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Die Ereignisse in Libyen nach dem Frieden

von Lausanne.

(16. November bis 15. Dezember 1913.)
(7. Fortsetzung.*)

Mit 3 Textskizzen.

Die im Herbste dieses Jahres begonnene Reduzierung des libyschen Besatzungskorps wurde fortgesetzt. Mitte Dezember standen in beiden libyschen Provinzen und auf Rhodus 72 Bataillone, 17 Eskadronen und ca. 40 Batterien (hievon sind 59 Bataillone, 10 Eskadronen und die Artillerie europäische Truppen).

Die Mannschaft des Assentjahrganges 1891 wurde im Laufe des Monats November durch jüngere Leute ersetzt.

Eine Farman-Biplaneskadrille wurde in Tripolis eingeteilt und soll zum Verbindungs- (Post-?) Dienste herangezogen werden.

Den bei den Formationen der Kolonialarmee**) notwendigen italienischen Unteroffizieren und Soldaten für Instruktions- und Spezialdienste wird eine Diensterleichterung zugestanden, indem die ursprüngliche Verpflichtung zu zweijähriger Dienstleistung in der Kolonie auf ein Jahr herabgesetzt wird, so daß die Leute im Rahmen der zweijährigen Dienstzeit ihr zweites Jahr bei der Kolonialarmee absolvieren.

Den bei den Eingeborenentruppen eingeteilten Offizieren wurde. gestattet, ihre Familien in die Kolonie nachkommen zu lassen.

Das italienische Strafgesetzbuch tritt mit 1. Jänner auch in den libyschen Provinzen in Kraft. Bisher war die Strafrechtspflege teilweise nach den Gebräuchen aus der Zeit türkischer Herrschaft, teils auch als Standrecht gehandhabt.

Das Kolonienministerium verfügte, daß mit 1. Jänner 1914 das Unfallsversicherungsgesetz auch in Libyen in Kraft zu treten habe.

Mit den zukommenden Ehren wurde am 13. Dezember der königliche Prinz Luigi Herzog der Abruzze n, der am 12. Dezember mit der 1. Schiffsdivision der II. Eskader vor Tripolis eingetroffen war, *) April-, Juli- bis Dezemberheft 1913.

**) Novemberheft 1913, Seite 1893.

empfangen. Die Anwesenheit des Prinzen gab Anlaß zu glänzenden Festlichkeiten und Veranstaltungen. Der Herzog unternahm während seines Aufenthaltes mehrere Ausflüge in die weitere Umgebung der Stadt Tripolis.

In politischer Beziehung treten die Senussis in letzter Zeit stark in den Vordergrund. Nach der überraschenden Operation Tassonis auf dem Hochlande von Barka*) sah sich der Groß-Senussi veranlaßt, persönlich auf dem Kriegsschauplatze zu erscheinen. Seinem Einflusse gelang es, die eingeschüchterten Stämme zu erneuertem Widerstande aufzustacheln, der in rascher Folge dank der energischen Gegenmaßregeln der Italiener in den Herbstkämpfen dieses Jahres niedergeworfen wurde. Es konnte jedoch nicht verhindert werden, daß sich außerhalb des Gebietes italienischer Besetzung Aufständische ansammelten** *).

Nachdem Ahmed El Sceriff einsah, daß er, eingeklemmt zwischen feindlichen Garnisonen, bei der Aktivität der italienischen Kommandanten auf die Dauer nicht bestehen könne, entschloß er sich, seinen Sitz im Inneren zu nehmen und soll sich gegenwärtig in Zavia M sus aufhalten. Die Verlegung der Residenz nach M s us steht auch im Zusammenhange mit den Ereignissen im Fezzan. Hier ging das italienische Vordringen anfangs ohne Schwierigkeiten von statten, bis Hptm. Hercolanis' Eintreffen in Sokna und GLt. D'Alessandros siegreicher Vorstoß zum Wadi Bueb***) die Senussis um den Fezzan besorgt machten.

Der Groß-Senussi kam bereits im August v. J., als Hptm. Hercolani Sokna besetzte und Obstl. Miani zur Besetzung Murzuks aufbrach, zur Erkenntnis, daß die Besetzung des Fezzans nur mehr eine Frage der Zeit sei. Hier haben die Senussis zahlreiche Anhänger und ins besondere Ahmeds Familie viele Verwandte. Um nun diese günstigen Voraussetzungen für die Entfachung eines Widerstandes im Fezzan auszunützen, ließ der Groß-Senussi einen seiner Brüder, Mohamed A bet, mit einer gut ausgerüsteten Karawane von Giarabub nach dem Fezzan ziehen und diesem gelang es, einige der einheimischen Häuptlinge zu insurgieren. Dazu kam, daß letztere für ihre während der herrschenden Anarchie usurpierten Vorrechte fürchteten, wie Self El Nasser, von dem später die Rede sein wird.

Sidi Hillal, auch ein Bruder Ahmeds, der den vergeblichen Widerstand gegen die Division GLt. D'Alessandro***) leitete, reiste

*) Juliheft 1913, Seite 1188.

**) Siehe im nachfolgenden Abschnitte B. In der Cirenaika" unl Dezemberheft 1913, Seite 2046.

***) Oktoberheft 1913, Seite 1719.

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nach den Mißerfolgen eilends ab und taucht nun in Tibesti-Borku im Kampfe gegen die Franzosen bei Ain Galakka wieder auf.

Man sieht daß die Senussis von den Ereignissen keineswegs überrascht wurden und beizeiten mit ihrer Agitation auf drei weit voneinander entfernten Gebieten einsetzten. Trotz der großen Entfernungen ist es unverkennbar, daß bei der eigenartigen Beschaffenheit der Sahara das Gebiet von Tripolitanien, die Cyrenaica und Tibesti-Borku hinsichtlich des Handels, der an die von alters her gebräuchlichen Karawanenwege gebunden ist, im Zusammenhange stehen.

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Die Oasen von Siwah, Giarabub, Kufra, Gialo-Ogila, die sämtlich im Besitze der Senussi sind und deren Niederlassung in Ain Galakka bilden Zentren, von denen die Senussi den Handel gegen das Mittelmeer sowohl nach Libyen als auch nach Tunis (über Mursuk-Ghat) wirksam unterbinden. Die Senussi hoffen auch, daß durch von ihnen im Fezzan hervorgerufene Anarchie zwischen Italien und Frankreich Mißhelligkeiten entstehen und dadurch die Italiener ihren politischen Forderungen zugänglicher werden*).

Trotz des feindseligen Verhaltens versuchte Ahmed El Sceriff immer wieder, mit der italienischen Regierung Fühlung zu suchen. Im Mai und zweimal im August wurde mit den Senussis ohne Erfolg verhandelt. Über das Ergebnis der letzten Gesandtschaft, die auf Betreiben des Khedive den Groß-Senussi in Msus aufsuchte, kommen nur spärliche Nachrichten in die Öffentlichkeit. Nach allem was darüber verlautet, ist auch diesmal ein Mißerfolg wahrscheinlich.

Jedenfalls sah sich Ahmed nicht veranlaßt, seine Parteigänger zu entlassen. Diese sind in bisher unbekannten Orten des Fezzans, in Gedabia, Msus, Gerdes Antelat (?), Zavia Ezziat und Defna vereinigt.

A. In Tripolitanien.

Der Gouverneur unternahm im Dezember eine Reise nach Italien. Nachdem er in Rom mehrere Besprechungen mit den leitenden Männern der Regierung hatte, besuchte er seine Familie in Venedig, um den privaten Charakter der Reise zu prononcieren. Man wird aber kaum fehlgehen, wenn man vermutet, daß Regierungssorgen den Landeschef nach Rom geführt haben.

Die Verhältnisse im Fezzan gestalteten sich nicht günstig. Durch die einsetzende Agitation der Senussi wurden sie noch wesentlich erschwert. Die Regierung wollte ursprünglich von bewaffnetem Eingreifen. absehen. Der im Oktober festgenommene Self el Nasser spielte unter

*) Im Vertrage vom Jahre 1899, dem später auch Italien beipflichtete, regelten England und Frankreich ihre Einflußzonen, wie sie im Zuge der Grenzlinien (Textskizze 1) dargestellt sind.

Tibesti-Borku gehören zweifellos der französischen Einflußsphäre an. Italienische Interessen erscheinen daher durch die Besetzung Ain Galakkas durch die Franzosen nicht berührt. Da der Karawanenhandel aus diesem Gebiet stets gegen das Mittelmeer zustrebte und dieses bei Bengasi auf dem kürzesten Wege erreichte, so ist es für Frankreich und Italien von Interesse, daß dieser Handel, den gegenwärtig die Senussis unterbinden, bald wieder aufgenommen werde. (Seit mehr als einem Jahre gelangte weder aus dem Fezzan noch aus dem Hinterlande der Cirenaica eine Karawane an die nordafrikanische Küste).

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den Fezzanern eine bedeutende Rolle. Als er noch in Ben Ulid seinen Wohnsitz hatte, war er anfangs der italienischen Sache sehr ergeben. Als Neffe des Abd el Gedid, der unter osmanischer Herrschaft in der Oasengruppe Sebka nahezu souverän herrschte, selbst sehr vermögend, wollte er seine Vorrechte und seinen Einfluß auch unter italienischer Herrschaft gewahrt wissen. Da aber die Regierung auf seine durch Herkommen und Landesgebrauch vielleicht begründeten, mit der Staatshoheit aber gewiß nicht zu vereinbarenden Forderungen

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nicht eingehen konnte, wandte er sich von der italienischen Sache ab, trat mit den Senussi in Fühlung und trug dazu bei, daß die Stimmung der Fezzaner, die sich mit der italienischen Invasion bereits abgefunden Fatten, umschlug und die Einheimischen den Italienern nunmehr feindlich gegenüberstehen.

Obstl. Mi ani, der seit August an der Ausgestaltung seiner Expedition arbeitet, hat sich Sokna als Basis eingerichtet, wurde. genügend verstärkt, um den Vormarsch auf Mursuk*) wieder auf

*) September- und Oktoberheft 1913, Seite 1536 und 1715.

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