußte unter den Sünden seiner Vorgänger, daß es ihm aber weder an Tatkraft, noch an Geist und staatsmännischen Fähigkeiten gebrach. Ich weiß nicht, ob es gelingen wird, seinen Charakter von allen Flecken zu reinigen '); ein Mangel an der Eigenschaft, die unsere mittelhochdeutschen Dichter als diu staete besingen, etwas Nervös-Fahriges haftet für mein Gefühl allem seinem Tun und Lassen an. Aber so viel ist sicher: seine Regierung bezeichnet nicht nur den tiefsten Niedergang, sondern zugleich die Rettung des Reiches. Er hat die Reformen angebahnt, die, von seinen Nachfolgern konsequent ausgebaut, eine letzte Blüte für das Gesamtreich und sein Heer heraufgeführt haben. Mit Gallienus hat jede Darstellung der spätrömischen Militärordnungen zu beginnen.

II. Senatorisches und ritterliches Kommando.

Praefectus legionis.

Wie ein roter Faden ziehen sich durch die Verwaltungsgeschichte der römischen Kaiserzeit die Maßregeln hindurch, in denen das Mißtrauen der Monarchie dem Senatorenstande gegenüber zum Ausdruck kommt. So hat Augustus aus Ägypten eine kaiserliche Domäne gemacht, von deren Verwaltung er den Senat so radikal ausschloß, daß es Angehörigen dieses Standes verboten war, das Land ohne besondere Genehmigung zu betreten 2). Infolgedessen gab es dort natürlich keine senatorischen Legionskommandeure, sondern an ihre Stelle traten ritterliche praefecti legionis 3).

1) Wie dies Homo versucht hat. Mit größter Energie hat auf die Bedeutung des Gallienus hingewiesen v. Domaszewski, Rangordnung S. 196. 2) Tac. ann. II 59.

3) CIL. IX 5748; III 5328; V 867; XI 2704; XIV 191. 3626.

Hierbei ist es zwei Jahrhunderte geblieben. Erst unter Septimius Severus ist eine Erweiterung der Legionspräfektur eingetreten, als er die neugeschaffene Provinz Mesopotamien nach dem Vorbilde Ägyptens organisierte 1), eine Maßregel, die bezeichnend ist für die senatfeindliche Politik dieses Kaisers. Bei dieser Gelegenheit schuf er drei neue Legionen, die I., II., III. Parthica, von denen die I. und III. in Mesopotamien, die II. in Italien stationiert wurde). Alle drei wurden von ritterlichen Präfekten kommandiert3). Hier kommt zum erstenmal diese Charge außerhalb Ägyptens vor.

Den entscheidenden Schritt tat Gallienus. Von ihm sagt Aurelius Victor (33, 33-34): „Und die Senatoren kränkte außer dem gemeinsamen Unglück des Römischen Reiches auch noch eine Beschimpfung ihres eigenen Standes, da er zuerst ihnen den Kriegsdienst und sogar einen Besuch beim Heere verbot. Infolge seiner Untätigkeit fürchtete er nämlich, die Regierung könnte den Besten des Adels übertragen werden"). Die Richtigkeit dieser Behauptung läßt sich unbedingt in bezug auf das Legionskommando nachweisen. Kein legatus legionis kommt nach Gallienus mehr vor, wohl aber findet sich von seiner Regierung an in den Inschriften öfters der praefectus legionis mit dem Zusatz a(gens) v(ices) l(egati)) oder v(ir) e(gregius)) oder auch mit beiden Attributen zusammen), einmal wahrscheinlich auch ohne Zusatz). Er besaß die comitiva primi ordines und übernahm die Rechte und Pflichten seines Vorgängers in ihrem ganzen Umfange9).

1) Rangordnung, S. 121/122.

2) Cassius Dio 55, 24, 4.

3) CIL. III 99; vgl. XIV 3626; VI 793; VIII 20996; VI 3410; XII 1856. Dazu CI. W. Keyes S. 32 ff.; Hirschfeld, Verwaltungsbeamte S. 399.

*) Über die vermeintliche Aufhebung dieses Ediktes durch Kaiser Tacitus s. S. 18 Anm. 4.

5) CIL. III 3424 (267, unter Gallienus, wahrscheinlich II. Adiutrix, da in Pannonia Inf. nahe bei Aquincum gefunden); 4289 (269, I. Adiutrix); 3426 (?, II. Adiutrix). Also alle Pannonia Inferior.

*) CIL. VIII 2665 (270-275); 2572 (286-305); 2685 (?), alle III. Augusta, Afrika. CIL. III 99 findet sich vir egregius bereits vor Gallienus als Attribut des praef. leg. I. Parthicae.

7) CIL III 3469 (284, II. Adiutrix).

8) CIL. III 10492 (268, II Adiutrix), vgl. Cl. W. Keyes S. 35 oben.

9) Veg. II 9 (S. 43, 20 ff.). Da das Amt nach Diokletian verschwindet, so spricht Veg. von dieser Zeit.

Nun erhebt sich eine schwierige Frage. Neben dem Legionslegaten existierte ständig ein ritterlicher Offizier, der praefectus (castrorum) legionis. Die Vermutung liegt nun nahe, daß dieser mit dem gleichnamigen Legionskommandeur identisch ist, daß er nach Beseitigung des senatorischen Legaten einfach seine Stelle eingenommen hat1). Um dies zu entscheiden, müssen wir kurz auf Wesen und Geschichte der Lagerpräfektur eingehen.

Zu Beginn der Kaiserzeit war der praefectus castrorum Kommandant eines Standlagers ohne Beziehung auf einen bestimmten Truppenteil. „Die Verwendung ist eine doppelte: entweder beim Armeekommando, wo sie als praefecti castrorum der castra aestiva erscheinen), oder als Kommandanten von Auxiliarlagern an den Kopfstationen der limites, die von der Operationsbasis strahlenförmig durch das militärisch besetzte Gebiet bis an die Reichsgrenze vorgetrieben waren" 3). Sie rangierten an der Spitze der militia equestris über dem tribunus legionis und dem praefectus alae1).

Diese ihre hohe Stellung erfuhr eine starke Herabsetzung unter Claudius"). Jetzt wurde die militia equestris grundsätzlich ritterbürtigen Leuten vorbehalten, und die Lagerpräfektur bildete von nun an den Abschluß der Laufbahn für einen primipilus niederen Ranges, der für die höhere, ritterliche Karriere nicht in Betracht kam. Dieser schied damit aus dem aktiven Dienst schon im wesentlichen aus, er besaß fast keine taktischen Befugnisse mehr, war nur noch Kommandant eines Legionslagers, dem die technischen und Verwaltungschargen unterstanden").

1) Wilmanns nimmt an, daß schon zu Beginn der Kaiserzeit der praefectus castrorum in Ägypten Legionskommandeur geworden ist; v. Domaszewski (Rangordnung S. 120) erkennt, daß bis auf Gallienus beide Arten von Präfekten nebeneinander existiert haben, nimmt aber an, daß dann der praef. castrorum endgültig an Stelle des Legaten getreten ist. Beides dürfte als widerlegt gelten durch Cl. W. Keyes S. 18 ff. Vgl. auch Marquardt S. 458 f. und die dort angeführte Literatur.

2) Velleius 2, 119; Tacit. ann. 1, 20.

*) v. Domaszewski, Rangordn. S. 119. CIL. II 1477; X! 6344; Cass. Dio 55, 33; Tac. ann. 1, 38; Vell. 2, 120.

') Rangordn. S. 113.

❝) Nur in Ägypten behielten sie bis zum Ende des 2. Jahrhunderts ihren Rang und ihre Bedeutung, Rangordn. S. 121, Cl. W. Keyes S. 26 ff.

*) Rangordn. S. 47. 120. 129.

[ocr errors]

-

Eine weitere Änderung trat ein, als. Domitian verbot, daß mehr als eine Legion in einem Lager untergebracht wurde 1). Jetzt verlor der Platzkommandant seine frühere selbständige Stellung und wurde zu den Offizieren der Legion gerechnet. Dies drückt sich im Titel aus, zu dem von nun an der Name der Legion hinzugefügt wird: z. B. finden wir jetzt einen praefectus castrorum legionis IV2). Dafür wird dann endgültig unter Septimius Severus die abgekürzte Form praefectus legionis üblich 3). Der gleichnamige Legionskommandeur war, wie erwähnt, damals eine nur in zwei Provinzen vorkommende Ausnahmestellung, und bei dem niedrigen Rang des Lagerkommandanten war eine Verwechselung mit ihm nicht zu befürchten. Denn eine Rangerhöhung war für den letzteren mit der Veränderung des Titels sicher nicht verbunden). Seine Tätigkeit umfaßte, wie erwähnt, nur technische und Verwaltungsangelegenheiten3); niemals erscheint er als Vertreter des Legionskommandeurs, was die Sache des tribunus laticlavius war"); wenn die Legion zum Kampf ausrückte, so blieb er im Lager'), und die Regelung des Nachschubes wird seine einzige taktische Aufgabe gewesen sein 3).

Hieraus ergibt sich, daß der praefectus (castrorum) legionis bei seinem niedrigen Rang und seiner subalternen Tätigkeit schwerlich an die Stelle des senatorischen Legionskommandeurs getreten sein kann. Ganz unmöglich wird dies durch die Tatsache, daß in der Legion noch ein ritterlicher Offizier viel höheren Ranges existierte, der primus pilus iterum, der bei dem Legaten die Rolle eines Generalstabschefs spielte 9). Wenn nach dem Edikt des

1) Sueton. Dom. 7.

2) CIL. XI 5696 (Antoninus Pius oder Hadrian).

3) CIL. V 7159 (Hadrian oder früher); Bullet. de corresp. hellén. IX p. 341 n. 24 (129); CIL. VII 100. 101 (Septim. Sev.); X 3342 a (200 oder 235). Weitere Belege bei Cl. W. Keyes S. 22 u. Rangordn. S. 120. Der unabgekürzte Titel findet sich zum letztenmal im Jahre 201: CIL. XIII 8014.

1) Dies nimmt an v. Domaszewski, Rangordn. S. 120. Widerlegt von Cl. W. Keyes S. 24 f.

5) Veg. II 10; Tac. ann. 1, 20. 32; 12, 38; hist. 2, 29; 3, 7.

*) v. Domaszewski, Rangordn. S. 29. 130; Rhein. Mus. 48 (1893),

S. 343 f.

7) Tac. hist. 2, 26.

9) Darauf scheint sich Tac. ann. 14, 37 zu beziehen.

9) Rangordn. S. 115 oben.

Gallienus mit dem Legaten auch der senatorische tribunus laticlavius ausschied, so war der berufene Vertreter des Kommandeurs sein früherer Stabschef, und es ist ganz undenkbar, daß ein Subalterner über dessen Kopf hinweg diese Stelle einnahm wir müßten denn schon organisatorische Veränderungen annehmen, von denen wir keinerlei Kunde haben.

Später werden wir sehen, daß im 4. Jahrhundert beide Arten von Legionspräfekten verschwunden sind. Wir können aber annehmen, daß sie zunächst ruhig nebeneinander existiert haben. Wie erwähnt, war dies in Ägypten schon immer der Fall gewesen 1). Vegetius nennt den praefectus castrorum als Untergebenen des praefectus legionis 2), und eine Inschrift scheint das Nebeneinander der beiden für die Zeit nach der Ausschließung der Senatoren zu bestätigen3). Die oben erwähnten Zusätze zu dem Titel des Legionskommandeurs, vice legati und vir egregius, werden also unterscheidende Bedeutung gehabt haben.

Praepositus vexillationis.

Während der ganzen Kaiserzeit wurden öfters aus den verschiedensten militärischen Anlässen kleinere oder größere Abteilungen einzelner Legionen detachiert, oder es wurden auch gemischte Armeeabteile hergestellt, die aus solchen Detachements mehrerer Legionen oder Auxiliartruppen zusammengesetzt wurden. Das Feldzeichen einer solchen vorübergehend gebildeten Truppe war das vexillum, und sie hieß daher vexillatio1). Ihr Oberbefehl stellte nun natürlich je nach ihrer Größe ein Kommando von sehr verschiedener Bedeutung dar: kleinere Vexillationen wurden von Centurionen), die großen, die den Charakter von Armeen trugen, von senatorischen Offizieren befehligt. An ihrer Spitze stand also in der Regel ein legatus legionis ), der aber seit Septimius

1) S. 5 Anm. 5.

2) Veg. II 10 Anf.

3) Cl. W. Keyes S. 39 ff.; Rangordn. S. 185 ff.

4) Marquardt S. 464 ff. und die da angeführte Literatur; v. Domaszewski, Fahnen S. 24 ff.; Mommsen, dux; Cl. W. Keyes S. 44.

5) CIL. III 1890; 143702; 14433. Hierzu und zu dem Folgenden vgl. Rangordn. S. 61 f. 135. 172. 182f.; Cl. W. Keyes S. 44–48.

*) CIL. IX 2457 (etwa 155); VIII 7050 (etwa 161).

« ZurückWeiter »