Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

handeln, wenn Ammian als Besatzung von Amida im Jahre 359 die damals zugrunde gegangene fünfte Parthische Legion cum indigenarum turma non contemnenda nennt 1).

Wir waren im vorhergehenden vielfach auf Vermutungen angewiesen, ohne völlige Sicherheit in einzelnen Punkten gewinnen zu können. Aber bei dem traurigen Zustand unseres Quellenmaterials müssen wir uns freuen, wenn wir die großen Wandlungen dieser Zeit auch nur im Nebel verschwommen erkennen können. Doch dessen können wir völlig sicher sein, daß Gallienus der Urheber dieser Reformen war. Eine unzweifelhaft zuverlässige Nachricht besagt, daß er Aureolus, den späteren Empörer, zum Oberstkommandierenden der gesamten Kavallerie ernannt hat2). Es ist dies ein bisher völlig unbekanntes Kommando; Gallienus hat es geschaffen, da eine in großen Truppenkörpern organisierte Schlachtenkavallerie eine administrative und strategische Zusammenfassung dringend erforderte. Vielleicht ist es auch glaubwürdig, daß unter seinem Nachfolger der spätere Kaiser Aurelian dieses Amt bekleidet hat3). Dieser Gedanke eines gemeinsamen Oberkommandos der Kavallerie sollte im 4. Jahrhundert bei der Schaffung des Heermeisteramtes neue Bedeutung gewinnen.

VII. Kaiser Aurelian als Heeresorganisator.

Unter den durchweg soldatisch tüchtigen Nachfolgern1) des Gallienus ragen die Persönlichkeiten des Aurelian und des Probus hervor. Es ist von vornherein anzunehmen, daß diese kriegsgewaltigen Kaiser nicht ohne Einfluß auf die Zustände in der Armee geblieben sind. Leider hat unsere trümmerhafte und unzuverlässige Überlieferung keine Erinnerungen an die Tätigkeit Mesopotamia XXXVI 23, 24 (Anm. 1) bis 29, 30; Arabia XXXVII 18, 19—21, 22. Weitere Belege auch im Westreich s. bei Ritterling S. 348f.

1) Amm. XVIII 9, 3. N. D. S 76 Anm. 5.

*) Zos. I 40, 1: τὸν τῆς ἵππου πάσης ἡγούμενον Αὐρίολον. Zon. XII 25. 3) Vita Aureliani 18, 1. Vgl. auch Zon. XII 25, wo Aurelian schon unter Gallienus als Kavallerieoffizier erscheint (Αὐρηλιανὸς σὺν ἱππεῦσι).

4) Daß Tacitus das Edikt des Gallienus aufgehoben und den Senatoren den Kriegsdienst wieder eröffnet habe, wie vielfach angenommen worden ist, beruht auf der falschen Lesart amisso für amissa Aur. Vict. 37, 6. Es hätte sich auch nach dem Ergebnis der Inschriften nur um eine vorübergehende Maßregel handeln können.

the

des Probus bewahrt. Höchstens kann man aus der Tatsache, daß er die Soldaten zu Friedensarbeiten, zum Weinbau und zur Trockenlegung von Sümpfen heranzog1), darauf schließen, daß er die Zügel der Disziplin in altrömischem Geiste straff angezogen hat. Hierdurch hat er ja die an solche Zumutungen nicht mehr gewöhnte Soldateska so erbittert, daß er einem Aufstande zum Opfer fiel.

Von Aurelian können wir dagegen mit Bestimmtheit sagen, daß eine Reihe von militärischen Neuerungen auf ihn zurückgeht. Seine größte Tat war die Besiegung der Zenobia von Palmyra und die hiermit verbundene Wiedereroberung des Ostens (im Jahre 272 und 273). Die umfangreiche Neuorganisierung, die sich notwendigerweise hieran knüpfen mußte, hat auch in den Besatzungsverhältnissen so tiefe Spuren hinterlassen, daß sie noch in der Notitia Dignitatum deutlich sichtbar sind 2). Wie schon erwähnt, nennen in sämtlichen Ducaten des Orients die Listen der Besatzungstruppen an erster Stelle eine Gruppe von Reiterabteilungen, die equites Dalmatae, Mauri, Scutarii, Promoti. Sie alle führen den Beinamen Illyriciani, ihre Reihenfolge wechselt wohl aus geographischen Gründen ). Einzelne Abweichungen‘) von der Regel werden uns nicht verwundern, wenn wir bedenken, daß die Notitia Dignitatum ihre letzte Redaktion etwa im Jahre 425 erlebt hat). Der Beiname zeigt, daß diese Truppenkörper vorher in den illyrischen Provinzen gelegen hatten oder doch aus Illyriern gebildet waren. Die Gleichmäßigkeit, mit der sie über den ganzen Orient verteilt erscheinen, läßt sich nur dadurch erklären, daß Aurelian sie bei der Neuordnung der dortigen Verhältnisse nach einem bestimmten Plane unter die einheimischen Garnisonen eingeschoben hat. Diese Truppen, dem unbedingt

1) Vita Probi 18, 8; 21, 2; Aur. Vict. 37, 3 und 4.

*) Zu dem Folgenden vgl. Ritterling S. 346 ff.; Groag bei Pauly-Wissowa 5,1 Sp. 1411 f. Über Aurelians Handhabung des Grenzschutzes und seine Mauerbauten s. ebenda Sp. 1412. 1415.

3) Für Arabien hat dies v. Domaszewski in der oben angeführten Festschr. für H. Kiepert S. 68f. bewiesen.

In Osrhoene (Or. XXXV) fehlen die Scutarii, in Mesopotamia sind anscheinend die Dalmatae und Mauri zugrunde gegangen und später durch die Ducatores Illyriciani und die Felices Honoriani Illyriciani ersetzt (Or. XXXVI 21 und 22.

[blocks in formation]

zuverlässigen illyrischen Heeresverbande entnommen, sollten eben den aufrührerischen Sonderbestrebungen der Orientalen ein für allemal einen Riegel vorschieben. Wir können allerdings mit Recht fragen, ob nicht damit ein ernster militärischer Nachteil verbunden war. Wesentliche Teile wurden auf diese Weise aus dem großen Körper der Heereskavallerie herausgezogen und über ein weites Gebiet verzettelt. Vielleicht hat damit Aurelian den Anfang gemacht zu der atomistischen Zersplitterung der Reiterei, wie wir sie in der Notitia Dignitatum beobachten können.

Die cohors VIII. Voluntaria und die III. Alpinorum erscheinen Or. XXXVII 33 und 35 unter den Truppen des dux Arabiae. Da sie in früheren Zeiten die Garnison Dalmatiens gebildet hatten, können wir annehmen, daß auch sie von Aurelian versetzt worden sind1). Dexippos 2) berichtet, daß die besiegten Vandalen ihm ungefähr 2000 Reiter zum Heeresdienst stellten. Aus ihnen ist dann die ala VIII. Vandilorum entstanden, die wohl schon damals nach Ägypten verlegt worden ist3). Ebenso wird Aurelian schon manche von den vielen germanischen Alen und Cohorten der Juthungen, Alamannen und Goten errichtet und nach dem Orient versetzt haben). Er hat demnach in großem Maßstabe das Prinzip verfolgt, gefangene oder verbündete Germaṇen in regelmäßigen Truppenkörpern zu formieren und als integrierenden Bestandteil in den Heeresverband aufzunehmen.

Alle Zeugnisse stimmen dahin überein, daß bis Diokletian eine grundlegende Neuformierung der Infanterie nicht eingetreten ist. Aber ganz ohne Änderungen scheint es unter Aurelian doch nicht abgegangen zu sein. Palmyra war bisher ohne ständige Besatzung römischer Reichstruppen gewesen. Jetzt erhielt die Stadt als Garnison die neugebildete legio I. Illyricorum). Mög

1) Ritterling S. 347; Cichorius bei Pauly-Wissowa IV 1 (cohors) Sp. 240 konstatiert unnötigerweise zwei verschiedene cohortes III Alpinorum. Die cohors VIII Voluntariorum ist noch 245 in Dalmatien nachweisbar (Cichorius a. a. O. Sp. 353).

*) Fragm. Hist. Gr. III 685 f. Hierzu Groag a. a. O. Sp. 1369 und die da angeführte Literatur.

3) Or. XXVIII 25.

4) Groag a. a. O. Sp. 1372. 1378. 1412. Or. XXVIII 43; XXXIII 31; XXXI 63; XXXII 36. 41; XXXIII 32.

1) Or. XXXII 30; CIG. 2941 und Année épigr. 1900 n. 29. Näheres über diese Legion sowie die IV. Martia Ritterling S. 347f.

licherweise wurde auch damals die legio IV. Martia errichtet und nach Betthoros (= Leggûn) in Arabia gelegt1). Numeriert wurde sie im Anschluß an die III. Cyrenaica, die schon früher als Besatzung der Provinz erscheint 2).

Von großer Bedeutung ist Aurelian für das innere Leben des Heeres geworden. Sein Regiment wurde immer autokratischer. Zu Beginn seiner Regierung hören wir noch davon, daß er in wichtigen Augenblicken die Heeresversammlung und den aus den hohen Offizieren bestehenden Kriegsrat entscheiden läßt3); später hat er ein derartiges Zugeständnis sicher nicht mehr mit seiner theokratisch-absolutistischen Stellung vereinbaren können. Mit Recht hat man vermutet, daß die hierdurch hervorgerufene Erbitterung schuld an der Verschwörung gewesen sein mag, die seinem Heldenleben ein vorzeitiges Ende setzen sollte. Unter allen Umständen ist er der Wiederhersteller der militärischen Disziplin gewesen. Alle Quellenzeugnisse stimmen darin überein: disciplinae militaris corrector), restitutor exerciti) wird er genannt, und manche Anekdote erzählt von seiner unerbittlichen Strenge. Einen Soldaten, der sich seiner Quartierwirtin gegenüber sittlich vergangen hatte, ließ er mit den Beinen an zwei niedergebogenen Bäumen anbinden und zerreißen) — ob diese Erzählung auf Tatsachen beruht oder nicht, auf jeden Fall ist sie bezeichnend für die Mittel, mit denen er gegen die unbeschreibliche sittliche Verwilderung der Soldateska eingeschritten ist. Und auf jeden Fall ist seine Strenge von Erfolg gekrönt worden. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen", dieser Bibelspruch gilt ganz be

1) Or. XXXVII 22. Vielleicht ist sie schon unter Severus Alexander errichtet worden.

2) Unter Augustus in Ägypten, Tac. hist. 5, 1; CIG. 5101. Unter Marc Aurel in Arabien, CIL. VI 3492 a, b.

3) Dexippos Fragm. Hist. Gr. III S. 686; Petros Patr. ebenda IV S. 197 frg. 10, 1. Dazu Groag Sp. 1412.

*) Eutrop IX 14.

5) Auf Münzen: Rohde, Die Münzen des Kaisers Aurelianus, Miskolcz 1881 nr. 332f.; H. Cohen, Description hist. des médailles frappées sous l'empire Rom, 2. Aufl., Paris 1880–1892, VI nr. 206.

°) Vita Aurel. 7, 3 ff. Vgl. ferner Eutrop. IX 14; Aurel. Vict. 35, 7; Petros Patr. a a. O. IV S. 197 frg. 10, 6. Unter Claudius soll er Kavalleriekommandeur geworden sein, um Unordnungen bei dieser Truppe zu steuern, Vita Aurel. 18, 1, dazu Groag Sp. 1354.

sonders für die Beurteilung des inneren Wertes einer Armee. Man lese in Groags trefflicher Darstellung, welche unaufhörlichen Eilmärsche, welche Strapazen und Entbehrungen er seinen Truppen zugemutet hat, wie er ihnen nach der mühsamen Eroberung fester Städte (z. B. Tyanas, Antiochias, Palmyras) doch Plünderung und Beute vorenthalten konnte, und man wird den Eindruck gewinnen, daß damals der Geist altrömischer Disziplin eine Auferstehung erlebt hat. Nur von diesem Gesichtspunkte aus läßt sich verstehen, daß während des mehrmonatigen Interregnums nach seinem Tode die Truppen ruhig blieben und die Kaiserwahl wieder auf den Senat überging ein freiwilliger Verzicht, wie er fast ein

Jahrhundert lang undenkbar gewesen wäre.

Alle diese Züge enthalten eine willkommene. Ergänzung zu dem Bild des großen Kaisers. Mit Recht haben die Soldaten schon dem jungen Tribunen den Namen „Handamschwert" beigelegt1). Von ihm mag gegolten haben, was man sich einst von dem deutschen Kaiser Albrecht II. erzählte: er habe selten gelacht, seltener noch den Degen von der Seite getan.

1) Manu ad ferrum, Vita Aurel. 6, 2.

« ZurückWeiter »