Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[ocr errors]

das damit eine Gesamtbürgschaft für sie übernahm und verpflichtet war, was an Material durch ihre Veruntreuung oder Ungeschicklichkeit verloren ging, aus gemeinsamen Mitteln dem Staate zu ersetzen"1). Ihre Lage muß zu häufigen Desertionen Anlaß gegeben haben, denn ein Gesetz vom Jahre 398 bestimmt, daß den fabricenses auf dem Arm das Erkennungsmal eingebrannt werden sollte, wie dies bei den Rekruten üblich war. Wer einen solchen Deserteur aufnahm, mußte selbst zur Strafe in die Fabrik eintreten). Den fabricenses war es verboten, bei Privatleuten in irgendeiner Stellung landwirtschaftlichen Nebenerwerb zu suchen; wer dieses Gebot übertrat, sollte zwei Pfund Gold erlegen, während das Land, das er verwaltet, gepachtet oder als Lohnarbeiter bebaut hatte, konfisziert wurde). Trotzdem müssen sich die Übertretungen wiederholt haben, denn ein halbes Jahrhundert später wurde das Verbot erneuert und verschärft: jetzt sollte jede Übertretung mit Exil und Güterkonfiskation bestraft werden). Von der Last der Einquartierung waren sie befreit"). Ferner genossen sie dasselbe Erbschaftsprivileg wie die Angehörigen des Feldheeres (vgl. S. 89): wenn ein fabricensis ohne Testament und ohne gesetzliche Erben starb, fiel sein Vermögen nicht dem Fiskus, sondern der Körperschaft anheim. Dieser wurde so die Gesamtbürgschaft für ihre Mitglieder erleichtert). Selbstverständlich ist, daß sie Naturalverpflegung erhielten). Sie standen in dem Rufe, ein unruhiges, aufrührerisches Element der städtischen Bevölkerung zu bilden).

Die Fabriken scheinen den Truppenteilen entsprechend organisiert gewesen zu sein, wenigstens finden sich auch bei ihnen` die Chargen des biarchus, centenarius, senator und primicerius (s. u. unter „Rangordnung"). Kommandiert wurden sie von Tribunen oder praepositi (s. ebenda). Diese mußten, unter Umständen sogar mit ihrem Kopfe, dafür haften, daß von den zur Verarbeitung gelieferten Metallen nichts unterschlagen wurde). Die Verant1) Nov. Theod. VI 2. Seeck a. a. O. Sp. 1928/29. 2) Theodos. X 22, 4.

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small]

wortung für die Heeresbewaffnung hatten wohl ursprünglich die Präfekten des Prätoriums. Wenn dies zutrifft, so waren sie zweifellos auch Vorsteher der gesamten Fabriken. Aber noch unter Diokletian scheint dieses Amt von der Präfektur abgetrennt und einem praepositus fabricarum 1) übertragen worden zu sein. Als dann unter Konstantin der comes et magister officiorum geschaffen wurde, erhielt er die Oberaufsicht über sämtliche Fabriken"). Die fabricenses. unterstanden seiner Gerichtsbarkeit; er veranlaßte die Verteilung der Waffen an die Truppen). In seinem Büro hatte er eine besondere Abteilung für Fabrikwesen. Zunächst bestand diese aus einigen subadiuvae fabricarum, im Orient drei, im Occident unbekannter Zahl'). Unter Justinian hatte sie sich zu einem scrinium fabricarum mit einer großen Anzahl von chartularii erweitert3).

Unter Arcadius riß der allmächtige Präfekt Rufinus die Leitung der Fabriken an sich, doch wurde nach seinem Tode der frühere Zustand wieder hergestellt). hergestellt®). Völlig veränderte Verhältnisse scheinen unter den Gotenkönigen in Italien geherrscht zu haben. Jetzt hatte wieder der praefectus praetorio die Aufsicht über die Waffenindustrie. Derselbe Offizier kommandierte zugleich Soldaten und Waffenschmiede (armifactores); mithin scheint die Fabrikation bei den einzelnen Truppenteilen, nicht mehr wie früher in abgetrennten Fabriken, betrieben worden zu sein?).

Die agentes in rebus)

waren ein Korps kaiserlicher Depeschenreiter und Polizisten. Ihre ausführliche Darstellung gehört in den Rahmen einer Ge

1) CIL. VI 1696, vgl. Mommsen Chron. min. I 67. Dazu Seeck a. a. O. Sp. 1928.

2) Or. XI; Occ. IX; Theodos. VII 8, 8; X 22, 3-5; Nov. Theod. VI 2; Cod. Just. XI 10, 6 u. 7; Nov, LXXXV.

3) Cod. Iust. XI 10, 6f.

4) Or. XI 44; Occ. IX 43.

6) Nov. LXXXV 3 u. 5.

) Lyd. II 10; III 40.

7) Cassiod. Var. VII 18 u. 19.

*) O. Hirschfeld, Die a. i. r. (S. 422 = 624 ist hier die ältere Literatur zusammengestellt); Seeck, A. i. r., Pauly-Wissowa I Sp. 776–779.

schichte des damaligen Offiziantenstandes oder der Polizei. Aber auch hier mögen sie in gedrängter Kürze behandelt werden, da sie völlig militärisch organisiert waren. Ihre Tracht war soldatisch1), und als Soldaten sind sie zweifellos immer angesehen worden 2).

Die frühere Kaiserzeit hatte eine gleichartige Einrichtung besessen, die frumentarii. Diokletian hob sie auf, da sie sich durch fortgesetzte Ausschreitungen unbeliebt machten). Aber die Freude seiner Untertanen war nur von kurzer Dauer, wahrscheinlich hat er selbst sie baldigst durch die agentes in rebus ersetzt. Spätestens muß dies unter Konstantin geschehen sein, da sie zum erstenmal in einem Erlasse vom Jahre 319 erwähnt werden1).

Sie bildeten eine schola unter dem Kommando des magister officiorum). Ihre Dienstzeit betrug 25 Jahre), ihre Organisation entsprach völlig der Rangordnung des Heeres. Nach einem Erlaß des Kaisers Leo) zerfielen sie in 48 ducenarii, 200 centenarii, 250 biarchi, 300 circitores, 450 equites. Ihr Avancement war im allgemeinen nach dem Dienstalter geregelt). Die Ältesten der ducenarii wurden melloprincipes genannt). Sie schieden alljährlich am Geburtstage des Kaisers aus der schola aus, um in der Provinz im Officium eines höheren Beamten die Stelle eines princeps zu übernehmen 1o). Ihre Zahl hat sehr geschwankt. Julian setzte sie auf 17 herab 11), im Jahre 430 wurde sie im Orient auf 1174 festgesetzt 19), Leo erhöhte sie auf 1248, was bis auf Justinian

1) Amm. XVI 5, 11; Palladius hist. Lausiaca p. 154 ed. Meursius; vgl. Liban. or. XLVI (contra Florentium) 17; or. LXII (contra inst. irrisores) 14; vgl. Cod. Iust. XII 20, 3.

2) Theodos. VI 35, 3 § 3.

3) Aur. Vict. Caes. 39, 44; Hieronymus in Abdiam 1.

4) Theodos. VI 35, 3.

5) Or. XI 11; Occ. IX 9.

") Theodos. VI 27, 19; 28, 8 § 1. Dazu Hirschfeld S. 434 = 638 unt.

Cod. Iust. XII 20, 3.

8) Theodos. I 9, 1 u. 2; VI 27, 4.

9) Act. SS. Iul. I 303.

10) Theodos. VI 27, 3. 13. 22; 28, 3; 29, 6.

") Liban. or. ΙΙ (πρὸς τοὺς βαρὺν αὐτὸν καλέσαντας) 58.

12) Theodos. VI 27, 23.

[ocr errors]

gültig blieb1). Zeitweise soll ihre Zahl bis über 10000 angewachsen sein2).

Das Feld ihrer Tätigkeit war unbegrenzt3). Vor allem waren sie Staatskurierė, der ganze kaiserliche Depeschendienst lag in ihren Händen, ferner hatten sie den gesamten Reichspostdienst zu beaufsichtigen. Daneben war aber ihre Haupttätigkeit die politische Spionage. Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Berichte über ihre Tätigkeit die bittere Klage über ihre böswillige Angeberei, ihre Bestechlichkeit und ihre Erpressungen). Außerdem leisteten sie aber noch alle möglichen Dienste; von besonderem Interesse ist hier, daß sie auch gelegentlich Truppenverschiebungen leiteten").

Die in die Provinzen entsandten höheren agentes in rebus hießen curagendarii). Dieser Titel wurde aber bald verdrängt durch den kürzeren Namen curiosus. So wurden bereits zur Zeit Hadrians Geheimpolizisten genannt), jetzt ging dieser Ausdruck in den offiziellen Sprachgebrauch über). Libanios übersetzt ihn durch πεvñves, „die Späher" "). Gelegentlich werden sie auch veredarii, „Kuriere", genannt 10). Endlich führten sie als Unterstellte des magister officiorum den Titel magistriani "), unter dem sie sich noch in mittelbyzantinischer Zeit finden 12). Auch auf das ostgotische Reich sind sie von Theoderich übertragen worden: der gotische saio und der römische comitiacus sind einfach agentes in rebus gegenüber den Untertanen gotischen bzw. römischen Rechts 18).

1) Cod. lust. XII 20, 3.

2) Liban. a. a. O.

Seeck a. a. O. Sp. 778 f.

4) Z. B. Liban. or. XVIII (epitaph. in Iulian.) 135 ff.; Amm. XV 3, 8.

5) Theodos. VIII 5, 7.

") Theodos. VI 29, 1.

7) O. Hirschfeld, Die Sicherheitspolizei im römischen Kaiserreich, Sitzungsber. d. Berl. Ak. 1891 S. 854 Kl. Schrift. 585.

9) Or. XI 50 u. 51; Occ. IX 44 u. 45.

9) Liban. or. XVIII (epitaph. in Iulian.) 135; XXVII (contra Icar. I) 43; XLVI (contra Florent.) 15f.

10) Hieronymus in Abdiam 1; Theodos. VIII 5, 17. Dazu Audollent in Mélanges d'archéol. et d'hist. de l'École Fr. de Rome 9 (1889) S. 249 ff.

11) Z. B. Palladius hist. Lausiaca p. 154 ed. Meursius.

12) Z. B. Const. Porphyr. de admin. imper. c. 22 (S. 103, 8; z. Jahre 705). 1) Mommsen, Ostgoth. Studien, Neues Archiv 14 (1889) S. 469 ff. = Ges. Schrift. VI 407 ff.

IV. Die Rangordnung1).

Eine der wichtigsten Änderungen, die zu Beginn des hier behandelten Zeitraumes eintraten, bestand darin, daß nun jede ständische Gliederung des Heeres beseitigt wurde. Ein gleichmäßiger, fest umschriebener Weg führte vom Rekruten bis zu den höchsten Kommandostellen. Im allgemeinen ist diese Rangordnung bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts äußerst stabil geblieben; unbedenklich können wir in manchen Fällen Zeugnisse aus dem 6. Jahrhundert bereits für frühere Zeiten verwenden.

Die Gemeinen.
tiro.

Nach einer Bestimmung) vom Jahre 353 trat der Soldat erst im 19. Jahre ein; deshalb fügt auch Vegetius seiner Forderung, daß die Aushebung in der incipiens pubertas stattfinden soll, die Bemerkung hinzu: si antiqua consuetudo servanda est (I 4). Im Cod. Iust. (XII 43) ist diese Vorschrift getilgt. Der Rekrut hieß tiro (TiQwv, Teigwv) oder iunior). Als solcher galt der Soldat, bis seine Ausbildung*) vollendet war"). Wie lange dies dauerte, erfahren wir nicht; schwerlich war in der barbarisierten Armee des 5. und 6. Jahrhunderts die Ausbildungszeit fest geregelt), ganz unterblieben ist der Drill naturgemäß nie). Eine wohl in allen Armeen herrschende, unausrottbare Unsitte ist es, daß die alten Mannschaften die Rekruten drücken und zu niederen Dienstleistungen mißbrauchen; Lydus (unten Anm. 3) bezeugt, daß dies damals nicht besser war als heutzutage.

1) Grosse, Die Rangordnung der röm. Armee.
2) Theodos. VII 13, 1. Genaueres später.

3) Theodos. VII 13, 1. 6. 7. 10. 12. 15. 18; Veget. I 15. 16 u. ö. Lyd. de mag. I 47 indentifiziert in seiner unzuverlässigen Weise die riowves mit den sog. Toßalloi, niedrigen Soldatenknechten.

4) Veget. I 13: armatura.

5) Coripp. Ioh. I 128: tiro rudis; Theodos. VII 13, 19 = Cod. Iust. XII 43, 3. 6) Veget. I 8. 13.

7) Veget. I 13. 18; Amm. XVI 5, 10; XVIII, 7, 7: pyrricha Kriegstanz; Agath. II 1; Zos. 5, 20, 2.

« ZurückWeiter »