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Desterreich unvermeidlich herannahte und der König von Preußen durch die zuerst von Oesterreich begonnenen Rüstungen, durch die hartnäckige Feindseligkeit und Ungerechtigkeit Desterreichs in Verweigerung dessen, was Preußen mit Recht und zum Vortheile von ganz Deutschland in den Elbherzogthümern zu fordern hatte, sich zu Gegenrüstungen gezwungen sah, erklärten am 5. Mai alle vier Wahlbezirke von Berlin, der Belehrung des Juden Jacoby folgend, der Krieg, den Preußen beginnen wolle, sey unberechtigt und unsittlich. Preußen habe gar kein Recht auf Schleswig-Holstein, nur die Elbherzogthümer selbst und das künftige Parlament hätten über die Zukunft der ersteren zu entscheiden. Die Volkspartei solle den Krieg verwerfen und ihr ganzes Interesse wie bisher dem Kampfe gegen die Regierung zuwenden. Das hieß ein zweites Olmütz verlangen. Desterreich allein war viel mächtiger als Preußen und wurde noch durch die Mittelstaaten verstärkt. Desterreich wollte den Krieg und eben so begierig waren die Mittelstaaten von den Herrn v. Beust und v. d. Pfordten dazu angereizt. Nichts erschien damals wahrscheinlicher, als ein Sieg Desterreichs und der Mittelstaaten über Preußen, und in einem so bedenklichen Momente wurde die Regierung vom Abge= ordnetenhause nicht unterstüßt, sondern im Stich gelassen und verhöhnt.

Auch in den Provinzen wehte dieser Berliner Wind. Eine Volksversammlung in Königsberg proclamirte am 9. Mai ebenfalls das Selbstbestimmungsrecht der Schleswig-Holsteiner, verwarf die preußischen Ansprüche in den Elbherzogthümern und verwarf auch das von Graf Bismarck angekündigte deutsche Parlament. Die Einigung Deutschlands sey nicht auf dem Wege Bismarcks, sondern nur auf dem der Freiheit zu erzielen, die Volkspartei solle daher fortfahren, Bismarck zu bekämpfen. In ähnlichem Sinn richteten die Stadtverordneten in Königsberg, Stettin, Köslin, Kolberg, Magdeburg am 24. Mai grobe Adressen an den König, worin sie einen

gründlichen Wechsel des Systems und der Personen der Regierung forderten. Der Ausschuß des Nationalvereins in Berlin erklärte am 14. Mai, Bismarck solle erst in der preußischen Verfassungsfrage nachgeben und die Volkspartei gewähren lassen, ehe er an ein deutsches Parlament und an eine deutsche Verfassung zu denken habe. Die lettere existire schon, nämlich die Reichsverfassung von 1849, von der allein Heil zu erwarten sey. In dieser Weise sah sich die preußische Regierung, indem sie zum Kriege gegen übermächtige Feinde rüstete, zugleich im Innern umheult von s. 8. Volksvertretern, g. die, als ob sie im Bunde mit dem Feinde stünden, alles thaten, um die Regierung zu schwächen, das Heer zu entmuthigen.

Auch in den Mittelstaaten arbeitete der Nationalverein gegen Preußen. Seit Bismarck ein Parlament wollte, wollten es die nicht mehr, die es früher am hißigsten reclamirt hatten. Der deutsche Liberalismus bewährte wieder seine unverbesserliche Ideologie, seine totale Unfähigkeit, eine Sache praktisch anzugreifen. Er schwärmte für das Parlament, so lange niemand da war, der es hätte verwirklichen können. Kaum trat ein Mann von Energie auf, der es verwirklichen konnte, so wendete sich alles von ihm ab. Man wurde an Schillers Worte erinnert:

Da rufen sie den Geist an in der Noth

Und grauet ihnen gleich, wenn er sich zeigt.

Die norddeutsche Zeitung, Bismarcks Organ, in ihrer Nummer vom 26. Mai beschuldigte Desterreich, es habe sich über das Ministerium Bismarck keineswegs zu beklagen gehabt, welches vielmehr mit Desterreich gegangen sey. Dieses gute Einvernehmen sey erst 1863 durch den plumpen Reformplan Desterreichs gestört worden, der Preußen in eine untergeordnete Stellung habe herabdrücken wollen. Die ganze österreichische Politik dränge auf die Schwächung

Preußens hin und suche auf Kosten Preußens in Deutschland eine Entschädigung für das, was es in Italien verloren habe, oder noch ferner werde aufgeben müssen. Zu diesem Behuse reize Desterreich auch die deutschen Mittelstaaten gegen Preußen auf und weil man dort für den Prinzen von Augustenburg schwärme, schmeichle jetzt Desterreich der augustenburgischen Partei und begünstige einen Prätendenten, dessen Recht es früher nicht anerkannt und den es factisch außer Besiß gesezt habe.

Siebentes Buch.

Diplomatie der Mittelßtaaten.

Wenn der Krieg ausbrach, war die Theilnahme der Mittelstaaten für Desterreich von großer Wichtigkeit, denn sofern sie nur Streitkräfte genug aufstellten, mußte Preußen sie abzuwehren suchen, konnte also nur weniger Truppen gegen Oesterreich selbst verwenden. Ihrer Zustimmung war Desterreich diesmal ziemlich sicher. Sie waren nämlich wie Desterreich selbst in der Täuschung befangen, Preußen werde ohne viele Mühe besiegt werden können. Sie rech neten auf eine Revolution in Preußen. Die Erbitterung gegen Bismarck in Berlin und in allen preußischen Provinzen war, wie sie meinten, so hoch gestiegen und die Abneigung in Preußen vor dem Kriege selbst im Heere so allgemein, daß es an einer Volkserhebung und am Sturze des Grafen Bismarck nicht fehlen könne, wodurch der ganze Krieg verhindert werden würde. Aber wenn er auch zum Ausbruch käme, zweifelten sie nicht, die Macht Oesterreichs schon allein sey der preußischen weit überlegen.

Hieraus erklärt sich zweierlei, einmal daß die Mittelstaaten in so übereilter Weise den Aufforderungen Desterreichs zur Kriegsdrohung, ja zur förmlichen Kriegserklärung gegen Preußen Folge leisteten, und zweitens, daß sie mit ihren Rüstungen und der Vereinbarung und Durchführung eines Operationsplans ganz und gar nicht eilten und fast unglaublich, ja sträflich langsam damit vorgingen. Am meisten muß man sich darüber wundern, daß Hannover und Kurhessen so eifervoll der österreichischen Kriegslust durch ihre Abstimmungen am Bundestage dienten und doch für den Krieg nicht frühe genug rüsteten und sich vom Ausbruch des Kriegs überraschen ließen, da gerade sie, zwischen den beiden Hälften Preußens eingekeilt, am nächsten bedroht waren. Sie hätten sich entweder an die Feinde Preußens gar nicht anschließen, oder sich frühe genug ausreichend rüsten und, wenn sie zu schwach waren, sich noch rechtzeitig auf das Gebiet ihrer Bundesgenossen zurückziehen müssen.

Der böse Genius des blinden Königs von Hannover war ein Graf Platen aus Holstein. Der vielgehaßte Graf Borries war nur ein ehrlicher Conservativer, strenger Bureaukrat und Verächter der liberalen Kundgebungen gewesen, daneben ein ausgesprochener Feind Preußens, aber kein Intrigant. Durch Intriguen niedern Ranges," wie ein ehrenwerther Aristokrat aus Hannover gesagt hat,*) kam Platen in die höchste Gunst, stellte sich aber niemals der Kammer blos und wirkte immer nur hinter den Coulissen." Ihm gesellte sich eine entsprechende Camarilla zu, welcher der König unglücklicherweise sein Ohr lieh. Preußen bot dem König die volle Erhaltung seiner Souveränetät an, wenn er sich dem preußischen Bundesreformplan anschlöße. Man erfuhr, Oesterreich habe dagegen dem König von Hannover die bündigsten Versprechungen gemacht und ihm durch

*) Hannovers Schicksal vom Juni bis September 1866. Als Manuscript gedruckt. Hannover, Helwing 1866.

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