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die Frage betreffend die Acceptation des Vertrages und die Ausfertigung der betreffenden Police.

Die Gesellschaft muss endlich ihre verfügbaren, in Brasilien bezogenen Geldmittel in Wertpapieren bei der Regierung oder einer anderen sicheren Firma im Lande selbst anlegen.

Ausserdem muss sie alle 6 Monate einen Bericht über die in dieser Zeit übernommenen Versicherungen und einkassierten Summen dem Finanzministerium einreichen und im Regierungsblatt veröffentlichen lassen.

Die schon bestehenden Gesellschaften mussten sich durch eine ausdrückliche Erklärung allen Anordnungen dieses Gesetzes unterwerfen.

Die Regierung ist berechtigt, durch Beamte, welche ihr Vertrauen besitzen, die Mitteilungen der Gesellschaften auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen.

Infolge dieses Gesetzes haben die beiden grossen amerikanischen Gesellschaften: „The New-York Live Insurance Co.“ und „The Equitable", welche in Brasilien Zweigniederlassungen hatten, ihre Geschäfte eingestellt und sich aus dem Lande zurückgezogen.

Das Gesetz vom 30. Oktober hat den Rechtsunterricht in der Republik umgestaltet. 1)

Die privaten sogenannten freien Rechtsschulen bedürfen einer Genehmigung Seitens der Regierung. Das Staatsinteresse wird durch einen Regierungsvertreter wahrgenommen.

Folgende brasilianischen Konsulate sind während des Jahres durch ein Gesetz vom 8. November in Vice-Konsulate umgewandelt worden: In Baltimore, New-Orleans, Rosario, Frankfurt a. M., Bremen und Vigo. Konsulate sind errichtet in Cardiff, Stockholm, Georgetown, Vera-Cruz, Posadas, St. Thome. Vom bibliographischen Gesichtspunkte aus bemerkt man den Beginn einer Bewegung, welche sich in diesem Jahre noch mehr entfalten wird. Mehrere Werke, darunter einige von wirklicher Bedeutung, sind veröffentlicht. Zehn juristische Zeitschriften über Gesetzgebung und Doktrin erscheinen regelmässig. Verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften, wie das Institut der Anwälte in Rio de Janeiro, das Institut der Anwälte in São Paulo, die Gesellschaft für Kriminal - Anthropologie und mehrere andere

1) Das Nähere siehe Nachtrag VI.

bestehen im Lande; neue sind im verflossenen Jahre gegründet. Alle haben mit glücklichem Erfolge zum Heile der Rechtswissenschaft gearbeitet.

Nachtrag:

Die Gesetzgebung Brasiliens seit Begründung der Republik. Referent: Professor Dr. Monteiro in São Paulo (Brasilien). Übersetzung aus dem Portugiesischen von Gerichtsassessor Dr. Crusen,

Berlin.

No. I. Durch die Verordnung No. 13a von 1889 wurden der Minister des Inneren und die Statthalter (governadores) der Einzelstaaten ermächtigt, jeden Ausländer auf Antrag ohne Beobachtung der durch frühere Gesetze vorgeschriebenen Förmlichkeiten in den Staatsverband aufzunehmen. Ausserdem fand eine umfassende Naturalisation statt durch die Verordnung No. 58a. vom 15. Dezember desselben Jahres, deren Bestimmungen folgendermassen lauten:

Art. 1. Alle Ausländer, welche am 15. Dezember 1889 in Brasilien ihren Wohnsitz haben (residiam), werden als brasilianische Staatsbürger angesehen, falls sie nicht binnen sechs Monaten nach der Verkündung dieses Gesetzes vor der zuständigen Gemeindebehörde eine entgegengesetzte Erklärung abgeben.

Art. 2. Alle Ausländer, welche zwei Jahre lang seit der Verkündung dieses Gesetzes im Inlande ihren Wohnsitz gehabt haben, werden als Brasilianer betrachtet, falls sie nicht auf diese Vergünstigung durch Abgabe der in Art. 1 erwähnten Erklärung verzichten.

Art. 3. Die durch dieses Gesetz naturalisierten Ausländer geniessen alle den eingeborenen Staatsangehörigen zustehenden bürgerlichen und politischen Rechte und sind zur Bekleidung aller öffentlichen Ämter, mit alleiniger Ausnahme der Würde des Staatsoberhauptes, befähigt.

Art 4. Die in Art. 1 und 2 erwähnte Erklärung wird vor dem Sekretär der Gemeinde oder der vorläufig die Stelle desselben vertretenden Korporation in einem besonders hierzu bestimmten Buche abgegeben und von dem Erklärenden und dem Gemeindesekretär beziehungsweise dem Vertreter der Korporation unterschrieben.

No. II. Eine logische Konsequenz der vorstehenden Bestimmung war die Verordnung No. 181 vom 24. Januar 1890 über

Hiermit wurde eine langer Zeit erhobene

die Einführung der Civilehe (casamento civil). von den edelsten Angehörigen des Volkes seit Forderung erfüllt, deren Befriedigung bei der damaligen politischen Lage nicht länger zu verschieben war. Die Civilehe ist eines der hervorragendsten Kennzeichen der Gewissensfreiheit, eine Einrichtung, ohne die ein Volk weder politisch noch wirtschaftlich fortschreiten kann. Wollte man sich nicht in unlösbare Widersprüche verwickeln, so konnte man nicht die von der provisorischen Regierung vorgenommene Trennung von Kirche und Staat,1) sowie die Säkularisation der Begräbnisplätze aufrecht erhalten und gleichzeitig die kirchliche Eheschliessung als einziges rechtlich zulässiges Mittel zur Begründung einer gültigen Ehe bestehen lassen. Übrigens ist es selbst Thomas von Aquino, einem der Eifrigsten unter den Vertretern der orthodoxen katholischen Theologie, nicht entgangen, dass die Ehe nicht nur ein religiöses, sondern auch ein rechtliches Element in sich birgt. Sagt er doch in seiner Summa contra Gentiles: „Matrimonium, in quantum est officium naturae, statuitur lege naturae; in quantum est sacramentum, statuitur iure divino; in quantum est officium communitatis, statuitur iure civili."

Dieselbe Verordnung erweiterte auch das Ehescheidungsrecht, allerdings unter ausschliesslicher Beibehaltung derjenigen Form, welche nach kanonischem Rechte die einzig zulässige ist: der einfachen thatsächlichen Trennung der Ehegatten ohne Auflösung des ehelichen Bandes. Es ist sehr zu bedauern, dass der damalige Minister der provisorischen Regierung, Dr. Manoel Ferraz de Campos Salles, ohne Frage eines der hervorragendsten Talente der jüngeren republikanischen Generation Brasiliens, in dieser Beziehung auf halbem Wege stehen geblieben ist. Will man der ethischen und der rechtlichen Natur der ehelichen Beziehungen gerecht werden, so darf man sich nicht, wie es das brasilianische Gesetz thut, darauf beschränken, als Gründe für die Lösung der

1) Durch Verordnung vom 7. Januar 1890 wurde von Seiten der provisorischen Regierung das ,,katholische apostolische römische" Bekenntnis seines Charakters als Staatsreligion entkleidet, allen anderen Konfessionen die freie Ausübung des Kultus sowohl zu Hause wie in Kirchen, Versammlungen und Anstalten gewährleistet und das Patronat mit allen darauf bezüglichen Einrichtungen und Vorrechten abgeschafft. Die endgültige Einziehung der Begräbnisplätze für den Staat erfolgte durch Verordnung vom 27. September 1890.

Ehe dem Bande nach nur die im wesentlichen mit den entsprechenden Grundsätzen des europäischen Rechts übereinstimmenden Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe zuzulassen. Die in Frankreich, England 1), Deutschland, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, kurz in fast allen civilisierten Ländern, ausser Italien, Portugal und den südamerikanischen Republiken) gemachten Erfahrungen, haben den unwiderleglichen Beweis dafür erbracht, dass die Möglichkeit der Ehescheidung, beim Vorliegen besonders wichtiger Gründe, die beste Gewähr für Aufrechterhaltung von Sitte und Ordnung im Familienleben ist. Die Unmöglichkeit der Scheidung ist vom Standpunkte der Biologie, Psychologie, der Moral und des Rechts als eine schwere Beeinträchtigung der menschlichen Freiheit anzusehen und daher zu verwerfen.

No. III. Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen über das Sachenrecht enthalten die Verordnungen vom 19. Januar 1890 (Regelung des Hypothekenrechts) und vom 31. Mai 1890 (Einführung des Grundbuches nach dem Systeme Torrens).

Die hervorragendsten Neuerungen auf dem Gebiete des Hypothekenrechts sind folgende: 1. Der Rang der Hypotheken wird ausschliesslich durch die Reihenfolge der Eintragungen (früher: durch diese oder durch das Datum) bestimmt (Art. 2 § 9). 2. Die gesetzlichen Hypotheken (der Ehefrauen, Minderjährigen, Bevormundeten, des Fiskus bezüglich des unbeweglichen Vermögens der Steuererheber, der Miterben zur Sicherung ihres Anteils an dem einem von ihnen zugesprochenen Nachlassgrundstücke 1. erlangen gegen Dritte nur durch Spezialisierung und Eintragung Wirksamkeit (Art. 3 § 10) eine radikale Abänderung des früheren Rechts, wonach die Hypotheken der Ehefrauen, Minderjährigen und Bevormundeten von dem Erfordernisse der Spezialität ausgenommen waren und sofern sie nicht spezialisiert waren - das gesamte gegenwärtige und zukünftige unbewegliche Vermögen der Ehegatten, Vormünder und Pfleger ergriffen. 3. Die

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1) In England war, was Alfred Naques (Le divorce, 2. Aufl. S. 225) übersieht, die Ehescheidung schon vor der Divorce Act von 1857 zulässig; denn bereits im Jahre 1548 liess sich der Marquis of Northampton scheiden. 2) Es ist daher nicht unzutreffend, wenn Laurent, Droit civil international Bd. 5 S. 301, bemerkt, dass die Ehescheidung in Europa und Amerika nahezu allgemeines Recht ist.

vertragsmässige Hypothek erstreckt sich auch auf die hängenden und die abgeernteten und aufgespeicherten Früchte, sowie auf den Mietszins (Art. 4 § 2), während nach früherem Recht als Zubehör, nur die Kinder verpfändeter Sklavinnen angesehen wurden eine Bestimmung, die übrigens schon durch das Gesetz vom 28. Septbr. 1871, welches die Nachkommenschaft der Sklavinnen für frei erklärte, aufgehoben war1). 4. Ist die durch Hypothek gesicherte Forderung in Raten zu zahlen, so gelten diese sämtlich als fällig, sobald der Schuldner eine derselben nicht pünktlich entrichtet (Art. 4, § 9), eine Bestimmung, welche dem früheren Rechte fremd war. 5. Das neue Gesetz reiht zum ersten unter die dinglichen Lasten das landwirtschaftliche Pfand (penhor agricola, Pfand an landwirtschaftlichen Objecten) ein; dieses kann nach Art. 362 der reglementarischen Verordnung vom 2. Mai 1890 zum Gegenstande haben: a) landwirtschaftliche Maschinen und Geräte; b) Tiere jeder Art und andere der Bewirtschaftung eines Landgutes dienende Gegenstände einschliesslich der ihrer Bestimmung nach unbeweglichen; c) die im laufenden und im verflossenen Jahre geernteten Früchte; d) die aufgespeicherten rohen, oder die bereits verarbeiteten und zum Verkauf vorbereiteten Früchte; e) die durch Einwurzelung mit dem Boden verbundenen oder an Zweigen hängenden Früchte; f) die zukünftige Ernte eines bestimmten Jahres; g) behauenes oder bearbeitetes Holz; h) das in landwirtschaftlichen Gegenständen angelegte Kapital; i) sonstige Zubehörungen der Landwirtschaft, die im Hypothekenbriefe nicht erwähnt oder zwar darin aufgeführt aber demnächst mit Zustimmung des Hypothekengläubigers wieder freigegeben sind. 6. Alle gesetzlichen, vertragsmässigen und richterlichen Hypotheken erlangen Wirksamkeit gegen Dritte erst vom Augenblicke der Eintragung an, eine sehr wichtige Neuerung, da die gesetzlichen Pfandrechte der Ehefrauen, Minderjährigen und Bevormundeten früher auch ohne Eintragung gegen Dritte wirkten.

Schon nach der früheren Hypothekenordnung vom 26. April 1865 hatte infolge einer gelegentlichen Bestimmung bei dem nichtkaufmännischen Hypothekenschuldner die Zahlungsunfähigkeit die gleiche Bedeutung wie der Konkurs für den kaufmännischen Schuldner ein Grundsatz, der sich übrigens auch im englischen,

') Die völlige Abschaffung der Sklaverei erfolgte durch das Gesetz vom 13. Mai 1888.

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