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gethan haben, wenn es eine freundliche Verständigung mit Preußen gesucht hätte. Dann würde es den grollenden Völkerstämmen an der Adria, an der Theiß und an der Moldau sicher mehr imponirt haben, als indem es mit den Mittel- und Kleinstaaten in Frankfurt am Main tagte und vor der Hand nur Paragraphen stylisirte.

Biertes Buch.

Die preußische Armeeorganisation.

Nach vielen herben Erfahrungen erkannte der König von Preußen schon als Prinzregent, unter so vielen Feinden und falschen Freunden bleibe Preußen isolirt und könne seine Machtstellung nur behaupten, seine welthistorische Bestimmung nur erfüllen, wenn es die elastische Kraft im eigenen Volke wieder ein wenig anspanne. In diesem ver= hängnißvollen Augenblick aber wuchsen dem König neue fanatische Feinde im eigenen Lande wie Pilze in der Nacht aus dem Boden hervor. Die künftige Geschichtschreibung wird davon Act nehmen, in welchen Schwierigkeiten der greise Regent standhaft blieb und unverdroffen sein Ziel verfolgte.

Wie übel hatte man seinem trefflichen Bruder mitgespielt! Was stand ihm selbst und seinen Nachkommen bevor! Es war nöthig, auf alle Wechselfälle besser vorbereitet zu seyn, als es seine Vorgänger gewesen waren. Zu diesem Behuse betrieb er vor allem die Reor

ganisation des preußischen Heeres. Schon im badischen Feld= zug 1849 war es als unnatürlich aufgefallen, daß im preußischen Heere verheirathete Landwehrmänner kämpfen mußten, während viele unverHeirathete junge Männer daheim blieben. Bei der Mobilisirung im Jahr 1859 trat dasselbe Uebel wieder zu Tage. Zudem war die preußische Armee für einen Großstaat nicht zahlreich genug und bei nur zweijähriger Dienstzeit auch innerlich nicht genug gestählt. Der Prinzregent betrieb also eine umfassende Reorganisation des Heeres und sie ging von ihm selbst aus, wie er das auch ausdrücklich erklärt hat, nicht von den Generalen von Bonin und von Roon. Die Linie sollte beträchtlich vermehrt und ihre Dienstzeit von zwei auf drei Jahre erhöht werden. Das erste Aufgebot der Landwehr, welches bisher auf so fehlerhafte Weise mit der Linie verbunden gewesen war, daß je ein Landwehrregiment mit einem Linienregiment zu derselben Brigade gehörte,sollte ganz wegfallen und das zweite Aufgebot nur für Nothfälle als Reserve dienen.

Die preußischen Kammern hatten im Jahr 1859 für die Mobilifirung der Armee, die an den Rhein zog, sieben Millionen Thaler bewilligt. Weil der Frieden von Villafranca so schnell erfolgte, wurde der Marsch eingestellt. Jene sieben Millionen aber verwendete der Prinzregent nunmehr auf die Reorganisation der Armee, mit der er sogleich begann und die er auch, alles Widerspruchs ungeachtet, energisch durchführte. Als er am 12. Januar 1860 die Kammern in Berlin eröffnete, bat er sie, ihn bei der zweckmäßigen und für das Staatswohl unumgänglich nothwendigen Aenderung im Heerwesen, welche das Minifterium am 10. Februar bei den Kammern beantragte, zu unterstüßen. Die Mittel dazu sollte eine neue Grundsteuer liefern. Das Herrenhaus sträubte sich, weil die Grundsteuer dem Interesse des grundbefizenden Adels zuwider lief. Das Ministerium bat nun das Abgeordnetenhaus wenigstens um 9 Millionen Thaler, um eine erhöhte Streitbarkeit des Heeres zu ermöglichen, und sie wurden ihm bewil

ligt, am 15. Mai. Um auch ein Stimmenmehr im Herrenhause zu erzielen, ernannte der Prinzregent 18 neue Mitglieder desselben. Diese Vermehrung des aristokratischen Körpers mißfiel aber wieder den Liberalen.

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Die Absicht Preußens, sein Heer zu verstärken, erregte großes Mißtrauen bei den Mittelstaaten und am meisten bei Hannover, das zwischen den beiden Hälften der preußischen Monarchie eingeklemmt war. Der damalige Minister von Borries erklärte in der hannoverschen Kammer am 1. Mai, indem er den Nationalverein vorschob, dieser Verein wolle die ganze Militärgewalt des Bundes in den Händen Preußens sehen. Das sey aber nichts anders, als eine völlige Mediatisirung aller übrigen deutschen Fürsten. Eine solche werde und könne fich keiner der größeren Fürsten, ja so lange noch Recht bestehe, auch keiner der kleineren gefallen lassen. Ein solcher Versuch würde zu Bündnissen der deutschen Fürsten unter einander, ja könne selbst zu Bündnissen mit außerdeutschen Staaten drängen.“ Nur einen Tag später, am 2. Mai, verwarf die Bundesmilitärcommission in Frankfurt die von Preußen vorgeschlagene Reform der Bundeskriegsverfassung, wonach der Oberbefehl im Kriege zwischen Oesterreich und Preußen hätte getheilt werden sollen.

Am 2. Januar 1861 wurde Friedrich Wilhelm IV., der vielgeprüfte, durch einen sanften Tod von seinem Leiden erlöst und bestieg der Prinz - Regent als Wilhelm I. den preußischen Thron, Derselbe erließ am 7. Januar eine Proclamation, worin er zuerst erklärte, er bleibe dem Worte seines verewigten Bruders treu: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!" Sodann erklärte er, unter seiner Regierung werde ein Fortschritt erfolgen und zwar in der deutschen Frage. Es ist Preußens Bestimmung, nicht dem Genuß der erworbenen Güter zu leben. In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen Kräfte, in dem Ernst und der Aufrichtigkeit

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seiner religiösen Gesinnung, in der Einigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang unter den Staaten Europas zu behaupten. Ich halte fest an den Traditionen meines Hauses, wenn ich den vaterländischen Geist meines Volks zu heben und zu stärken mir vorsete. Ich will das Recht des Staats nach seiner geschichtlichen Bedeutung befestigen und ausbauen. Meine Pflichten für Preußen fallen mit meinen Pflichten für Deutschland zusammen."

In der Thronrede bei Eröffnung des Landtags am 14. Januar forderte der König abermals die Kammern auf, der Armeereorganisation zuzustimmen und sie aus der erhöhten Grundsteuer zu bestreiten. Das Abgeordnetenhaus war damals noch zufrieden, daß der König die Verfassung einzuhalten gelobt und auch das bisherige liberale Ministerium in seinen Aemtern belassen hatte. Auch mußte es anerkennen, welche Mühe sich das Ministerium gab, das Herrenhaus endlich (am 7. Mai) zur Anerkennung der Grundsteuererhöhung zu vermögen. Unter dem Einfluß des Nationalvereins wollte das Haus in der antiösterreichischen Politik sogar noch weiter gehen, als die Regierung selbst. Es erklärte sich am 6. Februar für die Anerkennung Italiens und am 7. nach einem Antrag Stavenhagens sogar für eine Reform des deutschen Bundesstaats, an dessen Spize Preußen treten sollte. Herr von Schleinitz, Minister des Auswärtigen, mußte das Haus dringend bitten, von solchen Anträgen abzustehen, da sie weit über den gegenwärtigen Standpunkt Preußens hinausgriffen" und einen Krieg mit Desterreich heraufbeschwören könnten. In den Mittelstaaten bemerkte man eine unruhige Bewegung, ihre Minister traten zu einer Conferenz in Würzburg zusammen, um eine engere Militärverbindung unter einander zu erzielen, weshalb eine preußische Erklärung vom 21. April fie an ihre Bundespflichten erinnerte. Inzwischen war das preußische Abgeordnetenhaus auf den Verdacht gekommen, es sey der

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