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wißheit1). Auch von Valentinian I. 2) und Theodosius dem Großen 3) wird berichtet, daß sie die Armee vermehrt hätten. Da nun für den Anfang des 3. Jahrhunderts ein Truppenbestand von 33 Legionen oder etwa 300000 Mann gut bezeugt ist'), so erhalten wir einen festen Punkt, über den wir unbedingt hinausgehen müssen.

Nun sind uns aber auch einige Angaben über die Gesamtzahl der damaligen Armee überliefert. Nach Zosimus (II 15, 1) betrug das gallische Heer, welches Konstantin im Jahre 312 befehligte, etwa 100000 Mann. Dies würde für das gesamte Reich eine Truppenzahl von ungefähr 400000 ergeben. Der allerdings ganz unzuverlässige Lydus") behauptet, unter Diokletian sei das Landheer etwa 390000, die Flotte etwa 45000 Mann stark gewesen, aber Konstantin habe beide verdoppelt. Diese letztere Behauptung werden wir auf ein bescheidenes Maß zurückführen, aber sonst sind die Zahlen nicht unglaubwürdig. Ferner klagt Agathias (V 13), das Heer sei zu seiner Zeit, d. h. unter Justinian, auf knapp 150000 Mann herabgesunken, während zur Zeit des ungeteilten Reiches seine Sollstärke 645000 Mann betragen habe. Endlich führt eine Berechnung der Truppenteile, die Diokletian neu aufgestellt hat, zu dem Ergebnis, daß dieser Kaiser das Heer um zwei Drittel seines bisherigen Bestandes vergrößert hat"). Dies würde die Zahl 500000 ergeben, und damit stimmt so ungefähr zusammen, wenn wir oben nach der Notitia Dignitatum das Feldheer auf nicht ganz 200000 Mann berechnet haben.

Alle diese Angaben schwanken also zwischen 400000 und 650000 Mann hin und her. Wer gewöhnt ist, Heereszahlen kritisch nachzuprüfen, der wird sich über diese Ungenauigkeit nicht wundern, sondern sie als etwas ganz Selbstverständliches hinnehmen. Wir werden in unserer Schätzung lieber an die untere als an die obere Grenze herangehen, aber auch die überlieferte Höchst

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3) Themistius or. 18 p. 270 Bonn; Zos. IV 27 (Vermehrung der Offiziersstellen). Dem widerspricht allerdings IV 29, 1 (Verminderung der Armee), doch ist die Gegnerschaft des Zosimus gegenüber diesem Kaiser zu berücksichtigen.

') Marquardt, Röm. Staatsverwaltung II2 S. 451.

5) Lyd. de mens. I 27 (S. 13 Wünsch). Er will die Zahlen bis auf die

Einer genau angeben.

6) Seeck a. a. O.

zahl ist durchaus glaubwürdig, wenn wir bedenken, daß es sich hier eben nur um die Sollstärke handelt und daß die Armee größtenteils aus angesiedelten Milizen von höchst zweifelhaftem Kampfwert bestand. Die Zahl der eigentlichen Feldtruppen war mithin kaum größer als in der früheren Kaiserzeit1). Etwa 200000 Mann wirklich mobiler Truppen und etwa 300000 Mann örtlicher Milizen, das war die ganze Macht, welche die unendlich langen Grenzen des ungeheuren Reiches zu verteidigen hatte, und das in einer Zeit, wo es von allen Seiten angegriffen wurde. Es ist klar, daß dies nur bei ausgezeichneter Führung und bei tadellosem Zustande des vorhandenen Soldatenmaterials geleistet werden konnte, sobald beides versagte, mußten die Dämme reißen und die Provinzen von Feinden überflutet werden.

Dementsprechend waren die Feldheere damaliger Zeit anscheinend durchweg klein. Julian schlug die Alamannen in der berühmten Schlacht bei Straßburg mit nur 13000 Mann2), und bei Adrianopel (im Jahre 378) scheinen die Römer ungefähr ebenso stark gewesen zu sein3). Der römische Staat war damals zur Naturalwirtschaft übergegangen. Auf dieser Basis lassen sich, wie die Kriegsgeschichte des ganzen Mittelalters zeigt, keine großen Heere verproviantieren. Die militärischen Erfolge Roms im 4. Jahrhundert brauchen uns deshalb nicht zu wundern. Wir wissen jetzt, wie klein die persischen Reiterheere und die germanischen Horden der Völkerwanderung waren *).

IX. Taktik.

Aus dieser Zeit ist uns nur die Schlacht bei Straßburg in taktisch zuverlässiger Darstellung überliefert3). Das römische

1) Ich wage es nicht, wie Delbrück (a. a. O.), eine Vermehrung des Heeres überhaupt zu bezweifeln, dazu ist die Übereinstimmung der Quellen in diesem Punkte meines Erachtens zu groß. Aber sachlich hat Delbrück recht, wenn er abstreitet, daß die Heeresmacht Konstantins stärker war als die des Septimius Severus.

*) Amm. XVI 12, 2. Delbrück a. a. O. S. 227f. u. 273 möchte die Zahl etwas heraufsetzen.

3) Delbrück a. a. O. S. 292.

4) Delbrück, Gesch. d. Kriegskunst I u. II passim.

5) Amm. XVI 12; Liban. or. XVIII (èñirágios ènì 'Tovhiavą) 53 ff. Delbrück, Gesch. d. Kriegskunst II S. 272ff.

Zentrum war aus Infanterie gebildet, die Reiterei stand auf den Flügeln. Während der linke Flügel von Anfang an erfolgreich kämpft, wird auf dem rechten die römische Kavallerie von der alamannischen in die Flucht geworfen. Da greift die Infanteriereserve an, fängt den drohenden Flankenstoß auf und wendet das Schicksal des Tages endgültig zugunsten der Römer.

Wir sehen, daß der Verlauf des Kampfes ganz dem der alten Römerschlachten entspricht; lebhaft werden wir an Pharsalus erinnert, wo die Reserve dieselbe Rolle spielte. Überhaupt erhalten wir aus Ammians Erzählungen den Eindruck, daß sich die frühere Taktik nicht wesentlich verändert hatte. Auch an anderen Stellen wird erwähnt, daß die Reiterei auf den Flügeln stand1) und eine wohlgesparte Reserve vorhanden war2), daß die Heere noch in der alten acies triplex zum Kampfe formiert wurden 3). Öfters hören wir von dem agmen quadratum'), einmal wird diese Marschordnung näher beschrieben"). In dieser Weise formierte Julian sein Heer, als er in Assyrien einrückte (im Jahre 363). Er bildete eine Vorhut von 1500 excursatores, zweifellos Reitern, vielleicht kombiniert mit Schützen, die in breiter Front aufklären sollten. Auf der rechten Flanke ließ er einige Legionen marschieren, auf der linken das Gros der Kavallerie. Die Nachhut scheint aus beiden Waffengattungen gemischt gewesen zu sein, der gesamte Troß befand sich in der Mitte. Sämtliche Truppenteile marschierten mit erweiterten Abständen, um den Eindruck größerer Heeresstärke zu erwecken.

Zweimal erwähnt Ammian eine halbmondförmige), einmal eine kreisrunde) Aufstellung. Öfters greifen die Römer in keilförmiger Stellung (cuneus) an, die von den Soldaten Schweinskopf (caput porci) genannt wurde). Dieser Ausdruck ist, wie die Formation selbst, von den Germanen übernommen worden,

1) Amm. XXXI 12, 11f.

2) Amm. XXXI 7, 12.

3) Amm. XXIV 6, 9.

4) Amm. XXV 3, 2; XXVII 2, 8; 10, 6; XXIX 5, 39; XXXI 12, 4.

5) Amm. XXIV 1, 2ff. Vgl. A. Müller, Militaria, S. 616.

6) Amm. XVI 2, 13; XXV 1, 16.

2) Amm. XXIX 5, 41.

9) Amm. XVII 13, 9; XXIV 2, 14; XXXI 9, 3. Vgl. Veget. III 19: caput porcinum. Das Folgende nach Delbrück, Gesch. d. Kriegskunst II S. 45 ff. 53. 391f.

und ihre genauere Erörterung gehört nicht in eine römische, sondern in eine germanische Militärgeschichte. Deshalb sei hier nur kurz erwähnt, daß es sich sicherlich nicht um ein Dreieck handelte, da es ganz unmöglich ist, daß eine aus einem Krieger oder nur wenigen bestehende Spitze zuerst auf die feindliche Schlachtreihe aufprallte. Dies wäre für die vorderen Glieder sicherer Tod gewesen, und die ganze Formation wäre infolge der verlangsamten Vorwärtsbewegung der Spitze aus dem Leim gegangen. Der sog. Keil war ein Geviert- oder Gewalthaufe, ein Rechteck, dessen eine Schmalseite die Front bildete und das durch vorsichtige Zurückhaltung der besonders bedrohten vorderen Ecken und durch das seitliche Vorquellen der hinteren gelockerten Glieder die vorderen schlossen sich aus Selbsterhaltungstrieb natürlich möglichst eng zusammen — allmählich zu einem abgestumpften Keil wurde.

Noch immer bildete die Infanterie den Kern der Heere 1), allerdings nicht mehr die Legionen, sondern die gallisch-germanischen Auxilien). Daneben bahnte sich aber eine erhöhte Wertschätzung der Kavallerie an. Wir haben bereits gesehen (ob. S. 15 ff.), daß schon in der Mitte des 3. Jahrhunderts wichtige organisatorische Änderungen dieser Waffe eine ganz andere Stellung gaben: aus einer Hilfstruppe wurde damals die Heereskavallerie, die in großen Formationen die Schlachten entscheiden sollte. Auch bei Ammian tritt diese Wertschätzung gelegentlich hervor, besonders von den berittenen Bogenschützen spricht`er mit höchster Achtung. Einmal nennt er sie eine furchtbare Waffengattung, ein andermal bezeichnet er sie als eine Elitetruppe, bei der vor allem vornehme Ausländer dienten 3).

Endlich sei noch erwähnt, daß damals ein geschlossener Haufe Fußvolk globus') oder drungus") genannt wurde. Dieser letztere Ausdruck ist eins der vielen germanischen Lehnwörter, die damals in die römische Soldatensprache eindrangen.

1) Amm. XXIV 1, 2.

2) Oben S. 38 ff.

3) Amm. XVI 12, 7; XVIII 9, 4.

4) Amm. XX 5, 1; XXI 4, 8; XXV 1, 16; XXXI 5, 9; 7, 12.

5) Vita Probi 19, 2; Veget. III 16 (drungos, hoc est globos). 19 (globis. quos dicunt drungos). Daher der byzantinische Soovyyágios (vgl. Reiske Comm. ad. Const. Porphyr. De cer. II S. 76 oben).

X. Die Germanen im römischen Heer.

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X. Die Germanen im römischen Heer1).

Wir haben in den vorigen Abschnitten auf Schritt und Tritt nachgewiesen, in welchem Maße barbarische, besonders germanische Elemente in die Armee eingedrungen waren. Deshalb brauchen wir nur noch einmal rückblickend daran zu erinnern, daß germanische Truppenteile die Elite des Heeres darstellten. Den germanischen Schlachtgesang stimmten die damaligen „Römer" an, bevor sie sich in germanischem Angriffskeil auf den Gegner stürzten. Germanische Ausdrücke drangen massenhaft in die Soldatensprache ein, germanischer Einfluß machte sich auch, wie wir später sehen werden, in der Bewaffnung geltend. Bis zum Regierungsantritt Konstantins taten freie Germanen keine Offiziersdienste 2). Dann aber wurden vornehme Ausländer in immer steigender Zahl aufgenommen und bahnten sich den Weg zu den höchsten militärischen Chargen). Uns fehlen die Grundlagen zu einer Berechnung, wie hoch der germanische Prozentsatz damals in der Armee war. Aber das können wir aus den überlieferten Namen mit Sicherheit erkennen, daß seit der Regierungszeit Julians mindestens die Hälfte der höheren Kommandostellen mit Germanen besetzt war. Auf diese Elemente gestützt, konnte der Kaiser eine Erneuerung des Heidentums versuchen, wozu ihm der hinsterbende Aberglaube der gebildeten und ungebildeten Heiden" niemals eine ausreichende Grundlage geboten hätte1). Und die übrigen höheren Offiziere? Sie gehörten durchweg einem neugebackenen Militäradel an, der seine barbarische Abstammung in keiner Weise verleugnete. Ungemein bezeichnend ist, daß in einem ums Jahr 410 gefälschten Brief der Historia Augusta Kaiser Valerian an Aurelian schreibt: tecum erit Hariomundus, Haldagates, Hildo

"

1) Die Entwicklung bis zum Regierungsantritt Konstantins bei Bang, Die Germanen im röm. Dienst. Eine genauere Darstellung des Eindringens des Germanentums in Volk, Verwaltung u. Heer gehört in die allgemeine Reichsgeschichte. Manche Daten gibt Liebenam, Exercitus, Pauly-Wissowa VI 2 Sp. 1616f. 1626 ff.

2) Bang a. a. O. S. 92.

3) Amm. XXI 10, 8.

*) v. Domaszewski, Die Religion des römischen Heeres, S. 67. Hier ist nachgewiesen, wie gering noch unter Valentinian der christliche Einschlag im Westheere war.

Grosse, Römische Militärgeschichte.

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