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Wenn man die Kammerreden und Zeitungsartikel der preußischen Opposition vor dem Ausbruche des Krieges liest, kann man sich nicht verhehlen, sie habe sich, die Wirklichkeit der Dinge gänzlich verkennend, in die Illusion der französischen Kammeropposition vom Jahr 1830 hineingeträumt und zu ihrem Schrecken erst hinterbrein inne werden müssen, daß König Wilhelm kein Karl X. und das Ministerium Bismard kein Ministerium Polignac war.

Fünftes Buch.

Die Elbherzogthümer.

Wir unterbrechen die Schilderung des Verfassungskampfs in Berlin, um unsere Blicke den Elbherzogthümern zuzuwenden, denn an die Entscheidung ihres Schicksals sollten sich noch viel schwerere Conflicte knüpfen und der innere Hader in Preußen sollte hinter einem großen Kriege nach außen verschwinden.

Seit dem Londoner Protokoll von 1852 übten die Dänen ungehindert ihre Willkürherrschaft in Schleswig und Holstein, seßten deutsche Beamte und Geistliche ab und dänische ein, unterdrückten die deutsche Sprache und verlangten, alles solle dänisch reden, verkauften die Domänen der deutschen Herzogthümer, um dänische Staatsschulden damit zu tilgen, und verlachten die Proteste der Stände in gedachten Herzogthümern, ja sie gingen so weit, 1855 die Einverleibung der Herzogthümer in den dänischen Gesammtstaat zu decretiren. Die Stände baten den Bund um Hülfe, wenigstens für Holstein, weil es

zum deutschen Bunde gehörte. Aber erst 1857 kam die Frage am Bunde zur Verhandlung und König Friedrich VII. von Dänemark gab im folgenden Jahre zu, die Gesammtverfassung solle einstweilen für Holstein unverbindlich seyn, bis weitere Verhandlungen die Sache ausgleichen sollten. Diese zogen sich nun in die Länge. Im Jahr 1859 erklärte Friedrich, Erbprinz von Augustenburg, der als Major in der preußischen Armee diente, sein Vater habe zwar auf das Erbrecht in den Herzogthümern verzichtet, er aber nicht und wahre für sich dieses Recht. Man achtete nicht viel darauf. Erst nach dem unglücklichen Kriege, welchen Desterreich in Italien führte, hielt es das Wiener Kabinet für rathsam, dem dänischen Uebermuth endlich eine Schranke zu setzen, um sich dadurch die Sympathien in Deutschland wiederzugewinnen, die es lange entbehren zu können geglaubt hatte. Jest erst konnte auch Preußen sich der Herzogthümer annehmen, ohne Gefahr zu laufen, daß man ihm einseitiges Vorgehen und gewinnsüchtige Absichten vorwerfe. Unter dem Einfluß der deutschen Großmächte schrieb nun der Bundestag am 18. Februar 1860 der dänischen Regierung vor, sie dürfe für Holstein und Lauenburg keine Geseße erLassen ohne Zustimmung ihrer Stände, und als am 19. März die Ständeversammlung in Schleswig auf dänischen Befehl plötzlich ge= schlossen wurde, wahrte Preußen auch die Rechte Schleswigs, sofern die alte Verbindung dieses Herzogthums mit Holstein 1) seine Nichteinverleibung in den dänischen Gesammtstaat und 2) die Gleichstellung der deutschen und dänischen Sprache bedinge. Dänemark aber troßte fort und verkündete am 3. Juni sein Finanzgesetz, ohne die Stände zu fragen. Es verließ sich auf Rußland und England und bezeigte den Deutschen die tiefste Verachtung. Die frühern Vorgänge berechtigten es auch dazu. Wer sollte nicht eine Nation verachten, die troß ihrer Macht stets uneinig war, dadurch sich selbst schwächte und sich demüthig die Schmach gefallen ließ, die ihm das Ausland im Londoner Vertrage von 1852 auflegte!

Es lag jedoch jetzt nicht mehr im Interesse Desterreichs, die nationalen Bestrebungen der Deutschen zu hemmen und zu verhöhnen, wie zehn Jahre früher in Olmüß. Es suchte sich vielmehr Freunde in Deutschland zu machen. Und so wurde es denn möglich, daß der Bundestag am 7. Februar 1861 Dänemark mit Bundesexecution bedrohte, wenn es nicht binnen sechs Wochen den Ständen der deutschen Herzogthümer das Budget vorlege. Es achtete jedoch auf diese Drohung nicht, hierin unterstüßt von der englischen Presse. Die Post schrieb: „Dänemark kann ruhig seyn, so lange Palmerston am Ruder ist." Lord Ellenborough rief im Parlament: „Wenn Preußen gegen Dänemark marschirt, so marschirt Frankreich gegen Preußen." Nur wie zum Hohn des Bundes legte die dänische Regierung den Ständen ein Quasibudget vor, die indessen den Betrug alsbald erkannten.

Bisher hatte die ganz von Oesterreich abhängige Mehrheit am Bundestage Norddeutschland gänzlich und absichtlich vernachlässigt, nur um Preußen zu schaden. Als Preußen 1859 den Bund aufforderte, die norddeutschen Küsten in besseren Vertheidigungsstand zu sehen, blieb die Sache liegen. Erst 1860 affectirte der Bundestag, nur um Preußen zu verhöhnen, das lebhafteste Interesse dafür und befahl sogleich eine genaue Untersuchung des Thatbestandes, über die in dringlicher Eile berichtet werden sollte. Der preußische General von Moltke, derselbe, der 1866 Chef des preußischen Generalstabs war, wurde mit der Untersuchung der Nordseeküsten beauftragt und strengte sich selbst und die ihm beigegebenen Offiziere aufs äußerste an, um in der kürzesten Frist die möglichst genauen und vollständigsten Berichte über die Mängel der Küstenvertheidigung in der vorgeschriebenen Eile zu erstatten. Als nun aber seine sorgfältigen Uebersichten und Pläne in Frankfurt angekommen waren, legte man sie dort einfach ad acta und ließ sie drei Jahre lang liegen. Dann erst nahm der Bundes

tag diese Angelegenheit wieder einmal vor, aber nur, um sämmtliche preußische Vorschläge abzulehnen.*)

Den dänischen Fanatikern, die vom Gesammtstaat nicht lassen wollten, trat inzwischen eine gemäßigte Partei entgegen, welche die s. g. eiderdänische Politik verfolgte. Sie wurde von dem Minister Hall vertreten. Dieser Partei schien es räthlicher, sich nur mit Schleswig abzurunden, die Schleswiger durch Schulunterricht und Sprachtyrannei mit Gewalt zu Dänen zu machen, Holstein aber in seinem bisherigen Verhältniß zum deutschen Bunde zu belassen, um von dieser Seite her Ruhe zu haben. Denn Holstein auch noch, wie Schleswig, zu incorporiren und dänisch zu machen, hatte doch viel größere Schwierigkeiten und hätte am Ende auch die deutsche Eselsgeduld erschöpfen können. Das Nationalitätenprincip wurde nun auch in Dänemark als Ferment gebraucht, nach der Mode der Zeit. Zahlreiche Volksversammlungen wurden in Scene gefeßt, um einen rein dänischen Gesammtstaat bis zur Eider zu verlangen, ohne fernere Trennung der Provinzen oder des Sprachgebiets. Auf das alte Provinzialrecht Schleswigs, auf die alte verfassungsmäßige Verbindung Schleswigs mit Holstein und auf die Rechte der deutschen Mehrheit in Schleswig, die doch selbst das Londoner Protokoll von 1852 gewährleistet hatte, wurde keine Rücksicht genommen. Am 21. Januar 1863 sprach sich das Landesthing entschieden für die Incorporation Schleswigs in den dänischen Einheitsstaat aus. Der König schwankte noch und wollte die europäischen Verträge nicht in so plumper Weise brechen. Als aber am 10. März der Thronfolger von England die dänische Prinzessin Alexandra,

*) Graf Moltke hat es selbst unlängst erzählt und hinzugefügt, wie schlecht die Küstenbefestigungen an der Nordsee noch bis zum Jahr 1866 geblieben seyen, habe die schnelle Wegnahme von Stade und Geestemünde durch ein paar preußische Schiffe deutlich gezeigt. Daheim" die Nr. des 6. October 1866.

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