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Dem Begriff Frieden begegnen wir in dem Rechtsbuch, welches über das in jenem Teile Polens angewandte Strafrecht handelt, der im XIII. Jahrh. unter die Herrschaft des Deutschen Ordens gelangt

war.

Unter dem Schutze des Herren- und Landfriedens standen die öffentlichen Wege; wer auf diesem Territorium jemanden ein Unrecht zufügte, der beging einen Bruch des Herrenfriedens, der von den Polen als Herren hand, bezeichnet wurde. Dem Schutz des Friedens in dieser Bedeutung unterlagen nach den Bestimmungen des Rechtsbuches auch die Dorfwege und Märkte. Der in dieser Form auftretende Frieden bildete eines der Fürsten- oder Herrenrechte, mit dem diese das ihnen zugehörige Land vor jeder Art Gewalttätigkeit oder vor Überfällen schützten.

Für den Bruch des Fürsten- oder Herrenrechtes im Bereich des denselben zugehörenden Territoriums galt die Strafe von 50 Mark, insofern aber der Bruch desselben aufjöffentlichen Wegen, Dorfwegen oder Märkten, die ebenfalls unter dem Schutz dieses Friedens standen, erfolgte, betrug die Strafe 6 Mark 1).

Nach dem Rechtsbuch unterschied man eine zweifache, gewissermaßen typische Form des Bruches des Fürsten- oder Herrenfriedens auf öffentlichen Straßen, Dorfwegen und Märkten, und zwar: Totschlag und tätliche Beleidigung, indem man danach die Höhe der Strafe bemaß, die sich außerdem im Verhältnis zum Charakter der getöteten oder beleidigten Person entsprechend steigerte.

A.) Totschlag.

1. Für die Tötung eines Ritters auf öffentlichen Straßen zahlte der Täter dem Herrn des Landes für den Friedensbruch 50 Mark, ebensoviel den Verwandten des Getöteten; fehlten solche, so ging diese Summe ebenfalls in die Kasse des Herrn des Landes.

2. Analoge Strafen waren auch angedroht, wenn ein Kaufmann auf öffentlichen Straßen getötet und wenn ein Gast oder ein sich nur vorübergehend aufhaltender Ankömmling aus fremdem Lande ermordet wurde (im deutschen Text: mordet!)

1) Die im polnischen Recht häufigst vorkommenden Geldstrafen in der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes waren folgende:

1. die sogenannte (quae dicitur) Strafe von 6 Mark (poena sex marcarum),
2. die sogenannte Strafe pietnadzieścia (poena quindecim) im Werte
von 3 Mark,

3. die Strafe siedmdziesiąt (septuaginta) im Werte von 14 Mark. (Bandtkie-
Jus Polonicum p. 27).

Archiv für Kriminalanthropologie. 30. Bd.

3. Für die Tötung eines Bauers- oder Landmannes war eine Strafe von 50 Mark angedroht, welche für den Friedensbruch dem Herrn des Landes zufiel, die Verwandten des Getöteten erhielten 30 Mark.

4. Für die Tötung eines Ritters oder eines rittermäßigen Mannes auf einem Dorfwege oder auch beim Passieren von einem Dorf zum andern zahlte der Täter 6 Mark demjenigen, dem das Gericht zustand also dem Besitzer, dem Herrn des Grund und Bodens (da die Gerichtsbarkeit damals dem Eigentümer zustand) 50 Mark dagegen den Verwandten des Getöteten,

5. für die Tötung eines Landmannes entsprechend wieder 6 Mark für den Friedensbruch, 30 Mark für den Kopf (d. h. den Verwandten des Getöteten).

B.) Tätliche Beleidigungen.

1. Für tätliche Beleidigung (im Texte: slagen) eines Ritters durch einen Bauer zahlte dieser für den Friedensbruch dem Herrn des Landes 6 Mark, ebensoviel für die Beleidigung selbst dem

Beleidigten.

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2. Für tätliche Beleidigung eines Bauers durch einen Ritter zahlte dieser für den Friedensbruch 6 Mark, dagegen für die Beleidigung selbst 300 ), somit also bedeutend weniger als im 1. Fall.

3. Für die tätliche Beleidigung eines Bauers auf dem Markte war für den Friedensbruch die Strafe von 6 Mark angedroht, ebensoviel scheinbar für die Beleidigung selbst, wenn auch eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt.

4. Für die tätliche Beleidigung eines Bauers auf dem Markte drohte eine Strafe von 6 Mark für den Friedensbruch, dagegen nur 300 für die Beleidigung selbst, also analog zu Fall 22).

Außer diesen im Rechtsbuch angeführten, den Schutz des Friedens direkt und deutlich normierenden Vorschriften, welcher Frieden unter der Form des Fürsten- und Herrenfriedens, von den Polen auch ,,reka pańska" (Herrenhand) genannt, auftritt, trugen den Charakter „reka von Friedensdelikten außerdem die im polnischen Recht des XIII. Jahrhunderts erscheinenden Delikte unter dem Namen „zboj“ und lotrostwo" (spolium publicum), welche den allgemeinen Frieden bedrohten 3).

1) Diese als die geringste in Polen in damaliger Zeit bekannte Geldstrafe betrug nach dem Rechtsbuche a. d. XIII. Jahrh. früher 300 Stück Salz, (stuckelin zalczes), später einige Groschen. (Handelsmann Die Strafe im ältesten poln

Rechte 1908.)

2) Hube, Polnisches Recht im XIII. Jahrh. Warschau 1875. S. 176 u. f. 3) 1242: propter spolium publicum et violenciam . . . nolis poenam luet

causa

Diese Delikte, welche aus Rücksicht auf ihre besondere Wichtigkeit von den Diplomaten (Diplomata): „gravis causa enormis" genannt wurden, unterlagen der Kompetenz des Kastellangerichtes, das in dieser Hinsicht mit dem Hof-Fürstengericht kon

kurrierte.

Das Delikt des Hausfriedensbruches, das sowohl in dem vom Bischof Peter der Stadt Plock im Jahre 1223 verliehenen Privilegium), wie auch in dem Judenprivilegium v. J. 1264 unter dem Namen „Hausüberfall" auftritt, war in Hinsicht auf seine besondere Wichtigkeit ebenfalls der fürstlichen Jurisdiktion vorbehalten, und der Täter wurde ebenso gestraft wie derjenige, der die fürstliche Schatzkammer plünderte 2).

Im polnischen Recht des XIII. Jahrh., sowie im großpolnischen Statut aus der Zeit Kasimirs des Großen, finden wir ebenfalls eine Erwähnung von dem Friedensschutz der öffentlichen Straßen und von einem Friedensdelikt, das unter der Form Vergewaltigung der öffentlichen Straße" (de violentia stratae publicae) analog zu den Vorschriften des Rechtsbuches des XIII. Jahrh. auftritt.

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Von den verschiedenen Formen der Gewaltätigkeit oder violentia unterscheiden sich aus Rücksicht auf ihren prägnanten Charakter als Friedensdelikte:

1. Das Eindringen in ein Haus oder eine Wohnung und

2. die sogenannten: zajazdy oder najazdy oder auch najścia (Überfälle), die mit Hilfe verschworener, zu Pferd oder zu Fuß versammelter und an den Ort der Tat eingetroffener Leute verübt wurden.

Das Delikt „des Eindringens in ein Haus oder eine Wohnung" (in habitationem invasio), der „Vergewaltigung des Hauses" und mittelbar auch der Entehrung (dehonestatio) des Eigentümers oder eines Hausbewohners trug entweder den Charakter eines an und für sich strafbaren Deliktes oder auch eines die Strafverantwortlichkeit des Täters erschwerenden Umstandes. Im ersten Falle zog obiges Delikt. an und für sich die Strafe von 15 Mark und weitere fünfzehn zu Gunsten des Gerichtes nach sich; wenn es jedoch mit einem anderen Delikte konkurrierte, wenn z. B. bei dem Überfall des Hauses jemand

(c. D. 1). 1261: spolium publicum, quod zboj dicitur, tam in judicio quam in solucione ad nos pertinet u. a.“ (Hube, ib. S. 19 u. f.)

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1) nisi sit causa tam ardua que ad evidenciam ducis defferatur scilicet pro pugna in gladio percussionis in via vel domo."

2) Qui per vim obstulerit a judeo aut violentiam in domo sua exercueritt ut dissipator nostre camere graviter puniatur" (Hube — ibid).

von den Hausbewohnern verwundet oder auch ergriffen wurde, dann verurteilte das Gericht zur Zahlung einer zweiten pietnadziesta (poena quindecim): 1)

Das Delikt des Überfalles eines Hauses als gravis causa causa enormis entzogen die Fürsten wiederholt der gewöhnlichen Jurisdiktion, indem sie das Recht des Richters sich selbst vorbehielten; später gingen Sachen dieser Art in die Jurisdiktion des Starosten über.

Nach dem großpolnischen Statut standen der Hof und das Haus eines Ritters unter dem Schutze eines besonderen gewissermaßen verstärkten Friedens, dessen Bruch durch Begehung von Delikten auf dem Hof oder im Hause eines Ritters schärfere Strafen als unter gewöhnlichen Umständen nach sich zog 2).

Unter dem Schutze eines solchen Friedens standen nach dem polnischen Rechte außerdem die Juden3) und die Amtsdiener'). Laut Bestimmungen des Statuts des Fürsten Konrad v. J. 1496 sollte während der Abhaltung der Gerichtsverhandlungen) ein besonderer Frieden herrschen. Der Bruch eines solchen Gerichtsfriedens zog eine Kapital-Strafe nach sich.

Im masovischen Rechte finden wir ebenfalls Bestimmungen, welche davon zeugen, daß die Privathäuser seit langen Zeiten unter besonderem Schutze standen und sich die Fürsten öfters das Recht der Entschädigung für Verletzung des Hausfriedens vorbehielten.

1) 1359: „Petrus de Lipnik contumax binam poenam XV, primam quia violavit domum et secundam, quia detenuit fratrem dni Dobrocii (Wislitza).

1392: „terminum dedit pro eo, quod ad suam villam transivit et hostium fregit et pro isto eum dehonestavit. (Pozn.)

1396: „uxor Bavor assitit suo termino super Vincencio castellano naklensi, pro eo quod violenciam fecit et dimisit suos kmethones . . . super ipsius domum suum maritum incaptivare fecit in sua domo.“ (Posn).

...

Hube, Das polnische Recht im XIV. Jahrh., Die Gerichte deren Praxis und die Rechtsverhältnisse in Polen gegen Ende des XIV. Jahrh. 1856. S. 269 u. f. 2) VI. 140. XXXII. 156. Hube, Die Gesetzgebung Kasimirs des Grossen,

1881.

3) Die Juden als servi camerae erfreuten sich eines speziellen Schutzes seitens der Herrscher.

4) N. C. de Cpenam XV domino Cracoviensi et iudicio XV pro eo, quod Cz. ministerialem ad mortem suspendi iudicavit minus iuste.“ (Kutrzeba, der Totschlag im polnischen Rechte im XIV. und XV. Jahrh. – Krakau 1907 S. $1).

5) Statut des Fürsten Konrad v J. 1496: „Si quis in oppido seu loco terminis celebrantibus aliquem vel etiam ad terminos euntem vel ex terminis ad domum redeuntem occiderit sub tempore terminorum, talis pro pena domino principi solvet quinquaginta sexagenas, et nihilominus propinquis occisi juxta statutum antiquum idem percussor et homicida solvet penam capitis." (Kutrzeba, Der Totschlag u. s. w. S. $3.)

Nach dem Gewohnheitsrecht trug die Störung des Hausfriedensbruchs entweder den Charakter eines Deliktes an und für sich oder nur eines die Strafverantwortlichkeit des Täters erschwerenden Umstandes, wenn mit derselben die Verwundung oder auch die Tötung eines Hausbewohners verbunden war. In diesem zweiten Falle zahlte der Täter den Verwandten des Getöteten resp. dem Verwundeten, besonders aber dem Herrn des Hauses für den Friedensbruch 1). Das Statut Konrads III. vom Jahre 1496 bestimmte, daß, wenn der Herr des Hauses den Hausfriedensbrecher durch sechs Zeugen überführte, dieser seiner Ehre und seines ganzen Vermögens beraubt werden sollte; ein Teil des Vermögens wurde als Schadenersatz verwendet, der Rest aber zu Gunsten des Schatzes 2). Mit einem besonderen Friedensschutz war nach dem masovischen Rechte die Person des Ritters wie auch sein Haus umgeben. Die Tötung eines Ritters durch einen Nichtadeligen wurde in Masovien für ein so großes Verbrechen gehalten, daß Kasimir, der Fürst von Warschau, in den Bestimmungen des Privilegs vom Jahre 1350 die Bewohner der bischöflichen Güter von der allgemeinen Gerichtsbarkeit ausschloß, sich das Recht der Jurisdiktion über sie nur in einigen Fällen schwererer Verbrechen vorbehielt und an deren Spitze stellte: „Si aliqui (von den Bewohnern der bischöflichen Güter, also des Nichtadels) militem ius militare habentem in via publica seu in domo violenter invasum occiderint“. Tötete dagegen ein Landman einen anderen, so befreite er sich von der Strafe für Totschlag, wenn er drei Schock Groschen zahlte. (a poena homicidii liberabatur).

Die zweite Form der Gewalttätigkeit oder der violentia, ein mit prägnantem Charakter unter obiger Form des Fehderechtes, der Rache oder auch der Erpressung resp. Unterstützung widerrechtlicher oder mutmaßlicher Ansprüche erscheinendes Friedensdelikt, bildeten die sogenannten zajazdy oder najazdy oder auch najścia (Überfälle), je nach der Art ihrer Ausübung.

Das unter obiger Form auftretende Fehderecht, die Rache, die häufig alle Merkmale blutiger Überfälle und bewaffneter Expeditionen annahmen, welche gewöhnlich mit Verübung von Gewalttätigkeiten an der Person des Gegners, der Hausbewohner oder auch an seiner Habe verbunden waren, erhielten sich als faktische Erscheinung noch lange Zeit sowohl in Polen, als auch im Ruthenenland, obwohl sie den Charakter einer Rechtsinstitution bereits verloren hatten.

1) Jus. Pol. 401: De invasione nobilium etc. Dunin. Das alte masovische Recht 1880 S. 192.

2) Jus. Pol. 449: De invasione domus.

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