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Diese Ernennungen erfolgten sicherlich auf Vorschlag des Regimentskommandeurs.

V. Aushebung und Ersatzwesen1).

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Das Heer der früheren Kaiserzeit war auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht gebildet. Der römische Bürger diente in den Legionen; wurde ein Rekrut, der das Bürgerrecht nicht besaß, hier angenommen, so erhielt er es bei seinem Eintritt, so daß wenigstens die Fiktion aufrecht erhalten blieb. Der Untertan diente in den Auxilien und erhielt das Bürgerrecht nach vollendeter Dienstzeit. Nach Möglichkeit bildete man das Heer aus Freiwilligen; nur wo sie nicht ausreichten vor allem wohl bei den Auxilien schritt man zu zwangsweiser Aushebung. Der Unfreie und der Ausländer waren vom Kriegsdienste ausgeschlossen, die Hilfskorps der Föderierten gehörten nur materiell, nicht rechtlich zur Armee. Noch Kaiser Probus verheimlichte es sorgfältig, als er 16 000 germanische Rekruten einstellte; er bildete aus ihnen keine numeri, sondern verteilte sie auf die bestehenden Truppenteile 2).

Von dieser ganzen Ordnung ist in unserer Zeit so gut wie nichts übrig geblieben. Behauptet hat sich zunächst noch die rechtliche Unfähigkeit des Unfreien zum Kriegsdienste. Im Jahre 380 wird bestimmt, daß die Grundbesitzer einen Sklaven als Rekruten nicht stellen dürfen), er ist von der Anwerbung ausgeschlossen, und wenn er durch Irrtum oder Betrug angemustert worden ist, wird er nachträglich gestrichen). Unter

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1) Militärwesen S. 239 246 ff.; Liebenam, Dilectus, Pauly-Wissowa V 1 Sp. 629 ff.; derselbe, Exercitus, Pauly-Wissowa VI 2 Sp. 1623 f. (laeti u. gentiles); L. M. Hartmann, Über den römischen Colonat S. 133f.; Otto Seeck: Untergang d. antik. Welt II S. 44ff., Anhang S. 492ff. (vor allem protostasia u. prototypia), Pauly-Wissowa I Sp. 349, adcrescens, III 2 Sp. 1510 ff., Capitulum, IV 1 Sp. 483 ff., Colonatus (bes. Sp. 504/05); Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 12 S. 54f. (laeti u. gentiles); Kubitschek, aurum tironicum, PaulyWissowa II 2 Sp. 2553.

2) Vita Probi 14, 7.

3) Theodos. VII 13, 8, vgl. S. 48 Anm. 5.

*) Iohann. Chrysostomos hom. 10 in Ioannem (ed. Montfaucon vol. 8 p. 59); catechesis II (vol. 2 p. 239); hom. in loc. n. testes 5 (vol. 3 p. 59); hom. ad eos qui conventum ecclesiae deseruerunt, III 76 Migne.

Trajan war es Gesetz, daß ein Sklave, der sich in die Truppe einschlich, mit dem Tode bestraft wurde1); und noch Justinian hat dieses Gebot in vollem Umfange aufrecht erhalten 2). Aber auch diese Schranke ist vielfach durchbrochen worden. Wenn allerdings Honorius bei dem allgemeinen Zusammenbruch zu Beginn des 5. Jahrhunderts die Sklaven zum Kriegsdienste aufrief3), so war das eine durch bitterste Not erzwungene, exzeptionelle Maßnahme, wie sie auch zu anderen Zeiten in bedrängter Lage vorgekommen ist'). Aber schon im Jahre 382 wird einem Besitzer die Stellung eines fremden Sklaven verboten"). Hieraus ergibt sich der zwingende Schluß, daß ein Sklave zwar nicht dienstberechtigt, aber doch dienstfähig war; mit Zustimmung des aushebenden Offiziers und seines Eigentümers durfte er eintreten. Justinian hat dann das Rückforderungsrecht des Herrn aufgehoben, wenn der Sklave diensttauglich war; in diesem Falle sollte er frei werden). Wenn wir der Geheimgeschichte Prokops (24, 18) trauen dürfen, so kauften damals Sklaven sogar Stellen in den kaiserlichen Scholen. Natürlich erhielt der Sklave in dem Augenblick seines Diensteintritts die Freiheit; nur in diesem Sinne hat sich die Unvereinbarkeit von Kriegsdienst und Unfreiheit erhalten. Ein Freigelassener konnte nicht Offizier werden), aber ein miles libertus wird in einem Gesetze ausdrücklich erwähnt), und keine Verordnung besagt, daß ihm, wie in früherer Zeit, der Eintritt in bestimmte Truppenteile versagt blieb. Auf die Knechte der reichsangehörigen Germanen wird sich der Ausschluß vom Kriegsdienste wohl überhaupt nicht erstreckt haben. Für sie war nicht römisches, sondern germanisches Recht gültig, und nach diesem folgten sie ihren Herren in den Kampf. Prokop erzählt uns dies gelegentlich von den Goten, den Langobarden und den Erulern, bei diesen letzteren mußten sie sich den Schild erst durch

1) Plinius ad Trai. 29. 30.

2) Dig. XL 12, 29; XLIX 16, 11.

3) Theodos. VII 13, 16 (vom Jahre 406). Infolge der Einfälle des Alarich

u. Radagais.

4) Liebenam Sp. 609/10.

") Theodos. VII 13, 11 Cod. Iust. XII 43, 2.

* Cod. Iust. XII 33, 6, vgl. Theodos. VII 18, 9 § 3.

Theodos. IV 10, 3 (vom Jahre 426).

9) Dig. XXIX 1, 37.

Tapferkeit verdienen 1). So bedeutete es sicherlich keine Ausnahme, wenn Honorius in seinem oben erwähnten Aufruf 2) vom Jahre 406 ganz besonders die Sklaven der Föderaten und der Läten und Gentilen (dediticiorum) zu den Waffen rief. Die ganze Frage nach dem Kriegsdienste der Unfreien tritt übrigens in eine neue und eigenartige Beleuchtung, wenn wir bedenken, daß sich damals ein großer Teil der römischen Soldaten aus dem Stande der Colonen rekrutierte. Diese waren zwar formell frei, in Wirklichkeit aber Sklaven in jammervoll gedrückter Lage, und mit Recht hat man der römischen Jurisprudenz den Vorwurf der Scheinheiligkeit gemacht, wenn sie diesen Unglücklichen gegenüber an der Fiktion der Freiheit festhielt, nur um sie ohne weiteres zum Kriegsdienste heranziehen zu können).

Ausgeschlossen waren ferner vom Soldatenstand die Juden'), die zünftigen Bäcker, die Köche und Angehörige verachteter oder unehrlicher Gewerbe, wie Schank- und Bordellwirte"). Von denjenigen Persönlichkeiten, die wegen anderer dienstlicher Verpflichtungen militärfrei waren, wird später die Rede sein.

Alle Schranken sind damals aber gegenüber Barbaren und Ausländern gefallen. Die Verleihung des Bürgerrechts an sie mag nicht gänzlich unterlassen worden sein. Dafür zeugen einerseits die vielen Flavier dieser Epoche, anderseits ist a priori anzunehmen, daß der zum Offizier ernannte Ausländer auch damals noch grundsätzlich das Bürgerrecht erhielt. Aber in der Regel ist der freie Germane, wenn er in die römische Armee eintrat, sicher Ausländer geblieben). Noch immer rekrutierten sich die Legionen vorzugsweise aus römischen Bürgern, die Auxilien aus Barbaren. Aber das Rangverhältnis hat sich völlig umgekehrt: wir haben oben bei der Besprechung der Truppenkörper ständig

1) Prok. BV. I 8, 12; BG. IV 26, 12; BP. II 25, 28. Vgl. Brunner, Rechtsgeschichte 12 S. 180. Anderer Ansicht ist Guilhiermoz, l'origine de la noblesse S. 34-36.

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') Theodos. XVI 8, 24 (vom Jahre 418). Danach befanden sich damals Juden auch in den bevorzugten Truppenteilen. Dies wurde nun verboten. ") Theodos. VII 13, 8 (vom Jahre 380), vgl. Veget. I 7 Anfang.

*) CIL. III 3576 Dessau 2814: Francus ego cives, Romanus miles in armis.

beobachten können, daß eine Truppe um so höher bewertet wurde, je barbarischer sie war. Nicht mehr die Legionen, sondern die Auxilien bildeten den Kern der Heere, und zu den hochvornehmen Scholen hatte ursprünglich der römische Bürger überhaupt keinen Zutritt. Von der justinianischen Zeit wollen wir hier noch nicht reden, damals spielte der griechische Soldat eine geradezu traurige Rolle. Diese Zurücksetzung des Römertums gegenüber Illyriern und Germanen hatte einen tiefen inneren Grund, der uns klar wird, wenn wir unsere heutigen Verhältnisse mit denen des römischen Kaiserreichs vergleichen. Durch 100 Jahre allgemeiner Wehrpflicht sind alle Deutschen zu Soldaten erzogen worden. Bei uns hat jede Familie, die auf ihre Vergangenheit hält, ihre militärische Tradition, und dieser vielgeschmähte „Militarismus“ ist es, der uns zu den ungeheuerlichen Leistungen des Weltkrieges befähigt hat. Zur Zeit der römischen Kaiser lebten um das Mittelmeer herum vielleicht 60 Millionen Menschen. Diese wurden verteidigt von einer Armee von höchstens 300000 Mann, die zu ihrem jährlichen Ersatz infolge der langen Dienstzeit höchstens 20000 Rekruten gebrauchte. Es ist klar, daß dies die völlige Demilitarisierung der Mittelmeervölker bedeutete, daß aus ihren breiten Schichten im Laufe der Jahrhunderte aller Soldatengeist, jede militärische Tradition und Erziehung schwinden mußte. Bei den Germanen war aber jeder freie Mann auch Krieger, Waffenübung, von Kind auf getrieben, und Kriegshandwerk die einzig würdige Beschäftigung. Deshalb waren im 5. Jahrhundert Hunderttausende von römischen Männern nicht imstande, die zahlenmäßig so weit unterlegenen Horden der Goten und Vandalen aus dem Lande zu werfen genau, wie im 9. und 10. Jahrhundert, als der Waffendienst ein Vorrecht des Adels geworden war, der damals unkriegerische deutsche Bauer wehrlos den plündernden Scharen der normannischen und magyarischen Räuber gegenüberstand. Noch etwas anderes kam hinzu. Sogar bei uns hatten in Friedenszeiten bekanntlich die Regimenter den besten Mannschaftsersatz, die sich vorzugsweise aus Freiwilligen rekrutierten. Das traf aber auch damals auf die barbarischen Truppenteile zu, während, wie wir noch sehen werden, die nationalrömischen großenteils aus minderwertigsten Elementen bestanden, die ohne inneren Beruf einfach zum Waffendienst gepreßt wurden. Wenn wir dies bedenken, wird uns auch die verhängnisvolle Vorliebe, die

Kaiser wie Caracalla und später Gratian für ihre germanischen Soldaten hatten, in milderem Lichte erscheinen.

Allerdings ist an der allgemeinen Wehrpflicht bis in den Beginn des 5. Jahrhunderts wenigstens formell festgehalten worden 1). Dann wurde das Prinzip durch eine Verordnung vom Jahre 4402) dahin abgeschwächt, daß römische Bürger und Angehörige der Korporationen wider ihren Willen nur noch in Notfällen zur Verteidigung der Stadtmauern hinzugezogen werden sollten. In Wirklichkeit ist aber schon seit Diokletian an Stelle der einfachen und eindeutigen älteren Ordnung ein recht verwickeltes System getreten, das jedem Stande und Beruf seine besondere Stellung zum Heeresdienste zuwies, eine Stellung, die zwischen den beiden Extremen des Dienstzwanges und Dienstverbotes lag. Die Heeresergänzung wurde herbeigeführt durch freiwilligen Eintritt oder durch Aushebung; und bei dieser letzteren müssen wir zwischen unmittelbarer und mittelbarer Aushebung unterscheiden.

Im Vordergrunde stand natürlich auch in dieser Zeit die Werbung von Freiwilligen. Sie mußte in dem Maße dominieren, wie im Heere die barbarischen, ausländischen Elemente zunahmen; in der Zeit Justinians war sie fast die einzige Art der Heeresergänzung. Aber auch aus dem Inlande kann der Zustrom an Freiwilligen nicht gering gewesen sein. Der Rekrut war nach seinem Eintritt steuerfrei, nach fünfjährigem Dienste auch seine regelrecht angeheiratete und daheim zu Hause lebende Frau ). Im Jahre 375 wurde diese Immunität nach fünf Dienstjahren auch auf seine Eltern ausgedehnt, allerdings nur dann, wenn er dem comitatensischen Heere angehörte 1). Es ist klar, daß diese Privilegien in der damaligen Zeit, wo allgemein über härtesten Steuerdruck geklagt wurde, viele zur Fahne locken mußten, und so erklären sich auch die ungemein zahlreichen Erlasse, die sich gegen den Diensteintritt von Personen wenden, die rechtlich vom Kriegs

') Dies geht hervor aus der Art, wie Theodos. XIII 3, 3 (vom Jahre 333); 10 (370); 16 (414) von der Militärfreiheit der Gelehrten u. Ärzte gesprochen wird. Vgl. Militärwesen S. 246 = 253 unten. Wenn Mommsen aber meint, die Wehrpflicht sei seit Valentinian I. durch die Rekrutenstellung der Grundbesitzer abgelöst worden, so ist dies widerlegt durch Hartmann a. a. O.; Seeck, Unterg. d. antik. Welt II S. 489 (Anm. zu S. 45, 7).

2) Nov. Valent. V § 2.

3) Theodos. VII 13, 6 (vom Jahre 370).

4) Theodos. VII 13, 7 § 3. Vgl. S. 68.

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