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Zwölftes Buch.

Die Preußen vor Wien.

Spät am Abend nach der Schlacht bei Königgräß erschien General von Gablenz als österreichischer Parlamentär mit verbundenen Augen vor dem König von Preußen und bat um eine Waffenruhe, die ihm der König jedoch abschlug, weil er den Desterreichern keine Zeit lassen wollte, sich wieder zu sammeln.

Die nächste Aufgabe für die preußische Armee war jezt, die geschlagene Nordarmee Benedeks linksab zu drängen, ihr den Weg nach Wien zu verlegen und eher dort anzukommen, als er es vermöchte. Und dieser Plan gelang, weil Benedek auch jetzt wieder zu lange in Olmüş zögerte, wo er seine zerrütteten Truppen sammelte. Mit Recht sagte damals der Timescorrespondent: „Das Grundübel des Feldzugsplanes muß mit den zwei Worten zu spät' bezeichnet werden. Zu spät, um gleich von vorn herein die Offensive zu ergreifen, spät, um die Gebirgspässe zu beseßen, zu spät, um die Sachsen

zu

und das 1. Corps bei Gitschin zu retten, zu spät, um die Vereinigung der Preußen vor Sadowa zu hindern. Und jezt muß man abermals zweifeln, ob Benedek mit der geschlagenen Armee nicht zu lange in Olmüş verweilt. Die Preußen folgen ihm auf den Fersen und wollen sich zwischen ihn und die Hauptstadt stellen. Schon ist er von der Eisenbahnlinie weggedrängt, welche Olmüß mit Wien verbindet."

Rüstow glaubt, Benedek hätte, wenn nur früher die nöthigen Vorkehrungen getroffen worden wären, die Terrainhindernisse in dem unwegsamen mährischen Gebirge, die jeßt seiner eigenen Flucht hinderlich waren, wohl benußen können, um die Preußen, ehe sie nach Wien vorgingen, noch aufzuhalten. Uebrigens fingen die Preußen, wie oben schon erwähnt ist, die österreichische Feldpost auf, fanden darin die Befehle Benedeks an alle seine Corps und wußten, was sie zu thun hatten. Die Festungen Josephstadt und Königgräß cernirte man blos und ließ sie hinter sich liegen.

Die Preußen rückten gegen Wien. Benedek konnte mit seiner nahezu aufgelösten Nordarmee die Hauptstadt der Monarchie nicht vertheidigen. Nun hatte zwar die österreichische Südarmee unter Erzherzog Albrecht in Italien gesiegt, war aber zu weit entfernt, um Wien noch rechtzeitig entfeßen zu können. Das alles voraussehend, telegraphirte Kaiser Franz Joseph schon am 5. Juli nach Paris und machte dem Kaiser der Franzosen Venetien zum Geschenk, mit der Bitte, den Frieden mit Preußen zu vermitteln. Das hieß so viel, als Frankreich um bewaffnete Hülfe gegen Preußen bitten. Alles erklärt sich, wenn man erwägt, daß der Austausch Venetiens gegen Schlesien schon lange zwischen Frankreich und Desterreich besprochen war. Indem der Kaiser von Oesterreich dem Kaiser der Franzosen Venetien hinwarf, wollte das so viel sagen als: Hier hast du Venetien, jezt verschaffe mir auch Schlesten! Eine andere Erklärung läßt das rasche Dahingeben des schönen Venetien und des berühmten

Festungsvierecks nicht zu. Napoleon III. sollte dadurch moralisch gezwungen werden, in den Krieg gegen Preußen einzutreten. Aber der Imperator läßt sich nicht moralisch zwingen. Ein Krieg mit Preußen schien ihm zu gefährlich. Im ersten Augenblick freilich glaubte man in Wien, der kühne Wurf sey gelungen. Bereits telegraphirte Fürst Metternich nach Wien eine bewaffnete Vermittlung Frankreichs zu Gunsten Oesterreichs, und die officielle Wiener Presse kündigte die Ankunft des französischen General Leboeuf im Festungsviereck und der französischen Flotte vor Venedig an. Allein das waren Täuschungen, Voreiligkeiten. Die frühern Verabredungen des Fürsten Metternich mit Drouyn de Lhuys hatten einen Sieg Desterreichs und der mit ihm verbündeten Mittelstaaten über das schwächere und isolirte Preußen vorausgesezt. Napoleon III. würde, wenn alles so gekommen wäre, wie man meinte, daß es kommen müsse, dem siegreichen Desterreich nicht nur Schlesien, sondern auch seine künftig von Preußen nicht mehr zu bestreitende Hegemonie im deutschen Bunde gegönnt und garantirt, würde Italien durch das Geschenk Venetiens befriedigt, für sich selbst aber die preußischen Rheinprovinzen in Anspruch genommen haben. Es ist schwer, wenn man seine frühern Verabredungen mit Desterreich kennt, seinem Schreiben vom 11. Juni einen andern Sinn unterzulegen. In diesem Schreiben nahm er zum deutschen Kriege eine ganz neutrale und Frieden wünschende Stellung ein, behielt sich aber eine Compensation vor, falls eine der beiden deutschen Großmächte in Folge ihres Sieges ihr Gebiet vergrößern würde. Würde nun Desterreich gefiegt und Schlesien in Besitz genommen haben, so lag ihm wenig daran, daß die Rheinprovinzen preußisch bleiben sollten. In keinem Fall hätte Desterreich die Abtretung derselben an Frankreich verweigern können, denn Frankreich wäre mit einem noch intacten Heere aufgetreten.

Das Schicksal wollte es anders. Preußen siegte und der Fall trat ein, den man gar nicht vorausgesehen hatte. Sollte Frankreich

jest Desterreich noch helfen, um etwa Schlesien noch zu erobern? Preußen konnte, falls es von Frankreich angegriffen würde, noch immer eine so furchtbare Heeresmacht an den Rhein führen, daß ihr die damals disponible franzöfifche Streitmacht ohne Zündnadelgewehre gar nicht gewachsen gewesen wäre. Das begriffen auch die Italiener, die sich daher ganz offen gegen die Umtriebe erklärten, die eine Alianz Frankreichs mit Desterreich herbeiführen sollten. Obgleich zu Wasser und zu Lande von den Oesterreichern geschlagen, wagten sie doch, Frankreichs Machtgebot ungehorsam zu werden, und vertrauten auf Preußen, hielten fest an Preußen. Ohne die Siege Preußens in Böhmen, ohne das drohende Vorrücken der preußischen Armee bis vor die Thore Wiens hätten sie Venetien entweder nie bekommen oder würden sie es nur als Gnadengeschenk Napoleons erhalten haben und dadurch nur noch tiefer und schmählicher von ihm abhängig geworden seyn. Ja, fie mußten fürchten, wie er ihnen früher schon Savoyen und Nizza weggenommen, würde er sich jest wieder Piemont und Genua als Compensation ausbitten. Sie wagten also, einzig im Vertrauen auf ihr Bündniß mit Preußen, dem Imperator an der Seine zu troßen und gegen sein ausdrückliches Verbot wieder in Venetien einzufallen, als die Oesterreicher den größten Theil ihrer Streitkräfte nach Wien entsandten und nur noch die Festungen besett hielten. Diese Haltung der Italiener konnte zwar nicht den Ausschlag geben, trug aber doch dazu bei, Napoleon III. zu größerer Vorsicht und Mäßigung gegen Preußen zu stimmen. Nur wenn er es mit Preußen nicht offen verdarb, konnte er als Friedensvermittler zwischen den beiden deutschen Großmächten sein Ansehen vor Europa behaupten und den Italienern wieder imponiren.

Unter diesen Umständen verlor Desterreich Venetien, ohne Schlesien gewonnen zu haben, und war wieder ganz ebenso von Frankreich getäuscht, wie früher im Krimkriege. Nachdem es durch seine Aufstellung in Siebenbürgen damals die Russen zur Räumung der

Donaufürstenthümer gezwungen und dadurch Frankreich den größten Dienst geleistet hatte, dessen Truppen sich kaum aus ihrer Klemme in der Krim mit Ehren zurückziehen konnten, lohnte ihm Frankreich mit der Unterstüßung des italienischen Aufruhrs und mit dem blutigen Jahr 1859.

Erwägungen dieser Art scheinen zu beweisen, daß Oesterreich besser gethan hätte, sich den billigen Forderungen Preußens zu fügen und an diesem stammverwandten Staate einen mächtigen Rückhalt zu behalten, als sich an Frankreich wegzuwerfen.

Zugleich lag in diesen Vorgängen eine große Lehre für die mittelstaatlichen Bevölkerungen, die sich durch die Presse hatten einreden lassen, Desterreich sey der deutschen Sache treu und nur Preußen wolle sie verrathen, nur Preußen kokettire mit Frankreich und wolle den Beistand Frankreichs durch Preisgebung deutscher Nationalinteressen erkaufen. Dennoch war die Verblendung so groß, daß auch noch nach der Schlacht bei Königgräß die den Mittelstaaten von Preußen angebotenen, durchaus annehmlichen Friedensanträge nicht angenommen wurden, weil es Minister gab, die wenigstens eine oder zwei Wochen lang immer noch auf französische Hülfe rechneten.

Der französische Gesandte in Berlin, Benedetti, hatte sich auf den Kriegsschauplatz begeben und vermittelte zwischen den krieg= führenden Mächten einen Waffenstillstand. Preußen konnte denselben nicht eingehen ohne die Zustimmung Italiens, weil beide sich verpflichtet hatten, keins ohne das andere Frieden zu schließen. Dagegen bot Preußen Desterreich eine Waffenruhe auf drei Tage an unter der Bedingung, daß die österreichischen Truppen ihre Stellungen nicht verließen. Diese preußische Erklärung wurde in der Nacht vom 12. zum 13. Juli abgegeben, aber von Oesterreich abgelehnt, weil es seine gegen Wien heranrückende Südarmee nicht wollte stillestehen lassen. Man sette indessen die Unterhandlungen fort, aber auch den Krieg. Der König von Preußen ließ alle seine Armeecorps rasch

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