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schottischen Küste innerhalb der neuen Grenze von 13 Meilen zu verbieten wäre, brauchen wir nicht zu untersuchen. Ich wollte nur erst nachdrücklichst darauf hinweisen, dass die normale Territorialgrenze des Meeres für alle Länder auf besagte 13 engl. Meilen ausgedehnt werden sollte, ehe man bestimmte lokale Grenzen und Bezirke für die verschiedenen Zweige des Fischfangs festsetzt. Auf Grund einer durch internationales Übereinkommen auf übliche Weise erzielten Konvention dürfte dann auf gesetzgebendem und richterlichem Wege gegen alle die Grenze überschreitenden Dampfer vorgegangen werden, nicht nur in Schottland, sondern in allen Staaten, welche der Konvention beitreten. In diesem Falle könnte dann die schottische Kammer ohne ein Weiteres mit vollem Rechte allen einheimischen und fremden Dampfschiffen die Verletzung der Territorialgrenze an der ganzen Küste verbieten, und wären hiermit alle Kleinfischer in Schottland auf gleichen Fuss gestellt. Es wäre die Aufgabe besagter Konvention, festzusetzen, in wiefern die grösseren Meerbusen als territoriale Bezirke angesehen werden müssten. Gegenwärtig ist man hierzulande geneigt, anzunehmen, dass die Jurisdiktion über alle sogenannten „engen Meere" an der schottischen Küste den Behörden von Schottland zufällt, seien dieselben innerhalb oder ausserhalb der normalen Territorialgrenze. Auf gleiche Weise beanspruchen die Vereinigten Staaten ausgedehntere Jurisdiktion über alle grössern Meerbusen und Einschnitte am atlantischen Ozean und im Golf von Mexiko.1)

Nur Gutes könnte aus einem bestimmten Übereinkommen über diesen Punkt erwachsen, und es wäre doch besser, dass eine Sache von so allgemeinem Interesse und solch bedeutender Wichtigkeit in Friedenszeiten abgethan würde, anstatt zu warten, bis internationale Verwickelungen ein friedliches Abkommen erschweren oder gänzlich unmöglich machen.

2. Über die indische Jünglingsweihe.

Von Professor Dr. Julius Jolly, Würzburg.

In den Grhyasutras, den Beschreibungen ,,häuslicher Gebräuche", d. h. der religiösen Begehungen, die sich an die wichtigsten Er

1) Kent.

eignisse des Familienlebens von der Wiege bis zum Grabe wie Geburt, Namengebung, Umgürtung, Verheiratung, Bestattung u. a. anknüpfen, besitzt das indische Altertum eine höchst merkwürdige, ja einzigartige Litteraturgattung. In dem Bestreben nichts zu übergehen, was zur Aufhellung dieser leider an Dunkelheit ziemlich reichen Texte beitragen kann, hat man neuerdings die Ergebnisse der vergleichenden Völker- und Sittenkunde herangezogen und die Sitten der sogen. Naturvölker mit Erfolg für die Erklärung indischer Gebräuche verwertet. Auch die modernen Gebräuche Indiens haben schon manche Aufklärung geboten, dürften sich aber noch weiterhin instruktiv erweisen, wie nachstehend an einem Beispiel gezeigt werden soll.

In überschwänglicher Weise werden in der ganzen Sanskritlitteratur die Wirkungen der Einweihung oder Umgürtung (upanayana) gepriesen. Ehe er diese Ceremonie durchgemacht hat, ist der junge Inder wie ein Sudra (Sklave) zu betrachten; durch die Einweihung erlangt er seine geistige Wiedergeburt, und der Brahmane der sie ihm verleiht ist als sein zweiter Vater anzusehen, dem er grössere Ehrerbietung schuldet als seinem leiblichen Vater. Die umständlichen Ceremonien, welche diesen wichtigen Akt begleiten, gestalten sich nach dem alten Grhyasutra des Hiranyakesin, in dem ihre Beschreibung nahezu ein Fünftel des ganzen Werks ausmacht, in der Hauptsache wie folgt (die vielfachen Sprüche aus den Vedas, die bei den einzelnen Teilen der heiligen Handlung herzusagen sind, lasse ich weg):

Der junge Brahmane soll die Einweihung im Alter von sieben Jahren empfangen. [Anderswo wird das 7. oder 8. Jabr nach der Geburt oder Empfängnis als der gewöhnliche, das 16. Lebensjahr als spätester Termin angegeben]. Mitglieder des zweiten und dritten. Standes sollen erst im Alter von 11 und 12 Jahren eingeweiht werden. [Nur die drei ersten Stände empfangen die Einweihung und heissen daher die Zweimalgeborenen im Gegensatz zu den Sudras d. h. Sklaven, denen sie nicht zu Teil wird]. Für die Brahmanen gilt der Frühling als die für den Akt geeignete Jahreszeit, auch ist darauf zu achten, dass derselbe unter einer günstigen Konstellation stattfindet. Bei dem Akt werden zunächst die eingeladenen Brahmanen gespeist und wünschen Glück zu der bevorstehenden Feier. Dann wird der Knabe gespeist, geschoren, geschmückt

und mit einem neuen, noch nicht gewaschenen Gewand bekleidet. Hierauf wird unter besonderen Feierlichkeiten ein Opferfeuer angezündet und alles zu dem Fest Erforderliche herbeigebracht, nämlich ein Stein, ein noch ungewaschenes Kleid, ein Antilopenfell, ein dreifacher Gürtel von Munjgras, ein Stab von Palasaholz, ferner 21 Holzstücke, ein Opferlöffel, ein Opfergefäss, ein Grasbüschel und andere Gerätschaften für das Feueropfer. Dieser Gerätschaften bedient sich der fungierende Brahmane bei dem nun folgenden Opfer, das hauptsächlich in einer in das Feuer gegossenen Butterspende besteht. Dann setzen sich der Knabe und sein künftiger Lehrer an das Feuer, das der Lehrer in vorgeschriebener Weise bedient. Der Stein wird in die Nähe des Feuers gelegt, und der Lehrer lässt den Knaben mit dem rechten Fuss auf den Stein treten unter Hersagung eines Spruchs, in dem er aufgefordert wird, so fest wie ein Stein zu sein. Unter weiteren, entsprechenden Recitationen vertauscht er sein altes Kleid mit dem bereit liegenden neuen, wird dreifach mit dem Gürtel umwunden und mit dem Antilopenfell behängt. Nachdem er die Opferreste genossen und sich den Mund ausgespült hat, bittet er den Lehrer um Einweihung, worauf der Lehrer ihn nach seinem Namen befragt und der Knabe ihm seinen Namen nennt. Der Lehrer ergreift nun seine Hand und deutet durch verschiedene symbolische Berührungen an, dass er gleichsam von ihm Besitz ergreift. Zugleich flüstert er ihm heilige Sprüche in das rechte Ohr und erteilt ihm Lehren über seine künftigen Pflichten als Schüler: er soll seinen Dienst verrichten, zur Tageszeit nicht schlafen, die Holzscheite (samidh) für das Feuer bringen, Wasser trinken, überhaupt sich als Schüler benehmen. Hierauf legt der Schüler zum ersten Mal Holzscheite in das Feuer, zunächst sieben Scheite von Palasaholz. Dann gibt er dem Lehrer ein Geschenk, und dieser schickt ihn mit einem Stab (danda) und einer Bettlerschale bewaffnet, aus um Almosen zu heischen, zunächst von seiner Mutter. [Nach anderen Quellen soll der Stab bis zu dem Haar des Knaben reichen; das Betteln geschieht mit der Formel: Bhavati bhiksham dehi Herrin, gib Almosen."] Die Almosen bringt er dem Lehrer und schenkt demselben zugleich auch sein altes Kleid. Die Brahmanen werden nochmals bewirtet. Drei Tage später, oder auch schon sofort, teilt ihm der Lehrer das heiligste Gebet der Brahmanen, die Savitri, mit, nach der die ganze Feier

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auch die Savitri heisst. Während der drei Tage muss der Schüler sich strengen Fasten und anderen Observanzen unterziehen. Er ist nun geweiht, muss aber noch bei dem Lehrer bleiben um die Vedas zu studieren und diese ganze Zeit hindurch Keuschheit beobachten und sich kasteien. Als Dauer der Studienzeit werden angegeben „,48 oder 24 oder 12 Jahre, oder so lange bis er den Veda gelernt hat." Das Ende der Studienzeit wird durch eine neue Feier bezeichnet, welche die „Heimkehr“ (samavartana) heisst; von dem dabei üblichen Reinigungsbad heisst der absolvierte Schüler ein ,,Gebadeter" (snataka).

In anderen Grhyasutras wird der Verlauf der Umgürtungsfeier in mannigfacher Weise variiert und modifiziert, indem z. B. das Betreten des Steins wegfällt, die Sprüche anders lauten, dem Lehrer eine Kuh geschenkt wird u. s. w. Das Gesamtbild der Feier wird hierdurch nicht verändert. Auch aus den analogen Angaben der Rechtsbücher (Smrtis) lassen sich nur vereinzelte Ergänzungen entnehmen. So erfahren wir aus denselben, dass die Bestreitung der jedenfalls nicht unbedeutenden Kosten der Umgürtung den Eltern, nach deren Tod den älteren Brüdern obliegt. Neben dem Gürtel ist sowohl in den Grhyasutras als in den Rechtsbüchern häufig von der heiligen Schnur die Rede, die über die linke Schulter und rechte Hüfte gelegt wird. Schon der Schüler trägt die Schnur, doch wird nicht ausdrücklich gesagt, ob sie ihm mit und bei der Einweihung verliehen wird.

In der Gegenwart bildet die heilige Schnur das wichtigste Kennzeichen der Brahmanen und überhaupt der höheren Stände. Selbst der tapfere Sivaji (1627-1680), der Begründer des Mahrattenreichs, wagte es seiner niedrigen Herkunft wegen nicht eher, die heilige Schnur zu tragen, als bis seine feierliche Krönung stattgefunden hatte. Die Kaste der Sonars oder Goldschmiede in Südindien rief eine grosse Umwälzung hervor, als sie sich über die Brahmanen erheben wollte und die heilige Schnur zu tragen anfing. Die Sonars tragen die heilige Schnur noch heutzutage, ausser ihnen z. B. die Jingars, Khatris, Bhatias, Kayasths, Vanjaris in der Präsidentschaft Bombay, und viele andere Kasten in allen Teilen Indiens. Namentlich ist aber das Anrecht auf die heilige Schnur ein Bindemittel für die unzähligen, den verschiedensten Berufsarten huldigenden Brahmanengemeinden Indiens,,,von den würdevollen Pandits in Behar

in ihren fleckenlosen weissen Gewändern und den hochmütigen Priestern in Benares, bis herab zu den Kartoffeln pflanzenden Brahmanen in Owissa, halbnackten Bauern mit einem schmutzigen Schnürchen über der Schulter" 1). Vereinzelt kommt bei den Brahmanen neben der heiligen Schnur auch noch der Gürtel vor; so tragen die Brahmanen in Kaschmir nach alter Sitte den Gürtel um den Leib, die Schnur über die linke Schulter geschlungen 2). Anderwärts wird der Gürtel, der noch immer aus Munjgras angefertigt wird, nur bei der Umgürtungszeremonie verwendet, nachher sofort wieder abgelegt.

Die Umgürtung wird noch ganz wie im Altertum festlich begangen, wobei weder Mühe noch Kosten gescheut werden. So kostet die Umgürtung bei den Patane Prabhus in Puna durchschnittlich 20-50 Rupien, bei den Deshasth-Brahmanen in Bijapur 40-100 Rupien, bei den Shrivaishnov-Brahmanen in Dharwar 50 Rupien 3). Der Verlauf der Feier gestaltet sich beispielsweise bei den MadhvaDeshasths in Dharwar, einer angesehenen Brahmanenkaste, im Wesentlichen wie folgt.

Als die passende Jahreszeit gelten die Monate Februar bis Juli. Den geeigneten Tag bestimmt ein Astrolog nach der Constellation. Schon mehrere Tage vor der eigentlichen Feier, welche fünf Tage dauert, findet ein grosses Reinmachen statt und wird vor dem Haus eine Halle nebst einem Altar errichtet und bekränzt; dann erfolgen die Einladungen, und es wird zunächst eine Vorfeier veranstaltet. An dem Haupttag wird der Knabe, der wie nach den Grhyasutras im 7. oder 8. Jahre steht, gesalbt und gebadet, hierauf einem Barbier übergeben, der ihm sein ganzes Haupthaar bis auf drei Büschel abschneidet, zuletzt nochmals gebadet und in die Speisehalle geführt. Dort werden andere, schon umgürtete Knaben bewirtet, auch der zu umgürtende Knabe erhält Speise, wobei seine Mutter ihn auf ihren Schoss nimmt und zum letzten Mal mit ihm aus dem gleichen Teller isst. Er wird dann nochmals von dem Barbier bearbeitet, gebadet und auf einen auf den Altar gestellten Schemel gesetzt, zwischen seine beiden Eltern. Die Brahmanen singen acht Hymnen. Sobald der durch den Astrologen

1) Hunter, India (2. Aufl.) 193.

2) Bühler, Report of a Tour in Kasmir (Bomb. 1877) 22.
3) Bombay Gazetteer 18, 1, 194; 23, 82; 22, 99.

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