Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

die ihr Amt im wesentlichen kollegial verwalteten. Aber trotz der trümmerhaften und verwirrten Überlieferung zeigen die Tatsachen unwiderleglich, daß die geschichtliche Entwicklung hier über das staatsrechtliche Schema hinweggeschritten, daß die Konzentration des Kommandos bis zur äußersten Konsequenz gediehen ist. Vom Ende des 4. Jahrhunderts an sehen wir am Staatsruder eine Reihe hoher Militärs - es genügt, die Namen Arbogast, Stilicho, Constantius, Aetius und Ricimer zu nennen die tatsächlich keinen gleichgestellten Kollegen neben sich duldeten, die sich vollkommen in der Stellung allmächtiger Reichsgeneralissimi befanden. Diese verhängnisvolle Entwicklung hatte ihre Ursache in dem Charakter des damaligen Kaisertums. Die Reihe gewaltiger Soldatenkaiser und Reichsretter, die seit der Mitte des 3. Jahrhunderts mit Riesenkräften den wankenden Bau gestützt hatten, ist mit einem Male zu Ende. Seit dem Tode des großen Theodosius sehen wir Kinder und Frauen auf dem Thron, und das in Zeiten, wo nur Herrschernaturen mit den Eigenschaften eines Napoleon Bonaparte den zunehmenden Schwierigkeiten der Lage gewachsen gewesen wären. Den kraftlosen Händen entglitten die Zügel, ehrgeizige Generale bemächtigten sich ihrer. Aber wenn sich unter ihnen auch Persönlichkeiten von hohen staatsmännischen und militärischen Tugenden befanden, so fehlte ihrem Regiment doch zu sehr die ruhige Stetigkeit, die selbstlose Hingabe an ein ideales Ziel, als daß sie das Verhängnis der alten Welt hätten beschwören können.

Die Annahme liegt nun nahe, daß die rechtliche Stellung dieser Generalissimi auf einer Vereinigung der beiden höchsten Kommandos in einer Hand beruhte, daß sie magister peditum und magister equitum in einer Person waren 1). Aber formell ist an der Zweiteilung des Oberbefehls bis in die letzten Zeiten festgehalten worden. Neben Stilicho finden wir um 401 den magister equitum lacobus2), nach seinem Sturze 408 Turpilio 3),

1) Dies ist die Annahme Mommsens, Aetius S. 541 555 ff. Auf Grund vollständiger gesammelten Materials widerlegt von Sundwall (S. 3ff.), dem ich hier im wesentlichen folge.

) Claudian, carm. min. L. Dazu Sundwall S. 89.

3) Zos. 5, 36, 3. Als mag. ped. 5, 47, 2; 48, 1 (s. hier die Anm.). Über ihn Actius S. 543 = 557 Anm. 2, dagegen Sundwall S. 140 Nr. 476.

noch in demselben Jahre Vigilantius1), 409 Allobichus 2). Ferner ernannte der Usurpator Attalus 409 neben dem magister utriusque militiae Alarich den magister equitum Valens). Aber zweifellos hat schon Stilicho seinen Kollegen so stark in den Hintergrund gedrängt, daß er in der Tat die gesamten Streitkräfte des Reiches befehligte'). Dies kommt auch in der Titulatur zum Ausdruck, indem er spätestens seit 398 den Titel comes et magister utriusque militiae oder auch magister equitum peditumque führte3), der ihm wohl zunächst als persönliche Auszeichnung verliehen worden war). Denn daß der Titel magister peditum damals noch zu Recht bestand, wird, abgesehen von der Notitia Dignitatum, die ja auf diesem Gebiete die ältere Ordnung bewahrt haben könnte, dadurch bewiesen, daß Stilichos Nachfolger Varanes noch so genannt wird). Von jetzt an ist diese Benennung aber nicht mehr nachzuweisen, sämtliche Nachfolger des Varanes) sind magistri utriusque militiae. Neben ihnen existierte bis zum Tode des Honorius noch in ununterbrochener Reihenfolge der magister equitum praesentalis, als letzter ist nachzuweisen Castinus (422 bis 423)o). Aber auch dann ist noch keine Kumulation des Hofkommandos eingetreten, sondern neben den Generalissimi Aetius und Ricimer sind noch mehrere höfische Heermeister zweiten Ranges nachzuweisen, auch sie führen jetzt den Titel magister utriusque militiae (vgl. Anm. 8). Dasselbe galt damals für den gallischen Heermeister 10), der ja von Anfang an ein gemischtes Kommando geführt hatte, so daß also nun alle drei magistri militum des Westreiches denselben Titel haben. Wir dürfen hierin wohl einen Versuch der kaiserlichen Regierung sehen, die Stellung

1) Zos. 5, 47, 2; 48, 1 (s. hier die Anm.). Sundwall S. 144.

2) Zos. 5, 48, 1 (s. Anm.). Sundwall S. 46.

3) Zos. 6, 7, 2. Sundwall S. 4. 141 Nr. 483.

4) Zos. 4, 59, 1.

5) Theodos. Index S. CLXXXVI. Weitere Belege s. Sundwall S. 135. 6) Zos. S. 258, Anm. zu 5, 32, 6.

2) Zos. 5, 36, 3. Sundwall S. 4f., 142.

*) Ihr Verzeichnis s. Sundwall S. 35, Belegstellen Cap. IV (S. 39 ff.). Dabei ist aber zu beachten, daß Sigisvultus, (Nepotianus?), Maiorianus, Marcellinus, Valila an zweiter Stelle neben Aetius u. Ricimer kommandiert haben, s. oben im folgenden.

9) Sundwall S. 36 oben, S. 61.

10) Verzeichnis Sundwall S. 36, Belegstellen Cap. IV (S. 39 ff.).

der magistri equitum zu heben, um das erdrückende Übergewicht des Generalissimus einzuschränken und die Verhältnisse nach dem bewährten Muster Ostroms umzugestalten. Ein Hinweis auf die Persönlichkeit des Aetius und auf die Machtstellung, die Ricimer bis zu seinem Tode behauptet hat, genügt zum Beweise, daß dieser Versuch völlig mißglückt ist. Aber auch die Gleichstellung in der Titulatur wurde dadurch aufgehoben, daß jetzt der leitende Heermeister, wie schon erwähnt (oben S. 182), regelmäßig zum patricius erhoben wurde, so daß diese Benennung den Charakter einer Amtsbezeichnung bekam 1). Diese Übermacht des Reichsgeneralissimats ist einer der Hauptfaktoren beim Sturze des weströmischen Kaisertums gewesen, der germanische Heermeister hat schließlich den Kaiser ersetzt. Ricimer begründete die Germanenherrschaft in Italien und bereitete so die Usurpation Odoakers vor. Theoderich endlich war den Römern gegenüber nichts anderes als der magister utriusque militiae des oströmischen Kaisers 2).

Dagegen hat die Weisheit des großen Theodosius das Ostreich vor diesem Schicksale bewahrt. Hier blieb das Heermeisteramt bis gegen Ende des 6. Jahrhunderts im wesentlichen unverändert bestehen., Als Neuheit erscheint unter Justinian der orqaτnyòs avτongáτwę (= imperator), womit angedeutet wird, daß dieser Feldherr bei einer besonderen Gelegenheit mit kaiserlicher Machtfülle bekleidet ist'). Die alten Kommandostellen, die beiden magistri militum praesentales in Konstantinopel, der m. m. per Illyricum, per Thracias erleiden keine Veränderung, das Gebiet des m. m. per Orientem wird eingeschränkt. Es wird neugeschaffen:

m. m. Armeniae, abgetrennt von dem Kommando des m. m. per Orientem3). Dessen Sprengel ward bald darauf vorüber

1) Aetius und Ricimer z. B. Theodos. vol. II (Nov.) S. XCIV; Orestes Chron. min. I 306f.; Gundobad Chron. min. I 306; II 158. Ioh. Ant. 209, 1. Vgl. Sundwall Cap. IV.

Mommsen, Ostgoth. Stud., S. 505 444f.

8) Z. B. Nov. XXIV Anf.

=

') Prok. BV. I 11, 20. In dieser Stellung lernen wir kennen: Belisar (BV. I 11, 18; BG. I 5, 4; II, 22, 4), Germanos (BG. III 39, 9), Narses (BG. IV 21, 6), Iustinos (Agath. IV 21, HGM. S. 326, 11).

5) Vgl. dux Armeniae.

gehend noch mehr beschränkt, indem das Gebiet jenseits des Euphrats, Osrhoene und Mesopotamia, unter gesonderte Verwaltung gestellt wurde 1).

m. m. Africae. Als erster Vertreter dieser Würde ist inschriftlich öfters erwähnt Solomon). Im Jahre 578) und unter Tiberios II (578-582)*) finden wir noch Zeugnisse für diese Charge: dann aber wird der m. m. Africae durch den exarchus abgelöst). Vgl. S. 162f. dux Africae.

.

m. m. Spaniae. Als solcher ist nur bekannt Comenciolus unter Kaiser Maurikios durch eine Inschrift vom Jahre 589 o).

Ein m. m. Italiae ist meines Wissens nirgends bezeugt; Narses, der erste Statthalter, wird von den zeitgenössischen Quellen stets nur mit seinen Hoftiteln benannt). Erst, als die Langobardengefahr immer furchtbarer drohte, wurde der Exarchat eingerichtet. Über die Heermeister dieser Zeit wird später gehandelt werden.

Zivilbeamte in Militärdiensten.

Die Mehrzahl der Zivilbeamten, deren Funktionen irgendwie auf das militärische Gebiet übergriffen oder die gelegentlich ein solches Kommando erhielten, gehört nicht hierher. Die rein zivilen exceptores sind schon oben behandelt; es folgen nun noch assessor und actuarius, von denen jener eine wichtige Rolle im militärischen Leben spielte, dieser einen vorwiegend soldatischen Charakter trug.

Assessor.

Der assessor (consiliarius, άgedoos) war der juristische Beirat eines hohen Beamten oder Militärs 8). Er kommt vor seit 1) Prok. BP. II 6, 1: Buzes. Wiederhergestellt bereits zwei Jahre später: Nov. 157.

2) CIL. VIII 101. 259. 1863. 1864. 4677. 4799.

3) Iohannes Biclarensis a. 578; vgl. CIL. VIII 2245: Gennadius.

4) CIL. VIII 4354: Vita(lio) m(a)g(nifico) e(t) in(lustri) m(agistro) m(i)l(itum) Afr(i)ca(e).

5) Gregor. M. p. ep. 1, 59. Vgl. Diehl, L'Afrique byz. S. 478. 496; Gelzer, Themenverfassung S. 7.

) CIL. II 3420. Dazu die Anm. Mommsens.

?) Die Zeugnisse sind zusammengestellt von Hartmann, Untersuchungen S. 108/09. Vgl. ferner Diehl, l'administration byzantine dans l'exarchat de Ravenne, S. 6f.; Mommsen, Ostgoth. Studien, Ges. Schrift. VI S. 445–449. 5) Vgl. Seeck bei Pauly-Wissowa I Sp. 423 ff.

dem 1. Jahrhundert n. Chr., und zwar in unserer Zeit beim Militär als Beisitzer der duces1) und der magistri militum 2). Obgleich er kein Soldat, sondern durchweg ein studierter Jurist war, so lehrt doch das Beispiel Prokops, der Assessor Belisars war, daß er gelegentlich bei militärischen Unternehmungen verwandt wurde 3). Der Vorgesetzte konnte ihn frei wählen und wieder entlassen').

actuarius, ñ o μ v ŋ μ а τ o q úλ a §1), optio, chartularius.

Der actuarius war in älterer Zeit ein Soldat, gewählt meistens aus den principales ®). In unserem Zeitalter nimmt er aber eine eigentümliche Mittelstellung zwischen Militär und Zivil ein, er war militaris, Militärbeamter, nicht miles). Das zeigt sich darin, daß die ihn betreffenden Erlasse teils an den praefectus praetorio, teils an den magister militum gerichtet sind3). Die Stellung der actuarii hat sich mit der Zeit verschlechtert. Nach einem Gesetz vom Jahte 333 waren sie frei von der capitatio), nach einem anderen vom Jahre 365 bezogen die actuarii der palatinischen und comitatensischen Truppenteile sechs, die der pseudocomitatensischen vier Proviant- und Futterrationen; ferner erhielten sie nach zehnjähriger tadelloser Amtsführung den Perfektissimat und die Anwartschaft auf noch höhere Würden 10). Ja, nach Ammian 11) wurden sie sogar zu Provinzialstatthaltern befördert. Im Jahre 392 verloren sie aber die Freiheit vom Decurionat 12), im Jahre 472 (?) wurde ihre Stellung weiterhin erschwert 18). Auch haben die beiden vorher erwähnten ihnen günstigen Gesetze in

1) Ed. Anast. S. 142: ovvzáðɛdoos. Cod. lust. I 27, 2 § 22 ff.

2) Cod. lust. I 51, 11. Zosim. V 30, 4: Iustinianius, rapedoos Stilichos. 3) Prok. BV. I 14 (in Syrakus).

4) Theodos. I 34, 1; Cod. Iust. I 51, 1; Nov. VIII 8; XVII 5 § 2-3.

5) Cod. Iust. XII 37, 19. Ein anderer Name für dasselbe Amt.

6) Aus den equites legionis CIL. II 2663; aus den optiones CIL. III 2554. Vgl. Seeck bei Pauly-Wissowa I Sp. 301-302; v. Domaszewski, Rangordnung S. 268. 7) Tyr. trig. 6, 3. Vgl. auch Cod. Just. XII 37, 19 § 4.

8) Z. B. Theodos. VIII 1, 5 und 10.

9) Theodos. VIII 1, 3.

10) Theodos. VIII 1, 10.

11) Amm. XX 5, 9.

12) Theodos. XII 1, 125: submoto privilegio militari, quo sibi actuarii blandiuntur.

18) Cod. lust. XII 49, 9.

« ZurückWeiter »