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Fürst Hohenlohe an sämtliche Minister mit Ausnahme des Kriegsministers.

Eurer Exzellenz

München, 14. Februar 1870.

beehre ich mich ganz ergebenst mitzuteilen, daß ich nach Rücksprache mit Seiner Exzellenz dem Herrn Kriegsminister und nachdem derselbe die Bedenken, welche er im gestrigen Ministerrate gegen mein einseitiges Vorgehen erhoben hatte, fallen gelassen hat, mich entschlossen habe, noch heute mein Entlassungsgesuch Seiner Majestät zu überreichen. Ich habe mich zu diesem Schritte auch aus dem Grunde veranlaßt gesehen, daß ich heute Abend von Seiner Majestät empfangen werde und es mir notwendig erschien, daß Seine Majestät vorher schon die Motive in Händen habe, welche mich zu der fraglichen Bitte zwingen.

An König Ludwig.

Die Hoffnung, welche Eure Königliche Majestät in Allerhöchstderen Handschreiben vom 6. d. M. an mich auszusprechen geruhten, daß es gelingen möchte, das Mißtrauen zu beseitigen, welches gegen mich besteht, ist leider unerfüllt geblieben. Die Partei, welche nach dem Ausfalle der Wahlen die Mehrheit in der Kammer der Abgeordneten bildet, ist trok aller Mühe nicht zu überzeugen gewesen, daß ihr Mißtrauen unbegründet ist. Die gesetzlichen Vertreter des Landes haben sich in ihrer Mehrheit gegen mich ausgesprochen, und so stehe ich zwei Beschlüssen der beiden Kammern des Landtags gegenüber, welche die entschiedene Absicht bekunden, meine fernere Tätigkeit im Ministerium unmöglich zu machen. Dieses Mißtrauen mag auf vorgefaßten irrigen Meinungen oder auf Einwirkung von außen beruhen, Tatsache ist, daß beide Körperschaften, mit welchen die Regierung das Wohl des Landes zu beraten hat, eine feindselige Stellung gegen mich genommen haben. Ich bin Eurer Königlichen Majestät für die Festigkeit, mit welcher Allerhöchstdieselben mich bisher zu unterstützen die Gnade hatten, aus tiefstem Herzen dankbar. Aber eben diese Dankbarkeit und die treue Anhänglichkeit an Eure Majestät legten mir die Pflicht auf, mit mir zu Rate zu gehen, ob ich einen weiteren Anspruch auf die Unterstüßung Eurer Königlichen Majestät erheben darf, ohne Eure Königliche Majestät den ernstesten Gefahren preiszugeben. Nie, solange die bayrische Verfassung besteht, haben sich die Monarchen Bayerns vom konstitutionellen Wege entfernt. Selbst nach den stürmischen Ereignissen des Jahres 1848, wo zur Wiederherstellung geordneter Rechtszustände in fast allen Staaten Europas Oktroyierungen oder Staatsstreiche stattfanden, hat sich Bayern nicht auf diesen Weg drängen lassen. In dieser Tatsache wurzelt neben der angeborenen Anhänglichkeit das tiefe

Vertrauen, welches das bayrische Volk in seine Dynastie seht. Ich kann Eurer Königlichen Majestät nicht raten, einen andern Weg einzuschlagen, welcher das Vertrauen des Volks in Eure Königliche Majestät vermindern und Allerhöchstdieselben, wenn auch nicht mit Notwendigkeit, doch möglicherweise zu gewaltsamen Schritten führen könnte.

Eure Königliche Majestät würden damit einer um so größeren Gefahr entgegengehen, als sich in nicht zu ferner Zeit gewaltsame Umwälzungen in Frankreich und vielleicht auch in andern europäischen Staaten voraussehen lassen. Träfe eine solche Zeit mit einer Beunruhigung des Königreichs zusammen, welche in dem Umstand Nahrung fände, daß den konstitutionellen Rechten zuwidergehandelt worden ist, so würde die Bewegung sich nicht mehr gegen das Ministerium, sondern gegen die Allerhöchste Person Eurer Königlichen Majestät selbst richten. Einer solchen Eventualität dürfen Eure Königliche Majestät nicht ausgesetzt werden. Ich erlaube mir den ehrfurchtsvollen Rat, Eure Majestät wollen sich in den konstitutionellen Formen eine stets bereite Handhabe erhalten, um die Beruhigung des Landes nach der einen oder der andern Richtung herbeizuführen. In dieser Erwägung und lediglich im allerhöchsten Interesse Eurer Königlichen Majestät wage ich daher die alleruntertänigste Bitte, mich von dem mir allergnädigst übertragenen Amte entheben zu wollen. Ich bin bereit, die Geschäfte des Ministeriums fortzuführen bis es Eurer Königlichen Majestät gelungen sein wird, den Eurer Königlichen Majestät geeignet erscheinenden Nachfolger zu finden.

Journal.

München, 14. Februar 1870.

Um 3 Uhr schickte ich mein Entlassungsgesuch an den König. Um 1/27 Uhr ging ich in die Residenz. Der König empfing mich sehr liebenswürdig, bedauerte die Lage der Dinge und daß es soweit gekommen sei, schien aber wohl einzusehen, daß ich nicht anders habe handeln können. Er war über die Verhandlungen in der Kammer der Abgeordneten sehr wohl unterrichtet, zitierte Stellen aus meiner Rede und sprach seine Entrüstung über die „Patrioten“ aus. Er meinte, es sei eine Schwäche, nachzugeben, und bestritt meine Auffassung. Ich suchte ihm zu beweisen, daß ich nur in seinem Interesse handle, indem ich ihn nicht in eine Lage versezte, entweder nachzugeben oder zu einem Staatsstreich zu kommen. Ich sagte, daß er vollkommen in seinem Recht gewesen sei, der Kammer der Reichsräte sein Mißfallen zu erkennen zu geben, daß aber der Beschluß der gewählten Vertreter des Landes eine andre Bedeutung habe und das Verbleiben eines Ministers, dem die Kammer so feindlich gegenüberstehe, zu übeln Folgen führen könne. Er protestierte dagegen, daß er unkon

stitutionell verfahren wolle, kam aber immer wieder darauf zurück, daß in meiner Entlassung eine Schwäche und ein Nachgeben liege. Er fragte mich, wen er denn nehmen solle, und ich nannte ihm Bray. Ultramontane Minister und insbesondere Thüngen will er um keinen Preis. Es wurde dann noch viel hin und her geredet über Konstitutionalismus, absolute Monarchie u. s. w. Schließlich fragte er mich, ob ich nicht die Geschäfte vorläufig noch fortführen wolle, was ich bejahte. Beim Nachhausegehen begegnete ich Hörmann, der mir bestätigte, daß ich vollkommen recht getan habe und daß vorläufig an eine Versöhnung zwischen mir und der Patriotenpartei nicht zu denken sei.

München, 17. Februar 1870.

Werthern teilte mir im Auftrage des Grafen Bismarck folgendes mit: Bis auf die neueste Zeit habe es ihm zweckmäßig geschienen, daß ich abginge. Ich würde, habe er gemeint, mich nur in kleinen Streitigkeiten aufreiben und sei dann nicht mehr fähig, bei großen Aktionen mitzuwirken.

Seitdem sich aber der König mit solcher Entschiedenheit in den Vordergrund gestellt habe, bedürfe es nicht mehr des Experiments, welches mein Rücktritt zur Folge habe, um den König zu überzeugen, daß er mit der ultramontanen Partei nicht regieren könne. Diese Ueberzeugung habe der König. Wenn Werthern sage, er wisse nicht, wie weit und in welchen Schritten mich der König unterstüßen werde, so liege dies doch nur in meiner Hand. Der Kampfplatz sei geöffnet, ich brauche daher nur anzufangen. Als Mittel des Kampfes bezeichnet Bismarck die Auflösung der Kammer der Abgeordneten und einen Pairsschub.

Ferner teilt mir Werthern ein langes Exposé über das Hospiz dell'Anima in Rom mit. Nach einem Breve von 1859, welches infolge einer Enquete erlassen wurde, blieb Desterreich im Besit des Protektorats jener Anstalt. Preußen findet dies „nach Königgräß und Prag“ ganz unzulässig und will dieses Protektorat Desterreich streitig machen. Er fragt, ob ich von der Sache Kenntnis habe, wie ich es ansehe, und ob Bayern geneigt sei, sich den Schritten anzuschließen, die Preußen im allgemeinen deutschen Interesse zu tun beabsichtige. Ich erwiderte, daß mir die Verhältnisse der Anima nicht unbekannt seien, daß ich aber die Sache für ernst hielte, da gleichzeitig Desterreich und der Jesuitenorden verletzt würden, und daß ich erst Tauffkirchen zum Bericht auffordern müsse u. s. w., ehe ich mich weiter erkläre.

Aus einem Briefe Döllingers an den Fürsten.

München, 21. Februar 1870. Die Lage wird immer ernster und drohender. Eben kündigt die ,,Donauzeitung" an, daß neben Ketteler und Melchers auch unser Herr Erz

bischof zu den Infallibilisten übertreten wolle. Sehr möglich, da er unter dem Einflusse seines Sekretärs Kagerer steht, dessen Gesinnung allgemein bekannt ist.

Das Rettungsmittel wäre ein gemeinschaftliches Vorgehen der Mächte, Frankreichs vor allem, Oesterreichs, Bayerns. Aber dazu, fürchte ich, ist keine Aussicht.

Angesichts des Schema de ecclesia erscheint jedenfalls die von Eurer Durchlaucht im Sommer ergriffene Initiative vollständigst gerechtfertigt.

Ich selber hätte noch vor einigen Monaten so etwas nicht für möglich gehalten.

König Ludwig an den Fürsten Hohenlohe.

Mein lieber Fürst!

München, 7. März 1870.

Sie haben wiederholt an mich die Bitte um Enthebung als Staatsminister des königlichen Hauses und des Aeußern gebracht. Nach eingehender Prüfung der Verhältnisse habe ich in Würdigung der von Ihnen vorgebrachten persönlichen Motive diesem Ihrem Gesuche heute Folge gegeben. Indem ich Ihnen dies eröffne, fühle ich mich gedrungen, Ihnen für die opferwillige Hingebung und bewährte Treue, wodurch Ihre Amtsführung ausgezeichnet war, mit vollstem Herzen meine Anerkennung auszusprechen. Dieser Anerkennung tatsächlichen Ausdruck zu verleihen, habe ich Sie, mein lieber Fürst, in die Zahl der Kapitulare meines Ritterordens vom heiligen Hubertus aufgenommen. Indem ich Ihnen die erneute Versicherung meines freundlichen Wohlwollens erteile, verbleibe ich fortan

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