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Aber was früher nur in Gestalt grosser Compagnien möglich war, ist heute leichter auch in Associationen Einzelner durchführbar. Wie die Kapitalkraft der Einzelnen heute eine ungleich grössere als in vergangenen Jahrhunderten, der Kredit ungleich ausgedehnter, die Zahlungsformen ungleich elastischer und kürzer sind, als vordem, so sind die Formen der auch individualistischen Vergesellschaftungen heute mannichfaltiger, vor Allem ist die Theilung der Persönlichkeit auch hier vom heutigen Recht ermöglicht. Immerhin lehrt die Statistik1), dass heute, wie ehedem, der Schwerpunkt einer beginnenden Kolonialpolitik in den Compagnien - um diesen Ausdruck ein für alle Male für Unternehmungen mit grosser Mitgliederzahl anzuwenden nicht in den kleineren Gesellschaften wenigstens so lange liegen wird, als nicht das Kolonialgebiet zu einer grösseren Höhe der kulturellen Entwicklung gediehen ist. Sind Häfen, Städte und Dörfer angelegt, führen Landstrassen und Bahnen durch die neu erschlossenen Gebiete, ziehen Dampfer und Kähne die Ströme auf und abwärts, ist ein geordnetes Rechtswesen, eine sichere Polizei ein- und durchgeführt, so wird die solide Vergesellschaftung Einzelner in der altüberkommenen Form der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft mit Vertrauen auch die Kolonialgebiete aufsuchen. Einstweilen muss den Pionier das aus der Betheiligung Vieler seine Mittel schöpfende Grossunternehmen abgeben.

Soll das Grossunternehmen für die Dauer bestehen, so erheischt es korporative Gestaltung. Die Compagnie muss Korporation sein. So war es in alter Zeit, so verlangt es die Gegenwart. Durch Erhebung zu einer Korporation entsteht in Holland aus den mehreren kleineren Compagnien die erste grosse Kolonialgesellschaft, welche an der Schwelle des 17. Jahrh. auftaucht und das Vorbild vieler anderer geworden ist 2) und die Annalen der neuen deutschen Kolonialpolitik lehren, dass die grösseren Unter

einzelne schon vorher mit einander verschmolzen. Eine von ihnen, die Magelhaensche Compagnie, erhielt sich auch nach Gründung der grossen Compagnie, van Rees S. 22, 64. Auch der Niederländisch-Westindischen Compagnie gingen Einzelcompagnien voraus van Rees 75 ff.

1) Gegen Oechelhaeuser (Reichstagssitzung vom 28. Febr. 1888, St. B. 1156).

2) Siehe meine Abhandlung S. 29 ff.

nehmungen sich bald entschliessen, korporative Gestaltung anzunehmen. 1) Die Signatur des siebzehnten Jahrhunderts, des Kolonialjahrhunderts zar' ¿§oziv, bildet die inkorporirte, oder wie man auch sagt, oktroiirte 2) Compagnie. Im sechszehnten Jahrhundert herrscht noch die auf vorübergehende Ausbeute ausgehende Rhederei vor. Die Rhederei war keine Korporation, wenngleich sie gewisse Keime der Korporation in sich barg. 3) Bei der Rhederei war das Schiffsververmögen (fortune de mer) dasjenige, was bei den ausgeprägtesten Kapitalgesellschaften das Grundkapital darstellt. Es war eingetheilt in Antheile, Schiffsparten, und die Anzahl der Parten konnte eine recht beträchtliche sein,1) wie noch heute in den Seeplätzen Norddeutschlands, insbesondere in Mecklenburg, die Zerlegung in zahlreiche Schiffsparten zu beobachten ist. 5) Die Schiffspart gewährte die Grundlage für die Gewinnbetheiligung) und für die Beitragspflicht, 7) nach Innen gab es Majoritätsbeschlüsse,) auch war die Schiffspart veräusserlich) und eine Art Handel mit Schiffsparten hat jedenfalls früher, wie auch jetzt, stattgefunden. Aber die Rhederei war nicht Korporation. Sie trat nicht einmal unter einer Firma auf. Der Name des Schiffes bot freilich eine gewisse äussere Einheit dar, aber rechtlich lag nach aussen ein Miteigenthum der

1) Vergl. V. Ring S. 38 ff., V. Simon S. 96 ff.

2) Ueber das nicht ganz Zutreffende dieser Bezeichnung siehe meine Abhandlung S. 82 ff. Heute hat sich die Bezeichnung Oktroisystem für dasjenige System eingebürgert, bei dem die Regelung der korporativen Gestaltung durch Sondergesetzgebung (Privileg) erfolgt, während im Concessionssystem die lex generalis den Typus regelt und nur die Entstehung von der Concessionirung abhängig macht. Aber im 17. Jahrhundert regelte das korporative Verfassungsleben vom gemeinen Recht abgesehen, das hierüber ja äusserst dürftig ist meist eine lex generalis überhaupt nicht und das Oktroi bezog sich häufig gar nicht auf die Regelung der korporativen Gestaltung. Der Ausdruck ist also nicht zutreffend. Immerhin behalten wir den eingebürgerten Sprachgebrauch bei.

3) Meine Abhandlung S. 49 ff.

*) Meine Abhandl. S. 20, Lewis in Endemanns Handb. IV, 53.

5) In Rostock z. B. kommen ausserordentlich kleine Bruchtheile vor.

6) Consolat del Mar cap. CLXXIV, CXCIV.

7) Consolat del Mar cap. CXCIV.

*) Consolat del Mar cap. XI, CLXXIV, CLXXVII; vgl. R. Wagner, Seerecht S. 196.

9) Freilich mit Vorkaufsrecht, R. Wagner S. 216.

Partner am Seeschiffe vor. 1) Auch war der Betrieb der Geschäfte nur auf den Augenblick berechnet. Raubbau, nicht planmässige Abforstung war die Betriebsweise. Feste Geschäftsjahre, wiederkehrende Bilanzen und Inventarisirungen, Anlage von Reservefonds - alles dies ging den Rhedereien ab. Die Betheiligung des Einzelnen war für eine oder mehrere Seereisen geplant, nachher wurde abgetheilt. Solche Form konnte nur so lange genügen, als es sich im Wesentlichen um den Küstenhandel handelte. Sobald die Besiedelung und Ausbeutung des Bodens begann, war sie ungeeignet. Sobald nicht mehr die goldenen Aepfel von den Bäumen im Garten der Hesperiden geschüttelt, sondern die Früchte in langsamer Arbeit. dem Boden abgerungen werden mussten, erwies sich der auf die Dauer berechnete Korporationstypus als nothwendig. Aber freilich hat die Rhederei noch lange nachgewirkt. Die grossen Compagnien des 17. Jahrhunderts zeigen noch starke Einflüsse des alten Rhedereigedankens. In den Kammern der Niederländisch-Ostindischen Compagnie lebten die alten Rhedereien fort 2) und die Englisch-Ostindische Compagnie wirthschaftete den grössten Theil des 17. Jahrhunderts noch nach Art der Rhedereien fort. Und nicht minder bemerkenswerth ist, dass gewisse Anklänge an den Rhedereigedanken sich auch in neuester Zeit äussern.

Die Compagnie muss Korporation sein. Was ist damit gesagt? Zunächst ist damit nur gesagt, dass dem Unternehmen eine dauernde Selbstständigkeit in der Erhebung zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit gegeben ist, wie dies die in der alterthümlichen Form der Normannenzeit noch heute ergehenden Charters der englischen Compagnien dahin ausdrücken, dass sie eine politische und inkorporirte Gesellschaft mit beständiger Erbfolge und eigenem Siegel" sein solle.

Im Uebrigen sind zwei Typen denkbar, der Gildetypus und der Kapitalgesellschaftstypus. Beim Gildetypus wird die korporative Gestaltung nur und lediglich zu dem Zwecke gewährt, um die Dauer des Unternehmens zur rechtlichen Ausprägung zu bringen,

1) Ueber die verschiedenen Constructionen der Rhederei Lewis a. a. O. S. 54, 55.

2) Meine Abhandlung S. 33 ff; Klerk de Reus S. 19 ff; die Selbstständigkeit der einzelnen Kammern war ursprünglich noch stärker geplant. Van Chys S. 103 ff.

Dagegen werden der Compagnie als Ganzem weitere Rechte und Aufgaben nicht zugewiesen. Die einzelnen Mitglieder treiben. für sich Handel, beginnen und wickeln Unternehmungen auf eigene Faust ab, Innnerhalb der Korporation giebt es also ein Zusammenschliessen zu dieser oder jener Unternehmung, die Korporation ist nur der gemeinsame Rahmen, innerhalb dessen die nähere Ausgestaltung des Unternehmens dem Belieben des Einzelnen überlassen ist. So war es der Fall bei den regulirten Compagnien Englands, die im Wesentlichen kaufmännische Gilden nach Art unserer Hanse waren und die bis auf die germanische Heidenzeit zurückreichen. 1) Hier war die Compagnie Korporation, aber sie besass ein Vereinsvermögen nur nach Art unserer Innungen. Handelte es sich um das für ein Unternehmen erforderliche Vermögen, so brachten diejenigen Mitglieder, die sich betheiligen wollten, von Fall zu Fall durch besondere Subscription es zu Stande. Solch' Typus wäre auch heute denkbar. Aber erwachsen ist er in der Zeit der ständischen Gliederung und er unterlag, sobald sich grössere Kolonialgesellschaften als nothwendig herausstellten, dem Typus der Joint-Stock-Company" 2). Grund genug, um ihn mit Vorsicht zu betrachten, wenn er nicht auch aus rein praktischen Gründen unbrauchbar erschiene. Vor Allem entscheidet gegen ihn die Schwierigkeit der Regulirung und Abwicklung der Resultate der Unternehmung. Wem sollen die erworbenen Ländereien, die errichteten Niederlagen zustehen? Wie sollen die einzelnen Sondergesellschaften sich unter einander verhalten und abfinden? Wer soll die Leitung des Ganzen haben? Alle diese Dinge machten bei der Englisch-Ostindischen Compagnie unsägliche Schwierigkeiten und führten in Nacheiferung des Holländischen Vorbildes auch dort zur Joint-Stock-Company". Heute lassen sie die Gildeform als unanwendbar erscheinen.

1) Die sg. Schutzgilden, über welche die bekannten Werke von Wilda, Pappenheim, Gross, K. Hegel u. A handeln.

2) Lehrreich die Geschichte der Englisch-Ostindischen Compagnie. Die ersten drei grossen „Joint-Stock" Compagnien Englands waren die Englisch - Ostindische, die Afrikanische und die Hudsonsbai - Compagnie. Meine Abhandlung S. 44 A. 4. Die Polemik Burchards in der Deutschen Litteratur-Zeitung 1895 S. 1522 ist mir nicht verständlich, da aus jener Stelle ja klar hervorgeht, dass ich nicht die jüngere, sondern die ältere Afrikanische Compagnie meine.

Dem Gildetypus steht gegenüber der Kapitalgesellschaftstypus, die,,Joint-Stock-Company". Hier ist die Korporation Trägerin des Gesellschaftsvermögens, hier deckt sich Unternehmen und Korporation, es giebt nur das korporative Unternehmen, nicht Unternehmungen innerhalb der Korporation. Auf diese Form drängt die koloniale Erwerbsgesellschaft hin und sie haben die Compagnien der Vergangenheit, wie der Gegenwart angenommen. Nun aber beginnt die eigentliche Untersuchung. Zwei Fragen beschäftigen den Beobachter, die Haftungsfrage und die Organisationsfrage. Voran steht die Frage der Haftung des einzelnen Mitgliedes.

Bekannt ist die Vielgestaltigkeit des modernen, zumal deutschen Gesellschaftsrechts mit Bezug auf die Haftungsfrage, eine ganze Musterkarte von Typen tritt uns entgegen, bürgschaftsartige Solidaroder Partialhaft, wie bei unseren Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften mit unbeschränkter oder beschränkter Haftpflicht und den englischen Joint-Stock-Companies Limited by guarantee, unbegrenzte interne Nachschusspflicht, Nachschusspflicht mit Abandonnirungsrecht, sei es, dass der Genosse seinen Antheil einfach zu Gunsten der Compagnie aufgiebt, sei es, dass er ihn zum öffentlichen Verkauf bringt und einen etwaigen Ueberschuss in die eigene Tasche steckt, während im Uebrigen der Ersteher an seine Stelle tritt, endlich rein beschränkte Haftung nach Innen. Sofort ist klar, dass die drei ersteren Typen für Kolonialerwerbsgesellschaften wenig brauchbar sind. Erwachsen aus dem Bestreben, den kleinen Leuten die Association in ihrem Berufszweige zur wirksamen Konkurrenz mit dem Grosskapital zu gewähren und andererseits zu vorsichtiger und besonnener Geschäftsführung, zur ängstlichen Vermeidung jeglichen Wagnisses gerade durch die Haftpflicht anzuspornen, passen sie nicht für Kolonialgesellschaften, die auf kapital kräftige Theilnehmer rechnen, auf solche, die im Vertrauen auf die Zukunft des Unternehmens auch ohne die völlige eigene Sachkenntniss und trotz des Bewusstseins des Risikos sich dem Unternehmen anschliessen. Das Princip der beschränkten Haftung drängt sich hier von selbst als das gegebene auf und Wenn es auch wahr ist, dass in England bis in die Mitte dieses Jahrhunderts trotz unbeschränkter Haftung sich Kolonialgesellschaften gebildet haben, so ist es ein Anderes, drakonische Gesetze mit Rücksicht auf ihr Alter zu ertragen, als sich bei Aner

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