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zu insultiren, und sie mit allerhand Schimpfnamen zu verfolgen. Verständigere wandten sich mit dringenden Bitten an den Magistrat, daß er doch dem Uebel steus: ern, und nicht durch einige wenige Menschen den Wohl: stand ihrer Mitbürger ungestraft zu Grunde richten lassen follte. Sie fanden aber kein Gehör. Man seßte alle Ehrliebe und Billigkeit aus den Augen, und ließ sich nur von einer schändlichen Gewinnsucht leiten. Schon in der Meffe 1621 gab es Unruhen. Als der Magistrat aber endlich einmal am 19. Febr. 1621 bey einem Geldwechs ler eine bedeutende Summe leichtes Geld confisciren ließ;" so fiel das gemeine Volk, das bis dahin ruhig gewesen war, über das Haus dieses Geldwechslers her, und plůn: derte es rein aus. Als der Magistrat herbeyeilte, und den Tumult stillen wollte; so ward er von dem wüthens den Pöbel zurückgedrängt. Man warf mit Steinen nach ihm, und er kam auf dem Markt in Lebensgefahr. Nun ließ der Marktrichter die Sturmglocke läuten, und die Bürger zu den Waffen greifen. Diese griffen die Tumuls tuanten wüthend an, und stießen in der ersten Hite viele von ihnen nieder. Da sie aber in den folgenden Tagen die wahre Ursach dieses Unfalls, und des vielen unschul dig vergossenen Bluts, reiflicher in Erwägung zogen; so richteten sie endlich am 21. und 22. Februar ihre ganze Wuth gegen den Magistrat, erlaubten dem Påbel, einige Häus ser der vornehmsten Kipper und Wipper zu stürmen und auszuplündern, dersammleten sich dann bewaffnet auf dem Markt, droheten das Rathhaus zu stürmen, und die ih nen Verdächtigen aus dem Magistrat herunter zu holen, und zur Strafe zu ziehen. Der auf dem Rathhause vers sammlete Magistrat befand sich in der dringendsten Ge

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-fahr. Niemand wagte es ans Fenster zu treten, vielwer. niger herunter zu gehen. In dieser schrecklichen Lage bas ten die Burgemeister und Rathsherren inständigst ihren fehr geachteten und beliebten Syndikus Johann Angelus Werdenhagen, einen der damaligen größten Gelehrten und Schriftsteller, daß er sich doch zu den Aufrührern auf dem Markt begeben, und sie von weitern Gewaltthårig keiten in des Magistrats, oder lieber in seinem eignen Namen, abmahnen möchte. Dieser ließ sich durch eigne Gefahr nicht abschrecken, sich des Magistrats anzuneh men, und brachte durch sein einnehmendes fanftes Zures den die erhisten Köpfe bald soweit wieder zum Besinnen, daß sie die Waffen niederlegten, und nur gefeßmäßige Bestrafung derer verlangten, welche bisher durch das Kippen und Wippen sich zu bereichern gesucht hätten. Jedoch wollten sie in dieser Sache keinen andern aus dem ihnen verdächtigen Magistrat, ats Werdenhagen selbst, zum Richter haben. Da der Magistrat dies bewilligte, und ihn mit der gehörigen Vollmacht dazu versah; so hörte endlich das 5 Tage lang gedauerte Tumultuiren, Morden und Plündern auf, wobey 16 Menschen ihr Les ben eingebüßt hatten, und mehr als 200 beschädigt wor den waren. Werdenhagen, welcher diese schwierige Sache allein zu übernehmen sich nicht getrauete, ward nach seis nem Wunsch dabey von den Abgeordneten der Städte Braunschweig und Hildesheim, besonders von dem ger schickten Braunschweigischen Syndikus Johann Cammann, kräftig unterstüßt, und durch ihre Bemühungen wurden auch noch viele andere Streitsachen beygelegt. Aber oft ward in der Folge die Unzufriedenheit wieder rege, wenn ber Magistrat das Recht beugte, und zu nachsichtig gegen

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manche verfuhr, wie es gewöhnlich so zu geschehen pflegt, wenn man sich nicht selbst zur Strafe ziehen will. Das mit man sich aber nicht auf Werdenhagen und auf das von ihm in der Noth gethane Versprechen berufen könnte; so übertrug man ihm eine auswärtige Gesandtschaft. Dies machte den Magistrat bey den Bürgern noch verdächtiger. Diese entschlossen sich endlich, einige aus ihrer Mitte auf den Hansetag nach Lübeck zu schicken, welche die Verges hen vieler Schuldigen so ans Licht brachten, daß sie ihs rer Stellen entsekt wurden, und daß es endlich, unter Vermittelung der Hansestådte, im I. 1630 zu einer gånzs lichen Veränderung der bisherigen Verfassung der Stadt Magdeburg kam; wobey sie sich volle 300 Jahre so wohl befunden hatte. Bey diesen Unruhen hatte die Stadt Magdeburg / den im J. 1622 zu Lübeck gehaltenen Hans fetag nicht durch eigne Gesandten beschicken können, son? dern hatte die Besorgung ihrer Angelegenheiten den Abs geordneten von Braunschweig auftragen müssen. Achn liche Tumulte über das von den Kippern und Wippern verursachte große Unheil, entstanden um diese Zeit in Halberstadt, Eisleben, Brandenburg, Goslar, Berlin und an andern Orten. In Halle vereinigten sich im Jan. und Febr. 1622 die Halloren und Soldaten, stürmten und plünderten ein Haus der Kipper und Wipper nach dem andern, und thaten für mehrere 1000 Gulden Scha: den, bis endlich der Administrator sich genöthigt sah, am 12. Febr. die Tumultuanten mit einem Theil seiner Sols daten anzugreifen, wobey 2 getödtet, und viele schwer verwundet wurden. Auf einem im März d. I. zu Halle gehaltenen Landtage ward ein Múng Mandat resolvirt, and am 10. März von den Kanzeln publicirt, wodurch

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die schlechten Münzen abgeseßt und verrufen, und Ord: nung und Ruhe im Erzftift wiederhergestellt wurden. Wer nun viel von dem abgeseßten leichten Gelde besaß, litt dadurch großen Schaden, und viele geriethen darüber in Armuth, Elend und Verzweiflung. *)

Kaum war die Unruhe über die Kipper und Wipper einigermaßen geftillt, als noch in demselben Jahr 1622 heftige Streitigkeiten unter den Predigern entstanden, in welche auch die Schullehrer und der Magißrat mit hins eingezogen wurden. Der Urheber davon war der im J. 1615 zum Pastor an die Johanniskirche berufene M. Andreas Cramer, der sich schon in seiner Anzugspredigt gegen den Verdacht, ein Irrlehrer zu feyn, zu vertheis digen für nöthig fand. Er hatte schon im I. 1617 seis nes Lehrers, des im J. 1611 verstorbenen berühmten Professors Hofmann zu Helmstedt, irrige, auf Befehl seines Fürsten widerrufene, Lehrsäße von der Schädlich; keit des Studiums der Philosophie, von neuem mit eis ner sie billigenden Vorrede drucken lassen, und hatte sie in seinen gedruckten Disputationen vertheidigt. Darüber gerieth er schon im I. 1618 mit dem Professor der Phis losophie, Jacob Martini zu Wittenberg, in heftigen Streit, und es erschienen heftige und bittere Streitschrif ten von beyden Seiten. Cramer stand auch in genauer

Sagitt, hift. Magdeb, lib. 7. cap. 9. p. 116, 117. Werden-
hagen de rebusp. Hanf. P. III. cap. 18. P. 287. Olear.
Halbgraph. S. 367 369. Winnight, Halberst. Chronit
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G. 438. Chron. Afcan. ben Abel S. 647. Abels Hals
berft. Chronik S. 518. 519. Theatr. Europ. T. I. S. 455.
676. Drenh. Th. 1. S. 332. El. Pomar. Belag. Magd.
am Ende der Vorrede.

Freundschaft und Verbindung mit einem, wegen seines ans ruhigen Kopfes und seiner Irrlehren aus Helmstedt reles girten, und nach Magdeburg geflüchteten, M. Schilling, welcher ebenfalls ein heftiger Feind des Studiums der Philosophie und anderer akademischen Studien war, und viel mit Gespenstern und Geistern zu thun hatte. Uebers dem empfahl Cramer in seinen Schriften, so wie auf der Kanzel und in den Bürgerhäusern, einen damals viel Aufsehen machenden, angeblichen Schul Reformator, Wolfgang Ratich, und fuchte ihn zum Nachfolger des vom Schlage gerührten, frank liegenden, Rectors Göhe an der Stadtschule zu machen. Er brachte es auch das hin, daß der Magistrat, mit Zuziehung einiger Predis ger, eine Untersuchung anstellte, über die von Cras mern so hoch gerühmte Schulverbesserung des Ratichs, wornach ein Schüler in einem Jahre lateinisch und an: dere Sprachen fertig lernen, und in einem Jahre in sei: nen Kenntnissen weiter kommen sollte, als andere bisher in 5 bis 6 Jahren gekommen wären. Cramer konnte aber zu seinem großen Verdrußse mit Ratich nicht durch! dringen. Besonders widerseßte sich ihm der Schwager des kranken Rektors Göhe, der Pastor an der Ulrichsskirche, Gilbert de Spaignart, der auch Schulpredigten gegen die so gerühmte Ratichsche Methode hielt und drus den ließ, und es dahin zu bringen wußte, daß sein 2ter Schwager, der Rector in Halle, Siegmund Evenius, im März 1622 Rector an der Stadtschule in Magdes burg ward. Als dieser nun am 20. Nov. d. J., nach eis ner schon an die 70 Jahre bestandenen Einrichtung in der Stadtschule, eine öffentliche Disputation über gewiffe theologische Lehrsäge halten ließ, worin anter andern bes

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