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4. Segen, (Johannis-) Lat. Poculum S. Joannis, ist ein Gesundheits-Becher, so bey den Römisch-Catholischen gebräuchlich, und den Layen sonderlich wider den Gifft zuträglich seyn soll. Der Ursprung wird von dem Evangelisten Johannes hergeleitet. Weil nehmlich derselbe aus einem Becher Gifft trinken müssen, derselbe ihm aber weder an seiner Gesundheit noch am Leben geschadet, so glaubt man, daß alle Becher, so auf dieses Johannis Nahmen gleichsam getauft oder geweyht sind, eine dergleichen Kraft wider den Gifft bekommen*). Siehe Jac. Thomasii Diss. de Poculo S. Joannis. (Zedlers UniversalLexikon v. J. 1743. B. XXXVI, col. 1260.)

5. Der Festtag dieses Apostels (des hl. Evangelisten Johannes) und Lieblings des Herrn wird seit dem siebenten Jahrhunderte den. 27. December mit einer Octav gefeyert; jedoch ist dieser Tag dermahlen kein gebothener Feyertag mehr. Nach uraltem Gebrauche wird an diesem Tage zu Ehren desselben, durch Abbethung der von der Kirche vorgeschriebenen Gebethe und mit dem heiligen Kreuze ein Wein gesegnet; damit der barmherzige Gott durch die Fürbitte des heiligen Johannes alle jene, welche von diesem gesegneten Weine trinken, von allen Uebeln befreyen, und an Leib und Seele segnen wolle. Deßwegen wird dieser Wein St. Johannes-Segen genannt; weil die Christgläubigen bei freundschaftlichen Zusammenkünften von einem solchen geweihten Weine zu trinken pflegen. (M. Knauers Hundertjähriger Kalender. Bearb. v. C. F. Thomann, Grätz, 1836. Th. II, S. 79.) Ich erlaube mir hier noch zu bemerken, daß ich die Sitte bei Hochzeiten Wein den sog. Johannessegen zu weihen und zu trinken **), für Niederösterreich in Müllers Zeitschr. f. deut. Kulturgesch. N. F. 1874. S. 269-270 nachgewiesen habe.

STOCKERAU in Niederösterreich, 27. December 1875. C. M. BLAAS.

ZU DEN MERSEBURGER SPRÜCHEN.

Es ist hier weder die Absicht, die in Merseburg aufgefundenen Zaubersprüche in Bezug auf die deutsche Mythologie zu würdigen, was bereits hinlänglich geschehen sein möchte, noch der etymologischen Bedeutung einiger änağ λɛyóueva nachzugehen, da sich in solchen Fällen sehr schwer ein festes Resultat erreichen läßt; nur einige Fragen, bez.

*) Vgl. Zingerle a. a. O. S. 180.

**) Vgl. Zingerle a. a. O. S. 181.

der Auffassung beider Sprüche, die sich bei der Interpretation als vollgewichtige geltend machen, sollen aufs Neue erwogen werden. Bei dem zweiten Spruche, der hier darum vorgehen möge, ist der Gedankenzusammenhang im Ganzen deutlich und übersichtlich; die Frage entsteht aber, ob man (wie Grimm wollte) für den ganzen Spruch die Form epischer Erzählung zuläßt, oder mit Müllenhoff schon den Halbvers 7 (nach der Zählung in den Denkm.) als Abschluß des epischen Theiles ansehen soll, wonach also die fg. Subst. bên, bluot, lid als Nominative und sîn als imperativisch gebrauchter Conj. Plur. zu betrachten wären. Sachlich genommen scheint ein solcher Übergang von dem Fohlen Balders auf das Pferd, zu dessen Heilung der Spruch dienen soll, nicht nur zuläßig, sondern nach der Analogie ähnlicher Segen aus christlicher Zeit (vgl. Denkm. 2 S. 9-11, 277, Zacher in seiner Zeitschr. IV, 468, wo namentlich die Stelle aus Frischbier Beachtung verdient u. A. m.) fast erwünscht. Bedenken erregt nur sôse, das einfach gesetzt im Ahd. (vgl. Graff VI, 17, wo sôso nur einmal sic) fast nur relativisch, also sicut, prout, quomodo, quasi etc. gebraucht zu sein scheint. Immerhin bleibt die Möglichkeit, daß sôse hier im Verse ein schleppendes sôsama ersetze, nicht ganz ausgeschlossen *).

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Bei dem ersten Spruch bietet die erste Zeile bekanntlich metrische Schwierigkeit: auf eiris (das dem Sinne nach an. ár, wie Zacher bemerkte) und idisi ist hera gebunden. Die gewöhnliche Erklärung dieses hera hierher ist schon dadurch wenig empfohlen, daß dem in ferne Zeiten zurückweisenden eiris zur Seite eine Beziehung auf den gegenwärtigen Ort des Sprechenden befremden muß; Ferne der Zeit deutet auch auf entrückten Ort. Der richtigen Erklärung, wonach hera ero oder besser = era (vgl. meine Rec. des Wessesbr. Liedes bei Zacher IV, 313) war außer Ettmüller auch Simrock (Altd. Lesebuch 1859 S. 21) bereits auf der Spur; die etwas schiefe Deutung von era duoder als Erdkugel scheint Andere von dem richtigen Wege abgeschreckt zu haben. Aber die Erklärung von hera = era ist nicht nur sprachlich ganz unbedenklich Bezeichnung auch des Spiritus lenis durch h ist ja aus dem ahd. Matthäus bekannt genug (XII, 40 haerdâ terrae) und auch sonst bezeugt, vgl. die Denkm. S. 316 citierte Bemerkung Pfeiffers sondern hebt auch den metrischen Anstoß und wird durch den Zusammenhang fast unbedingt gefordert. Um

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*) Oder es wäre bên zì bêna u. w. elliptisch zu verstehen wie nhd. Bein zu (= komme zu) Bein! Dann bliebe für sôse der relative Gebrauch gewahrt.

diesen richtig zu erfassen, ist von der Bedeutung der Idise auszugehn, die allgemein als göttliche Frauen, hier speciell wohl Walkyrien und sicher mit vollem Rechte gefaßt werden. Aber mit der Denkm.2 S. 275 wiederholten Bemerkung, daß „die Thätigkeit dieser Idise der Theilnahme der altgermanischen Weiber an der Schlacht durchweg entspricht, geht Müllenhoff meines Erachtens zu weit und hat dadurch die Erklärung dieses Spruches beeinträchtigt. Die Anerkennung eines gewissen Zusammenhangs der Idise mit der wirklichen Frauenwelt (wie das Heidenthum seine Ideale ja überall der Wirklichkeit abgewinnt) darf die Wahrnehmung mindestens ebenso erheblicher Unterschiede nicht aufheben, soll die Deutlichkeit der Vergleichung nicht auf Kosten der Wahrheit bestehen. Zu den besonderen Eigenheiten des Walkyrienstandes*) gehört nun einmal äußerlich die Fähigkeit ihrer Verbindung mit den Luftgotte Óðinn gemäß sich auch durch die Luft bewegen zu können. Diese Fähigkeit wird entweder ohne weitere Vermittlung angedeutet (so Helgakv. Hund. I, 30, wo das ofan des Textes von Simrock wohl mit Fug durch aus den Wolken" wiedergegeben ist), oder es werden Schwanenfederhemden (álptarhamir, Einl. zur Völund. kv.), oder endlich Pferde, die auch durch die Luft gehen (Helgakv. Hund. I, 15 und 17, Helgakv. Hiörv. 26, 28) als Mittel der Fortbewegung erwähnt. Schon hiedurch war die Stellung der Walkyrien, mochten sie auch Lust und Noth der Liebe mit irdischen Weibern theilen **), Vätern und Gatten Gehorsam zu schulden glauben, eine wesentlich andere als die gewöhnlicher Frauen; ihre Theilnahme am Kampf bezweckte weder, wie dies bei Jenen der Fall war, zunächst und fast ausschließlich Selbstvertheidigung bei drohender Knechtschaft***), noch war sie unwillkürlicher Ausfluß kriegerischer Laune, sondern eine geordnete, an Ódinns Willen oder das Walten des Schicksals angeknüpfte Thätigkeit. Die Berichte bei Tacitus, Strabo, Plutarch über germanische Weiber im Allgemeinen werden also zur Erläuterung unserer Idise nur sehr Wenig austragen - eher dürfte noch an Veleda erinnert werden, deren Stellung (numinis loco) etwas IdisÄhnliches zeigt. Aber am nächsten liegt es, hier die berühmte Stelle

*) Es versteht sich von selbst, daß ich diesen hier nur soweit umschreibe, als für die Erklärung des Spruches nothwendig erscheint. Vgl. übr. Grimm u. Frauer. **) Der prosaische Satz in Sigrdrífumál, wonach Liebe und Ehe einen bestimmten Gegensatz zum Walkyrienstande bildet, scheint doch nicht Ausdruck einer allgemein giltigen Vorstellung zu sein, vgl. Helg. Hiörv. Prosa nach Str. 30.

***) Bei Tac. Germ. VII, VIII ist übrigens nur von einer Aufmunterung der Männer die Rede. Stellen, die wirkliches Kämpfen bezeugen, sind sehr vereinzelt.

der Njálssaga vom Walkyrien-Gesange zu erwähnen. Sie erscheinen zunächst zu Pferde, lassen sich dann in einer dyngja (Hügelkammer) nieder, wo sie das Gewebe beginnen und unter dem Absingen von Zauberliedern, die dem Einen Tod, dem Andern Ehre und Sieg bedeuten, zu Ende führen. Nach solcher Entscheidung der Schlacht wird das Gewebe zerrissen und die Walkyrien steigen wieder zu Roß. Von einer direkten Theilnahme am Kampfe ist hier so wenig die Rede, daß man sich die dyngja nicht einmal in nächster Nähe desselben zu denken braucht. Zwar wird, wer mit Frauer auch feinere Unterschiede beachtet, nicht verkennen, daß eine so dem Walten der Nornen ähnliche, scheinbar freie Bestimmung des Menschenlooses (die aber vielmehr wohl aus dem Gewebe hervorgeht) den Walkyrien nicht immer beigelegt wird, daß sie häufig nur als Dienerinnen Ódinns und als zur Ausführung seiner Befehle berufen erscheinen. Sollte diese letztere Auffassung auch nicht (was immerhin möglich) mehr auf den Norden beschränkt, als gemeingermanisch gewesen sein, so sind doch auch in solchen Fällen die Walkyrien immer als von Oben in den Kampf eingreifende, nicht eigentlich direkt dabei betheiligte, am wenigsten aber mit knechtischen Verrichtungen, wie dem Binden der Gefangenen, betraute Wesen zu erkennen. Auch darf man die höhere Stellung jener Idise in der Njálssaga nicht etwa als vereinzeltes Zeugniss zu entkräften suchen; Verwandtschaft der Nornen und Walkyrien ist von unseren Mythologen (zumal von Mannhardt) mehrfach begründet, nur dürfte man wohl thun, jene als ursprüngliche Quell-Nymphen mit den wolkenähnlichen Walkyrien nicht geradezu gleichzusetzen. Diese Betrachtung des Wesens der Idise (Walkyrien) wird genügen, um von hieraus die dem Spruche zu Grunde liegende Situation erläutern und auch dem Einzelnen die richtige Stelle anweisen zu können.

Das Erste, was von den Idisen ausgesagt wird, ist, daß sie sitzen (= sich niedersetzen), es wird dies sogar zweimal gesagt; aber wohin setzen sie sich? Da sie für gewöhnlich überall da, wo sie gesellig und in thätiger Ausübung ihres Walkyrien-Amtes erscheinen, als dem Luftreiche angehörig sich darstellen*), ist bei dem Niedersitzen, wo nicht ein bestimmtes Local (wie jene dýngja der Nj. saga) bezeichnet wird, doch die Angabe der Erde, als des Ortes, wo sie, von ihren Wolkenpferden absteigend, sich niederlassen, geradezu unerläßlich. So heißt es denn auch in dem Myth. 402, Denkm. 274 citierten ags. Spruch: sitte ge sigevif, sîgađ tô eorđan! Ich glaube darnach die Erklärung

Ihrer ursprünglichen Bedeutung als Wolken-Wesen gemäß.

hera era, erda auch als durch den Zusammenhang gefordert bezeichnen zu dürfen*).

dieselbe Zeit aufgedreimal (V. 3, 4, 5)

Schwieriger ist allerdings das fg. duoder der Hs., jedenfalls nicht anders als duo-der zu trennen. Die falsche Erklärung von hera verführte dazu, in duoder den Sinn von dorthin" zu suchen, was auch von Müllenhoff als unthunlich bezeichnet wird. Seiner eigenen Erklärung von duo mhd. dô steht im Wege, daß diese Partikel in dem zweiten, doch wohl (den Schriftzügen nach) um zeichneten Spruche nur einmal (V. 2) durch dû, durch thû ausgedrückt wird. Und was sollte neben eiris noch jenes farblose „damals". Völlig mit Recht wies dagegen Müllenhoff auf den noch im Mhd. ganz bekannten Gebrauch hin, sizan als ein Verbum der Bewegung zu construieren, vgl. mhd. Wb. II b, 331. Wenn ich nun duo mhd. zuo, as. tô, tuo (letztere Form namentlich dem Cott. des Hel. eigen), duoder jenem tuote des Gernroder Psalmen-Commentars (Heyne, kl. and. Dm., S. 61) gleichsetze, so geschieht dies allerdings nicht ohne Bedenken. Freilich ist tô, tuo in dieser adverbialen, aber die Präposition vertretenden Anwendung dem Altsächsischen, namentlich dem Heliand (vgl. Heyne im Glossar) ungemein geläufig auch das paragogische r, das auch sonst bei Partikeln (z. B. oder)

*) Diese Bedeutung scheint hier so sicher, daß von hier aus eben die Schreibung era im Wessesbrunner Liede neues Licht empfängt. In den Erläuterungen zu der bei Zacher IV, 313 fg. versuchten Rec. dieses geistlichen Gedichtes (denn als Gebet ist das Ganze nicht füglich zu bezeichnen) hätte noch erwähnt werden mögen, daß im Verspaar 23, 24 durch die Begriffs correspondenz der auch durch den Endreim verknüpften Worte ganâdâ und galaupa der eigentliche Stabreim ersetzt wird. Dem Fortsetzer, der seine Arbeit mit enti (also ohne die a. a. O. versuchte Umstellung der VV. 18, 19) anknüpfte, kam es auf metrische Correctheit nicht allzu sehr an, doch wird VV. 27-28 die Schreibung der Hs. beizubehalten sein, da eine Betonung wie widar-stantanne dem neunten Jh. wohl nicht unbedingt abgesprochen werden darf, ist uns doch jetzt noch wieder-holen und wieder-hólen, über-treten und über-tréten, übersetzen und übersetzen mit leichtem Begriffswechsel erlaubt. Die Trennbarkeit dieser betonten Präfixe im Präter. ist wohl nur Folge erschwerter Aussprache; widarstantan von einem Subst. widarstand, das im Ahd, nicht einmal belegt zu sein scheint, abzuleiten, ist unzuläßig. (Auch im ersten Merseb. Spruche Z. 4 halte ich die Betonung insprinc-ínvar für die wahrscheinlich richtige.) Auch VV. 21, 22 kehre ich nun zur Hs. zurück, oder ziehe doch forgip in den dadurch nur etwas volleren Vers 23, zu dem es dem Sinne nach gehört, auch V. 13 ist enti, V. 16 auh zu belaßen. Die Wiederkehr desselben Reimstabes (w) in den beiden letzten Verspaaren ist nach Wirkung (und Tendenz?) dem sogen. rührenden Reim der höfischen Dichtung verwandt. Übergang von epischer Erzählung auf das Bedürfniss der Gegenwart ist dem Wessesbrunner Carmen mit dem ersten Merseburger Spruche, dem Wiener Hundesegen und anderen Sprüchen gemein.

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