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den Judenschutz in Soest. Wie gross um diese Zeit die Gemeinde gewesen, lässt sich nicht bestimmen.

Nach der Zinssumme zu urtheilen, war ihre Zahl indess gering, wenn anders sich die Höhe des Judenzinses nach der Grösse der Gemeinde richtete, wie dies ja in den meisten Städten der Fall war. Ueber ihre sonstigen Verhältnisse während des während des XIV. Jahrhunderts besitzen wir keine sicheren Nachrichten. Das eine steht fest, dass sie unter dem Schutz der Kölner Erzbischöfe standen, so lange diese natürlich die Oberhoheit über Soest inne hatten. Als aber im Jahre 1434 die sog. Soester Fehde ausbrach, *) welche Soest und Köln in einen erbitterten Kampf verwickelten, der mit einer Niederlage der Kölner und der Losreissung der Stadt Soest von Köln endete, verlor der Erzbischof von Köln alle Hoheitsrechte, und so fiel auch die advocatia judeorum an die Stadt Soest.

Die Juden standen also während des XV. Jahrhunderts unter dem Schutze der Stadt Soest.

Die Abgaben, welche sie der Stadt zu zahlen hatten, richteten sich jedenfalls nach der Grösse des Vermögens jedes Einzelnen. Hierfür spricht wenigstens der Umstand, dass der eine Jude mehr Steuer als der andere

*) Barthold, Geschichte der Stadt Soest, S. 145.

an die Stadt zu zahlen hatte, wie verschiedene Quittungen aus der Mitte des XV. Jahrhunderts beweisen. (IV.)

Was die rechtliche Stellung der Soester Juden während des XV. Jahrhunderts betrifft, so giebt uns ein Judenbrief, welcher 1541 für zwei jüdische Familien ausgestellt wurde einigermassen Auskunft darüber. Der Magistrat von Soest hatte nämlich im Jahre 1501 beschlossen, dass fortan nur zwei jüdische Familien und zwar mit seiner besonderen Erlaubniss in Soest wohnen dürften.

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Im Jahre 1541 machte der Magistrat nun zum ersten Male von dieser Bestimmung Gebrauch, indem er den Familien der Juden Berndt und Nathan, die Erlaubniss zehn Jahre in Soest zu wohnen, ertheilte. Der für diesen Zweck ausgestellte Judenbrief ist uns erhalten worden. (V.) Mit Sicherheit lässt sich annehmen, dass die Rechtsfähigkeit der Juden in Soest vor 1501 im Wesentlichen den in diesem Briefe enthaltenen Bestimmungen entsprach.

Der Magistrat von Soest hatte durchaus keinen Grund, jene beiden Familien besser oder schlechter zu behandeln, als die früher in Soest lebenden Juden.

Es ist daher wohl der Rückschluss gerechtfertigt, dass die Rechtsstellung der Soester Juden während des

XV. Jahrhunderts ganz dieselbe war, wie sie in dem Judenbriefe für die beiden Familien fixirt wurde. *)

Vermuthlich sind die in dem Briefe vorkommenden Bestimmungen aus einer alten Judenordnung; sie tragen wenigstens der Form nach einen ganz legislatorischen Charakter, der mit der sonstigen Form der Judenbriefe stark differirt.

Untersuchen wir die in dem Judenbriefe enthaltenen Bestimmungen, so kommen wir zu folgendem Resultat: Zunächst war den Juden der Wucher gestattet.

Wenn ein in Soest lebender Bürger auf etliche Wochen Geld von einem Juden lieh, so hatte dieser das Recht, von dem Goldgulden sechs und von der Mark drei Feringe Zins zu fordern.

Dagegen konnte derselbe von ausserhalb Soest wohnenden, überhaupt von Fremden, béliebige Wucherzinsen nehmen.

Eigenthümlicher Art waren die für die Juden geltenden Bestimmungen des Pfandrechts.

Hatte Jemand einem Juden eine Sache verpfändet und wollte dieser nach einem halben Jahre dieselbe

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*) Es versteht sich von selbst, dass nicht alle Bestimmungen des Judenbriefes in dieser Form für die frühere Zeit Geltung hatten, nur die wesentlichsten Punkte, wie die Bestimmungen über den Wucher, das Pfandrecht, ihre Lebensweise waren jedenfalls dieselben, während die übrigen auch hier dem Bedürfniss der Zeit angepasst waren.

nicht länger als Pfand besitzen, so konnte er dem Eigenthümer durch einen Stadtknecht auffordern lassen, sein Pfand einzulösen. Der Stadtknecht stellte dann dem Eigenthümer zur Einlösung des Pfandes einen bestimmten Termin. Wurde an diesem Termin das Pfand nicht eingelöst, so durfte der Jude nach Belieben mit demselben schalten.

Hatte ein Jude ein Pfand angenommeu und ein dritter wies sein Eigenthumsrecht an demselben nach, so war der Jude verpflichtet, dasselbe dem Eigenthümer zurückzugeben, wenn ihm das Pfandgeld von diesem zurückbezahlt war.

Auch musste jeder Fall dieser Art dem Bürgermeister der Stadt bekannt gemacht werden.

Als Einwohner der Stadt hatten die Juden die Pflicht, die gewöhnlichen städtischen Leistungen, als Wachtdienst und Grabenwerk zu verrichten und Accise zu geben.

Um dem Verbrechen keinen Vorschub zu leisten, hatte man den Juden untersagt loses Gesindel im Hause zu beherbergen; mochte es doch häufig vorgekommen sein, dass die Juden die von den Beherbergten gestohlenen Gegenstände entweder kauften oder verbargen.

Ihren Bedarf an Fleisch mussten sie von den Fleischhauern beziehen; selbst zu schlachten, war ihnen nicht gestattet.

Auch war es keinem Juden erlaubt ein Handwerk zu betreiben, eine Bestimmung, welche im Mittelalter in den meisten übrigen Städten Deutschlands herrschte.

Derjenige, welcher hiergegen verstiess hatte eine bestimmte Summe als Strafe sowohl der Zunft, deren Handwerk er betrieb, als auch der Stadt zu bezahlen.

Ob die Juden eine bestimmte Vertretung vor Gericht oder anderer Vorrechte bezüglich der Gerichtsbarkeit in Soest genossen haben, ist nicht überliefert. Indess ist uns der Soester Judeneid erhalten, der in mehr als einer Hinsicht interessant sein dürfte.

In ganz Deutschland wurden die Juden zum Eide zugelassen. Aber damit auch in diesem Punkte ein Unterschied zwischen ihnen und den Christen herrsche, trug die Eides formel selbst, sowie die derselben vorhergehenden Ceremonien einen ganz eigenartigen Charakter. Die Eides formel enthielt cine Berufung auf Thatsachen, die den Juden laut der Bibel als heilig oder ungeheuerlich erscheinen musste. Die für fast ganz Deutschland recipirte Eidesformel aus dem sogenannten „Erfurter Judeneid trug vor Allem diesen eigenthümlichen Charakter. *) Aehnlich an Inhalt und Form war der Soester Judeneid. Die diesem Eide vorhergehenden Ceremonien waren folgender Art.

*) Vergl. Stobbe, S. 157.

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