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solche, die auf Grund eines Gerichtsbeschlusses berechtigt sind, diesen Titel zu führen.

In Schottland ist die Entmündigung wegen Verschwendung anerkannt, und es gibt daselbst sogar eine freiwillige Entmündigung, die von Jemandem beantragt werden kann, der seiner eignen Vermögensverwaltung nicht genügendes Vertrauen schenkt. Das französische Institut des Familienraths ist in England ganz unbekannt.

Sehr wesentliche Unterschiede zwischen dem festländischen und dem englischen Recht Recht finden sich im Erbrecht. Der römischrechtliche Erbe, der sich in den deutschen Rechtssystemen noch erhalten hat, findet sich nicht im englischen Recht. Das Wort Heir at Law bezeichnet die Person, welcher nach Intestat-Erbrecht das unbewegliche Eigenthum zufällt. Das bewegliche Eigenthum geht stets an eine Zwischenperson: den Testamentsvollstrecker oder wenn kein Testament vorhanden ist, oder wenn der im Testament ernannte Testamentsvollstrecker nicht fähig oder willig ist, das Amt zu übernehmen, einen gerichtlich ernannten Nachlassverwalter. Diese Zwischenpersonen haben zunächst die Schulden zu bezahlen und den Rest an die Vermächtnissnehmer oder die Instestaterben zu vertheilen. Der ganze Nachlass untersteht der freien Verfügung durch Testament. Dadurch dass die Erbeinsetzung im Sinne des römischen Rechts ebenso wie im französischen Recht unbekannt ist, fällt auch die römisch rechtliche Unterscheidung zwischen Testament und Codizill weg. Der Ausdruck Codizill wird allerdings angewandt und bezeichnet eine letztwillige Verfügung, welche neben einer früher errichteten Geltung haben soll. Ein Codizill ist aber genau denselben Formvorschriften unterworfen wie ein Testament. So kommt es, dass Jemand, dem aufgetragen wird, ein Testament zu ergänzen, das theilweise in Deutschland theilweise in England zu vollstrecken ist, wenn das ursprüngliche Testament keine Erbeinsetzung enthält, mit dem Zusatz der auf Englisch Codizill genannt wird, genöthigt ist zu sagen, dass für die Zwecke des Deutschen Rechts das ursprüngliche Testament als Codizill, das Codizill als Testament anzusehen ist.

Da das englische Recht keine Erben im festländischen Sinne kennt, besteht selbstverständlich auch kein Notherbrecht, aber auch ein Pflichttheilrecht ist nicht mehr vorhanden. Gewisse Niessbrauchrechte, welche der überlebende Ehegatte an dem unbeweg

lichen Eigentum des Verstorbenen unter gewissen Voraussetzungen hat, gehören zum ehelichen Güterrecht und nicht in das Erbrecht, Anders verhält es sich in Schottland, wo der bewegliche Nachlass zum dritten Theil an den überlebenden Ehegatten, zum dritten Theil an die Kinder gehen muss und wo nur das übrigbleibende Drittel, das als dead man's part" bezeichnet wird, durch letztwillige Verfügung vergeben werden kann.

Der Unterschied in der erbrechtigen Behandlung des beweglichen und unbeweglichen Eigenthums, der in Deutschland jetzt nur ausnahmsweise besteht, von vielen Seiten aber als eine erstrebungswerthe Neuerung gewünscht wird, besteht in England zwar noch, liegt aber in den letzten Zügen. Bereits der letzte Lord Chancellor brachte im Namen der conservativen Regierung einen Gesetzentwurf vor das Parlament, der bewegliche und unbewegliche Habe vollständig gleichstellte, der aber wegen Mangel an Zeit nicht zum Gesetz erhoben werden konnte. Der jetzige Liberale Lord Chancellor hat neuerdings denselben Entwurf dem House of Lords unterbreitet, ohne jedoch eine Majorität dafür zu finden. Dies wird indessen nicht die erwähnte Versammlung verhindern, denselben Gesetzentwurf anzunehmen, wenn die vom Oberhause bevorzugte Partei wieder am Ruder ist. Die öffentliche Meinung ist in der Sache fast ganz einstimmig.

Nach dem jetzt noch bestehenden Intestaterbrecht gilt für das unbewegliche Eigentum das Primogeniturrecht; das bewegliche Eigenthum wird ungefähr nach den Grundsätzen der Novelle 118 · behandelt. Nur in Bezug auf das Intestaterbrecht des Ehegatten besteht die Eigenthümlichkeit, dass der Mann, wie bereits erwähnt, das ganze bewegliche Vermögen der Frau erhält, während die Frau bei beerbter Ehe nur ein Drittel, bei unbeerbter nur die Hälfte beanspruchen kann.

In Folge der erwähnten Bestimmungen des chelichen Güterrechts, sowohl als auch wegen der Abwesenheit eines Pflichttheilrechts ist die Errichtung von Fideicommissen sowohl unter lebenden als von Todes wegen sehr gebräuchlich. Als Muster mögen dabei allerdings die Fideicommisse gedient haben, die sich auf unbewegliches Vermögen beziehen und die dazu bestimmt waren, die Familiengüter zu erhalten. Diese letzteren Fideicommisse sind viel gebräuchlicher als in Deutschland, aber ihr ursprünglicher Zweck

kann nicht mehr erfüllt werden, da jetzt Land nicht mehr unverkäuflich gemacht werden kann, so dass jetzt auch die sich auf unbewegliches Vermögen beziehenden Fideicommisse denselben Zwecken dienen wie die anderen und zwar hauptsächlich der Sicherung von Einkünften an die Nachkommen durch mehrere Generationen. Das System hat viele Schattenseiten, auf die ich nicht eingehen kann, auf eine derselben wies bereits Lord Bacon hin, nämlich auf die vermögensrechtliche Selbstständigkeit der Kinder den Eltern gegenüber, die ihnen auch bei pflichtwidrigem Verhalten nicht entzogen werden kann. Wenn einer auch wie Lord Bacon in seiner prägnanten Weise sagt Iden Fluch seines Vaters hat, so wird er doch das Vermögen seines Grossvaters erhalten. Trotz der erwähnten Nachtheile entsprechen die erwähnten Fideicommisse den Volksgewohnheiten und füllen eine Lücke aus, welche durch die absolute Gewalt entstanden ist, welche das Recht dem einzelnen Familienvater gab. Sie sind, wie ich bereits in Bezug auf die durch sie geschaffene Sondergutsqualität des Vermögens der Ehefrauen bemerkt habe, nur durch die Subtilität der Juristen entstanden, welche sich mit derartigen Angelegenheiten befassen und Conveyancers genannt werden; aber während viele andere Auskunftsmittel dieser erfinderischen Kollegen von der Fluth der Zeitströmung längst überschwemmt worden sind, haben sie sich erhalten, weil sie einer Auffassung Ausdruck geben, die in dem Wesen der Menschen wurzelt und von dem allgemeinen englischen Recht nur zeitweise, und aus zufälligen Gründen nicht anerkannt wurde.

Meine Uebersicht ist zu Ende; sie ist, wie nach der Natur der behandelten Gegenstände nicht anders möglich ist, ungleich und unsymmetrisch, sie musste Vieles übergehen, wass interessant ist, aber ohne längere Auseinandersetzung nicht erklärt werden konnte. Trotzdem hoffe ich, dass sie gezeigt haben wird, dass ein eingehendes rechtsvergleichendes Studium der in Betracht kommenden Institute auch für den Praktiker und gerade für ihn von besonderem Werthe ist.

Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

in Siam, '

Von

Dr. Oscar Frankfurter,

Legationssekretär im Königl. Siamesischen Auswärtigen Amt zu Bangkok.

Gehalten am 28. November 1895.

Das Land Siam, dessen Areal sich auf 520,000 qkm beläuft, und dessen Grenze nach Osten und Norden zu dem Vertrage vom 3. Okt. 1893 mit Frankreich gemäss der Mekong bildet, das westlich durch die englischen Besitzungen Birmas, und nach Süden zu durch den Golf von Siam und Teile der malaischen Halbinsel begrenzt wird, erstreckt sich etwa vom 40-21° nördl. Breite und vom 96o-105° östl. Länge. Das Land, in seinem südlichen Teil flach, wird von zahlreichen Wasserstrassen durchzogen und in ihrer

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1) Die Citate, soweit sie sich nicht auf europäische Publikationen beziehen, sind entnommen für die Regierungsperiode des Königs Mongkut einem Abdruck des offiziellen Regierungsanzeigers für das siamesische Jahr 1220-1221 (1858–1859) Râjkiccanupeksâ Phra Râjbanjat le Prakat tăng tăng nai râjkal thi 4, ferner offiziellen Verordnungen und Proklamationen aus den 4 Regierungsperioden. Für die jetzige Regierungsperiode habe ich citiert den Regierungsanzeiger Rajkiccanupeksà, der seit dem Jahr 1874 regelmässig wöchentlich erscheint und Auskunft giebt über alle Gesetze, Rangbeförderungen etc. Der grösseren Bequemlichkeit der Verifikation halber, habe ich, soweit erschienen, einen Sonderabdruck der Gesetze aus der gegenwärtigen Regierungsperiode benutzt, die Hluang Ratnayat, Königl. Siamesischer Oberstaatsanwalt, Barrister at Law, veranstaltet hat. Es sind bis jetzt davon 4 Bände erschienen, die die Gesetze, die bis 1893 erschienen sind, umfassen. Mehrmals habe ich dabei auf Uebersetzung einzelner wichtiger Gesetze hingewiesen, die in der Bangkok Times erschienen sind. Ich habe Herrn Hans Albers von der Siamesischen Gesandtschaft meinen Dank auszusprechen für die Mühe, der er sich unterzog, die Korrektur zu lesen.

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Nähe siedelt sich hauptsächlich die Bevölkerung an. Der Hauptfluss ist der Menam Chao Phya, an dem die jetzige Hauptstadt Bangkok liegt und an dem die früheren Hauptstädte Sawangkalok und Ayuthya lagen, und dessen Lauf die Siamesen, von Norden kommend, folgten, um schliesslich, der allen Völkern gemeinsamen Tendenz nach, an das Meer zu gelangen. Die ziemlich dichte Bevölkerung, die ihrem religiösen Bekenntnis nach zum grössten Teil buddhistisch ist, setzt sich aus Siamesen, Laoten, eingewanderten Chinesen, Malaien, Kambodianern, Peguanern, Birmanen und Annamesen zusammen, zu denen dann noch Kariengs und Xong. kommen, einige Hindus, Klings und ein ganz minimaler Teil portugiesischer Abkömmlinge, meist Mischlinge von Annamesen und Kambodianern. Europäer mag es im Lande als Kaufleute, Angestellte der Regierung etwa 600 geben und sie bilden natürlich den wenigst stabilen Teil der Bevölkerung. Die Bevölkerung muss im grossen und ganzen als ackerbautreibend betrachtet werden. Grössere industrielle und commerzielle Unternehmungen giebt es noch wenig, während doch der Siamese als Kunsthandwerker hübsches leistet und die dort gefertigten Stoffe aus Seide und Baumwolle dauerhafter und schöner sind, als die importierten, die nur den Vorzug der Billigkeit haben. Ebenso sind die mit Perlmutter eingelegten Arbeiten und die Erzeugnisse der Gold- und Silberschmiedekunst bemerkenswert und auch die Erzeugnisse der Töpferei. Auf die Administration des Landes werde ich später einzugehen Gelegenheit haben; hier sei nur erwähnt, dass für den auswärtigen Handel nur der Hafen von Bangkok in Betracht kommt, von dem aus regelmässige Dampferverbindung nach Singapore und Hongkong und den chinesischen Hafenplätzen unterhalten wird. Der occidentalische Verkehr bewegt sich durch diese beiden Plätze, und es waren beispielshalber im Jahre 1893 Grossbritannien mit 66 %, Deutschland mit 21% des Tonnengehalts der gesamten Schiffahrt beteiligt, während die übrigen 13% sich auf die Flotte sämtlicher übrigen Nationen inclusive der siamesischen verteilten. 1)

Für den Weltmarkt in Betracht kommen als Exportartikel neben Reis, Teakholz und andern Nutzhölzern, Pfeffer, Cardamoms, die bekannten tropischen Drogen, Elfenbein. Ein grosser Viehexport 1) Report for the year 1893 on the Trade of Siam. Foreign Office 1895, Annual-Series.

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