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500 sein, den Wohnsitz innerhalb des Staates haben und weder jemals durch irgend ein Geschworenengericht wegen einer Strafthat für schuldig befunden worden noch auch für insolvent erklärt worden sein. Am Ende jedes zweiten Jahres tritt die Hälfte der Mitglieder des Volksraads ab und es findet eine Neuwahl statt. Der Volksraad vereinigt sich jährlich zu einer ordentlichen Sitzung, kann aber auch unter gewissen Umständen zu ausserordentlichen Sitzungen berufen werden, sei es durch den Präsidenten oder sei es durch die Mehrheit des Verwaltungsrathes (uitvoerende Raad). Wenn der Präsident oder ein Staatsbeamter sich eines groben Delictes schuldig macht, hat der Volksraad die Befugniss, ihn abzuurtheilen und im Falle der Schuld seines Amtes zu entsetzen.

Somit sind die Befugnisse des Präsidenten äusserst beschränkt, während die Macht des Volksraads sehr ausgedehnt und umfassend ist. Dies erklärt sich eben geschichtlich dadurch, dass der Volksraad, wie bereits oben angeführt ist, ursprünglich der einzige Gewalthaber im Staate war. Er ist desshalb auf seine Macht höchst eifersüchtig und spätere Versuche, auch dem Präsidenten einen Platz in der Staatsgewalt einzuräumen, sind stets bei dem Volksraad auf heftigen Widerstand gestossen. Dem Präsidenten ist desshalb nur soviel Machtbefugniss gewährt, als unbedingt nothwendig erscheint. Dies lässt sich weiter leicht aus dem Umstande begreifen, dass, als im Jahre 1854 die erste Verfassung aufgestellt wurde, kaum jemand im Lande zu finden war, dessen Leitung das Volk sich anvertrauen konnte. Bedeutende oder hervorragende Männer gab es nicht; so sah der Volksraad sich gezwungen, den Haupttheil der Landesgewalt in eigenen Händen zu behalten.

Die Verfassung bestimmt im Art. 48, dass die Rechtspflege ausschliesslich durch die Gerichte ausgeübt wird. Die Constituirung der letzteren ist indessen dem Gesetze überlassen. Ferner verordnet die Verfassung, dass alle Criminalsachen, welche in erster Instanz vor das Obergericht gebracht werden, durch Geschworene abzuurtheilen sind. Ausserdem besteht in jedem Distrikte für geringere Vergehen ein mit dem Landdrosten besetztes Landdrostengericht. Dieser Beamte versieht neben seiner richterlichen Befugniss gleichzeitig den Posten eines Civilcommissars innerhalb seines Bezirkes.

Die Verfassung verpflichtet jeden Bürger über 16 Jahre, sich

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beim Veldcornet" in die Stammrolle einschreiben zu lassen. Alle Bürger zwischen dem 16. und 60. Jahre sind kriegsdienstpflichtig. Das Militärsystem ist ein sehr einfaches und entspricht noch heute den alten Bestimmungen aus dem Jahre 1836.

Das Land zerfällt in Distrikte; jeder Distrikt wieder in Kreise. Die Bürger jedes Kreises erwählen aus ihrer Mitte einen Veldcornet, während die Veldcommandanten durch die Bürger eines ganzen Distriktes gewählt werden. Nur im Falle eines Krieges wird ein das Obercommando führender General von den vereinigten Commandanten und Veldcornets aus ihrer Mitte gewählt.

Bürger sind alle innerhalb des Landes von europäischen Eltern geborene Kinder; ferner alle Europäer, die bereits unter der Verfassung von 1854 und 1866 das Bürgerrecht erlangt haben. Ebenfalls erwirbt das Bürgerrecht derjenige, welcher ein Jahr im Staate gewohnt hat und Besitzer von unbeweglichem Vermögen im Werthe von wenigstens 150 ist. Wer ferner während dreier Jahre ununterbrochen im Staate gewohnt und eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, dem Staate Treue und den Gesetzen Gehorsam zu leisten, empfängt einen von dem Landdrosten seines Domicils ausgefertigten Bürgerbrief. Endlich ist jeder Civil- oder richterlicher Beamter, der beim Antritte seines Amtes dem Staate und dessen Gesetzen Treue und Gehorsam geschworen hat, Bürger.

Des Bürgerrechts verlustig geht: 1. wer das Bürgerrecht cines anderen Landes erwirbt; 2. wer ohne Erlaubniss des Präsidenten in fremde Kriegsdienste tritt oder Beamter einer fremden Regierung wird; 3. wer sich ausserhalb des Landes ansiedelt mit der Absicht, niemals wieder zurückzukehren. Diese Absicht ergiebt sich daraus, dass der Betreffende seinen Aufenthalt im Ausland über einen Zeitraum von zwei Jahren ausdehnt.

Das Stimmrecht zur Wahl eines Mitgliedes des Volksraads oder des Präsidenten üben diejenigen Bürger aus, welche entweder im Lande geboren sind oder welche über einen freien Besitz von Immobilien im Werthe von wenigstens 150 verfügen; oder welche einen jährlichen Miethszins von wenigstens 36 für festes Eigenthum entrichten oder ein jährliches Einkommen von wenigstens 200 nachweisen können; ferner solche, welche Mobilien im Werthe von wenigstens L 300 besitzen und während dreier Jahre Einwohner des Staates gewesen sind.

Das alte römisch - holländische Recht ist für alle Fälle massgebend, wo nicht andere Bestimmungen durch den Gesetzgeber getroffen sind. Alle sind vor dem Gesetze gleich; das Eigenthumsrecht ist verbürgt und die persönliche Freiheit sowie die Freiheit der Presse geschützt, sofern das Gesetz die Ausübung dieser letzteren bedingt.

Vergleicht man diese Verfassung mit den Verfassungsversuchen von 1836, 1837 und 1840, so springt deren grosse Aehnlichkeit sofort in die Augen. Obgleich einige Bestimmungen fremden Ursprung aufweisen, so sind doch die Grundzüge der Constitution einheimisch und durch die Sitten und Gewohnheiten des Volkes sowie die Verhältnisse des Landes geschaffen.

II. Gesetzgebung.

Wie bereits erwähnt, hat unsere Verfassung das römischholländische Recht adoptirt, wie solches bis zur Zeit der neueren Codification bei Beginn dieses Jahrhunderts in Holland entwickelt und abgeändert war. Der Gesetzgeber hat also hier zu Lande sich nur mit dem Modificiren und Ergänzen bereits bestehender Gesetze zu beschäftigen. Im Jahre 1891 wurden die bis dahin erlassenen Gesetze gesammelt und gehörig codificirt unter dem Namen des Gesetzbuches des Oranje-Freistaates. Die später verkündeten Gesetze werden nach der Reihenfolge und dem Jahre ihres Erlasses numerirt. Also citirt man: Gesetz No. x aus dem Jahre 189x. Im Jahre 1895 sind folgende Gesetze entstanden:

Verwaltung: Ges. No. 1. Die Regulirung des Dienstjahres und die Verpflichtung der Hauptbeamten nach Beendigung jedes Dienstjahres dem Präsidenten, sowie dem Oberschatzmeister einen Rapport über die Verrichtungen ihres Departements zukommen zu lassen.

Ges. No. 9. Ein Revisor sämmtlicher Kassen und öffentlicher Bureaux wird angestellt.

Cultus: Ges. No. 2 befreit einige Kirchengenossenschaften von den jährlich zu zahlenden Communalabgaben.

Eisenbahn: Ges. No. 3, durch welches Art. 20, Cap. 77 des Gesetzbuches abgeändert wird.

Oeffentliche Ordnung: Ges. No. 4 dient der Ergänzung und Abänderung von Art. 2, Cap. 133 des Gesetzbuches. Kraft dieses

Gesetzes ist es weiterhin dem Eigenthümer von Landgütern nicht gestattet, ohne Einwilligung der Obrigkeit mehr als fünf farbige Familienhäupter auf jedem registrirten Landgute zu haben oder wohnen zu lassen.

Konkurs: Ges. No. 5, durch welches Art. 41, Cap. 104 des Gesetzbuches abgeändert wird.

Post: Ges. No. 6 zur Ergänzung und Abänderung von Cap. 59 des Gesetzbuches.

Justiz: Ges. No. 7, durch welches den Gerichtsgeschworenen Reise- und Aufenthaltskosten zugebilligt werden.

Ges. No. 8.

Ueber den Transport von Delinquenten und solchen Personen, welche sich gesetzmässig im Gewahrsam befinden, durch den Staat.

Oeffentliche Sitte: Ges. No. 10, durch welches Art. 1, Cap. 142 des Gesetzbuches abgeändert wird.

Landwirthschaft: Ges. No. 11. Ueber die Pflicht jedes Grundeigenthümers, das Unkraut, bekannt unter dem Namen: ,,Schottische Distel" zu vertilgen.

Ges. No. 18, welches vorschreibt, dass Staatslandgüter nur an Staatsangehörige, welche keine Grundeigenthümer und bereits 10 Jahre im Staate sesshaft sind, verpachtet werden dürfen, wenn sie die Ländereien persönlich in Besitz nehmen.

Militärwesen: Ges. No. 12, durch welches Art. 1, Cap. 45 des Gesetzbuches ergänzt und abgeändert wird.

Finanzen: Ges. No. 13 zur Abänderung und Ergänzung von Cap. 101 des Gesetzbuches über die Fortdauer, das Kapital und die Actien der National-Bank.

Oeffentlicher Unterricht: Ges. No. 14 über die Schulpflicht europäischer Kinder. Alle Kinder von Europäern zwischen 14 und 16 Jahren in Städten und Dörfern innnerhalb zweier Meilen von jeder Regierungsschule sind schulpflichtig, falls sie nicht bereits auf einer Schule Unterricht geniessen oder nicht schon ein ihnen durch einen befugten Examinator von Staatswegen ausgefertigtes Zeugniss besitzen, inhaltlich dessen sie ein Examen im Lesen, Schreiben, Rechnen und in der biblischen Geschichte bestanden haben. Kinder von bedürftigen Eltern bleiben ganz oder theilweise von den Unterrichtskosten befreit, und werden, wenn erforderlich, auch mit Kleidung versehen.

Ges. No. 14 über die Bestimmung der Ferien, in Abänderung von Art. 98, Cap. 49 des Gesetzbuches.

Handel: Ges. No. 15 über die Regulirung der Einfuhr von Producten und Vieh aus dem Staate in die südafrikanische Republik. Ges. No. 16, durch welches Cap. 108 des Gesetzbuches über den Handel mit Spirituosen abgeändert wird.

19. Rumänien.

Referent: Präsident des Kassationshofes Dr. Nicolas Mandrea,
Bukarest.

a) Gesetzgebung.
I.

Die verschiedenen in der Legislaturperiode des Jahres 1894/95 von den gesetzgebenden Körperschaften Rumäniens berathenen und beschlossenen, von der Krone sanktionirten und in Kraft getretenen Gesetze sowie die bei dieser Gelegenheit stattgefundenen Verhandlungen spiegeln die jeweiligen Bedürfnisse des Landes, die Ziele und Zwecke der betreffenden Regierung und der dabei mitwirkenden politischen Parteien wieder und legen Zeugniss ab von der politischen Reife und der Kultur im Allgemeinen, sowie der maassgebenden mitwirkenden Faktoren im Besonderen.

Zwölf Jahre hindurch war die liberale Partei in der Regierung und Verwaltung des Landes allmächtig, und trotzdem sie in beiden gesetzgebenden Versammlungen mehr als die nöthige Majorität besass, erschien es dem Könige politisch angezeigt, im März 1888 mit Rücksicht auf die erregte öffentliche Meinung und zur Beschwichtigung der politischen Gegenpartei ein anderes Ministerium aus Persönlichkeiten zu berufen, welche jenem Treiben fern standen.

Die maassgebenden Männer in dem Ministerium entstammten dem Kreise der Junimisten" (d. h. der Jungen), welche wenn auch gering an Zahl im Lande durch ihre litterarische Thätigkeit und Bildung und auch auf dem Gebiete der Politik einen Ausschlag gebenden Einfluss erlangt hatten.

Die gesetzgebenden Körper wurden aufgelöst. Das Ministerium richtete an die Wähler einen Aufruf, der die Grundzüge für die zukünftige Thätigkeit nach den verschiedenen Richtungen der Ver- •

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